Im Club der Fische (2)
Es wunderte mich ja selber, wie nah es mir am nächsten Morgen ging, als ich E. erzählen wollte, was an der Doku „Beatles 64“ so bewegend sei. Ich musste immer wieder an mich halten, um von einzelnen „Zeitzeugen“ zu berichten – da waren ja selbst zwei Mädels dabei, die damals mit gekreischt haben, als die Beatles in Washington Quartier bezogen hatten. Jede dieser Stories sass tief. Ein paar Monate, nachdem die Beatles kurz in Miami abhingen, erschien ihre Single „Rock‘n‘Roll Music“, im Februar 1965, und als diese kleine Scheibe (Rückseite „I‘m A Loser“) auf dem kleinen Plattenspieler im Weissdornweg 11 lief, veränderte sich bei mir so einiges. Natürlich kam mein Blutsbruder Matthias rüber, und wir hörten uns das gemeinsam an, wieder und wieder. Parallel bereiteten wir uns auf die Kommunion vor, schauten den letzten Dampflokomotiven im Baroper Bahnhof zu (von der Stahlbrücke aus), stromerten durch unseren Lieblingswald, gingen zu Spielen des Hombrucher Fussballvereins (das Loch im Zaun war unser freies Ticket), und wir sahen unseren Held Hans Tilkowski live im Fernsehen , wie er „das Tor von Wembley“ nicht verhindern konnte. Nachdrücklich sagte ich Michael Z., dass wir ihn jetzt ausfindig machen werden. Und das würde dann gefeiert. Es gab keinen Streit, bevor wir uns aus den Augen verloren, nach fünf, sechs tollen Jahren mit Cowboyspielen, Zündplättchen, Schwimmbadbesuchen im „Froschloch“, und „Donovanliedersingen“ mit 11 Jahren. Und wir fanden beide Beate toll und trauten uns gar nichts.
So war „Bearles 64“ nichts weniger als eine astreine Tranceinduktion, die verlorene Zeit zurückzuholen. Gestern sah ich, dass eine 0160-Nummer mich versucht hatte zu erreichen. Die Nummer von Michael Z. Ich rief an, er rief zurück. Er erzählte mir, seine Schwester habe Klaus W., getroffen, damals unser „Anführer“ in der Brüder Grimm-Schule, egal, welche Streiche wir ausheckten. Matthias, sagte er mir, sei Ende September gestorben, an Speichelröhrenkrebs. Und ich wollte morgen einfach nur zum Einwohnermeldeamt in Dortmund, und eine Anfrage starten, um seine Adresse ausfindig machen zu können. Ich sagte E. vorgestern noch, diese Woche würde ich die Suche abschliessen. Die Erinnerungen flackern in hoher Schlagzahl auf. So traurig. Wir sind aus dem Club der Fische, und wir sahen, Schulter an Schulter, die Unterwasserabenteuer von Jim Nelson im Vorabendprogramm, wo immer auch „Von Rhein und Weser“ lief, mit der schönen Musik von Brahms. Donovan war aber besser. Dass wir den Refrain von „Atlantis“ auf dem Schulhof zusammen schmetterten, oder auf dem Weg nachhause, in der Singerhoffstrasse, ist unzweifelhaft. Wenn der Ball ins Spiel kam, war er Aki Schmidt, und ich Reinhold Wosab.
Lajlas Büchertipps für den langen Winter
1. Paolo Cognetti: Unten im Tal
Wer Paolo noch nicht kennt, sollte ihn sich einmal vornehmen. Acht Berge hiess der Roman, den ich verschlang und der mir den Namen Cognetti für immer in mein Lesehirn meisselte. Er liebt die Einsamkeit der Bergwelt, dort lebt er, von dort bricht er auf, darüber erzählt er. Er findet einen Wortschatz für Naturbeschreibungen, die ich so noch nicht gelesen habe. Es ist eine einfache, kontrastreiche Prosa, in die er Menschen erzählt lässt, die unterschiedlich nicht sein könnten. Unten im Tal ist eine Anlehnung an Kain und Abel, es geht also um zwei Brüder.
