• We Play Church

    Brian Eno passt mit seiner liturgischen Stimme in einen Kirchenraum, ein Konzert mit dem notorischen Gummiball Mick Jagger ist weniger geeignet, Mercedes Sosa würde mit ihrer übergewichtigen Stimme die heiligen Wände zum Wackeln bringen, Joni Mitchell erst gar nicht ein/auftreten.

    Wenn der Soziologe Hartmut Rosa nach Resonanzräumen für Kommunikation sucht, dann hat er mit Akustiktempeln einen Ort gefunden, wo das mit Musik hervorragend gelingen kann.

    Gestern gab es ein Benefizkonzert in der meiner Wohnung gegenüberstehenden Kirche. Ich war neugierig geworden, weil die Tangoklänge einladend herüberwehten. Die Kirche war vollbesetzt mit Musikfreunden. Astor Piazzolla scheint beliebt zu sein, mehrere Musiker (Bratsche, Geige und Klavier) spielten seine Melodien. Schade, dass kein Bandoneon dabei war. Erstaunlich, wie viele talentierte Musiker da aufspielten, auch etwas weltfremd für mich der Anblick der pubertierenden Mädchen, die dem chorerprobten Engländer John Rutter und seinem Song „Look at the world“ die Ehre gaben. Natürlich schmunzelt da unsere Generation, die bei dieser Vorstellung Brian am Kreuz sieht und Eric Idles „Always Look On The Bright Side Of Life“ leise summt.

    Wenn Gott mir drei Wünsche erfüllen würde, dann zu allererst – jeeeezus – Neil Young vorne am Altar mit „Old Man“. Meine zweite Einladung ginge an Patti Smith mit „A Hard Rain’s Gonna Fall“, die Nr 3 wären die Dixie Chicks mit aUnknown Soldiera. Passt doch. But it really fits, when Sam would beam us up, or? You never know!

  • Projekt Fa Fa Fa qu’est-ce que c’est?

    If they give you ruled paper write the other way

    Wer ein anstrengendes Projekt vor sich hat, gehe davor in den Film STOP MAKING SENSE. Dort überträgt David Byrne seine unglaubliche Energie auf euch.

    Mein Übergang ins neue Haus gestaltete sich dadurch erleichternd. So ein Mehrgenerationenhaus ist ein Kosmos für sich. Man geht unbedarft in den Lift und schon hat man die Mutter von Goretzka (Bayern-Spieler) kennengelernt. Auf der noch nicht sonnigen Dachterrasse probt ein Tänzer für seinen Auftritt in der Philharmonie im Herbst, im hauseigenen Musikkeller singen Mitbewohner 70er Jahre Songs.

    I‘ m looking for a Home where Home comes to life from Out of the blue

    Der Einzug in ein Mehrgenerationenhaus ist eine soziale Neugier,die ich mir sechs Monate stille. Es sieht noch nicht nach einem garantierten Lebensabendprojekt aus, die Insel zieht noch mit magischen Kräften zurück. Ich bin nicht auf der Suche nach dem wahren Leben. Ich fühle mich im Jetzt wie das KI, das im neuen Buch von Werner Herzog über Wahrheit dichtet :

    I am a sesamoid bone,
    fit only for kissing,
    I am a Baby bird just hatched from its egg

    In dem neuen Nest lebt es sich komfortabel.Die Wohnungen sind durchökonomisiert, dementsprechend gewöhnungsbedürftig für einen Kanarenankömmling. Die Atmosphäre des Hauses ist warm und inspirierend. Ich würde gerne einen kleinen Film ùber die zweiunddreissigErwachsenen mit zwölf Kindern drehen. Immer begegne ich Generationen und rätsele, wie alt die wohl sind, was die wohl machen, ob die hier glücklich sind. Manchmal komme ich mir vor wie Montag in Fahrenheit 451, wenn ganze Trupps an mir vorbeiziehen. Gehen die ins Bücherzimmer, in den Multifunktionsraum, oder haben die eine Besprechung im Home Office? Ständig bekomme ich Nachrichten über Signal, ich schaue sie mir sporadisch an. Ich denke über Wahrheitsfindung nach, über „fake“, und träume von Brian Jones (nein das ist Tina Weymouth) und summe…

    This must be the place: Home is where I want to be.

    HEAVEN.

  • Rock around the clock

    Ich glaube an Nächte

    Rainer Maria Rilke

    Es gibt wenige Orte weltweit, die rund um die Uhr geöffnet sind.

    Was waren das für cineastische Realitätsgänge ins „Seinfeld“, um Tom‘s Dinner zu bestellen, um dann eher schlecht gelaunt das konzeptionelle Schnitzel mit dem armen Nachbargast zu teilen. In New York hält man alles aus, weil die Nächte groß sind. Unvergesslich mein Kauf nach Mitternacht in einem Videoshop : Die 13 Filmcassettenbox von Edgar Reitz HEIMAT. Klar, Berlin schlief auch nie. Wir tingelten von Bowie‘s Nachbarcafé DAS ANDERE UFER hinüber nach Kreuzberg in die DESTILLE und vertrieben uns die Nacht, bis der Osten über dem Fernsehturm am Alex rot wurde. Wir waren im Geiste alle Geschwister und packten die Badehose ein und dann „nischt wie raus nach Wannsee.“

    In meinen gegenwärtigen Gefilden gibt es einen Ort, den ich liebe. Das TEA auf Teneriffa. Dort gibt es eine Bibliothek, die Tag und Nacht geöffnet hat. Ein grandioser Spot für alle „nightowls“. Das Gebäude ist umwerfend geometrisch konzipiert, von den Schweizer Stararchitekten Meuron & Herzog. Die Bibliothek liegt etwas unterhalb einer Brücke und ist vollkommen transparent, also einsehbar. Sie ist auch nächtens gut besucht. Books never sleep. Mein liebenswerter Bibliothekar ist queer. Letztens saß er im lindgrünen Tüllpettycoat und hellbeigem Top hinter seinem Laptop und zwinkerte mir zu. Ich war wieder einmal überfällig mit der Rückgabe der CDs. Ich hatte mir von Neil Young Harvest , von der Steve Miller Band Fly like an eagle und von Keith Jarrett und Jan Gabarek Sleeper ausgeliehen. Ich nehme mir vor, dem wunderbaren Bibliothekar bei meinem nächsten Besuch eine Tüte buntester Marshmellows mitzubringen oder Vanilla Fudge.

    Ein wirklich great place to spend the night together ist Stornoway auf den äußeren Hebriden. Besonders im Sommer, wenn das HebCelt Festival dort stattfindet. Vor einigen Jahren trat dort Van Morrison auf und yeah, he sang it! Mein Lieblingssong BROWN-EYED GIRL. …making love in the green grass behind the stadium… Danach trat Dougie Mac Lean auf und wer kennt es nicht …Caledonia you‘re calling me… Nach den Konzerten geht es zum Jammen und Whiskey trinken in die Bars, wo die Abwesenheit von Zeit keine Rolle spielt. Es herrscht ein seliger Musiktaumel, wie ich ihn nur dort erlebt habe. Dè an Gaol beatha… Was für eine Lebenslust.