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  • Instead of a long story

    How I love „Cabinessence“! Or Surf’s Up, Cool Cool Water, Trader, All This Is That, The Lonely Sea, Let The Wind Blow, ’Til I Die, any number of songs… I have periodic Beach Boys obsessions, the current one has been continuing since last summer. A band I have almost infinite patience for, I even enjoy the songs I don’t like (I realise that makes no sense!) It started for me with the Smile sessions, bootleg tapes acquired in the 1980’s. Cabinessence is representative of a large body of work, the structures, edited sections, constructions. Brian Wilson’s description of ‘feels’, song ideas, unfinished sections of songs, works in progress. It’s this idea of ‘feels’ that I personally identify with. (I also love Surfin’ USA, Little Deuce Coupe etc too)

    • words by Craven Standers from on Interview for Klanghorizonte and Manafonistas in 2023

  • Die Verweigerung des amerikanischen Traums (Teil 3)

    Five Easy Pieces (1970, Regie: Bob Rafelson) Der Filmtitel ist raffiniert, weil er sehr offen wirkt und weil es sein kann, dass man sich am Ende des Films an keine Stelle erinnern kann, in der von „five easy pieces“ die Rede ist; man könnte sich aber an eine Schlüsselszene erinnern, in der diese Worte sinngemäß fielen oder gefallen sein könnten. Es gibt mehrere Filmcover, von denen ich zwei hier untereinander einfüge, auch wenn das nicht so super aussieht. Wenn man die Bilder zusammensetzt, ergeben sie eine ziemlich genaue, aber doch vage Ahnung vom Inhalt des Films. (Natürlich gibt es hier keine Inhaltsangabe.)

    Am Notenblatt ist zu erkennen, dass sich die fünf leichten Stücke auf Musiknoten fürs Klavier beziehen, wobei die Stücke durchaus anspruchsvoll sind. Jack Nicholson vor einem Ölbohrturm und sitzend an einem Klavier, das auf einem Transporter steht. Auf dem dritten Cover (ohne Abbildung) steht: „He rode the fast lane on the road to nowhere.“ In diesem Spannungsfeld bewegt sich der Plot und vor allem die Figur, die Jack Nicholson mit der gewohnt beeindruckenden schauspielerischen Leistung verkörpert.  

    In der deutschen Fassung wurde der Filmtitel wieder einmal ruiniert. Hier heißt es platt: „Ein Mann sucht sich selbst.“ Es ist vor allem der Charakter der Hauptfigur, die die Handlung bestimmt. An zwei Stellen wird über seine Persönlichkeit reflektiert. Einmal erklärt er sich so: „My life, I mean, most of it, doesn’t add up to much that I could relate as a way of life that you’d approve of. I move around a lot. Not because I’m looking for anything, really, but because I’m getting away from things that get bad if I stay.“ Sein Gegenüber versteht jedoch nichts von diesem Bekenntnis; es ist sein Vater, von zwei schweren Schlaganfällen gezeichnet. Die zweite Charakterisierung erfährt Dupea von einer Frau, die ihn zwar gerade erst kennengelernt hat, ihn aber nach einigen intensiven Begegnungen zu erkennen meint.

    Five Easy Pieces hat auch einen Roadmovieanteil und wie in Two-Lane Blacktop werden Tramper mitgenommen; hier sind es zwei Frauen, die nach Alaska auswandern wollen, weil sie der Meinung sind, sie könnten dort dem Schmutz und dem Konsumterror der USA entkommen. An dieser Stelle des Films hätte man ein paar Minuten kürzen können; das ist überdehnt.

    Das Verhalten der Hauptfigur, seine Persönlichkeitsstruktur, das hat etwas Zeitloses, was der Film wunderbar in zeitgemäße Bilder übersetzt. Die Schlussszene an einer Tankstelle im Bundesstaat Washington beendet den Film konsequent, würdevoll und erschütternd. Die nicht gezeigte Fortsetzung, die man erahnt, hallt nach.

