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  • Another dark and dancing world

    „Manchmal macht man Entdeckungen, wenn man eigentlich viel zu müde ist dafür. Dann traut man seinen Ohren nicht, und dann doch!“

    Speaking of perfect summer songs with deepness inside and surprises all along, HERE is one. Except it is not really a summer song. I am so stunned and haven’t heard any other song from the album. How often I am slightly disappointed when writers surpass one another with their writing on the next great singer. Oh, well, I say to myself, probably i‘m too old for this, but not here, not in this case.

    I haven‘t read any review yet, but, in its own mysterious or very clear ways, this song takes me back to the early 80‘s and my time in the northern part of the Bavarian Wood, with „Too Rye Aye“ on high rotation in my little house in the middle of nowhere land. More than curious if the whole thing lives up to the time traveling standards of this song, and, more than that, its passages of euphoria and darkness.

  • Sommerlektüre

    Richard Powers „Das grosse Spiel“

    Bereits der zweite Roman von Richard Powers, den ich 2025 lese. Kaum ein Buch hat mich in den letzten Jahren so begeistert und beeindruckt wie „Die Wurzeln des Lebens“. „Das grosse Spiel“, erschienen Ende 2024, habe ich wieder sehr gerne und recht schnell gelesen, wobei der Dauerregen der letzten zwei Wochen sicher einen Anteil hatte. Richard Powers jongliert mit vier Bällen, den verwobenen Geschichten von vier Charakteren: einer Meeresforscherin, einer Künstlerin und zwei sehr unterschiedlichen Freunden, Perfektionisten beide, die sich aus der Schulzeit kennen und dann gemeinsam an einem College studieren. Der eine entwickelt sich zu einem Tech-Oligarchen, der im frühen Internet eine Seite namens Playground (so auch der amerikanische Titel des Romans) aufbaut, die er zu einer der weltweit meistgenutzten Plattformen entwickelt. Der andere ist ein manischer Leser, ein Dichter und Denker, dessen Leben anders verläuft. Der Roman handelt von den Gegensätzen der beiden, damit auch von Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Literatur und Technik. Dann spielt eben noch das Leben der Meeresforscherin eine große Rolle und damit die Beschreibungen des Lebens unter der Wasseroberfläche (immerhin sind 71% der Erde von Wasser bedeckt).

    Sehr sinnlich schildert Powers eine ganz andere Welt. Und ähnlich wie bei „Die Wurzeln des Lebens“ stellt er hier die mannigfaltigen Formen der Kooperation von Lebewesen in den Mittelpunkt seiner Beschreibungen. Es gibt ja noch eine vierte Figur, eine Künstlerin… und die Zusammenhänge der Lebensläufe. Auf der Zielgerade stellt der Lesende dann fest, dass Powers gar nicht vier, sondern fünf Erzählbälle jongliert. Wieder bin ich tief in die Welt des Buches abgetaucht, wieder verzaubert, wieder aufgewühlt und wieder viel zum Nachdenken gekommen. Ich werde in diesem Jahr noch mindestens ein Buch von Richard Powers lesen: „Erstaunen“ (Bewilderment) steht als nächstes an (das ist mit 320 Seiten zum Glück auch etwas kürzer als „Das Grosse Spiel“).

    Wolfram Eilenberger „Die Geister der Gegenwart“

    Der Dauerregen in den letzten zwei Wochen und die Tatsache, dass ich die längste Zeit home alone war, haben dazu geführt, dass ich noch ein zweites dickes Buch gelesen habe: „Geister der Gegenwart“ von Wolfram Eilenberger. Dies ist dessen dritter Philosophie Schmöker, in dem Gedanken und Leben von vier Denker*innen parallel erzählt werden, so dass sich unterschiedliche Verbindungen ergeben. Hier sind es Susan Sontag, Theodor Adorno, Paul Feyerabend und Michel Foucault. Fragen nach der Möglichkeit einer Moral nach Auschwitz (auch nach dem immer wieder thematisierten Kolonialismus) werden gestellt, die (historische Entwicklungen der) gedanklichen Grundlagen der Gegenwart werden ebenso hinterfragt, wie die Methoden der Wissenschaft, es werden Alternativen gesucht und verworfen – und vieles mehr. Wie bei den anderen beiden Büchern Eilenbergers gab es immer wieder Passagen, die für mich sehr erhellend waren, solche die unterhalten haben (alle vier haben bewegte Leben geführt) und gelegentlich hat sich mir beim Lesen ein Nebel über meine Gedanken gelegt. Geht mir mit philosophischen Texten immer so – wahrscheinlich bin ich da nicht der einzige und vielleicht macht diese Verwirrung auch den Reiz für mich aus. Auch dieses Buch habe ich sehr gerne gelesen. 

