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  • Die Zauberertruppe, die sich als Klaviertrio ausgibt, kommt heute in den Musikbunker nach Aachen!


    Und Olaf und ich sitzen in der ersten, zweiten oder dritten Reihe.
    Wenn Olaf pünktlich anrauscht.
    Tatsächlich ist das Konzert bestuhlt.
    Magiern soll man sowieso im Sitzen lauschen.

    Weeks and weeks ago, i listened to one of the four tracks of their new triple cd in Paris, on a warm sunny afternoon. And of course i chose WARM RUNNING SUNLIGHT knowing I would definitely be the first human to listen to it in my favourite Paris Park, Le jardin du Luxembourg. What a joyful experience lying on the green grass with closed eyes (mostly), and a peaceful atmosphere all around. 

    Gute Reise!

    Kurzer Nachtrag, einen Tag später: pure Magie in zwei stets fesselnden „Tranceinduktionen“, Ein Rausch der Obertöne. Grossartiger Sound Im Musikbunker. Obwohl Olaf und ich ganz vorne sassen, in der dritten Reihe bühnennah, waren meine Augen, wie es sich bei Klangreisen dieser Art gehört, meist geschlossen. Das erste lange Stück schien mit eine Version eines fantastisch ausufernden Tracks ihren neuen Triple-Cd DISQUIET zu sein.

    In meinen letzten Klanghorizonten im DLF (mit den Necks, leicht nachzuhören ein paar Zeilen höher, mit einem Klick auf „Gute Reise“) bezeichnete ich Aachen als „Diaspora, was experimentelle Musik betrifft“. Der Musikbunker ist da tatsächlich nahezu der einzige Hoffnungsträger und bescherte uns Grenzlandbewohnern bereits, über die Jahre verteilt, Lambchop, Howe Gelb u.a.

    Der dunkel ausgeleuchtete Raum war rappelvoll, mit vielen „Zugereisten“. Ein paar musikalische „Wahlverwandte“ vor und zwischen den beide Sets kennengelernt, Uwe & Anne aus Düsseldorf (Themen unseres small talks: das tolle Stück, das Underworld einst mit den Necks veranstaltete, Hauschka alias Volker Bertelmann, der so angenehm geerdet geblieben ist über die Jahre etc.) oder Bernhard aus Limburg. Letzterer ist ein Storyteller par excellence (was nicht zuletzt Musikerlebnisse betrifft). Anne kommt wie Steve Tibbetts aus dem Amerikanischen Mittelwesten. Es war überhaupt – Olaf wird mir beipflichten – ein spannendes Publikum. Die drei Zauberer schauten zwar konstant „von ernst bis versonnen“ , waren aber offensichtlich sehr inspiriert vom ganzen Ambiente.

    By the way, der nächste Zauberer kommt in den Musikbunker am 23. November: Nitai Hershkovits. Solo-Piano. Seine LP / CD „Call On The Old Wise“ ist einfach nur grossartig. Und produced by Manfred Eicher. Look and listen HERE!