  • Die Verweigerung des amerikanischen Traums (Teil 2)

    „More than any other American film of that time, Medium Cool learned from John-Luc Godard how to blur the line between fact and fiction and how to interrogate the film-making process in the course of making a movie, though Wexler, in his commentary, cites Peter Watkins’s Punishment Park as a potent influence.“ (P. French, The Guardian)


    „Medium Cool“, dachte ich anfangs, vor Jahren, nie gehört, mal sehen, und dann: reines Staunen! Die grosse Leinwand bietet auch beim zweiten Sehen einen Film, bei dem es mir nicht leicht fällt, eine sachdienliche Distanz zu wahren

    Medium Cool“ ist für mich einer der ganz grossen Filme jener Ära des sog. „New Hollywood“. Und überhaupt. Mich packt er ein ums andere Mal, und ich bedaure, ihn nicht schon damals, 1969, als Teenager gesehen, besser, erlebt zu haben. 

    So was von fesselnd, zum Nachdenken anregend sowieso,  und vor allem eine einzigartige Aufzeichnung eines wichtigen Ortes und einer wichtigen Zeit! 

    Es ist 1968, ein Kongress der Demokraten. USA. Eine harte politische Zeit im Land. Für einige, die diesen Film nicht kennen, könnte er eine Art Offenbarung sein, wie die Jahre der Gegenkultur in Szene gesetzt wird. 

    Zunächst einmal ist es eine ziemlich gute, wenn auch etwas unzusammenhängende Geschichte: zwei „weltgewandte“ Nachrichtenreporter aus der Mittelschicht werden geschickt, um den Parteitag der Demokraten  in Chicago zu filmen und werden unwissentlich in die politischen Demonstrationen, und die innerstädtischen Probleme, die sie ausgelöst haben, verwickelt, obendrein noch in das Leben einer alleinerziehenden Mutter und ihres kleinen Sohnes in dieser rauen, verwirrenden und stark unterprivilegierten Welt! 

    Die schauspielerischen Leistungen sind hervorragend und manchmal so wirkungsvoll, dass es schwerfällt, sich bewusst zu machen, dass es sich um keine Sozialdokumentation handelt. Darüber hinaus wird der Film, mit seinen atemberaubenden Bildsequenzen, von einem perfekt abgestimmten Soundtrack aus den späten 60er Jahren untermalt. Die Psychedelik ist ein Teil davon und enthüllt einen weiteren Subtext dieser Ära.

    So weit so gut, aber das ist nur der Anfang. Hinzu kommen die umfangreichen Live-Aufnahmen von den Straßen Chicagos, während sich die Unruhen entwickeln, die von dem Kamerateam des Films gemacht wurden, als sie selbst in ein sehr „echtes“ politisches Drama verwickelt waren.

    Was für eine  bedrohliche Abfolge der Ereignisse, von einem lustigen „Tag im Park“ für die Hippies bis hin zu ernsthafter „Polizeistaats“-Gewalt! Dann sind da, ich komme schon beim  Nacherzählen aussser Atem, die ebenso beunruhigenden Bilder dessen, was in der Kongresshalle vor sich ging, alles parallel – und dann noch die klugen und beunruhigenden Szenen der verzweifelten Suche der Mutter nach ihrem verlorenen Sohn, während Wexler sie inmitten der zunehmend anarchischen Menge von Demonstranten und Truppen filmt, die sich zu dieser Zeit tatsächlich auf den Straßen befanden, und schon hat man, wie kann ich es sagen, etwas ganz Besonderes. Ein wahrlich atemraubender, tief berührender und erschütternder Film! 

    Nachklapp 1: Der Idiotenpräsident befiehtl im Juni 2025 die Nationalgarde nach Los Angeles. Eine brutale, menschenverachtende Ausweisungspolitik wird durchgezogen. Ich sehe Nachrichten. Einzelne Szenen erinern mich an „Medium Cool“. Wieviel hässlicher kann es noch werden!?

    Nachklapp 2: Update, 9.30 Uhr: Der australische Premierminister Anthony Albanese hat mit der US-Regierung über die bei den Protesten in Los Angeles von der Polizei verletzte Journalistin Lauren Tomasi gesprochen. Das berichtete die New York Times. Auf einer Videoaufnahme ist zu sehen, wie ein Polizist auf die Journalisten zielt und Tomasi mit einem Gummigeschoss am Bein trifft. Albanese habe den Vorfall auf einer Pressekonferenz als „schrecklich“ bezeichnet. Er habe hinzugefügt: „Wir finden das nicht akzeptabel.“

  • Die Flaming Lips in Hamburg

    Samstag Abend: Eine Band auf dem Höhepunkt ihres Tiefs. Der Gesang war fast durchweg Playback (nur bei „Race for the Prize“ nicht, dem letzten Stück). Und die „Band“ waren offenbar von Wayne Coyne zusammengecastete Statisten (Michael Ivins und Steven Drozd fehlten), die (auch wieder mithilfe von Playbacks) performte, als würde sie alles spielen. Taten sie aber nicht. Das war eine unspontane und sehr uninspirierte Vorstellung, man hatte immer das Gefühl, man steht vor eine Glasscheibe und hört einer Konserve zu. Echt krass. Da lebte nichts. Wayne nahm zudem mit seinen endlosen Ansagen der Sache die letzte Magie. Dass der optische Mummenschanz normalerweise geil ist, steht außer Frage, aber ein Live-Konzert war das sicher nicht.

