Spiel mit dem Unbekannten – ein kleines Porträt von Paul Bley aus dem Jahr 1992
DER LINK
Dank des „Radiohoerers Henry“, und dank unserer Redaktionsassiatentin Martina Bedzent liegt nun der Link vor zu einer Ausgrabung aus den Archiven. Anno 1992. Als Einstimmung ein Text aus alten „Mana-Zeiten“:Herzlichen Glückwunsch, wenn Sie dieses Trioalbum besitzen, in knisterndem Vinyl, mit Paul Bley, Bill Connors und Jimmy Giuffre. Sie haben eine Rarität in Händen, ein lang vergriffenes Stück Historie, einen kleinen Meilenstein. Ich bekam diese Platte, wenn ich mich recht entsinne, von Jazz by Post zugeschickt, meinem Pasinger Stammlieferanten für aufregenden Jazz in den 70er und frühen 80er Jahren. Carol Goss hat das Cover mit schneller Hand gezeichnet, in kurzer Zeit den Ideen in ihrem Kopf flüchtigen Halt geboten. Paul Bley hatte damals ein eigenes Schallplattenlabel ins Leben gerufen, Improvising Artists Inc. (I.A.I.). Auf einem anderen Werk spielte er an der Seite des Sun Ra -Companion John Gilmore. Und da war sein Solo-Piano-Album „Alone, Again“: ganz nah kam es heran an den Zauber seines Klassikers „Open, To Love“ (ECM). Ein Meister der Andeutung, der Pausen, des Ausschwingens einzelner Töne. Auf „Open, To Love“, erzählte er mir früh in den Neunzigern, in einem Bremer Hotel, wollte er (neben allem, wer da eine Rolle spielte, Carla (Bley), Annette (Peacock), ihre Präsenz, ihre Schatten, ihre kargen Kompositionen), die Hüllkurven von elektronischen Sounds auf dem Flügel nachempfinden. Aber zurück zu der anfangs erwähnten Schallplatte: „Quiet Song“ ihr Titel, und Sie sollten, statt jetzt eine Rezension zu erwarten (in der dann Worte auftauchen würden wie „skelettiert“, „leuchtend“, „Gesänge“, aber natürlich auch „Jimmy“ und „Bill“, dessen schönstes Soloalbum „Theme From A Gaurdian“ bitte bald von ECM wieder ans Tageslicht befördert werden möge), sich langsam, aber sicher auf die Suche machen nach dieser Produktion, vorausgesetzt, Sie mögen flüchtige, widerständige Töne!
Dreams so real und Blonde on Blonde
Vor einigen Tagen fragte mich David Rothenberg, wen aus dem ECM-Kosmos ich denn noch gerne porträtieren würde. Mit Jarrett, DeJohnette, Reich, Garbarek kamen Begegnungen ja leider nicht zustande; daher wäre Gary Burton vielleicht der einzige der alten, der ersten ECM-Generation, der noch auf meiner imaginären Liste wäre, auch wenn ich alles andere als ein fundierter Kenner seines enorm umfang- wie einflussreichen Werks bin.
Nun wollte ich die Chance allerdings nicht ungenutzt lassen und schrieb ihm eine E-Mail. Und, erstaunlicherweise, schneller als irgendjemand sonst von all jenen, die ich kontaktiert habe, antwortete er innerhalb von nicht mal einer Stunde: Sicher, komm gerne vorbei. Sag einfach, wann, und ich trag’s in meinen Kalender ein. Also fuhr ich ihn zu Hause besuchen und habe ihm nun gerade ein paar Stunden lang zugehört. Er hatte sich sogar schriftlich vorbereitet und seine ECM-Diskografie und ein paar zentrale Eckdaten vorab notiert:
Ich hatte ihm vorab mein Gespräch mit Carla Bley und Steve Swallow zu Dreams so real – Music of Carla Bley geschickt, und habe ihn dann auf Carlas „I didn’t like this one“ angesprochen. Für Gary war das eine neue Information, er gebe allerdings auch zu, dass er das Album selbst seit damals nicht mehr angehört habe. Er gab ausführliche Einblicke in seine Zusammenarbeit mit Manfred Eicher, von dem (und von Martin Wieland) er bei den zahlreichen gemeinsamen Produktionen unglaublich viel gelernt habe – weshalb er im übrigen später seine Alben allesamt selbst produzierte. Während seine zahlreichen Grammys hinter ihm im Regal standen, blieben seine Erinnerungen keineswegs ohne (selbst-)kritische Anmerkungen. Er schilderte faszinierend von seiner langen Karriere, erzählte auch recht offen von seinen zahlreichen bekannten Musikerfreunden und -kollegen.