    Die beiden Bücher haben sich immer wieder ergänzt. Die Aufspaltung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften ist ein gemeinsames Thema, damit verbunden eine Kritik an einer Intelligenz, die Phänomene („Welt“) auf einen Begriff reduziert und beherrschbar macht – und so Welt (oder Menschen) missbraucht.

  • In meinem Lieblingspark

    Ich habe im Jardin du Luxembourg auf einer großen grünen Wiese „Causeway“ gehört, nicht weit von dem Teich, wo Gross und Klein Miniboote auf kleine Fahrten schicken, aus dem bald erscheinenden Album „Disquiet“ der Necks. Wunderbar, von „Unruhe“ in diesen zeitlosen 26 Minuten keine Spur! Das Wetter wie eine gemalter Sommer an diesem langen Wochenende, erst zum Ende von „Causeway“ zogen dichtere Wolken auf, bald würde heftiger Regen folgen, wir winkten ein Taxi herbei. Noch immer schweben mir die Klänge durch den Kopf – ein Hauch der frühen Jahre von Caravan. Richtig interessant würde diese kurze Kurzgeschichte, wenn ein zweiter Hörer irgendwann auftaucht und im gleichen Park das gleiche Musikstück hört. Wo sitzt er oder sie? Welches Wolkenspiel zeigt der Himmel? Und was löst die Musik aus? Sicher nicht das Wort, das die Necks ihm gaben: „Damm“. Oder „Dammweg“. Und während ich meinen Platz auf der belebten Wiese suchte, voller glücklich leuchtender Zeitabschnittsgefährten (vertieft im Spiel, in der Liebe oder der Routine), schweifte, auf dem Weg dorthin, mein Blick nah wie fern, um jenen Steinbrunnen zu finden, wo einst ein Girl, jung wie ich, 1972, in einem anderen Sommer, „Ohio“ sang, von Crosby, Stills, Nash & Young. Diese beiden Stücke würden, zusammen mit der Schneemusik des Parks im Dezember 1992, als ich Tamia und Pierre Favre besuchte im Jüdischen Viertel, den Soundtrack meines Lebens im „Jardin“ abbilden.. Mir fiel sogar eine Szene aus einem Eric Rohmer-Film ein, der hier natürlich zu gerne seine jungen Sinnsucher manche Runde drehen liess. (m.e.)

  • Loud and Clear

     

    (In English here)

    So also sah sie aus, die legendäre „Wall of Sound“ mit der die Grateful Dead bis Mitte der 1970er unterwegs waren. Diese Konstruktion, die einen unvergleichlichen Klang produzierte, war auch die, mit der sich die Band am Ende selbst in die Knie zwang.  

    Das ganze Ding inklusive Gerüst war etwa so hoch wie drei Stockwerke eines Wohnhauses. Die Open-Air-Version maß rund 100 Fuß (circa 31 Meter) in der Breite und rund 40 Fuß (12 Meter) in der Tiefe. Die Version für Konzerthallen war nur geringfügig bescheidener, etwa 76 Fuß (23 Meter) breit und 30 Fuß (rund 9 Meter) tief. Die Wall of Sound beherbergte rund 600 Lautsprecher (vom Bass bis zum Tweeter), die von 50 Macintosh-Verstärkern mit einer Leistung von zusammen 28.000 Watt versorgt wurden. Die Verkabelung möchte man sich lieber gar nicht erst vorstellen. Die gesamte Anlage wog um die 75 Tonnen und sollte mindestens zehn Fuß über dem Boden stehen, damit der Klang ungebremst durch den ganzen Saal schwingen konnte.

    Um das Gewicht dieser Konstruktion tragen zu können, musste der jeweilige Bühnenboden mit einer zweieinhalb Zentimeter dicken Sperrholzplatte abgedeckt werden, auf der das Gerüst fest verankert war. Wenn möglich, sollte das Gerüst auch in der Höhe fixiert sein, denn wenn die Dead in die Vollen gingen, konnte der erzeugte Schalldruck die gesamte Konstruktion ins Schwanken bringen. 