    Soweit der Bericht eines gewissen Gereon Klug. Ich war mit Ischisas lahmgelegt, aber offensichtlich muss ich es nicht weiter bedauern, da nicht dabei gewesen zu sein. Meine bisherigen drei Lips-Konzerte, 2003, 2005, und 2016 waren „real“! Wer in die Welt von Yoshimi eintauchen möchte, dem empfehle ich die Platte, die Cd, die Surroundausgabe mit fantastischem 5:1-Mix, und die „Yoshimi-Schatzkiste“! (s. Foto) (m.e.)

  • Annie and the Caldwells (Finale)


    Vorspiele mit Tanzboden und Weihrauch

    „Wow, man, this 10-minute, tension-building gospel declaration in “Can’t Lose My Soul.” The way it’s drawn out is powerful, capturing resilience in faith and morals gorgeously. Apparently, I can listen to the refrain “can’t lose my (soul)” for 10 minutes straight and not grow tired of it.“

    Als Kind war ich kurze Zeit Messdiener, hatte brav die lateinischen Texte für die Prüfung gelernt, und schwitzte ganz schön, als ich mit ungelenken Bewegungen den alten Priester Dechant mit dem Weihrauchspender auf dem Kreuzgang begleitete. Der alte Katechismus hatte Schreckensbilder verbreitet, und ich ahnte oder hoffte doch, das sei ja wohl alles ein bisschen übertrieben.

    Sweet Sixteen, und andere Wallungen

    Zu der Zeit, als ich zwar noch der Parapsychologie und fernöstlichen Meditationslehren vertraute (aus Büchern eines Freiburger Esoterik-Verlages, in den mittleren Teenagerjahren), aber der Kirche immer weniger, betraten die Beatles und die schönsten Girls von Dortmund meine Träume, und alles änderte sich. Ich ging nie mehr in die Kirche und wurde mit ca. 17 zum Agnostiker und Gelegenheitsmystiker (nie von Baghwan und Co. eingefangen, worauf ich stolz bin, dafür liess ich mich einmal, peinlich, vom Wanderprediger Bill Graham in der Westfalenhalle segnen. Damals kam HAIR gross raus, JESUS CHRIST SUPERSTAR, aber das fand ich doch reichlich kitschig und verschwärmt, etwa so over the top wie alttestamentarische Drohszenarien im Kindheitskatechismus.

    In der Hölle brennt kein Feuer, ich war raus aus dem Club, und deshalb nie wirklich offen für die Ergriffenheitsgesänge des Gospel, was hier und da auch auf mein Erleben von Soul abfärbte.

    STRANGE THINGS HAPPEN EVERY DAY

    Jahrzehnte später erzählte mir Brian Eno, ein erklärter Atheist, wie sehr er Gospel liebe. Das sprach sich sowieso rum, und kurz bevor ein gewisser Paul Simon nach London fuhr, um von Brian ein Album produzieren zu lassen, mit dem ich nie richtig warm geworden bnin, schickte Paul Brian eine neu erschienen riesige Gospel-Box. Das verändert meine Gospel-Abstinenz kein bisschen, mit einer Ausnahme.

    In dem tollen Film der Coen-Brüder, O Brother Where Art Thou, da hatte von Blues bis Gospel diese Musik für mich einen atemraubend gefilmten Rahmen gefunden! Da hörte ich hingebungsvoll und lustvoll zu. Normalerweise meide ich auch jedes Opernhaus der Welt – aber als ich einst die Stimme der Callas hörte in dem berühmten französischen Neo Noir Thriller mit einem „Touch of Zen“ , namens DIVA, konnte ich sogar eine Arie wertschätzen. Der Kontext, der Kontext! Das andere Mal, das mir eine Opernarie sehr, sehr gefiel, war in einem Film von Werner Schroeter, auf einer unendlich langsamen Kamerafahrt entlang einer Münchner Aller der Bordsteinschwalben – pure Magie!