Eine Weile sprachen wir über noch aktive ü80-jährige Musiker, und Gary erzählte, wie ihn der Dylan-Film A Complete Unknown berührt habe. Er selbst kam just zur selben Zeit aus dem Mittleren Westen (Indiana) nach New York und baute sich zeitgleich wie Dylan seine Karriere dort auf. „I knew half the people in that movie“ – und er habe teils in den Jazzclubs auf der gegenüberliegenden Straßenseite gespielt, Dylan allerdings leider nie getroffen; einmal wurde ein Doppelkonzert mit seiner und Dylans Band angesetzt, worauf er geradezu hinfieberte, doch leider sprang Dylan dann ab. Gary erzählte auch, dass ihn Blonde on Blonde 1966 so begeistert habe, dass er zwei der Musiker für sein eigenes nächstes Album buchte. Die erzählten ihm dann viele beeindruckende Geschichten von den Studio-Sessions mit Dylan, etwa dass er einmal einige Stunden lang die Band draußen in der Gasse spielen und aufnehmen ließ, dann aber doch erkannte, dass das Ergebnis nichts taugte; oder die Situation, als Dylan eines Tages im Studio noch einen Song fertig schreiben wollte, die nach Stunden bezahlte Band und Musiker sechs Stunden warten im Studio warten ließ, während er den Song schrieb … und dann die folgenden sechs Stunden, bis sechs Uhr morgens, spielten sie Sad Eyed Lady of the Lowlands ein. Wie sicher müsse sich jemand seiner Kunst sein, kommentierte Gary, als junger Mann in Anwesenheit stundenlang wartender Musiker und Techniker solche Konzentration und Selbstsicherheit aufbringen zu können – und am Ende entsteht so ein zwölf Minuten langer Song?
Auch erzählte Gary, wie er beim letzten Amerika-Konzert der Beatles war, mit zahlreichen Freunden, dann das Angebot bekam, die Band backstage zu besuchen, er aber meinte, „Ach, muss nicht sein, die Gelegenheit wird sich sicher noch einmal ergeben.“ Er beiße sich heute noch dafür in den Hintern.
Nun mache ich mich auf dem Weg zu einer neuen Red-Hook-Studioaufnahme mit Wadada Leo Smith und Amina Claudine Myers in Manhattan, ebenfalls ü80-jähriger Musiker/innen. Mein Interview mit Amina zu ihrem in Kürze erschienenen Soloalbum wird es Anfang Juni geben. Wadada (bald 85) kommt im Herbst übrigens zum letzten Mal auf Europatournee und spielt u.a. mit Jakob Bro, Marcus Gilmore und Thomas Morgan im Boulez-Saal. Ich habe natürlich direkt eine Karte gekauft.
Ensaïmada
Wann immer mit die Gegenden von Málaga und Marbella begegnet sind: sehr warmes Wetter schien das Normale zu sein, in Reiseführern und Wetterberichten. In diesen Tagen ist eher frisches Frühlingswetter angesagt, und als ich heute Morgen eine mallorcinische Bäckerei entdeckte, tauchte jenes Gebäck auf, das unvergesslich mit meinen grossen Ferien in Teenagerjahren verbunden ist: Ensaïmada. Es wird normal mit Sauerteig gemacht, finde ich heraus, es geht aber angeblich auch mit reiner Hefe. Der Geschmack ist so speziell, warum auch immer, dass er einen an nichts anderes erinnert.