    Auf- und Abbau nahmen jeweils einen vollen Tag in Anspruch. Das Gerüst existierte deshalb zweifach, ebenso gab es zwei hochspezialisierte Roadcrews. Der Aufbau konnte so bereits bei der Tourneestation B beginnen, während die Band noch bei A spielte.

    Die Wall of Sound produzierte bis zu 120 dB. Sie stand hinter der Band, die Musiker hörten also denselben Sound wie das Publikum vor der Bühne, und sie bekamen selbst die volle Dröhnung ab. Gehörschäden haben sie alle davongetragen. Der Witz der ganzen Konstruktion war, dass nicht — wie sonst üblich — der Klang aller Instrumente am Mischpult zusammengemixt und auf  die zwei an den Bühnenrändern stehenden PA (= Public Address)-Lautsprecher verteilt wurde, sondern dass jedes Instrument seine eigene, nur von ihm benutzte Abteilung innerhalb der Wall hatte. Im Prinzip ist die Wall also nicht eine PA, sondern fünf.

    Die Konstruktion gefiel keineswegs allen. Der Drummer Bill Kreutzmann beispielsweise hatte schlicht Angst, dieses über ihm hängende halbrunde Ding könne ihm auf den Kopf fallen. Das war nicht abwegig; zumindest einmal riss sich eine der Lautsprecherboxen aufgrund ihrer eigenen Vibration los und fiel herunter. Glücklicherweise traf sie niemanden. Es stellte sich auch sehr schnell heraus, dass der Gesang, desgleichen der Flügel, in Rückkopplungspfeifen unterging — klar, denn die Mikrofone standen ja direkt vor der Lautsprecherwand. Die Techniker der Band entwickelten deshalb ein sehr cleveres System, das zwei Mikrofone einsetzte:

    Der Sänger musste in das obere Mikrofon singen, das untere wurde phasenversetzt eingesetzt — im Prinzip war das dieselbe Idee, die wir heute von den „noise-cancelling“-Kopfhörern kennen. Allerdings klang das Ganze immer latent hohl, und die Dead-Sängerin Donna Jean Godchaux war unzufrieden — als Studioprofi war sie bestimmte Mindestbedingungen gewohnt, die hier nicht erfüllt wurden (man hört ihren Backup-Gesang unter anderem in Percy Sledges „When a Man Loves a Woman“ und in Elvis‘ „Suspicious Hearts“). Und natürlich wurde das ganze System, je größer es wurde, desto pannenanfälliger. Verstärker knallten durch, das Stromnetz brach zusammen, einzelne Lautsprecher gaben seltsame Nebengeräusche von sich, aus dem Publikum wurden Frisbees gegen die Speaker geworfen, die Fans mussten teils mehrstündige Wartezeiten und Konzertunterbrechungen hinnehmen. Weil die Deadheads ihre Band kannten, gab es deswegen kaum jemals Ärger, aber eine Zumutung waren solche Pannen dennoch.

    Der Konstrukteur dieses ganzen Traumes (oder war es doch eher ein Alptraum?) war, die Fans wissen es natürlich, der Toningenieur der Grateful Dead, Owsley Stanley, genannt Bear. Ihn wird man fraglos als eine „schillernde Persönlichkeit“ bezeichnen dürfen. Er war nebenher auch der Hersteller des wohl reinsten LSD-Präparats, das überhaupt zu bekommen war, sofern man nicht über Verbindungen verfügte, durch die man an das Original-Delysid aus Albert Hofmanns Labor herankam. Dass davon sowohl die Crews als auch die Gruppe selbst, wie auch große Teile ihrer Fans, regen Gebrauch machten, gehört heute zum Allgemeingut dessen, was die Saga so über die 60er- und 70er Jahre, Ken Kesey, die Merry Pranksters und die Acid Tests zu berichten weiß. Wer es genau wissen will, lese Tom Wolfes Buch „The Electric Kool-Aid Acid Test“. 

    Das alles ist auch Teil dieses vor wenigen Wochen erschienenen Buches: 

    Loud and Clear heißt das Buch, The Grateful Dead’s Wall of Sound and the Quest for Audio Perfection ist der Untertitel. Der Autor, Brian Anderson, ist stolzer Besitzer einer dieser alten Wall-Boxen; er hat sie von seinen Eltern übernommen, die Deadheads waren. Er geht die Geschichte  der Wall of Sound systematisch durch. Denn natürlich war nicht plötzlich die Wall in der Welt, sondern das Soundsystem hat sich über Jahre hinweg entwickelt und wuchs immer weiter, bis es dann schließlich so gigantisch war, dass es die Grenze zur Unbrauchbarkeit überschritt.