  • In Atmosphären leben

    Dass der Kinostart von „The Mastermind“ mit einem Kunstdiebstahl aus dem Louvre zusammentreffen würde, ist eine bemerkenswerte Synchronizität, mit der die Regisseurin Kelly Reichardt ganz sicher nichts zu tun hat. Irgendwo habe ich eine Überschrift aufgeschnappt, in der es hieß, die öffentlichen Museen seien generell nicht besonders gut gesichert. In „The Mastermind“ steht der Fluchtwagen an einem Wochentag um die Mittagszeit direkt vor dem Museumseingang. Die angeheuerten, eher zweifelhaften Profis schauen sich erst auf der Fahrt die Fotos von vier abstrakten Gemälden von Arthur Dove an, um sich die geplante Beute einzuprägen. Sie stülpen sich Damen-Feinstrumpfhosen über die Köpfe und rennen etwas später mit den Bildern die Treppe herunter und direkt durch die Ausgangstür, vor der nur ein einziger uniformierter Aufpasser steht, der dem Schwung der beiden Männer nichts entgegensetzen kann. In einer Wohnung hängt ein Wandkalender. Der Film spielt im Jahr 1970, zunächst in Massachusetts. Der Zeitkolorit ist fast überdeutlich: Die Autos, deren Motoren damals deutlich lauter dröhnten als heute, die Inneneinrichtung der Wohnungen und Hotels, die Kleidung, die Telefone, dazu ein neues Selbstbewusstsein von Frauen und der Vietnamkrieg. Kelly Reichards große Stärke liegt darin, Atmosphären spürbar zu machen. Dafür braucht es Zeit und in all ihren Filmen stellt Reichardt ihren Figuren diese Zeit zur Verfügung. Dieses Empfinden überträgt sich beim Zuschauen. Weitere zentrale Themen sind feine Beobachtungen von Menschen; oft sind die Frauen die stärkeren und die Männer verstecken ihre Unsicherheit hinter einer geschäftigen Fassade. Einsam wirken sie letztlich alle, auch die Kinder. In Reichardts Filmen rückt der Plot eher in den Hintergrund. Was die Regisseurin zeigt, das sind die Beobachtungen ihrer Figuren, das Empfinden, und vor allem das, was in den sozialen Beziehungen spürbar wird, ohne dass es verbalisiert wird. Beim Zuschauen geht es darum, sich das Ungesagte bewusst zu machen. Eine Eigenleistung, an die man sich erinnert. In „Meek’s Cutoff“ aus dem Jahr 2010 hat der ins Unendliche reichende Raum der Prärie, durch den ein Track von drei Familien Mitte des 19. Jahrhunderts durch die Rocky Mountains Richtung Westen zieht, die starke Präsenz einer Hauptfigur. „Certain Women“ beschäftigt sich mit dem Leben dreier Frauen, die ihre ganze Kraft darauf aufwenden, sich im ländlichen Westen der USA zu behaupten; manchmal möchte man nicht glauben, dass dieser Film im Jahr 2016 spielt. Die schönste Szene des Films: Zwei Frauen sitzen spät am Abend auf dem Rücken eines Pferdes, das im Schritt eine kleine Strecke Weg in einer Ortschaft zurücklegt. Alles ist dunkel, nur ein paar Lichter und die Illusion einer Gemeinschaft.  
     

  • Jack


    A perfect pair, their African „names“ like the title: „Ruta and Daitya“. This was one of my first ECM records, maybe my ver first, and for many it may seem a curiosity, being the only one in Jarrett‘s long story with the German label, where he is touching electric keyboards. It was recorded at the end of Jack’s and Keith’s period with Miles. The album has the looseness of an „after hours“-session with African moods and a quite exotic flair, a million miles away from American songbooks. By, the way, my first album with Jack was Charles Lloyd‘s „Sombrero Sam“, my second Miles „Live at the Filmore“, and then can this!

    Jack DeJohnette‘s melodic feel on drums and percussion makes up for a perfect couple of like-minded spirits. For reasons I cannot explain really, I will love this album forever. It is uncomparable with any other album they did together. There are records you have had a story with, you offer them a good place in the back of your mind without ever revisiting them. This is one of those I return to since my teenager days. Though it got a new cover design at some point in time, I was always happy with the surreal naivety of the original cover. Let‘s speak about music sending you places … because there were so many more with Jack‘s handwriting.

    Wie oft habe ich Jack gehört – bei ECM war er lange Zeit neben Jon Christensen eine Art „Hausdrummer“ (Paul Motion der Dritte im Bunde), und die Viefalt seiner Arbeiten als Leader und Sideman spricht Bände für seine Horitonte, die sich niemals auf Schulen, Moden und Stile festschreiben liessen. Meine Zeit mit ihm – als Hörer – war und ist dermassen erfüllt und stetig, dass nun jeder Blick zurück eine Portion Wehmut erhält. Zeit, auch mal wieder Jack DeJohnette‘s „Oneness“ aus dem Jahre 1997 zu hören: damals begegnete ich ihm in einem Bonner Hotel, und es ging allein um einen kleinen Beitrag für die JazzFacts zu diesem feinen Album. Unvergessen seine strahlende Freundlichkeit.