    Und nun also die erste Gospelplatte meines Lebens, die es annähernd schafft, „on high rotation“ zu sein! Als ich sie das erste Mal hörte, wusste ich noch nichts von der Verbindung zu David Byrne. Tatsächlich erinnerten mich da die Wechselgesänge der Band von Annie an bestimmte „cross singings“ von „Remain In Light“. Und dann eben, dass die Caldwells den dancefloor zuliessen! Und dass ich in dem Sound der Band aufging, bei voller Lautstärke – und sebst die „vocals“ auf einmal „sculpted sound“ waren! Ich schliesse mich den finalen Worten von Alex Petridis an:

    … their message is ultimately one of hope. You don’t need to share the Caldwells’ faith to find something powerful and inspiring in that, particularly given the current climate, which can easily incline you towards hopelessness; something steeped in tradition seems apropos right now. You should listen to Can’t Lose My (Soul) purely on musical terms. Moreover, it’s an album you might need.“


    Nachklapp 1: „The world has changed, of course, and not everyone will seek reassurance in the Caldwells’ beliefs. But the message of suffering and survival on the road to salvation may just get you through any darkness looming on the horizon… or simply get you dancing. Strange things still happen every day; just ask Sister Rosetta.“ (David Hutcheon, Mojo)

    Nachklapp 2 aus meinem Interview mit Brian Eno aus dem Jahre 2005: „Dieses Bekenntnis ist ein wenig peinlich, aber: bei  einigen dieser Songs von „Another Day On Earth“ kamen mir Tränen, als ich sie sang –   da gab es Bewegungen in der Stimme, die – jedenfalls für mich – übermächtig waren. Das geht auf die  Erfahrung zurück, als ich zum ersten Mal eine Gospelkirche  besucht habe. Das war 1978,  in den USA. Eine kleine Kirche. Und es war ein Kindergottesdienst. Ungefähr vierzig Kinder waren da, und sechs oder acht Mütter passten auf sie auf; dann dieser Priester, ein sehr großer dicker Mensch, und  zwei Kids an den Instrumenten:  ein neunjähriger  Schlagzeuger und ein zwölfjähriger Organist. Und sie begannen diesen Gospel zu singen. Und  es gab einen Moment in der  Melodie, die sich in einem fort um sich selbst drehte,  einen Moment, der so emotional bewegend war, daß ich ihn nicht singen konnte – es war für mich zu überwältigend! Diese Erfahrung ist bei mir geblieben; und  ich dachte, wenn Musik nicht so machtvoll  ist, dann möchte ich sie nicht spielen  – wenn Musik nicht fähig ist, einen solchen emotionalen Effekt auf mich auszuüben –  und mir ist es egal, wie clever sie ist, wie hip oder modern – wenn sie mich nicht dermaßen bewegt, dann will sie nicht machen!“

    Nachklapp 3: a very handsome chap is telling about travels to Bratislavs with Hejira in his 20‘s, and about the album Brian did with Paul Simon: just click HERE! Ich hatte SURPRISE ewig nicht gehört, und jetzt höre ich hier HOW CAN YOU LIVE IN THE NORTHEAST, und auch WARTIME PRAYERS, und die Songs berühren mich. Ich sollte SURPRISE eine neue Chance geben. Ich mag es, wenn die eigene Wahrnehmung „kippt“!

  • Lichtzeichen

    Seit Ostern war ich auf zwei Klassenfahrten, die dritte steht kurz bevor. Dazu kommen die Abschlussprüfungen und die Vorbereitungen der Zeugnisse; beides für mich etwas aufregender als sonst, da ich in diesem Jahr die Abschlussklasse betreue (mit denen ich in einer Woche in die Toskana fahre – und mich vorher noch auf deren Abschlussstreich durch den Kakao ziehen lasse).

    Ende der Osterferien begleitete ich das Schulorchester zum Probenwochenende auf die Wewelsburg. Wer jemals in der Nähe von Paderborn unterwegs ist, könnte diesem Nest, wo es eine überaus malerische Renaissance Burg gibt, einen Besuch abstatten. Heinrich Himmler war so fasziniert von Burg und Umgebung, dass er dort eine riesige Anlage für verdiente SS Mitglieder plante. Es sind nur erste Ansätze davon fertig geworden: Die beiden Räume im Burgturm – vor allem aber die dazu gehörende Ausstellung – sind mehr als geeignet Jugendlichen die Grausamkeit dieser Zeit vor Augen zu führen.