2. Baptiste Morizot: Philosophie der Wildnis – oder – Die Kunst vom Weg abzukommen
Baptiste Morisot ist ein junger französischer Philosoph, der zu meinen Neuentdeckungen gehört. Da traut sich einer, nicht den Weg als Ziel zu erklären bzw. nach Markierungen zu wandern. Er verlässt bewusst die Pfade, um in den Unwegbarkeiten der Natur hinter die Geheimnisse zu schauen. „Eingewaldet“ will er die Ordnung der Welt neu bereichern.
3. Sybil Gräfin Schönfeld: Kochbuch für die kleine alte Frau
Sie ist nicht zu verwechseln mit der ehemaligen DIE ZEIT Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff, aber auch Gräfin Schönfeld schrieb für das Magazin, allerdings nur immer zum Thema Essen und Trinken. Das schmale, sehr fein erzählte Kochbuch, ist etwas für Single-Haushalte, aber nicht nur. Wer in den precious Topf hineinschauen will, wird mit leckeren Rezepten überrascht. In der Erzählung „First taste of Paradise“ gibt sie das Rezept von „Astrids Apfelkuchen“ preis:
In einer grossen Pfanne lässt man 350gr Semmelbrösel, 150gr Butter, 100 gr Zucker und eine Prise Salz unter ständigem Rühren blond werden, würzt mit einer Prise Zimt und nimmt die Pfanne sofort vom Herd, weil der Pfannenboden nachheizt, sodass die Mischung zu dunkel werden könnte.Die Hälfte der Zuckerbrösel in die gut gefettete Kuchenform füllen, glatt streichen, mit einer Lage sehr festem Apfelmus bedecken und auf der die restlichen Butterbröselmischung verteilen. In den auf 200 Grad vorgeheizten Ofen schieben und etwas 20 Minuten backen. Dazu am besten Vanillesauce.
4. Florian Schroeder: Unter Wahnsinnigen. Warum wir das Böse brauchen
Ich kenne und schätze Florian Schroeder als Kabarettist. Ob er auch als Philosoph durchgeht, kann ich noch nicht beurteilen. Ich habe gerade begonnen, das Buch zu lesen, es ist schmunzelreich, das bekommt man auch selten in der Literatur geboten.
Michaels kleine vorweihnachtliche Geschichte mit Drehungen, Wendungen, und vertrauten Gesichtern (take 2)
Abgesehen von meinem Abstecher mit Beth Gibbons in eine Brüsseler Bier-Bar nahe dem opulenten Zirkusgebäude, in dem sie zwei Stunden zuvor aufgetreten war, ist die folgende Geschichte nicht weniger anrührend. Und genauso frisch im Gedächtnis. Es begann alles auf dem Flowworker-Blog mit einem Gedankenaustausch zu dem Schlagzeuger Paul Motian. Und nun: ein Traum von einem Album. Alle sechs sind sich vorher oder nachher begegnet, live, in Studios, als Duo, Trio, privat, wie auch immer, aber in dieser Zusammensetzung nie wieder in Erscheinung getreten. Bei aller Vertrautheit, zwischen Respekt und Freundschaft, untereinander: mit „business as usual“ hat „Taking Turns“ nichts zu schaffen. Ein oder zwei Tage in den Avatar Studios. Magie ist nicht programmierbar. Um dem Betriebsgeheimnis Albums nahezukommen, darf man sich getrost auf die Bildersprache von Träumen einlassen. Tatsächlich stand ich in einem alten Plattenladen in Amsterdam, und sah Henning in einem Fach wühlen, das den Namen „Dream on“ trug. Statt geläufiger Rubriken fanden sich, Fach für Fach, Anweisungen von poetischer Schärfe und Ungenauigkeit. Der Besitzer des Ladens, Greg Fisch, sorgte für ein wenig Unruhe, als er mit Wucht gegen eine Jukebox trat, die sich seinen reparierenden Griffen widersetzte und auf Teufel komm raus nicht „Take Five“ spielen wollte. Lajla liess sich davon nicht aus der Ruhe bringen, und war unter dem Kopfhörer ohnehin in einer anderen Welt anwesend, in der Lucinda Williams von den Geistern eines Highways sang. Auf Wunsch von Rosato lief Jakob Bros „Taking Turns“ auf einem in die Jahre gekommenen Technics-Plattenspieler, und er schien hin und weg. Ich hatte ihn lange nicht gesehen. Wenn ich seine Worte im Dämmerlicht richig verstand, sagte er: „…ganz stark, was diese Sechs an feinen Linien zeichnen. So eine wunderbare melodische und klangfarbige Polyphonie bewegt mich…“ Allmählich übertrug sich die kaum fassbare Stimmung des Albums auf alle, die zuhörten. „Hammer“, sagte ich zu Rosato, „Hammer!