    Neben den genannten Platten fallen mir als erstes folgende Werke mit Jack als Sideman oder Leader ein, die einen besonderen Wert in meiner „Hörgeschichte“ haben – nur eine gute Handvoll, schliesslich geht es hier um life‘s company! Jack DeJohnette: New Directions, Jan Garbarek: Places, Jack DeJohnette: Dancing With Nature Spirits (a buried treasure!), Jarrett / Peacock / De Johnette: Standards, Vol. 1, Vol.2 & Flying. Abercrombie / Holland / DeJohnette: Gateway (ich erlebte das Trio live in Münster 1974, ein Traum!) / Joe Henderson: Multiple

  • RIP Jack DeJohnette

    Ich bin ein Farbenkünstler. Ich trommle wie ein Maler, der Pastelle, Öl- und Wasserfarben aufträgt. Weil ich auch Klavier spiele, höre ich beim Drummen immer Harmonien, Melodien und Rhythmen. Menschen in der westlichen Welt hören Drums nicht als melodisches Instrument, sondern als Begleitung. Ich spiele aber damit Melodien, gleichzeitig interagiere ich mit den anderen Musikern. Es ist ein Dialog, der innerhalb von Nanosekunden vor sich geht. Dafür muss ich sehr konzentriert sein. Das liebe ich sehr. Meine Leidenschaft für Musik gilt den Menschen, mit denen ich spiele, und der Art, wie sie ihre Geschichten erzählen.

  • Michael Toland‘s words on „Close“

    Though he’s open enough in interviews and press releases, there’s always been an air of mystery around guitarist and composer Steve Tibbetts. That’s because his music comes from a different place from anyone else’s. Familiar elements often pop up in his songs and performances – jazz, rock, psychedelia, experimental, and, most importantly, folk music from around the world. But his records never sound familiar in and of themselves, at least not to anyone not already immersed in his sonic vision. A Tibbetts record always seems to have simply appeared from Somewhere Else. 

    Close, his first album in seven years (which is about right for him), stays that course. Tibbetts’ thirteenth studio album (his fourteenth if you count 2022’s artist-curated anthology Hellbound Train), features something that some fans had despaired of hearing again on one of his records: electric guitar. But Close isn’t a return to the soundwaves enveloping past classics like Yr and The Fall of Us All. Tibbetts uses his amplified axes as textural elements, painting backgrounds full of grey clouds and twilight illumination over which he explores thoughtfully meandering melodies. Drummer JT Bates and longtime percussion partner Marc Anderson provide tribal rumblings that keep a sense of momentum, if not strict time, and keep the foundation pitching like an undulating ocean. Multi-chapter epics like “Remember” and “We Begin” present duets of ragged beauty and empathic dissonance, each song a deceptively tranquil dance between introspective and extroversion. 

    While most of Close exists in a meditative space, it’s not new age wallpaper – there’s always plenty going on under the surface of a Tibbetts piece to keep your ears on edge. And don’t count out a return to the raging firestorms of songs like “Dzogchen Punks” or “Ur” – “Somewhere Part 3” and “Everywhere, Part 4” feature menacing electric riffs in the background that threaten to overwhelm the acoustic melodies, which suggests some aggression itching to burst loose. In the meantime, Close takes us on the kind of enigmatic but enticing journey we’ve come to expect from Tibbetts: strange and beautiful.

    („Close“ ist heute erschienen, eine Woche später als angekündigt. Obwohl ich meine „Beprechung“ des Albums eher als Gedankensammlung sehe, ergänzen sich die drei Texte zu Steve Tibbetts‘ neuem Werk von Tyran Grillo, Michael Toland und mir sehr gut; s. Monthly Revelations – November)

  • Opus

    (English here!) 

    Der Konzertfilm mit Ryuichi Sakamoto, produziert im Studio, weil Live-Bühnenauftritte seiner zweiten Krebserkrankung wegen nicht mehr möglich waren. Sein Sohn Neo Sora führt Regie, Bill Kirstein ist für die Kamera verantwortlich. Ich hätte den Film gern im Kino gesehen, aber er lief in Pittsburgh nicht. Nun also die DVD. 