Und damit kommen – auch ohne die Form dieses Teilchens einer psychoanalytischen Betrachtung zu unterziehen (Triggerwarnung: Vertigogefahr bei zu langem Anschauen des Objekts!) – unweigerlich jene alten Bilder und Empfindungen zu Bewusstsein, aus einem lang vergangenen Urlaub dort (die bei mir schon den Status einer „Repertoirestory haben): Lex Barker und Mario Adorf geniessen ihren Salat am Swimmingpool (es hat etwas Besonderes, als Jugendlicher alten Karl May-Helden zu begegnen), Superminister Karl Schiller dreht im Pool langsame Runden mit seiner Geliebten, die seine Sekretärin ist, unbelästigt von der Bild-Zeitung (ein lang verschwundenes Agreement), eine meiner gefühlvollsten Ferienfreundschadten mit Peter von den österreichischen „Judokas“ und endlosen Partien Tischtennis (jenseits homoerotischer Schwingungen) , der Abtransport einer Leiche eines älteren Herrn nach einem Suizid („Depressionen“ ist das Wort, das sich schnell verbreitet), der Soundtrack der Eltern der „Wirtschaftswunderjahre“, Neil Diamond, Frank Sinatra, James Last, und immmer wieder „Spanish Eyes“ (oder heisst dieser „golden Oldie“ „Spanish Harlem“), mein Versunkensein in Albert Camus‘ Roman „Die Pest“ (mehr Gegenwelt geht kaum in jenem künstlichen Paradies eines abgelegenen Luxusressorts).
Eine Atmosphäre von Luxus, die mich heute an die drei Staffeln von „The White Lotus“ erinnert, die nun ihr vielbesprochenes, furioses Finale erreicht hat, das blutige Finale, dem David Steinitz in der SZ und ich hier im Süden immer noch viel Gutes abgewinnen können. Den Showdown von Lebensentwürfen in Marbella zu erleben, in spanischer Synchro, ist speziell, habe ich mich doch an das Timbre der deutschen Synchronstimmen gewöhnt, von Walter Goggins (manchen bekannt aus den grandiosen sieben Staffeln von „Justified“) bis Corrie Coon (manchen bekannt aus dem dreistaffeligen Serienmeisterwerk „The Leftovers“). Was so ein mallorcinisches Gebäck alles an Gedankenketten auslösen kann! Selbst diese kleine Schreibmeditation mit drei Serientips, und einer (nicht weiter ausgeführten, aber uneingeschränkten) Buchempfehlung. Die Regenwahrscheinlichkeit beträgt hier in Marbella in den kommenden Tagen keineswegs Null Prozent. (Music for pool swimming and gazing at the sky today: Carla Bleys „Tropic Appetites“, mein Lieblingsalbum von Carla, mit einzigartigen Gesängen von Julie Tippetts, jedes Stück eine Offenbarung!)Another Day At The Radio
klanghorizonte deutschlandfunk
Donnerstag, 27. März, 21.05 Uhr
Macie Stewart: When The Distance Is Blue
David Sylvian: Died In The Wool – Manafon Variations (2011)
Paul Bley: Open, to love (1973)
Jon Balke: Skrifum
Alabaster DePlume: A Blade Because A Blade is Whole
Andrew Wasylyk & Tommy Perman: Ash Grey And The Gull Glides On (2024)
David Sylvian: Died In The Wool – Manafon Variations
Brahem / Bates / Lechner / Holland: After The Last SkyTalking voices (in order of their appearance): Macie Stewart, Erik Honoré, Jon Balke, Alabaster DePlume aka Gus Fairbarn, Tommy Perman, Andrew Wasylyk, and Jan Bang
… click HERE to listen to the „blue hour“!
March Nourishment
Ich dachte, die vergangene Woche würde ereignisarm werden und dann entdeckte ich Stapel über Stapel in Stapeln auf meinem Schreibtisch, die abgearbeitet werden müssen (zum Teil wenigstens auch schon mussten, ein bisschen habe ich erledigt).