    Weshalb dieser ganze Wahnsinnsaufwand? Die Grateful Dead waren Klangfreaks, von Anfang an. Während andere Bands auf Verzerrungen standen, wollten die Dead einen sehr lauten, aber dennoch kristallklaren, verzerrungsfreien Klang. Und sie wollten, dass der Sound am hinteren Ende des Saales noch ebenso gut zu hören sei wie direkt vor der Bühne. Das aber lieferte keines der damals verfügbaren Soundsysteme, und so entwickelten sie über Jahre hinweg ihr eigenes.

    Und das ließ man sich etwas kosten. Die Wall of Sound schlug damals alles in allem mit rund 350.000 Dollar zu Buche (was heute rund 2 Millionen entspräche), zum Transport wurden sieben Trucks benötigt. Allein diese Transporte kosteten die Dead rund 100.000 Dollar im Monat. Dazu kamen Angestellte und die Roadcrews. Die Band erwirtschaftete zweitweilig gewaltige Einnahmen, doch blieb davon kaum etwas übrig — und so entstand der Zwang, denselben Betrag immer wieder im nächsten Monat erneut erwirtschaften zu müssen. Am Ende hatten die Dead keine andere Wahl mehr, als nur noch Stadionkonzerte und Festivals zu spielen, mit Clubkonzerten war das nicht zu machen. Das ging auf die Dauer natürlich nicht gut. Irgendwann sind selbst in Amerika alle in Frage kommenden Stadien, Festivals und Großhallen abgegrast, Tourneen etwa nach England, Deutschland oder Frankreich waren nicht mehr verlustfrei zu machen — die Anlage war praktisch nicht mehr durch den Zoll zu bringen.

    Und so wanderte 1974 die ganze Pracht am Ende in großen Teilen auf den Schrott. Etliche der Lautsprecherboxen landeten in Konzerthallen wie dem Winterland oder dem Fillmore East, etliche endeten aber auch als Hühnerstall in alternativen Landkommunen. Die Dead freundeten sich schlussendlich doch wieder mit handelsüblichen PA-Systemen an.

    Es geht in dem Buch nicht nur um Technikbegeisterung, sondern auch um Tourneegeschichten — um nicht zu sagen: um Klatsch. Es spricht auch eine gewisse Wehmut, eine leise „Es war einmal“-Stimmung aus dem Buch. Denn wenn auch die Technik im Vordergrund steht, so sind hier auch immer die Menschen beschrieben, die sie gebaut und bedient haben. Davon hätte man sich gelegentlich etwas mehr gewünscht. So eine Überraschung ist zum Beispiel, dass Owsley Stanley nach einem Schwimmunfall auf einem Ohr so gut wie taub war, aber meinte, auf LSD könne er den Schall sehen. Vielleicht war das wirklich so, der Sound jedenfalls, den diese Wall produziert hat, dürfte bis heute unerreicht sein. Ich hätte ihn gern mal gehört. Man wüsste auch gern, was Bear (und die noch lebenden Dead-Mitglieder) zu den wesentlich kompakteren PA-Systemen sagen würden, die uns heute zur Verfügung stehen.

    Zu kritisieren ist im Prinzip nur eine manchmal allzu sehr ins Längliche führende Detailfreude. Manches Mal hätte ein simples Foto drei Seiten Text erspart. Das Buch hat zwar eine Fotostrecke, die aber eher wenig ergiebig ist. Und irgendwann hat auch der geduldigste Leser begriffen, dass Drogen zum Alltag gehörten und in jeder Halle wieder neue und andere Schwierigkeiten auftraten, die irgendwie gelöst wurden (oder eben auch nicht). Ein gewisses Maß an Technikverständnis sollte man mitbringen, wenngleich sich Anderson viel Mühe gegeben hat, einen Lesefluss zu erzeugen, der durch die immerhin 350 Seiten dieses Buches trägt.

