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In Kristiansand vor 10 Jahren
Vom 5. bis 7. September 2024 findet das Punktfestival in Kristiansand statt. Zum 20. Mal. Ich werde da sein. Vor ziemlich genau 10 Jahren schrieb ich, nach dem Ende der 10. Ausgabe dieser Veranstaltung, folgende Tagebuchnotiz.Ich stand ziemlich früh auf und ging duschen. Auf Endlosschleife liess ich einen Song von The The laufen, „This Is The Day“ (kleiner Affirmationstrick). Ich duschte lange, und liess am Ende den Wasserstrahl eine Minute eiskalt sein Werk verrichten. Ich frühstückte mit Christoph Giese und Jan Bang, und wie immer, wenn wir drei zusammensitzen, gibt es gute Gespräche und viel zu lachen. Danach ein gutes, etwas ernsteres, Gespräch mit Henning.
Um 11 Uhr begann der Soundcheck für meine „Electronic Griot“-Performance damit, dass Tony Valbergs Tischlampe von 1953 einen Wackelkontakt hatte. Er besorgte eine Ersatzbirne. Der CD-Spieler mit den acht vorbereiteten Tracks spielte die Musik nicht ab, es musste ein Ersatzgerät herbeigeschafft werden. Ich wurde etwas nervös, aber schliesslich war alles geregelt, der Raum angenehm verdunkelt, wie nachts im Deutschlandfunk. In der Lounge sassen Fiona Talkington und Laurie Anderson, die ich begrüsste und an unsere zwei Begegnungen in den Neunzigern erinnerte. Sie freue sich auf meinen Vortrag, sagte sie, ich hatte sie im Vorfeld dazu eingeladen.
Mich überkam eine angenehme Ruhe, kein Anflug von Lampenfieber, ausser der latenten Furcht, Tonys Lampe aus dem letzten Jahrhundert würde mal zwischendurch den Blick auf meine Papiere verdunkeln, aber es gab ja eine zweite Glühbirne. Um 11.45 Uhr startete auf dem Schallplattenspieler das Ensemble Economique, und der Saal füllte sich. Um 12 Uhr ging ich zu meinem iPad in einer hinteren Ecke des Raums (mit dem tragbaren Mikrofon war ich mobil) und legte los, las die letzten zwei Abschnitte einer Short Story von Richard Brautigan. „I had never seen anybody set fire to a radio before.“ Und das Ende mit den brennenden Liedern.
Ich ging zu meinem gemütlichen Sitzplatz, der Raum war gut gefüllt. Ich war konzentriert und entspannt, einige meiner Geschichten verströmten einen Hauch von Melancholie, wie der Anblick von Herbstblumen, die ihre Köpfe hängen lassen. Die Zeit verging wie im Flug, die Zuhörer waren aufmerksam, lachten manchmal, und ich bekam einen herzlichen Applaus. Ich beantwortete noch ein paar Fragen. Wildfremde Menschen und einige gute Bekannte bedankten sich für meine Show. Beim Hinausgehen kam ein junger Mann zu mir, der mir verriet, er habe an zwei Stellen Tränen in den Augen gehabt. Eine Frau fragte mich, ob meine Nachtsendung in Köln genauso ablaufen würde, und ich sagte, ja, genau in der Art, ich würde nur das Wort „fuck“ weglassen. Laurie Anderson sah mich, kam zu mir und sagte, mein Vortrag habe ihr sehr gefallen. Und noch zwei schöne Sätze. Ich brachte meine Tinträger aufs Zimmer und kehrte in den Seminarraum zurück, wo Jana Winderen, eine Soundforscherin aus Oslo, die sich gern in der Nähe von Eisbergen rumtreibt, und Mike Harding vom englischen Label Touch ihren Vortrag hielten.
Danach betrat Laurie Anderson das Podium, und erzählte von dem Film über ihren erblindeten Hund, und wie er mit seinen Pfoten auf den Tasten eines Pianos zu einer besonderen „Hundemusik“ beitrug. Laurie versteckte sich nicht hinter ihren Geschichten, und erzählte sehr persönliche Dinge. Mit der Technik gab es einige Probleme, und auch sie hatte plötzlich, wie ich zuvor, eine hölzerne Stuhllehne in der Hand. Bei ihrer letzten Story war das Ende, mit ihrer unnachahmlichen Stimmmodulation, so sinnlich wie bitter, unvergesslich. Später ging ich mit Mike Harding und Jana Winderen zu Mother India. Irgendwann fiel ich totmüde ins Bett und träumte von den Beatles in Mono!