    Geradezu gegenwärtig werden diese Grausamkeiten, wenn man im Informationszentrum unter dem Holocaust Mahnmal, die Ausschnitte aus Tagebüchern, Briefen und Postkarten jüdischer Mitbürger*innen liest, die zwischen 1933 – 1945 ermordet wurden. Im Mai begleitete ich eine Klasse auf ihrer Exkursion nach Berlin unter anderen an diesen Ort.

    Ansonsten gehe ich gerade viel Spazieren. Vor allem aber wird am Schreibtisch das Schuljahr eingepackt: Listen erstellen, vervollständigen, Zeugnistexte schreiben, Noten errechnen, frisch geschriebenes und lange übersehenes korrigieren, kontrollieren, ob alle Kolleg*innen ihre Zensuren an die richtige Stelle eingetragen haben. Nächstes Wochenende muss alles verschnürt sein.

    Dazwischen die ganzen ungeschriebenen Blog Beiträge:

    Über die Graphic Novel Version der New York Trilogy, die ich mir auf Martinas Post hin gekauft habe und die mir gut gefallen hat. Allerdings ist es hier genau so, wie ich auch das Buch in Erinnerung habe: die erste Episode „City Of Glass“ finde ich deutlich stärker als die anderen beiden Geschichten.

    Über das tolle Album „The Show Must Go On“ von Sam Dees, das ich Norbert abgekauft habe. Selten ein so homogenes und gleichzeitig so vielfältiges Soul Album gehört. Alles ist drauf: Himmel voller Geigen, funky Bläser Sätze, fuzzy Gitarren, himmlische Chöre, talking ballads, tearjerkers, Stücke über Ungerechtigkeiten. Jede*r sollte dieses Album kennen. Deep shit.

    Über die Konzerte von Anouar Brahem (herausragend) und Stereolab (sehr gut) in Hamburg und Berlin.

    Über die Collapse EP von The Utopia Strong. Durch Zufall bin ich an eines der auf 250 limitierten, signierten und mit handgemachten Cover versehenen Alben gekommen – ich glaube nach zwei Stunden waren alle verkauft. Vinyl Fetischismus für Fortgeschrittene. Auf jeder Seite ein kosmisch-psychedelisches Ambient Stück to get lost in.

    Über die drei Alben, die um Weihnachten auf jeden Fall in meiner Jahresliste unter die ersten 10 kommen: Anouar Brahem, DJ Koze, Little Simz.

    Und auch weder über The Young Gods Play Terry Riley, noch über zwei weitere Alben, die mich sehr interessieren und an andere Orte transportieren könnten: Luster (Maria Somerville) und Different Rooms (Jeremiah Chiu & Marta Sofia Honer).

  • Das kurze Ende eines langen Traums

    „We’ll say, that was just another time, 
    One day, we will put it all behind,
    We’ll say, that was just another day on Earth“
    – Brian Eno, Just Another Day


    1 – Radio und Tagesrest

    Heute früh, in meiner letzten Traumphase, war ich wieder halbwegs in der Wirklichkeit angekommen. Mit dem Radiokollegen Karsten M.  sass ich zusammen und erzählte unserem einstigen Chef Harald, wie oft ich schon meine letzte Sendung in Angriff genommen hätte, und das Loslassen geübt. Aber es standen natürlich noch eine und noch eine Sendung an, ich war in der Redaktion, und Martina B. öffnete den Computer, damit ich letzte Änderungen der Playlist vornehmen könnte. 

    Etwas früher in der Nacht ging es wilder zu, und daran ist auch Martina Weber und ihr Text zu Monte Hellmans Film „Two-Lane Blacktop“ schuld, obwohl ich ihn noch gar nicht gelesen habe. Aber ich plante eine Art „parallel watching“ und bestellte mir ein kleines Paket mit dem Film. Der Film war 1971 komplett an mir vorübergegangen, und bis vor zwei Tagen wusste ich nicht mal was von seiner Existenz. Gestern Abend huschte ich, vorm Einschlafen, über die ersten zwei Absätze eines längeren, beiliegenden  Essays, und erfuhr, dass der Film, in der Blüte meiner jungen Hippiejahre (in dem Jahr, als ich Joni Mitchell und Miles Davis entdeckte) gar nicht in Deutschland in den Kinos lief. Hollywoods schräges Filmbusiness! Über den Inhalt las ich nichts.