    Opus ist ein Film in schwarzweiß in gedämpftem Licht, ohne Worte (mit einer Ausnahme), und auch sonst in jeder Hinsicht äußerst zurückgenommen. Sakamoto spielt allein am Grand Piano in einem ihm vertrauten Studio, umgeben von ihm vertrauten Mitarbeitern, umkreist und beobachtet von einer sensibel geführten Kamera. Wir hören 103 Minuten Solopiano, 20 Werke aus den Jahren zwischen 1972 und 2018, in einem Stück („20180219“ vom Album 12) ist das Klavier präpariert. Man könnte befürchten, dass eine Stunde und 40 Minuten Klaviermusik langweilig sind, aber das sind sie keine Sekunde lang — wenn man wirklich zuhört. Diese Bereitschaft muss man als Hörer allerdings mitbringen.

    Ein spezielles Kompliment gebührt dem Toningenieur Zak und seinem umfangreichen Team, denn es gibt keine lauten Töne in dem Film, Sakamoto spielt zeitweise extrem leise, so dass sogar die Kameraschienen mit schweren Gewichten am Boden fixiert wurden, damit Kamerafahrten keinerlei Geräusch verursachen konnten. Wer die Möglichkeit hat, Dolby 5.1 zu nutzen, sollte das tun. Der Klavierklang ist kristallklar, und es sind wirklich keine Nebengeräusche zu hören außer jenen, die beabsichtigt sind: dem Klang der Pedale, die Dämpfer, gelegentlich Sakamotos Atem.

    Sehenswert, weil tatsächlich informativ, ist der 15-minütige Bonus Meet the Filmmakers mit Neo Sora (rechts im Bild) und Bill Kirstein.

    Das letzte Stück („Opus – Ending“) spielt das Piano, ein Yamaha Disklavier, allein. Sakamoto hat das Instrument verlassen, geisterhaft sieht man die Tasten sich bewegen. Einen besseren Schlusspunkt hätte man nicht finden können.

    Knapp ein halbes Jahr später, im März 2023, hat sich Ryuichi Sakamoto für immer verabschiedet. 

  • Eines schönen Sylter Morgens mit Margaret‘s Hope und Annette Peacock im Teekontor


    Vor zwei Tagen bekam ich eine Mail des kanadischen Musikjournalisten Greg Buium, es ging um seine in Arbeit befindliche Paul Bley-Biografie. Irgendwann entdeckte er mein altes Interview mit Annette Peacock, aus dem er gern und ausgiebig zitieren wolle. Nur zu! Ich hatte diese alte Jazzthetik ewig nicht mehr vor Augen gehabt, und bat ihn um ein paar Screenshots. War selber überrascht über die inhaltliche Fülle.

    Ich erinnere mich, wie ich diese einst unheimlich schöne Annette P. (A true heartbreaker!) in ihrem Münchner Hotel traf und auf eine kluge, reflektierte Frau traf, die alter Schönheit keineswegs hinzerhertrauerte und sehr uneizel und feinfühlig einzelne Stationen ihrer Geschichte in Erinnerung rief. Und so sass ich am Vormittag im Teekontor und montierte das Interview zusammen, das jetzt unter den „Monthly Revelations“ (TALK) meine Gespräche mit Beatie Wolfe für den Monat November ablöst – in der Randkolumne leicht zu finden! Leicht unscharf, und es verströmt den Charme der Zettelsammlung für eine Schnitzeljagd. Aber es lohnt sich – wie jede spannende Schnitzeljagd in alten Zeiten!

    Ich hatte immer den Regen draussen im Blick, wie aus feinen Vorhängen gewoben. Der Tee besorgte ein dezentes „high“. Greg Buium hat übrigens die neuen „liner notes“ zu der Vinyl-Neuauflage von Paul Bleys „Open, to love“. Und in dieser „Luminessence“-Reihe erschien Ende 2024, erstmals auf Vinyl, Annette Peacocks fantastisches Album „An Acrobat‘s Heart“! Jan Bang liebt es, ich liebe es, und ich hoffe, dass mein Interview manche Leser dazu animiert, diesen Liederzyklus kennenzulernen, oder ihn neu zu entdecken! (m.e.)

  • Wer war der fünfte Beatle?