– 40 – 43 –
40 – Harald Budd, Brian Eno – Ambient 2: The Plateaux Of Mirror
Obwohl ich schon immer viel instrumentale Musik gehört habe, war die Auswahl in dieser Serie bislang text- und stimmlastig. Es wurde gesungen oder gerappt. Da ich die Texte recht schnell schreibe, ist die Auswahl spontan: an einem anderen Tag hätte ich vielleicht etwas anderes ausgewählt. Es gibt sicher einige Alternative Versions, other possible music.
Seitdem ich so 35 bin, höre ich viel Musik beim Korrigieren von Arbeiten und Vorbereiten meines Unterrichts. Da bietet sich instrumentale Musik an. Das hat vielleicht auch eine Eigendynamik angenommen. Nicht nur deswegen folgt ab jetzt nur noch Instrumentalmusik (sorry, Beth).
Ich beginne ab 2010 damit, versuchsweise Klassik und Neo-Klassik zu hören: Streichquartette, Nils Frahm, Lubomyr Melnyk. Das ist alles schön, aber nicht ganz was ich suche.
Und irgendwann frage ich mich, ob nicht Brian Eno die Ambient Musik erfunden hat, um die Stimmung in einem Raum zu verändern, ohne sich all zu sehr aufzudrängen. Ich lade mir also erst „Ambient 1“ und recht schnell auch noch „Plateaux of Mirror“ runter (in der Zeit höre ich hauptsächlich Downloads über eine Soundbar von Teufel). Speziell das zweite Album hat einen unglaubliche Wirkung, ich bin hochaufmerksam am Hören und tief versunken in der Arbeit – ein merkwürdiger Effekt.
43 – Masayoshi Fujita – Apologues
Apologues hat einen besonderen Stellenwert und bekommt deswegen hier auch eine gesonderte Erwähnung: es war mit Abstand das meist gehörte Album in meiner iTunes Bibliothek, deren Top Ten zu 80% aus den Stücken dieses Albums bestand. Ich glaube, ich habe es um die 120mal gehört.
Ein Zwischenschritt also, bestimmt würde ich beim längeren Nachforschen noch mehr Alben finden, die einen besonderen Stellenwert haben. Urlaubsmusik, so etwas.
2016 absolviere ich eine Prüfung zum Heilpraktiker für Psychotherapie. Ich bin mir nicht sicher, wie viele Mitlesende diesen Schein kennen. Es ist eine relativ anspruchsvolle Prüfung, in der mündlich wie schriftlich das medizinische Wissen zu Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie abgefragt wird; die Durchfallquote liegt bei über 50%.
Ich bereite mich in einem einjährigen Kurs vor (an einem Abend in der Woche), nach einem halben Jahr treffe ich mich regelmäßig mit einer Lerngruppe. Nebenher arbeite ich und stemme den Alltag mit den beiden Kindern (meine Frau arbeitet in der Zeit extrem viel). Unmittelbar vor den beiden Prüfungen bin ich außerdem privat und/oder beruflich sehr eingebunden – die Termine liegen suboptimal.
Irgendwann gewöhne ich mir an, beim Lernen immer die fluffig verträumte Musik von Masayoshi Fujita laufen zu lassen, in der Hoffnung, dass es irgendetwas bringt. Auf den Zugfahrten nach Celle bzw. Lüneburg zu den beiden Prüfungen läuft „Apologues“ auf dem iPod. Die schriftliche Prüfung bestehe ich sehr knapp (bei einem Fehler mehr wäre ich durchgefallen) und irgendwie mogel ich mich durch die die mündliche Prüfung, auch wenn mindestens eine der drei Prüfenden mich durchfallen lassen will. Diese 60 Minuten waren so lang wie ein Tag. Vielleicht hat die Musik meine neuronalen Netze wirklich so aktiviert, dass sie zum Bestehen einen kleinen Beitrag leisten konnte.