    Brian Anderson:
    Loud and Clear
    The Grateful Dead’s Wall of Sound and the Quest for Audio Perfection
    St. Martin’s Press, New York 2025
    ISBN 978-1-250-31967-8

  • „Turn a moment of nothing into something“, oder: Ein paar Dinge am Rande


    „One day, we will put it all behind
    We’ll say, that was just another time
    We’ll say, that was just another day on Earth“
    – Brian Eno


    Wie man mit einem Blick auf die Playlist rasch erkennt, ist International Anthem Rec. Co. eines der Themen meiner Radiostunde in der kommenden Woche. Die Sendung wurde gestern produziert; ein paar O-Töne von Scott McNiece, einem der Gründer von IAR kamen wenige Stunden zu spät, um noch eine Rolle zu spielen. Ein O-Ton von Benedicte ist dabei (DLF, 31. Juli, 21.05 Uhr), das „overvoice“ besorgte meine Lieblingsstimme des Senders, Christiane Nothofer, die auch ein paar Zeilen aus der Besprechung von „Lofoten“ vorträgt, die „Electronic Sound“, aus ein paar guten Gründen, zum Album des Monats August erklärt hat. Ich bin gespannt, was Lajla zu dieser Musik sagen wird, die mir einiges zu der Inselgruppe weit im Norden erzählt hat.

    Resavoir & Matt Gold HORIZON  (International Anthem) Benedicte Maurseth MIRRA (Hubro) David Boulter  YARMOUTH (Clay Pipe Music) Jeremiah Chiu & Marta Sofia Honer  DIFFERENT ROOMS  (International Anthem) Carlos Niño &  Miguel Atwood-Ferguson CHICAGO WAVES (International Anthem) Ben LaMar Gay YOWZER  (International Anthem) Amina Claudine Myers: SOLACE OF THE MIND (Red Hook) Henriksen Seim Jormin Ounaskari ARCANUM (ECM) Benedicte Maurseth MIRRA (Hubro) Cate Francesca Brooks LOFOTEN (Clay Pipe Music)

    Apropos „Inselmusik“: zu meinen, sagen wir mal, zwölf „Inselalben“ von International Anthem gehört sicher ein Doppelalbum, das sich auch unter meinen liebsten Jazz-Live-Doppelalben „ever“ einfinden würde, „The Way Out Of Easy“ von Jeff Parker und seinem Quartett (Foto 2). Und es ist eben nicht von 1975 („Agharta“) oder 1977 oder 1969, sondern von 2024. Hier ein Zitat von Jeff, und meine freundliche Aufforderung, diesem „Weg aus dem Leichten hinaus“ mal eine Chance zu geben – es ist leicht (easy peasy & deep)!

    That’s why I called the record The Way Out of Easy. Within the context of free improvisation or free jazz, sometimes freedom seems like it can be exploited where cats feel like everything has to be really dense. Sometimes freedom can mean just not doing anything, or it can be very restrained. The band, when we improvise together, we really are trying to think compositionally and really developing things and letting stuff go slow, and being very intentional and deliberate about what we’re doing.


    Die „September-Horizonte“ sind speziell. 35 Jahre lang habe ich die Sendung gemacht. Demnächst gibt es bei International Anthem das erste Album des Chicago Underground Duos seit elf Jahren (Foto 3). Es gefällt mir so gut, dass es seinen Platz sicher hat. Nicht zuletzt, weil es ein paar naheliegende und verrückte Verbindungen nahelegt – zu dem Cover eines Albums von Brian Eno (welches wohl!?), zu Jonathan Richman (hört! hört!), und zu Don Cherry sowieso. Der Grundton dieser „Dinge am Rande“ ist die Vergangenheitsform, obwohl alles – letztlich – „Zukunftsmusik“ ist. Wie das „Traumteil“ hier (Foto 4).

    Ich stelle im September wohl auch ein Stück aus Steve Tibbetts‘ neuer Arbeit vor, die im November rauskommt. Bin gespannt, wo es sich in seiner umfangreichen „Albenhistorie“ einordnet, in der „wilden Musik“ rund um Hammerwerke a la „The Fall Of Us All“, oder „A Man About A Horse“ oder im meditativen Feld seiner stillen Meisterstücke a la „Northern Song“ oder „Life Of“.