    2 – A Day In The Life

    Und gestern sorgte noch etwas anderes dafür, dass ich einen besonderen Traum von alten Zeiten erleben sollte. Ein Blogtext von Richard Williams und seinem 16. Lebensjahr, er ist sieben Jahre älter als ich, und er beschreibt etwas, das aus einer Ära und einer Stadt stammt, in die mich meine allererste Zeitreise in einer Zeitmaschine wohl hinführen würde.

    „Als ich neulich ausräumte, stieß ich auf einen kurzen Versuch, im Winter 1963/64 ein erzählendes Tagebuch zu führen. Ich war 16 Jahre alt und ein paar Monate davon entfernt, die Schule verlassen zu dürfen, um es höflich auszudrücken. Der größte Teil des Tagebuchs handelte von Mädchen, und zwar so sehr, dass es direkt in den Schredder wanderte. Aber eine Seite schien mir erhaltenswert. Sie beschreibt einen Schulausflug von Nottingham nach London, der von einem unserer Englischlehrer organisiert worden war, um Joan Littlewoods neues Musical „Oh, What a Lovely War!“ zu sehen, das gerade von seiner ersten Aufführung im Theatre Royal Stratford East ins Wyndham’s Theatre in der Charing Cross Road an der östlichen Grenze von Soho verlegt worden war. Wie im Tagebucheintrag beschrieben, kamen wir in Soho an und waren auf uns allein gestellt. Samuel Pepys ist es nicht, aber es ist ein kleiner Schnappschuss von etwas Besonderem.  Wie Sie sehen werden, schwänzte ich am Tag vor der Reise die Probe des Schulorchesters, besuchte ein lokales Café, das mit vollem Namen „Don Juan“ hieß, nahm Kontrabassunterricht und kaufte eine Beatle-Jacke (braun, Rundhalsausschnitt, irgendwelche Zierknöpfe, bei C&A, glaube ich). An diesem Abend gingen ein Freund und ich in die Rainbow Rooms, wo gelegentlich Beatgruppen auftraten, um die Renegades, eine Band aus Birmingham, und die Rocking Vulcans, eine lokale Gruppe, zu sehen und mit einem Mädchenpaar namens Anne und Jean zu tanzen. 

    In Soho angekommen, schien es das Ziel zu sein, so viele Cafés wie möglich zu besuchen, insbesondere das 2i’s und das Heaven & Hell, die nebeneinander in der Old Compton Street lagen. Ich erinnere mich (habe es aber nicht aufgeschrieben), dass, als wir draußen standen, ein Pärchen mit minestens nacktem Oberkörper den Kopf aus einem Fenster im ersten Stock steckte, um mit jemandem auf der anderen Straßenseite zu plaudern; das muss das Leben sein, dachte ich. Wir besuchten auch Act 1 – Scene 1, direkt auf der anderen Straßenseite, und Le Macabre in der Meard Street, wo die Kunden auf Särgen saßen.

    Und es gab Plattenläden, darunter das kurzlebige Ronnie Scott’s in der Moor Street und zwangsläufig Dobell’s. Im Harlequin in der Berwick Street (das zwei Jahre zuvor eröffnet worden war) kaufte ich eine Prince Buster 45 auf dem Blue Beat Label (das dem später als Ska bekannten Idiom seinen Namen gab) und „Orange Street“ b/w „JA Blues“ von den Blue Flames. Das war auf dem R&B-Label, von dem ich heute weiß, dass es nach seinen Gründern Rita und Benny King (früher Isen oder Issel) benannt wurde, die einen Plattenladen in Stamford Hill betrieben und nebenbei ein Label hatten, um die vielen Westinder zu versorgen, die sich in der Gegend niedergelassen hatten.

    Nach der brillanten und sehr bewegenden Show im Wyndham’s, die von der Originalbesetzung, darunter Barbara Windsor und Victor Spinetti, aufgeführt wurde, schlenderten wir zum unteren Ende der Wardour Street, wo wir feststellen mussten, dass das Whisky A Go-Go und der Flamingo’s All Nighter außerhalb unserer Preisklasse lagen. Aber irgendwo namens Meg’s gab es den „besten Hamburger, den ich je gegessen habe“ – mit ziemlicher Sicherheit den ersten, der kein Wimpy war.