Dann war da noch ein dickes Buch: Die Wurzeln des Lebens. Ein Roman, wie ein Baum, mit Wurzeln (neun fein ausgearbeitete Charaktere werden auf den ersten 200 Seiten vorgestellt, zunächst hat man das Gefühl, acht packende Kurzgeschichten zu lesen), einem Stamm (die Menschen treffen sich, Handlungsstränge entstehen), einer Krone (die Verbindungen verzweigen sich) und schließlich den Samen, die für neues Leben sorgen. Es gibt einen Programmierer, Öko-Terroristen, ein Paar, das einander (nicht) besitzt, eine Baumwissenschaftlerin, einen Professor für Verhaltenspsychologie, jede Menge Bäume, Wälder, vieles mehr. Ein wirklich faszinierender Roman. Ich habe vor 20 Jahren ein Buch von Richard Powers gelesen, „Der Klang der Zeit“, das mir damals gefallen hat; aber irgendwie habe ich nie mehr zu einem Buch dieses Autors gefunden. Nach „Die Wurzeln des Lebens“ habe ich den Impuls, in einen Buchladen zu gehen und mir jeden verfügbaren Titel von ihm zu kaufen. Und seltsamerweise ist es schon das zweite Waldbuch, das ich in diesem Jahr gelesen habe.
Dann war da noch Jackson Lamb. Trotz der für mich immer schwer zu schluckenden übertriebenen Gewaltausbrüchen haben wir die ersten drei Staffeln von „Slow Horses“ hier im Nu weggeschaut. Originelle Charaktere, feinstes Storytelling, beste Serienunterhaltung (und dazu noch ein toller Mick Jagger Song).
Dann war da noch ein Reissue: als ich mich vor 12 Jahren oder so auf den Weg machte, tiefer in das ECM Universum einzutauchen, griff ich aus irgendwelchen Gründen unter anderem zu „Open, To Love“ von Paul Bley. Und ich schwöre, dass ich damals auch schon das Gefühl hatte, eigentlich elektronischer Musik zu lauschen – das Interview von Michael hat diesen Eindruck bestätigt. Sounds and Spaces to get lost in.
Dann stand da auf einmal Don Cherrys „Relativity Suite“ im Plattenladen vor mir, am Wochenende nachdem ich hier und da darüber gelesen hatte. Leider nicht ganz billig, die Vernunft hat dann nicht gesiegt. Die Pressung ist nicht perfekt, aber der Vorbesitzer ist sehr sorgfältig mit Vinyl und Cover umgegangen. Die Musik ist toll, auch sie geht tief zurück zu den Wurzeln des Lebens.
Und dann schließlich noch zwei Alben. Alabaster DePlume bedankt sich auf seinem neuen Album bei seinem Schmerz und ist als Soundschamane unterwegs, der aus Folk, Jazz, Spoken Words und was weiß ich noch alles einen heilenden Zaubertrank braut. Noch häufiger habe ich allerdings „The Music Of Butterfly“ gehört. Dahinter verbergen sich Vincent Gallo (der vor 20 Jahren mal Alben auf Warp veröffentlichte, damals auch eine heiße Akte als Regisseur und Schauspieler war, vor über 40 Jahren mit Basquiat in New York eine gemeinsame Band hatte und definitiv kein Sympathieträger ist) und Harper Simon (der in der Plastic Ono Band spielt und einen verehrungswürdigen Vater hat). Spärlich instrumentiert – Gitarre, Bass, Drum Machine, Analoge Synthesizer – dazu der körperlose Gesang von Gallo; als hätten Thom Yorke und die Young Marble Giants in New York eine Platte aufgenommen und diese dann penibel gemastered und gepresst. Ich habe nicht viele Alben, die so gut klingen. Streng limitiert, nicht günstig, Künstler ein Republikaner – trotzdem ein tolles Album (der Titel des vorherigen Posts beschreibt die Musik von Butterfly auch ziemlich gut).
Und im April drehen sich dann bestimmt Natural Information Society & Bitchin Bajas auf meinem Plattenteller.
Most wanted
It’s easy to imagine that there probably isn’t any music ever played by anyone, anywhere, at any time, from prehistoric hunters on the Eastern Steppe to whatever Kendrick Lamar, Billie Eilish or Nils Frahm are doing next, to which Don Cherry could not have made a worthwhile contribution. And the secret to that must have been his openness.