“ Ich war zudem noch nie zuvor in einem Plattenladen, in dem nach 18 Uhr Kerzen das verschwindenden Tageslicht ersetzen. Wie gesagt, ein Traum. Wie anders lässt es sich erklären, dass die Musik zehn Jahre in einem Archiv ruhte. („Taking Turns“ ist soeben bei ECM erschienen, und wird vermutlich im Februar oder März auf Vinyl nachgereicht. Am 4. Dezember spielt Jakob mit Arve Henriksen und Jorge Rossy im Dortmunder Domicil. Einen Tag später, am Donnerstag um 21.05 Uhr, stelle ich „Taking Turns“ in Odilos Ausgabe der JazzFacts vor).Im Januar, im Februar, oder im März (anyone there, too?)
Eine Woche, eher zwei, werde ich auf meiner Lieblingsinsel sein, zwischen Januar und März, und mit Blick auf die Wetterlage, über 22 Grad müssen es schon sein. Ich kenne noch viel mehr „secret places“ auf der Insel, als die im heutigen Inselbericht der SZ vorgestellten. Einen davon stelle ich jetzt vor. (m.e., 2024)Es gibt kaum randständigere Orte als Parkplätze, alles an ihnen ist auf das Vorübergehende eingestellt, das begrenzte Verweilen, fast unvergesslich ist es, wenn ein Parkplatz mal in einem Song auftaucht, wie bei Joni Mitchell. Diesen Parkplatz im Raum von Haria werde ich nie vergessen, und nichts hat sich dort zugetragen, was einen Song hergäbe, oder eine kurze Kurzgeschichte. Zwischendurch las ich dort einen Text über Joni Mitchells frühe Jahre, und wie ihr kurzzeitiger Lover Leonard Cohen eigentlich nie aus dem Bett raus wollte. Ein Foto der Zwei hatte den adretten Charme alter Urlaubsfotos. Ich klappte das Magazin zu. Es war einfach phänomenal, bei 33 Grad Celsius und einem trockenen Wind aus Afrika diesen wundervollen Niemandsort abends um acht Uhr auf sich wirken zu lassen, mit all den Geräuschen ringsum Jameos Del Agua, und noch eine Weile diese tropischen Sphären einzuatmen, bis eine Treppe ganz in der Nähe für das Publikum geöffnet wurde, für zwei Höhlenkonzerte mit Nils Petter Molvaer sowie Francois Couturier und Anja Lechner. Es war der Tag, als Lajla mir eine kurze Lektion über Stillleben erteilte, weil ich ihr ein Foto mit einem angebissenen Fisch aus dem „Restaurant der fünf Brüder“ als solches verkauft hatte. (m.e., 2018)
„Als das Licht in den USA anging“ – die neue Doku „Beatles 64“
Der Durchbruch der Beatles in Amerika – dieser mythische, ekstatische Moment, der Großbritanniens Nachkriegsstolz wiederherstellte und zu einem dauerhaften Eckpfeiler unseres Soft-Power-Selbstbewusstseins wurde – ist das Thema dieses fesselnden Dokumentarfilms von Regisseur David Tedeschi; Martin Scorsese ist Produzent und interviewt Ringo selbst in der Gegenwart, wobei Paul separat zur Kamera spricht. Er verwendet auch die intimen Hotelzimmer- und Backstage-Aufnahmen, die damals von den Brüdern Albert und David Maysles gedreht wurden.Der Film dokumentiert die Ankunft der Band in New York im Jahr 1964 und ihren legendären Live-Auftritt in der Ed Sullivan Show, bei dem der Moderator an einen misstrauischen, hageren Richard Nixon erinnert. Craig Brown weist in seinem Buch One Two Three Four darauf hin, dass der Auftritt der Beatles in der Show auf eine unendliche Reihe von vergessenen Vorgruppen folgte, die, auch wenn sie das TV-Buchung damals gerne angenommen haben mögen, dazu verdammt waren, von einer ungeduldigen Nation gehasst zu werden, weil sie nicht die Beatles waren, weil sie für immer durch ihre schiere Belanglosigkeit verdorben waren. Dieser Film zeigt, wie einer der Fernsehzuschauer einen dieser weniger Sterblichen angrinst.