– 35 –
35 – Michael J. Sheehy – So Long, Sorrow Town / Niels Frevert – Niendorfer Gehege
Im Jahr 2008 bin ich seit zwei Jahren Waldorflehrer und unterrichte an zwei Schulen, die 80 km voneinander entfernt sind. An manchen Tagen muss ich an beiden Schulen arbeiten und anschließend meinen Sohn von einer dritten abholen. Das Gefühl der Umzingelung stellt sich ein.
Die Schilderung meines Weges in diesen doch sehr speziellen Beruf, der Hürden, die ich überwunden oder nur aus dem Weg geräumt habe, sprengt diesen Rückblick deutlich. Ich bin – 2024 – immer noch Waldorflehrer, zum Glück schon lange nur noch an einer Schule tätig. Viele Vorbehalte habe ich immer noch und während der Pandemie, in der die Waldorfbewegung nicht immer ein gutes Bild abgegeben und eine noch schlechtere Presse bekommen hat, sind noch einige dazu gekommen. Die Zusammenarbeit mit den Schüler*innen möchte ich aber nicht missen.
Während ich die Ausbildung zum Waldorflehrer berufsbegleitend absolviere, arbeite ich 2004-2006 als Telefonist einer großen Behörde. Mein Arbeitsplatz ist eine ranzige Pförtnerloge, in der wir immer zu zweit sitzen. Die Tätigkeit ist weder anstrengend noch herausfordernd; ich habe vielleicht noch nie in meinem Leben so viel gelesen wie in diesen zwei Jahren, „Die Buddenbrooks“ sind zum Beispiel in einer Woche durch. Ich verbringe zusätzlich reichlich Zeit im Internet, spiele Schach und Backgammon gegen den Rechner, löse Sudokus und führe gelegentlich auch Telefonate.
Ich entdecke Blogs für mich und lerne so viel neue Musik kennen. In dieser Zeit hat es mir besonders shake-baby-shake angetan; ich höre immer mehr R’n’B, Country, Blues, Soul. Und bis 2008 wird vor allem noch Bob Dylan dazu kommen, den ich in diesen Jahren wirklich viel und gerne höre und irgendwann später einmal live sehe (vielleicht das einzige Konzert auf dem ich erlebe, dass jemand ohnmächtig wird – ich glaube die Aufregung spielte dabei tatsächlich eine sehr große Rolle).
Zurück in das Jahr 2008. „Niendorfer Gehege“ (von dem wunderbaren Album „Du kannst mich an der Ecke rauslassen“) erzählt vom Erwachsensein, von der verlorenen Zeit. Das geht mir sehr nahe, besonders die kleine Reminiszenz an Kiss.
Die meiste Musik höre ich in der Zeit auf meinem iPod Nano, den ich mir am Ende meines ersten Schuljahres (2007) gönne und sehr liebe; auf den langen Bahnfahrten zwischen den Schulen das perfekte Medium für mich. Meistens kaufe ich mir CDs, importiere die auf den Rechner und packe die Musik dann auf den mp3 Spieler.
Meine Zeit an der etwas weiter entfernten Schule ist von vorneherein begrenzt. Erst will ich sowieso nur ein Jahr bleiben, die Beziehung zu den Schüler*innen ist dann doch so, dass ich sie noch ein Jahr länger und durch das Abitur begleite. Aber die Fahrerei schlaucht, zudem ist an der Schule die Atmosphäre insgesamt verbesserungswürdig. Und so kommt es, dass ich im letzten halben Jahr immer eine Straßenbahnstation früher aussteige, um in Ruhe eine Zigarette zu rauchen und dabei „So Long, Sorrow Town“ von Michael J. Sheehy (von „Ghost On The Motorway“, auch ein schönes Album) zu hören: „well I don’t start nothing that I can’t finish/ but this is a cold and tasteless dish/ so I dust down my coat and pull up my slacks/ I hit the road, I ain’t ever coming back/ so fare thee well all you sons of bitches/ if I don’t leave now I’m gonna leave one of you in stitches/ you bullshit merchants with your airs and graces/ we’ll be in hell next time I see your faces/ So long, sorrow town/ tomorrow I’ll be long gone….”