    Einige „Radiokreise“ schliessen sich, wenn abends am 22. Januar 2026 mein Steve Tibbetts-Portrait „laufen“ wird (im November und Dezember waren schon alle Termine vergeben). Meine allerersten zwei Radiosendungen überhaupt liefen abends, im Oktober 1989, über genau diesen Steve Tibbetts, erst im Deutschlandfunk, und unmittelbar danach, mit völlig anderem Skript und anderen O-Tönen, im NDR bei Michael Naura. Reiner Zufall, diese zeitliche Nachbarschaft, und eine schöne Herausforderung für ein „creative writing“-Seminar. Aber (patati patata!), wie gesagt: Zukunftsmusik, wie etwa auch das neue Dreifach-Opus der Necks, „Disquiet“ (Foto 1), das im Zentrum der „Herbsthorizonte“ aufleuchten könnte (so der alte Zauber weiter wirkt): „always different, always the same“.

    Weisst du noch, damals.
    Nein.
    Weisst du noch.
    War es schön, es war doch schön, manchmal, oder.
    Ja ja, auch. Aber.
    Aber.
    Es war auch … anders.
    Unheimlich.
    Manchmal unheimlich schön.

    Es ist eine Freude, die Kommentare zu lesen: darin kommt auch folgendes Album vor (Foto 5):

    „Although somewhat unexpected choices of instruments, Takada and Bro share the affinity of openness and exploring sound as source material. Taking a step deeper beyond musical training, cultural background and age difference (which also would be besides the point since Midori Takada is by Bro considered forever young at heart, and Bro himself is nearly fluent in Japanese language), Until I Met You is its own ecosystem, a gesture of unity and worldbuilding.  “I try to express myself with sound and have no ambition with my instrument other than to create moments of beauty with my fellow collaborators. I see Midori Takada as someone who can do exactly this. Turn a moment of nothing into something,” says Jakob Bro.“

  • Zum 20. Juli

    Zum Wochenende in der Passionskirche, Kreuzberg: Bill Callahan auf seiner ersten Europatournee seit elf Jahren. Proppenvolles Haus, langer Applaus, doch Callahan bleibt bei seinem sehr präzisen Programm, Start Punkt 20:30, Ende Punkt 22:00. Sehr kurze Zugabe („Let’s move to the Country“), zwei Songs weniger als bei anderen Konzerten der Tour. Dennoch ganz famos, wie der Texaner ganz allein mit einer elektrischen Gitarre, ein paar Pedalen und einem Becken alle begeistert. Und dann, nach dem Konzert beim besten Willen so lange hinter der Tür bleibt, bis wirklich restlos alle Menschen das Weite gesucht haben oder schließlich hinauskomplimentiert worden sind. Gemeinsam mit zwei älteren Herren warte ich noch eine gute Stunde vor der Kirche, um wenigstens zwei Platten signiert zu bekommen. Wer weiß, ob und wann der gute Mann sich hier noch einmal blicken lässt. Einer der beiden Männer ruft Callahan zum Abschied zu: „Don’t forget us.“ Im direkten Vergleich mit Callahans sehr freundlichem „Opening Act“, einem jüngeren, aber nicht mehr ganz jungen Mann an einer Gitarre, ebenfalls aus Texas, zeigt sich auch frappierend augenfällig, wie enorm die Welten zwischen ganz nettem persönlichen Liedermachen und der großen Kunst der Einfachheit eines autobiografisch durchzogenen, aber erstklassigen Songwritings sein kann. Obwohl Callahan seine Songs in dieser reduzierten Form darbietet, geht das tief.

    Tags zuvor in Potsdam: Performance-Künstlerin Ellen Kobe veranstaltet eine „Podiumsdiskussion“ (ja, in Anführungszeichen) zum 20. Juli über einen Film, an dem wir über zwei Jahre gearbeitet haben, der aber mangels Geld nie gedreht wurde, „Stauffenbergs Tasche“. Auf meinen nur halb ernst gemeinten Ratschlag bei Andres Veiels „Riefenstahl“-Premiere hin hat Ellen nun eine öffentliche, knapp 90-minütige Gesprächsrunde mit realen Personen über den Film organisiert, mit Filmemacher Andres Veiel, der Hauptdarstellerin des Films (HFF-Schauspielprofessorin, die auch Studenten ihrer Universität mit in die Besetzung brachte) und einem kenntnisreichen Militärhistoriker, plus umfangreiches Intro/Grußwort von Schirmherr Olaf Scholz (seine Zusage stammt noch aus der Zeit, als er Kanzler war und noch nicht abzusehen war, dass er zum aktuellen Zeitpunkt bereits frühzeitig sein Amt an Herrn Merz weiterzugeben hätte). Keiner der zahlreichen Zuhörer erfährt, dass es den Film nicht gibt, aber viele fragen hinterher, wo man ihn denn sehen könne. Insofern ist die Veranstaltung ein Erfolg — und eine weitere Etappe in Ellens Gesamtwerk, das ich seit einigen Jahren audiovisuell begleite.