Das erste Konzert der Band in den USA fand in Washington D.C. statt, wo sich das Personal und die Beamten eines britischen Botschaftsempfangs mit ihrem rüpelhaften Snobismus gegenüber der Band blamierten; ein gut sprechender Mann wird gezeigt, wie er spöttisch sagt, er habe keinen patriotischen Stolz für die Beatles. Dann ging es zurück nach New York, um in der Carnegie Hall zu spielen, dann weiter nach Miami, wo sie mit Muhammad Ali herumalbern durften, wovon es allerdings kein Filmmaterial gibt.
Wie immer leuchten die vier Gesichter der Beatles vor ungläubiger Verblüffung und Freude über den surrealen Sturm, der um sie herum tobt; sie strahlen eine unerschöpfliche, fast übernatürliche Energie aus, scherzen und lachen und haben offenbar nie schlechte Laune angesichts der Kameras, die ihnen ständig ins Gesicht gehalten werden.
Sie sind gut gelaunt und irritiert von dem New Yorker Radio-DJ Murray Kaufman, oder Murray the K, der es irgendwie geschafft hat, mit ihnen in ihrem Hotelzimmer herumzuhängen, und niemand weiß so recht, wer ihm das erlaubt hat. Der Film zeigt uns einige großartige Nahaufnahmen der Gesichter der Band, während sie spielen – mir war vorher nie aufgefallen, dass George auf der Bühne manchmal kurz abzuschalten schien.
Dem Schriftsteller Joe Queenan ist tief gerührt, als er sich daran erinnert, wie er sich fühlte, als er die Beatles zum ersten Mal im Radio hörte: diese unheimliche Alchemie von Stimmen, die gleichzeitig von Rock’n’Roll-Energie erfüllt und doch unschuldig und unbedrohlich waren.
Sie waren die Kathedralenchöre der romantischen Freude und die Band, die dem weißen Amerika die Erlaubnis gab, nach dem Kennedy-Attentat abzurocken und seine Stimmung zu heben. Ein Teil des Dokumentarfilms interessiert sich dafür, wie weich und sogar exotisch nicht-binär die Beatles aussahen – so ganz anders als das, was Betty Friedan als Besatzungsschnitt und preußische Männlichkeit beschreibt, die zu dieser Zeit für die amerikanische Männlichkeit obligatorisch war. (Auch hier ebneten sie, ohne es zu wissen, den Weg für Amerikas Akzeptanz des britisch-androgynen Glam Rock).
Der Fotograf Harry Benson wird in der Gegenwart interviewt und erzählt, dass John, nervös darüber, wie er und die anderen in der amerikanischen Öffentlichkeit ankommen würden, über Lee Harvey Oswald sprach. Lennon wird auch gezeigt, wie er einen wichtigen Punkt anspricht: „Die Beatles und ihresgleichen wurden durch das Vakuum der Wehrpflichtlosigkeit geschaffen … wir waren die Armee, die es nie gab.“ Der Wehrdienst wurde abgeschafft … und der Rock’n’Roll nahm seinen Platz ein? Ein verblüffender Gedanke, auch wenn man sagen muss, dass Elvis Presley Militärdienst geleistet hat.