    Der Schweizer Autor Nicola Bardola bietet nicht nur einen, sondern gleich deren 55, und auch sie sind noch keineswegs alle, die man nennen könnte, sondern nur die besten:

    Eine Karriere wie die der Fab Four passiert nicht aus dem Nichts. Zu allererst gehört mal Talent dazu, aber das allein nützt noch nichts. Man muss mit seinem Talent auch im richtigen Moment am richtigen Ort mit dem richtigen Material die richtigen Leute treffen. Und dann muss noch ein Schuss Glück dazukommen, dann kann es klappen.

    Wenn es geklappt hat und man schaut später auf den Erfolg zurück, dann wird man sehen: Dies alles hat sich materialisiert in einer Vielzahl von Personen, die irgendwie zusammengewirkt haben. Wer waren sie? Was war ihr Beitrag? Was wurde aus ihnen? Man muss schon ein wirklicher Fan sein, um sich auf eine solche Recherchereise zu begeben. Nicola Bardola ist ein Langzeitkenner der Beatles, der sich schon seit langer Zeit mit der Band und ihrem Umfeld befasst hat (wie man beispielsweise hier sehen kann). Das Resultat liegt jetzt in Buchform vor.

    Aber auch als Leser muss man eine gewisse „Nerdigkeit“ mitbringen, um wirklich goutieren zu können, welche Arbeit Bardola geleistet hat. Ist man aber ein solcher Edelfan, dann eröffnet sich mit seinem Buch ein Schatzkästlein, wie ich es nur selten gesehen habe — und ich kenne viele Musikbücher.

    55 Personen aus dem (meist) näheren Umfeld der Beatles werden in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt. Pete Best kennt man, Stu Sutcliff ebenfalls, auch Astrid Kirchherr darf nicht fehlen — bekannte und weniger bekannte Namen tauchen in relativ kurzgefassten Kapiteln auf. St.-Pauli-Größen wie Indra-Chef Bruno Koschmider oder Star-Club-Manager Horst Fascher werden portraitiert, Brian Epstein, Bert Kaempfert, George Martin, Geoff Emerick, Klaus Voormann, Eric Clapton, Marianne Faithfull, Patti Boyd, Allen Klein, Billy Preston, Yoko Ono, der Maharishi haben ihren Platz. Dazu kommen Eltern, Familien, Geschwister, Mitarbeiter — ich will und kann sie hier nicht alle aufzählen, kann aber versichern, dass sie ausnahmslos aus gutem Grund in diesem Buch aufgeführt werden. Sie waren Teil des Beziehungsnetzes, das die Beatles-Karriere möglich gemacht hat.

    In gewisser Weise ist interessant, wer in dem Buch nicht genannt wird — Linda Eastman beispielsweise, oder der Star-Club-Boss Manfred Weissleder, ebenso der Decca-A&R-Manager Dick Rowe, der die Beatles ablehnte. Dafür taucht irgendwo beiläufig der Name des Musikproduzenten Joe Meek auf, obwohl dieser mit den Beatles auch nur indirekt zu tun hatte, da er sie aufgrund der ihm vorgelegten Demos ebenfalls ablehnte (was eigentlich eh nichts Besonderes war; die Beatles waren so ziemlich schon überall abgeblitzt). In diesem Kontext ist sehr lesenswert, wie der Kontakt der Beatles zu George Martin zustandekam — das war komplizierter, als man im allgemeinen zu wissen glaubt. 

    Die schiere Materialmenge machte es wohl erforderlich, dass der Schreibstil gelegentlich ein wenig komprimiert geraten ist. Das führt gelegentlich zu ein wenig holzschnittartigen Beschreibungen. Das schadet aber nichts, denn das Buch eröffnet eher ein Gesamtbild als wirklich tiefgehende Einzelanalysen; es lädt ohnehin eher zum Blättern ein als zum Durchlesen von A bis Z. Dabei helfen sehr die Querverweise auf jene Namen, die ebenfalls mit einem eigenen Eintrag im Buch behandelt werden. 

    Ich bin auch sehr sicher, dass dieses Buch sich als wichtige Quelle für viele in Zukunft noch zu schreibende Magisterarbeiten und Dissertationen über die Beatles etablieren wird. In diesem Zusammenhang vermisst man allerdings schmerzlich einen Namensindex, mit dem sich das ganze Werk für solche Zwecke leichter erschließen ließe. (Aber ich kann es verstehen — es ist eine Heidenarbeit, ein solches Register zu erstellen.)