5-10-15-20-27
„Tell me lies later, come and see me
I’ll be around for a while
I am lonely but you can free me
All in the way that you smile“Diese musikalische „Erinnerungspoesie“ beginnt in einem Wohnzimmer am Weissdornweg 9 in Dortmund im Jahre 1960, und endet im Marquee Club in London im Dezember 1982. Anders als bei Olafs Reise, gibt es hier keine Fortsetzungen. Und, Überraschung, es gibt ein kleines Rätsel: wer als erster in den Kommentaren den Künstler des weiter unten, vor dem Nachklang, platzierten Musikstückes errät, erhält ein im September erscheinendes Album als Cd frei Haus geliefert. Und als Download, ein Stück ais Byard Lancasters 1974er Album „Us“.
1960
Mit fünf Jahren ist das Leben noch in Ordnung. Meine Geburt war schwierig, und meine Traumata hielten sich, wenn es sie gab, in Grenzen. Aus irgendwelchen Gründen gab es für mich keinen Kindergarten, also sass ich morgens lange alleine auf einem roten Kissen neben dem Kohleofen und hörte leidenschaftlich gern Musik aus einem alten Radio mit grünem Auge. Grosse Freude: es gab Schlager, in denen ferne Welten vorkamen, Italien etwa, oder Mexiko. Ich mochte das Gebläse vom Kurt Edelhagen Orchester nicht sonderlich, und spielte damals Musikkrtiker.
1965
Die Welt änderte sich drastisch, als ich meine erste Single kaufte: Rock‘n‘Roll Music von den Beatles. John Lennon sang einen Song von Chuck Berry, und ich war verloren. Es folgten in jener Zeit, als jeder Tag eine Reise war, ich einem Blutsbruder fand, meinen BVB, und ich mich nacheinander in Frau Funke (Dortmund-Körne), Frau Sonnabend (Haus Westfalen, Langeoog), Margarete Scheibelhut und Jutta Kortmann (beide Mitschülerinnen in der Brüder Grimm Volksschule) verliebte, noch lange vor dem ersten Sex, die anderen ersten Male: ich hörte „You Really Got Me“, und es fuhr mir durch alle Sinne, ich hörte „All Day And All Of The Night“, und die Welt drehte sich doppelt. Ich hörte abends auf Radio Luxemburg das allererste Mal „Mr. Pleasant“ von den Kinks, kam aus meiner Begeisterung über Tage nicht heraus, und verschlang in der „Bravo“ alle Stories über die beste Band der Welt. In dem Sommer, in dem „Sgt. Pepper‘s Lonely Hearts Club Band“ erschien, hörte ich das Album in den grossen Ferien jeden Morgen zweimal hintereinander, mit einem vollen Teller Honig Pops.
1970
Ich bin 15 und so langsam geht es auf das Abitur zu, das sog. Erwachsenwerden. Ich entwickle mich zum Spezialisten für romantisch-unglückliches Verliebtsein und finde das erste Mädel für immer, als auf dem Plattenspieler einer Kellerparty mit bunten Lichtern „Lady D‘Arbanville“ vom Cat Stevens läuft. Sie ist mit einem Postboten verlobt, und ich beschliesse das zu ändern. Als ich einmal sturmfreie Bude habe, hören wir Iron Butterflys „In A Gada Da Vida“ mit voller Dröhnung. Ich gebe alles, aber mir fehlt „experience“. Zwei Wochen später serviert sie mich ab, mit einem nüchternen Brief aus Besancon, ich versinke in einer Hollywoodschaukel und lese „Vom Winde verweht“. Dann geht es Schlag auf Schlag: ein Freund bringt mich auf das Doppelalbum „Third“ von Soft Machine, und es wird zum Dauerbrenner auf meinem Plattenspieler. Wie ein Verrückter höre ich Robert Wyatts „Moon In June“, aber auch die anderen drei Seiten voller wildem Rock-Jazz-Gebrause. Ich bekomme die ersten ECM-Platten meines Lebens: „Ruta and Daitya“, „Sart“, „Bremen-Lausanne“. Da taucht auf der Rückseite stets der Vermerk auf „produced by Manfred Eicher“. Es betreten die Bühme meines Teenagerdaseins: der Free Jazz von John Coltrane, der „elektrische Miles“, und die Fernsehserie mit den Monkees. Ich war noch dreiviertelwegs Kind, als mir zu Weihnachten „Blue“ von Joni Mitchell in die Hände fiel. Musik kann nicht tiefer gehen. Preparations for life. Guten Sex habe ich nur mit Emma Peel, und es gefällt mir, wie sie mich auf den Rücken wirft und mir Fesseln anlegt. Mein Name ist Surrender. 1971 oder so, auf einer Ferienreise, sehe ich Neil Youngs „After The Goldrush“ in einem Plattenladen in Paigntn, und kann einen Tag später „Tell Me Why“ mitsingen.