(Richard Williams)
Ihr kennt den launigen Spass mit dem Brief ans Unversum!? Manchmal kommt er wirklich an. Mein Dank an dieser Stelle auch an Michael Stelljes, Spezialist für desert island discs, dafür, mich an Paul Bleys „Ramblin‘“ erinnert zu haben. Grosse Musik findet ihre Hörer mit der Zeit!
Stiller Hammer!
Es gibt Regisseure, sehr verehrte Regisseure, in deren Filme man mich nur für Summen im mittleren dreistelligen Bereich kriegt, wie Noah Baumbach, Richard Linklater und James Ivory, und es gibt Regisseure, da bin ich auf jedes neue Werk gespannt, wie etwa bei Thomas Vinterberg. Entscheidend für alles in der Kunst, was einem viel bedeutet, ist nie der fundierteste Zeitgeist, oder der klügste Durchblick, somdern ein merkwürdiges „Interstitium“, ein „in between“ zwischen Subjekt und Objekt.
Nach „Der Gott des Waldes“ von Liz Moore hatte ich das kleine Problem, einen Roman zu finden, das mich genauso packt. An die fünf Leseproben habe ich bei Kindle runtergeladen, und alles waren in meinen Augen Flops, sogar ein Roman dabei, der eine Riesenfangemeinde hat, und den ich nach 6 % in die Tonne geschmissen hätte, wäre es nicht eine virtuelle Kostprobe gewesen. Ich meine den ersten, epischen Kriiminallroman von Joel Dicker. Dann las ich, nachdem mir die Serie der Verfilmung des ersten Romans einer nordic noir-Serie mit Nora Sand ganz gut gefallen hatte, den zweiten Roman „an“. Aber leider tummelten sich da in den ersten zehn Prozent so viele Klischees, und teilweise grosser Quatsch, dass ich es kopfschüttelnd zur Seite legte. Und so ging das Weile weiter, bis mir der Roman in die Hände fiel, den ich hier abgebildet habe. Hammer!
Ein ruhiger, fast schon stoischer Erzählfluss, australisches Hinterland, eine ohne jedes Trara schlicht ergreifend ausgebreitete Story. Hier wird nicht die Welt verhandelt, lediglich ein kleiner Erdenwinkel ausgeleuchtet. Mehr wird nicht verraten, ich bin gerade mitten drin. Wäre ich noch auf der Suche, würde ich wohl ein zweites Mal in meinem Leben Richard Powers „versuchen“, nach Olafs Beschreibung. Wie war das mit der zweiten Chance? Damals, das Buch, edle Langeweile, eine Minderheitenmeinung schon damals – ich strandete früh. Was Olafs weitere Seelennahrung im März betrifft: ich kenne und mag diese alte Scheibe von Vincent Gallo auf Warp“, aber von einem dezidierten Republikaner höre ich mir nichts an. Gallo hat damals schon manchen Schwachsinn erzählt, aber irgendwann ist auch gut. In die von Olaf im Superflow erlebte Agentenserie kam ich nie wirklich rein, ich wollte es mögen, aber es funzte nicht. Mir ist das zu sehr auf Effekt gebürstet, die Schauspielre toll, aber die Figuren zu statisch. Die Serie, die alles andere in diesem Jahr bislang in den Schattens stellt, ist das umfassbar gute Flüchtlingsdrama von Thomas Vinterberg über ein langsam versinkendes Dänemark. Ich glaube, ich bin Thomas Vinterberg-Fan! Er hat eine Filmsprache, die mich mitreisst, und die ich überall erkennen würde. In der Mediathek der ARD.