Und es ist immer noch erstaunlich, wie kurz dieser Augenblick war: In nur wenigen Jahren würden sich die Beatles und ihre Musik zu etwas völlig anderem entwickeln. Wenige Jahre später trennten sie sich, obwohl sie erst in ihren Zwanziger waren waren. Ein erstaunlicher Sekundenbruchteil der Kulturgeschichte.
(Peter Bradshaw, The Guardian)
monthly revelations (december)
(albums) Roberto Bonati – Chironomic Orchestra: The Gesture of Sound, The Gesture of Colour (film) Kronos Meets Hardanger – notes of an imaginary documentary (prose) Ulrike Sabine Maier: Manchmal das Glück (talk) Danish guitarist and composer Jakob Bro speaking about the first release of his fabulous 2014 album „Taking Turns“ (poetry) Daniela Seel: Nach Eden (binge) Monsieur Spade (archive) Peter Thomas: The Tape Masters, Vol. 1 & Günter Schickert: Samtvogel (Jan R. and Michael E. travel old Bundesrepublik)
Frühmorgens in der Kantine
Kurz nach acht, in einer nahezu menschenleeren Kantine, sehe ich zum ersten Mal in diesem Jahr, bewusst, einen Weihnachtsbaum. Da ich ewige Zeiten nachts durch einzelne Stockwerke schlich, und angenehm einsame Nächt am Mikrofon kenne, mit zuweilen sehr netten NachrichtensprecherInnen ein paar Zimmer weiter, kenne ich mich mit solchen stillen Räumen in Radioanstalten gut aus. Es hat dann meist was von Vorbereitung. Auf dem Hinweg habe ich auf der Autobahn in Ruhe Jakob Bros „Taking Turns“ laufen lassen, und mir jetzt tatsächlich mit der Melodie von „Mar Del Plata“ einen Ohrwurm gefangen.
Neues zum Nikolaus (2) (mit Jakob Bro, Jeff Parker und Rachel Musson)
Neulich erzählte ich, dass ich keine 20 oder 30 Lieblingsalben mehr ranken werde, sondern nur noch eine überschaubare Zahl von 10 oder 12 („the magic dozen“, all five stars, each of them – here‘s the hopefully unreadable screenshot of my Jakob Bro feature for DLF – mit dem Honorar finanziere ich die Schatzkiste „G stands for Go-Betweens, Vol. 3). Aber was mit dem „Rest vom Fest“, mit dem, was da sonst noch aus Riesenstiefeln rausschaut?
Das werde ich, ohne irgend ein Werk zu doppeln, ganz speziell listen, zB „three magic live albums“. Ihr merkt, Leute, es wird „kleinlich“, und ich habe schon geistvolleres Zeug geschrieben. Trotzdem, ihr könnt es ja machen wie die Dachdecker, vielleicht aber ist das eine Anregung. Und, eine kleine Lektion aus meinem Seninar zum „creative blog writing“: was immer du an banalen Sachen auftischt, kleine Ideen fürs Ranking, fünf Gründe, warum du dich nicht die Bohne für Kendrick Lamar oder The Cure interessierst (8.8. bekommen The Cure im Schnitt bei anydecentmusic für ihr neues Album), zehn Gründe, warum man der Musik von Rachel Musson vielleicht mal lauschen sollte etc., sorgen dafür, dass der Leser mindestens einmal aufhorcht.
In diesem Sinne sähe meine Unterabteilung mit den three magischen Live-Alben also so aus: 1) Jeff Parker: The Way Out Of Easy 2) Sidsel Endresen: Punkt Live Remixes Vol. 3 3) Can: Live in Paris 1973. Alles schön und gut, aber jetzt kommt die eine kleine Information, die, solltet ihr zuweilen meine Einschätzungen teilen, „eure Ohren sperrangelweit öffnen wie Scheunentore“, um meinen Lieblingsaufruf des Free Jazz-Zauberers Karl Berger zum zwanzigsten Mal in dreissig Jahren zu zitieren (und von Free Jazz wird hier gar nicht die Rede sein)….