1975 / 1976
Ein regnerischer Herbsttag, ich gehe von meinem Studentenwohnheim, wo ich mit David Webster im Winter davor jeden Abend dem weissen Album der Beatles gelauscht hatte, (andächtig), zu einem Würzburger Plattenladen, und hole meine Bestellung ab. Auf Mikal Gilmore im Downbeat ist Verlass, ein Seelenverwandter. Ich transportiere das Album in einer Tüte durch strömenden Regen: im Zimmer 513 wartet die schönste Frau Gelsenkrichens auf mich. Ich bin im siebten Himmel, und in den ersten Sekunden des ersten Liedes, „Burning Airlines Give You So Much More“, gesellt sich der achte Himmel dazu. Das ist der Anfang meiner Geschichte mit Brian Eno, und „Taking Tiger Mountain (By Strategy)“ gehört alsbald zu den drei Platten „on endless repeat“, die unsere Liebe „soundtracken“, neben Eberhard Webers „Yellow Fields“ und Bob Dylans „Desire“.
1980 / 1982
Meine Würzburger Studentenjahre enden in vielen Betten, und im John Lilly-Wassertank, so nenne ich meine Badewanne in der WG. Ich bin ganz allein und bekomme ein Päckchen aus London: „Possible Music“ vin Jon Hassell mit Brian Eno, sowie „The Plateaux Of Mirror“, von Harold Budd und Brian Eno. Hohe Dosierung. Ich gerate in einen Zustand tiefer Versenkung und schaffe es gerade noch, meinen Wassertank vollaufen zu lassen. Die kommenden vier Stunden verbringe ich darin, lasse immer warmes H2O nachlaufen und schwebe davon. Das Leben ist ein Traum. Ich trete meine erste Stelle als Psychologe an in der Fachklinik Furth im Wald für Alkohol- und Medikamentenabhängige. Für ein Kind des Kohlenpotts ist die Welt von Bergeinöden, Grasfilzing und Arnschwang eine bizarre exotische Welt, leergefegt von allen Träumen des Exotischen. Meine grosse Liebesgeschichte mit C. ist Vergangenheit, aber es ist nicht so, dass es nicht noch eine Steigerung gibt in Sachen Rausch und Melancholie. BANG BANG BLUE. Mein „survival kit“ besteht einzig und allein aus meiner Plattensammlung, mit der ich mich am Ende der Welt einrichte. Regelmässig trudeln Pakete von „jazz by post“ ein. ECM, Eno, die Talking Heads, der Zündfunk. Als der Vorhang im Nördlichen Bayerischen Wald fällt, 212 Romanseiten später, folge ich dem Rat eines Kollegen, und fliege um die Weihnachtszeit nach London, lebe in einem Hotel in Hampstead, hören John Peel und stromere stundenlang durch die Heide von Hampstead Heath. An einem Abend bin ich Im Marquee Club in Soho, um Jah Wobble and The Invaders Of The Heart zu erleben. An dem Abend geht mein Leben zuende, und es fängt gerade erst richtig an.
1973-1982 (1985)
Nachklang: Auf einen Blick, meine unvergesslichsten Konzerte aus diesen Jahren, ohne Rangordnung, alles Initiationen, die Ohren gross wie Scheunentore. Jah Wobble (London, 1982) / Byard Lancaster Trio w/ Steve McCall (Paris, 1974) / Dave Pike Set w/ Volker Kriegel & Eberhard Weber (Dortmund, 1971) / Keith Jarrett Quartet w/ Dewey Redman, Charles Haden, Paul Motian (Nürnberg, 1976) / Julie Tippetts with Ovary Lodge (Moers 1975) / Frank Lowe Group (Moers, 1974) / Jan Garbarek-Bobo Stenson Quartet (Münster 1974) / Brötzmann – Van Hove – Bennink (Würzburg, 1975) Oregon (Münster 1974) / Neil Young w/ Crazy Horse (Nürnberg, 1982) / King Crimson (Nürnberg, 1982) / Gary Burton Quintet w/ Eberhard Weber und Pat Metheny (Aschaffenburg, 1976) / Anthony Braxton Quintet (Dortmund, 1980) / Zbginew Namyslowski Group (Würzburg, 1974) / und ein Nachzügler: Leonard Cohen (Gruga Halle, Essen, 1985, an meinem 30. Geburtstag)
Bye, my friend!