  • Sunday afternoon

    Just heard a nice little organ concert at St Paul with J.R. Daniels on the cathedral’s 1962 Rudolf von Beckerath organ. It’s seen as one of the most important organs in the U.S., and I think rightly so.

    As apparently today it seems unavoidable to play a concert like this without some film music (thanks to Anna Lapwood), a „Star Wars“ medley had to be included, but well, even this sounded fine.

  • This Will Be Our Year

    Gestern habe ich damit angefangen, nochmal die letzte Staffel von MAD MEN anzuschauen. Diese spielt Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre und passt damit zeitlich in meine Serie „Verweigerung des amerikanischen Traums“, von der es noch weitere Folgen geben wird. Am Ende der zweiten Episode mit dem Titel „A Workday“ fährt Don Draper seine Tochter Sally von New York City aus zurück in ihr Internat. In einem Diner erzählt er ihr, dass er schon seit längerer Zeit von der Arbeit freigestellt ist und warum. Und dass er nicht weiter weiß. Darauf gibt auch Sally ihre bockige Haltung auf. Sie verabschiedet sich mit den Worten „Happy Valentine’s Day. I love you.“ Und dann beginnt der Song, der die Episode beendet, während der Abspann läuft: „This Will Be Our Year“, gespielt von The Zombies. Ganz wunderbar wird hier die Leichtigkeit, Aufbruchsstimmung und Energie am Anfang einer Verliebtheit transportiert. Wie eine unerwartete Begegnung, denn ein direkter Bezug zu konkreten Personen der Episode ist nicht erkennbar. Wahrscheinlich soll allgemein an den 14. Februar angeknüpft werden. Just enjoy the mood.

  • Das Ende des Inselhopping


    Ich reise früher zurück als gedacht. An dem grossen Backfisch lag es nicht, der ein Archetyp von Backfisch war mit archetypischer Remouladensauce. Es war eine kleine Mission, tief in Dortmund, vor dem Trip in den Norden, mit Blick auf den himmelnahen Käfer der Desperados, ein, zwei Biere zu trinken mit Jeff Tweedy. Mittlerweile landete der hyperdiskrete Link zu seinem Frühherbst-Dreifachalbum „Twilight Override“ in meinem Computer, und auf der Uwe-Düne stiess im Laufe eines Postkartensonnenuntergangs einiges an Dünenlaufkundschaft zu all diesen sich schlängelnden, schleichenden Liedern, die Jeff, in dieser dunklen Zeit, mit all den abgehängten kalifornischen Himmeln und Gazamordenden Israelis und Co., aus Düsternis und Lust aus dem Ärmel schüttelte. Ich spüre eine ferne Nähe zwischen Jeffs Singsang mit Jon Hassells Trompetenlinien. Nur ein Zufallszeuge murrte über die aus meiner Sonos-Box ertönenenden Songs, ob sich so etwas gehöre unter freiem Himmel. Ich sagte, welcher Himmel sei schon frei in diesen Jahren, und das hier sei Teil des Programms „Offizielles Nordfriesisches Entertainment für die Seele“ – ich sagte das freundlich, hatte aber keinen neuen Freund gefunden. Später sass ich mit dem einzigen Wilco-Kenner unter den Dünenkletterern beisammen, und wir pflückten das Lied „Stray Cats In Spain“ auseinander, dass es eine Freude war – mit der sprödesten Schrammelfigur seit meinem jugendlichen Scheitern an Peter Burschs Songbuch für Gitarre. Im Radio muss man aufpassen mit dem Wort „herzergreifend“. Ich bin also zurück in der elektrischen Höhle, habe meine „Inseldinge“ erledigt (ein Job, zwei Träumereien), meine Freude an Ben LaMar Gays „Yowzers“ entdeckt (nach dem drittem Hören), von der englische Ostküste in der Nachsaison geträumt (thank you, David Boulter!), auch von Rentieren auf dem Hardanger Plateau, und aus gut unterrichteten Kreisen erfahren, dass die neue Platte von Steve Tibbetts im November erscheint. Kreise schliessen sich.