Paul Bleys „Open, to love“ liebe ich, seit ich die Platte 1973 kaufte, und Olafs Gedanken haben mich darin bekräftigt, eine kleine Änderung in meinen „März-Horizonten“ vorzunehmen. Ich liebe Alabasters neue Musik, und es ist mein meistgehörtes „Songalbum“ (mit vielen Instrumentals) in diesen Wochen! Und Don Cherrys „Relativity Suite“, ein Traum! Immer wieder! Ich weiss gar nicht, ob ich dazu tanzen oder schweben möchte. Dazu passt natürlich die Natural Information Society, das neue Album ist schon in der Stoffsammlung für die „Mai-Horizonte“! Genauso wie das Album, dessen Cover hier zu sehen ist, mit dem Titel „The Wind That Has Not Touched Land“. Mittlerweile wurde am Rande der „Bitter Wash Road“ ein Toter gefunden.„Different kinds of ecstasy“ (1)
Nun ist es nicht so, dass es vor 1970 keine Solopianoalben gab, aber sie waren ein wenig aus der Mode gekommen, und Chick Corea empfand es durchaus abenteuerlich, sich in Oslo an einen Flügel zu setzen und Soli zu spielen: fein, dass die erste seiner beiden Alben „Piano Improvisations, Vol. 1“ (rate mal, wie die zweite heisst, die im gleichen Zeitraum entstand!) am 18. April in der ECM-Reihe „Luminessence“ erscheinen wird. Die ersten drei von Manfred E. produzierten Solopianoalben wurden Klassiker, Meilensteine, und, was das Wichtigste ist, ich höre sie immer noch leidenschaftlich gerne. Keith Jarretts „Facing You“, Paul Bleys „Open, to love“, und eben, das erste, Chicks Improvisationen.
Es dauerte dann etwas, bis zwei andere Abenteurer sich trauten, diesen fantastischen Werken eigene Sololpianowerke, produced by Manfred Eicher, folgen zu lassen, und es kamen dabei zwei beeindruckende Arbeiten heraus, von Richard Beirach und Steve Kuhn. Mit Keith Jarretts derzeit wieder vielbesprochenem „Köln Concert“ war der Solopianovortrag spätestens in einer ganzen Generation angekommen.
Die Abenteuer gingen weiter. Und sie passieren auch in der Rückkehr, beim Wiederhören diese alten Scheiben – forget nostalgia! Wie sagte Paul Bley zu „Open, to love“: „Eines der Dinge, die ich an der Elektronik mochte, war die Möglichkeit, lange Nachklänge zu erzeugen. Und nachdem ich diese elektronische Periode beendet hatte, in der Sustain wirklich Sustain war, verlangte ich, als ich zur akustischen Musik zurückkehrte, dass das Klavier selbst das duplizieren sollte, was ich elektronisch erreichen konnte.“ Was so nüchtern klingt, ist einfach eine andere Art von Ekstase.
Und ich komme in Kürze zurück auf „Piano Improvisations, Vol. 1“.
the unanswered question
2025 Brahem / Bates / Lechner / Holland: Last Days of Sky
2011 David Sylvian: Died In The Wool – Manafon Variations
2025 Jon Balke: Skrifum
2025 Alabaster DePlume: A Blade Because A Blade is Whole
2024 Andrew Wasylyk & Tommy Perman: Ash Grey And The Gull Glides On
2011 David Sylvian: Died In The Wool – Manafon Variations
1973 Paul Bley: Open, to love ODER
1993 Hosoni Haruomi: Medicine Compilation From The Quiet LodgeSix excerpts from new interviews with Jon Balke, Alabaster, Tommy & Andrew, two excerpts from an email exchange on Manafon Variations with Jan Bang and Erik Honoré, and eight texts of mine. Time of production: march 25: 10.00 a.m until 4.40 p.m. Time of airplay: march 27, 9.05 p.m. until 10.00 p.m. – afterwards seven days to listen to it (again) at the deutschlandfunk audiothek! Funny trivia: I never worked longer in sequencing, preparing and writing a radio hour. Hope it doesn‘t end in „over-production“. Too many good ideas easily prepare the ground for failure and „Verzettelung“! The good news. I am only the go-between. There is no replacement for listening.