They called him Dave or John, and i never knew the story behind it. I once called him the talking machine, but we soon got that little argument out of the way. He was a music lover like a music lover can be, and though we only met at so many early Punktfestivals in Kristiansand, i got to knew him well, with all the common wavelenghts, deep into ECM, and a Kingcrimsonist par excellence. I loved his presence: a musical library with a beating heart, a gentleman who loved dogs. How often did we sit side by side in the „alpha-room“. He could be so quiet, when the music started, in his own deep listening ways. John Kelman, Dave Binder – bye, my friend. I will play an old record tonight, in dearest memory: Ruta and Daitya, by Keith Jarrett and Jack DeJohnette (the title referring to their African names). One for the stars. (michael engelbrecht)
Die Newsreader
Anna Torv, Entschuldigung, Helen Norwood ist schlecht gelaunt, man muss sie nur angucken, während die Nachrichten laufen, ganz am Anfang. Sie war sicher, die Margret Thatcher-Nachricht zu präsentieren, aber kurzfristig wurde das dem Mann neben ihr übergeben. Das sorgt für Stress. Und dieser andere Typ wechselt auch permanent die Gesichtsfarbe, weil aus dem Paul Hogan-Band Bandsalat wurde. Ihr erinnert euch: Paul Hogan, Crocodile Dundee!! Und in Australien Mann des Jahres 1986, immerhin hat der Hogan einen Reiseboom der Amis Richtung Down Under ausgelöst. Also, es gab die wilden Sechziger, die wilden Siebziger, und in dieser ganz und gar sehenswerten Serie aus Ausstralien (2 Staffeln, Arte) geht es um die wildem Achtziger. Aber sowas von! Ich habe die Pilotfolge anfangs geguckt, weil ich auf Anna Torv stehe, und seit jungen Jahren ein paar Lieblingsfilme habe, die in Redaktionsbüros spielen. Die Pilotfolge hat mich dann voll überzeugt. obwohl Anna Torvs Frisur so aussieht, also könnte sie damit gefahrenlos einen Eisschrank rammen. (m.e.)
– 30 –
30 Gene Clark – No Other
Am Vorabend meines 30. Geburtstags gehe ich das erste Mal seit über 10 Jahren ganz einfach ins Bett. Kein Reinfeiern. Es sind nun 2 Kinder da, knapp ein bzw. viereinhalb Jahre alt. Wir wohnen seit einem halben Jahr in Hannover, in einer kleineren Wohnung als vorher in Berlin, zahlen aber etwas mehr Miete.
Mein Studium habe ich eher recht als schlecht abgeschlossen. Für eine Promotion reicht es dann nicht ganz. Und ich habe zwar neugierig studiert, aber die Berufsvorbereitung anderen Dingen untergeordnet. 2003 gibt es ziemlich viele Arbeitslose in Deutschland. Auf einen Magister der Amerikanistik und Geschichte, der noch nie irgendwo ein Praktikum absolviert hat, wartet die Welt in dieser Zeit nicht. Umgekehrt fällt es mir nicht ganz leicht, mich in die Arbeitswelt einzubringen – ich weiß nur bedingt, was meine Stärken und Schwächen eigentlich sind.
So lande ich in einer vom Arbeitsamt gesponsorten Umschulungsmaßnahme zum „Aufnahme- und Produktionsleiter für Film und Fernsehen“. Eine Erfahrung, die mich teilweise voranbringt und mir ein bisschen Zeit verschafft. Zudem werde ich in der Zeit vom Arbeitsamt bezahlt, was mit zwei Kindern im Hause hilfreich ist.
Aber hier geht es ja eigentlich um the music that made me. Ich habe mit 30 die Schnauze voll von der Club und Hip Hop Musik, die bei mir und in meiner Umgebung viel läuft, sehne mich nach weniger grellen Klängen.