    Aber das ist noch nicht alles! Im Anschluss an die 55 ausführlich portraitierten Personen folgen dann noch weitere 66 aus dem erweiterten Umfeld, die mit kurzen (meist halbseitigen) Einträgen vorgestellt werden. Und weil das immer noch nicht reicht, kommen noch weitere 77, diese allerdings nur noch als Namensliste. Eine Bibliographie bildet den Abschluss des Buchs, sie allein umfasst zehn Seiten.

    Kurz & gut: Wer sich für die Beatles über ihre Platten hinaus interessiert, greife unbesorgt zu.

    Nicola Bardola:
    Die 55 besten Fünften Beatles
    Verlag Andreas Reiffer, Meine 2025
    354 Seiten, 20€
    ISBN 978-3-910335-55-4

  • Die letzte lange Nacht der Klanghorizonte (Dezember 2021)

    thanks to Lorenz Edelmann for archival research
    and technical support

    This is only the appetizer with the first hour.
    Click on „Stunde 1“ – and listen!

    The whole radio night
    besides in our column of
    MONTHLY REVELATIONS (RADIO)!


    Michael Engelbrecht: Listening to „Life Of“ you can easily feel something brooding, some darkness, a certain twilight zone. Is the origin for these sensations unknown – or somehow graspable? Echoes from all those „stranger things“ you experienced in Asia?

    Steve Tibbetts: There is sometimes a sort of credulous enthusiasm to believe in „stranger things“, as you say, especially in Asia. Nonetheless there does seem to be a certain permeability to the fabric of reality in some places in the world. A friend of mine called it „thinness.“ You can look for that in music and art as well. You listen and there is a quiet collapse of duality, self and other. This might sound terribly exotic or over-thought, but if you watch your mind when you listen to music you might witness a kind of melting.

    „FIRST HOUR“ (ends with a jukebox)
    Rickie Lee Jones: Show Biz Kids (It‘s Like This, 1991)
    Angelo Badalamenti: Twin Peaks Theme (Music from Twin Peaks, 1990)

    Jon Balke: Kantor (Warp, 2016)
    Radiohead: Dollars and Cents (In Rainbows, 2007)

    Anna Gourari / Giya Kancheli: Piano Piece No. 15 (Elusive Affinity, 2019)
    Mark Hollis: A Life (1895-1915) (Mark Hollis, 1997)
    Budd / Eno:  Not Yet Remembered (The Plataux of Mirror, 1981)
    Robert Wyatt: Maryan (Shleep, 1997)
    Chris Watson: The Sounds of Lindisfarne (In St. Cuthbert‘s Time, 2013)
    T. Rex: Cosmic Dancer (from Electric Warrior, 1971)

  • About Wim

    Es gab wohl nie eine Zeit in meinem Leben als Filmmensch, in der Wim Wenders nicht da war. Natürlich war er immer schon viele Jahrzehnte älter (und länger da) als ich – und doch ist er irgendwie derselbe geblieben. Wim und sein Kino waren einfach immer da. Schon als ich noch Gymnasiast war, besuchte ich im Stuttgarter Kino eine Wenders-Retrospektive; dort hatte ich auch das seltene Glück, seinen kaum einmal gezeigten Debütfilm Summer in the City sehen zu können. Meist saß ich in der dritten Reihe in der Mitte, und ich erinnere mich, dass vor mir oftmals eine junge Frau saß, die diese Filme ebenfalls alleine anschaute. Leider bin ich nie mit ihr ins Gespräch gekommen, frage mich, welchen Weg ihre Lebenslaufsbahn wohl seither eingeschlagen haben mag und welche Rolle diese Filme auf ihrem Weg spielen.