As i‘ve heard, the forthcoming album of Anouar Brahem will be released a bit later than planned, on March 28, which makes it a perfect evening for presenting this album the night before. Along with Jon Balke‘s exceptional „solo piano album plus spectrafon“ and, at least a mentioning of Paul Bley‘s milestone „Open, to love“, this is the ECM „chapter“ of the show. The reissue of David Sylvian‘s „Died In The Wool – Manafon Variations“ offers a perfect opportunity to take it out from the ivory tower (where it doesn‘t belong) and experience its „street credibility“. It is, by the way the very last album of David, the singer! The album from the duo „Tommy Perman / Andrew Wasylyk“ is a shining star of the English label „Clay Pipe Music“, and I am very sure that it will rise the interest for its broad palette of moods, songs, (graphic) stories – and cover art. Center state belongs to the forthcoming album of Alabaster DePlume, whose research area betweeen the private and the political comes along with a lightness that makes even its darkest moments a study in elevation. And if Hosoni Haruomi won‘t be played this time, he will definitely have a decent apparition in one of my forthcoming „Klanghorizonte“ evenings at Deutschlandfunk in April, June, or September. In case you don‘t wanna wait, go hunting for „Medicine Compilation From The Quiet Lodge“. A glorious reissue from Victory Records. And a collector‘s item again soon!
The unanswered question is a beautiful Charles Ives piece. And, on another level of the „everyday routine“, it is the question how to end that Klanghorizonte hour on March 27. A track from Paul Bley‘s jazz piano milestone makes as much sense as one of so many awesome pieces from that Japanese medicine compilation. After discovering Hosoni‘s „Pacific“ years ago, a gem from the late 70’s, followed weeks ago by Omni Sight Seeing from the late 80‘s, I was even more blown away on my time travel acticvities by Medicine Compilation From The Quiet Lodge, daring back to 1993. Japanese Jewels they are all, but if it comes push to shove (and declaring myself a true beginner in regards to Hosoni Haruomi), I chose these transmissions „from the quiet lodge“ as being my favourite. I asked someone to do some digging in the archive of DLF, and perhaps they find my old radio portrait about Paul Bley‘s life and times in dusted shelves. „Otherwise – throw the dice!“ („Omni Sight Seeing“ and „Medicine Compilation From The Quiet Lodge“ have recently been reissued on beautifully coloured vinyl by Victory Records. I bought both of them for a really quite low price at HHV, Berlin)
monthly revelations reshaped (march)
(album) das aussergewöhnliche Pianoalbum „Skrifum“ von Jon Balke, das m.E. in einer eigenen Sphäre existiert irgendwo zwischen Harold Budds und Brian Enos „The Plateaux Of Mirror“ (das Jon nicht kennt) sowie Paul Bleys „Open, to love“ (das eines seiner desert island records ist) (film) Ingo J Biermann erinnert an David Lynch (prose) Craig Thompson: Ginsengwurzeln (talk) „The infinity of goove“ – life and times of Philip Jeck (radio) Playlist in Motion: die Ausgabe der Klanghorizonte am 27. März (binge) Mo, Staffel 1 und 2, die tragikomische Geschichte eines Palestinensers in Mexiko (archive) Nicos „The Marble Index“, ein Remaster des Labels Domino, geschrieben von „special guest“ Richard Williams
Wir machen keinen Fetisch aus dem Neuen, und der „letzte Schrei“ ist oft überbewertet. Also leisten wir uns auch Blicke „vorwärts in die Vergangenheit“ und machen Altes im Sinne von Wiederkehrendem aufmerksam, das uns schlicht viel bedeutet in diesen Tagen: in den „march revelations“ sind es Erinnerungen an David Lynch und Philip Jeck, Olafs Lieblingsbuch des Jahres 2024, sowie eine Sternstunde von Nico (die bereits 2023 wieder veröffentlicht wurde). Es hätte auch Paul Bleys Meisterwerk sein könne, das nun in der ECM-Reihe „Luminessence“ vorliegt. Übrigens, zwei Alben, die sonderbar gut zueinander passen, nicht nur, weil sie beide 1973 rauskamen: „Open, to love“, und „Paris 1919“! (Die „april relevations“ kommen am 1. April! Die „may revelations“ wegen diverser Reisen schon Mitte April (es sei denn, jemand übernimmt den Wonnemonat!)