Auf Besuch in Berlin, das sich zu der Zeit wie Heimat anfühlt, lese ich am Tag der Abfahrt in der Berliner Zeitung die Besprechung einer Wiederveröffentlichung: „No Other“ von Gene Clark. Alles an der Rezension gefällt mir. Es handele sich um ein verschollenes Meisterwerk einer verlorenen Seele – mit viel Geld aufgenommen, dann aber ohne nennenswerte Werbung veröffentlicht.
Auf dem Weg zum Bahnhof wird also ein Stopp bei Dussmann eingelegt. Es muss schnell gehen. Ich frage nach dem Album. „Müsste da sein, der Chef ist Fan.“ Ich bekomme die letzte CD, wir hetzen weiter zum Bahnhof (ich habe tatsächlich Frau und Kinder mitgeschleppt *kopfschüttel*) und bekommen den Zug in die Metropole an der Leine.
Vor auch schon wieder drei Jahren schrieb ich drüben bei Manafonistas: (No Other) ist nicht so breitbeinig, wie der schwere Titeltrack vermuten läßt, sondern vorsichtig, zurückhaltend, zweifelnd. Und doch von einer klanglichen Opulenz, die ihresgleichen sucht – hier wurde viel Geld ausgegeben, um genau den richtigen Sound zu finden. Die Musik, eine in den 70er Jahren angerührte Melange aus Country, Folk und Soul, berührt den Boden kaum, in den beiden längeren Stücken „Lady of the North“ und „Some Misunderstanding“ kommen mehr Instrumente zu Gehör, als eigentlich im Studio waren. Ein Meisterwerk, das vom Verlust von Träumen, und dem übrig geblieben Schatten, handelt.
Jackson Browne
„A Human Touch“ zum Beispiel: „Everybody get s lonely / Feel like it s all too much / Reaching out for some connections / or maybe just their own reflection / Not everybody finds it / Sometimes all anybody needs / IS A Human Touch“
Es gibt sie noch, die Texte zum aktuellen Zeitgeschehen, sogar musikalisch unterlegt. Ich entdeckte sie im Austin City Limit TV, wo ich mir einen Auftritt von Jackson Browne anschaute. Die Lyrics kommen aus seiner Feder. Er trat mit der Sängerin Leslie Mendelssohn auf, übrigens eine spannende Neuentdeckung für mich. „A Human Touch“ ist ein wunderbar weich gesungenes Lied, sie schrieben und sangen es zusammen für einen Film. Auf dem Programm stand noch ein anderer Song, den Jackson den Kindern von Immigranten gewidmet hat: „The Dreamer“.
Just a child when she crossed the border / To reunite with her father / And with a cruxifix to remind her / She pledged her future to thls land / And does the best she can do / A dónde van los sueños…
Das ist ein Gänsehautsong. JB knüpft an die Traditionen seiner Songwriterfreunde an, die in den 69ern begannen über Proteste, Tod und Kriege zu singen: Bob Dylan, CSNY, Joni und Joan – was für glory times!
Jackson ist ein brillanter Songwriter, ernst und immer mit der Zeit gehend. Er kann aber auch lustig sein, wie er in „Red Neck Friend“ über einen Penis albert. Oder ganz laid back in „Take It Easy“. .Damit hatte er seinen Durchbruch, obwohl der Song für die Eagles war. Für die Kinks schrieb er Waterloo Sunset, das wusste ich gar nicht. Ich habe leider Jackson Browne nie live gesehen. Vielleicht klappt das ja noch, er tourt noch immer.
Meine Songliste ist lang, sie ist seit über 40 Jahren gewebt:
These Days
The Pretender
Too late for the Sky
Here come the tears again
I am alive
Missing Person
Song for Barcelona(oder überhaupt das ganze Album, das er in Barcelona mit dem wunderbaren David Lindley gemacht hat)
“The Invisible Road“
The Invisible Road: Original Recordings, 1985–1990 compiles an unheard, previously unreleased body of recordings by Sussan Deyhim and Richard Horowitz, dissidents from diametric backgrounds who met during the heady days of Downtown New York in the 1980s. This collection reveals the creative and life partners’ radical shared vision of avant-garde pop in all of its boundary pushing freedom, combining Deyhim’s singular approach to vocalization, Horowitz’s invention of new musical languages, and touchstones of traditional music from around the world, creating a new music that ultimately retains a voice entirely its own.