    Über die Jahrzehnte hinweg gab es in meinem Leben stetig Berührungspunkte mit Wenders’ Schaffen – egal, ob ich Filme entsetzlich fand (Palermo Shooting) oder großartig (The Salt of the EarthParis, Texasu.v.a.m.), ob ich sie verpasst habe (Submergence, Les beaux jours d’Aranjuez) oder ob ich ratlos davorstand (Der BAP-FilmDer Papst-Film), sein spezifischer Blick auf die Welt, die Kunst und das Kino sprach immer zu mir. Und war häufiger eine Inspiration als nicht. Als ich studierte, war er zu Gast, bei der Berlinale erlebte ich ihn bei der Präsentation der restaurierten Fassung seines überwältigend radikalen, größenwahnsinnigen, fünf Stunden langen Bis ans Ende der Welt, in Cannes erlebte ich ihn bei der Jubiläumsaufführung seines Palmengewinnerfilms Paris, Texas (war 1984 wirklich das letzte Mal, dass ein deutscher Film die Goldene Palme bekam?), ich besuchte auch ein Regieseminar bei der von mir hochgeschätzten Claire Denis, die bei zwei seiner mutigsten Filme und größten Erfolge (Paris, Texasund Der Himmel über Berlin) als Regieassistentin mitarbeitete und nie müde wurde, in lebendigsten Worten größer Wertschätzung von Wim zu erzählen … und bei meiner Diplomvergabe der Filmhochschule hielt ausgerechnet Wim die Rede für die Absolventen und übergab uns die Diplome.

    Auch hier in seiner Rede sagte er wieder ausschließlich Dinge über das Filmemachen, die mir aus dem Herzen sprachen, wie das kaum jemand sonst vermag. Ich hatte zu jenem Zeitpunkt bereits in einigen eigenen Filmen vieles umzusetzen versucht, wovon er da sprach. Zu Wenders’ Achtzigstem lud ihn die DIE ZEIT letztens zu ihrem „unendlichen Podcast“ein, und ich hatte das sieben Stunden lange Gespräch noch lange nicht zu Ende gehört, da hatte ich bereits den Wunsch, das Ganze noch ein weiteres Mal durchzuhören; ebenso das Ende 2024 veröffentlichte vierstündige Gespräch im Podcast von Mathias „Matze“ Hielscher. So geht es mir immer, wenn ich ihn irgendwo sprechen höre, selbst wenn er manchmal nicht zum Schluss kommen will. Er ist kein versierter, meisterhaft effizienter, punktgenauer Erzähler, auch in seinen Filmen nicht. Er selbst sagt gerne, dass er beim Erzählen nicht wisse, wie seine Geschichten ausgehen — sonst würde man ja „schummeln“. Und ich kann selbst nicht erklären, warum ich auch vieles, was ich schon öfter gehört habe und längst weiß, ihn noch immer gerne sagen höre. Und auch die Bilder, die er geschaffen hat – in Kinofilmen oder als Fotografien, kann man nicht oft genug sehen. In vielen Situationen war Wim Inspiration, Einfluss, Orientierung, selbst wenn ich daran nicht explizit denke.

    Aktuell sind in den öffentlich-rechtlichen Mediatheken zwei Dokumentarfilme über Wenders — der zweistündige „Desperado“, der zu seinem 75. entstand, ist in der NDR/ARD-Mediathek zu sehen und bietet eine Vielzahl enorm bekannter Gesprächspartner/innen und eindrucksvolle, auch aufwendige Szenen, in denen Wim sein eigenes Werk wiederbesucht. Und bei ARTE/ZDF gibt es den aktuellen Dokumentarfilm „Der ewig Suchende“ zu sehen, der sich vielleicht wie ein Update, eine kürzere Fortsetzung ausnimmt und hier und dort noch etwas ergänzt, auch um weitere renommierte Gesprächspartner. Man kann das alles anschauen und anhören und wird immer wieder noch Interessantes hören und sehen. Und bis Mitte Januar kann man in Bonn in der Bundeskunsthalle obendrein eine umfangreiche Ausstellung – W.I.M. – Die Kunst des Sehens –  auch mit vielen Fotografien und einer immersiven Filminstallation besuchen; der Ausflug nach Bonn steht noch auf meinem Plan. 

    Wenders ist nicht wegzudenken aus der deutschen Kino- und Kulturgeschichte, und ich kann mir kaum vorstellen, wie das sein wird, wenn er irgendwann mal nicht mehr da sein wird. Sein Werk wächst mit der Zeit mehr, als dass es obsolet würde. 

    ijb