The Way Out Of Easy vom Jeff Parker ETA IVtet hat mich, trotz des etwas anstrengenden Bandnamens, dermassen ungehauen und bezaubert, von Anfang bis Ende (Toni Nee, du wirst es lieben!), und ich es, auch wenn er schon mal ein ähnlich strukturiertes Live-Album gemacht hat, zu seinem besten Album ever erkläre (das will was heissen bei vier langen Stücken!): kurzerhand: es landet definitiv in meiner „12 shining favourite albums of 2024“, und darf dann (Spielregel!) nicht noch mal gedoppelt auftauchen. Sic: nun lautet mein trio magico der Live-Alben vermutlich wiefolgt: 1) Sidsel Endresen: Punkt Live Remixes, Vol. 2 2) Can: Live At Paris 1973 3) Keith Jarrett / Gary Peacock / Paul Motian: The Old Country.
Und die andere homöopathisch eingeflossene message dieses Textes ist: schaut doch mal, ob Rachel Mussons „Ashes And Dust, Earth And Sky“ euer Gehör findet, die entweder in meiner Top 12 auftaucht oder in er der begleitenden Unterabteilungen, vielleicht in der Rubrik „three magic albums with field recordings and other instruments“ (thanks to Richard Williams). Als ich mir die Cd bei der Künstlerin in England bestellte, lag sie ca. sechs Wochen beim Zoll in Aachen, der ein nicht billiges Wertermittlungserfahren einleiten wollte, schliesslich meinen Besuch anforderte. Ich ignorierte den ganzen Blödsinn, und entnervt schickte man mir das Teil jetzt ohne Extragebühren.
Im Club der Fische
Es gibt ein paar Dinge in meinem Leben, die machen mich derzeit dezent traurig. Alles brach einmal heraus, als ich auf einer Autobahn wieder und wieder „Vitamin C“ hörte, in der Fassung von 1973, die Can damals in Paris aufführte. Man mag eines dieser Felder der Melancholie für leicht absurd halten, aber ich spielte schon immer gerne Detektiv, und nicht mal mein alter Kumpel und Ex-Polizist fand eine heisse Spur zu meinem besten Freund in Volksschul- und Blutsbrüderzeiten. Aber ich fand sein Geburtsdstum heraus, fünf Tage vor meinem (wir sind im Club der Fische), seinen ersten Wohnort vergesse ich eh nie (Weissdornweg 9), und nun werde ich im Dezember im Einwohnermeldeamt von Dortmund auflaufen, und angeblich erfährt man dort für 40 Euro seinen derzeitigen Aufenthaltsort. Und ich will nicht auf einen Scheissfriedhof geschickt werden! Es gibt eine Verbindung zu Matthes, die über reine Erinnerungsseligkeiten und das gemeinsame Singen von „Sunshine Superman“ weit hinausgehen! (m.e.)“Mar Del Plata“
„Taking Turns requires close listening. These musicians are certainly listening to each other. Call it a conspiracy of beauty.“ (Jazzwise)
„Keines dieser Stücke auf „Taking Turns“ endete so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Und das halte ich generell für eine meiner größten Freuden als Komponist. Manchmal denke ich darüber nach, ein Soloalbum zu machen, auf dem ich versuche, der ursprünglich beabsichtigten Vorstellung ganz nah zu kommen. Darüber habe ich oft nachgedacht. „Mar del Plata“ kam als einfaches Lied daher, ich habe es mit Klavier und etwas Gesang gemacht – wer weiß, vielleicht werde ich es eines Tages solo aufnehmen, aber solange die Musik mich immer wieder neu und positiv überrascht, gibt es keinen wirklichen Grund, andere Wege zu gehen. Lieber geniesse ich die Freiheit der Reise, einfach zu erleben, wie sich diese Lieder entwickeln.“ (Jakob Bro im Interview mit Michael Engelbrecht)
„The less-is-more approach and a penchant for pedal-driven atmospherics that Frisell has said owes something his admiration for the ambient recordings of Brian Eno and Robert Fripp, are significant features here, heard to superb effect on the final track, ‘Mar Del Plata’. It’s a gorgeous tune led by the sound of two sinuously entwining electric guitars.“ (Phil Johnson über „Mar Del Plata“