    Der „Jeff“, der mich bei diesen kleinen Abenteuern begleitete, war Jeffrey Minson, ein weiteres Mitglied unseres Folk-Trios und schließlich der Autor von Genealogies of Moral: Nietzsche, Foucault, Donzelot and the Eccentricity of Ethics. Ich wünschte nur, ich könnte mich daran erinnern, welche beiden Mitglieder der Rolling Stones wir an diesem Nachmittag in Akt 1 – Szene 1 gesehen hatten; ihre zweite Single, „I Wanna Be Your Man“, war am Tag zuvor veröffentlicht worden.

    3 – Ein Chevy und andere Tagesreste

    So weit, so gut, Richard! Meine Tageserlebnisse hatten genug Stoff angesammelt, um meine Traumerlebnisse in eine gewisse Richtung zu lenken, das Zauberwort der Traumforscher ist hier „Trauminkubation“. Aber hier kommt nun (für mich) die leichte Ernüchterung vor der wilden Pointe meines „amerikanischen Traums“: als ich um 4.30 Uhr daraus erwachte, stand ich auf und machte ein paar Notizen, aber merkte schon  da, wie viel mir aus einem epischen Traum entglitten war. Gerne würde ich die Traumerzählung in voller Länge ausbreiten, so detailfreudig wie Richards Tagebucherinnerung, aber ich bekam nur einen Zipfel davon zu fassen, das dezent-skurrile, melodramatische Ende. 

    Zum Rest des gestrigen Tages und Abends zählten übrigens noch folgende Dinge: die Nacherzählung besonders „musikalischer Weihnachten 1971“ im Rahmen des dritten Teils meiner „Gospel-Story“, die Frau auf einem Filmfoto von „Two Lane Blacktop“, die wohl die „heisse Braut“ in dem Film zu sein scheint, an der Seite von James Taylor. Und das Auto, das eine besondere Rolle in dem Kinofilm aus der „Easy Rider“-Phase des „New Hollywood“ stammte, ein umgebauter Chevrolet, Baujahr 1955, wie ich. Und ich fand gestern das nun 20 Jahre alte, Berliner Interview mit Brian Eno, wo es um das Album „Another Day On Earth“ ging. Insbesondere suchte ich darin nach seiner bewegenden „Gospelgeschichte“!

    4 – Ende eines Traums

    Ich war vielleicht Mitte 20 und mitten im bunten Treiben, in einer amerikanischen Stadt. Früh in den Siebzigern, keine Frage. Es gab viel zu tun, und ich wollte Hippiefreunden aus der Patsche helfen, mit knapp unter 1000 Dollar. Die Einzelsummen schrieb ich auf ein grosses Zeitungsblatt mit einem dicken Filzstift und zählte sie im Kopf zusammen. Meine Freundin sass neben mir – mein Gott, wie schön sie war! Bevor ich zum Hotel am anderen Ende der Stadt aufbrach, in einem alten Volkswagen (!), sagte ich ihr, sie solle in fünf Minuten nachkommen, ich würde die Sache mit dem Geld rasch regeln. Das tat ich auch. Ratzfatz war ich dort, und das Hotel sah aus, wie ich mir ein altes amerikansiches Hippie-Hotel vorstellte, aus einzelnen Fenstern ertönte Rockmusik, ich war in meinem Element. Zügig wickelte ich die Geldsache ab und kam zum ersten Mal zur Ruhe. Ich setzte mich ans Ende eines langen Flurs, es war recht dunkel, spärliches Sonnenlicht fiel durch ein schmales Fenster allein. Und dann kam meine Traumfreundin, vom andern Ende des Flurs. Sie ging langsam auf mich zu, und die Tränen schossen mir aus den Augen, es gab kein Halten. „Was ist los?“, fragte sie mich besorgt, als meine stillen Tränen in lautes Schluchzen übergegangen waren. Ich sagte ihr, nachdem ich etwas zu Atem gekommen war, mir sei bewusst geworden, wie sehr ich sie liebe , und sie schloss ihre Arme um mich und bedeckte mich mit Küssen.

    NACHKLAPP: Zu „amerikanisch“?! Nein, einfach der Traumtext. Um von meinen zu deinen endlos gezählten Tagen überzugehen, zum Tanz von Liebe, Glück, und Flüchtigkeit, klicke am besten auf den Songtitel „Just Another Day“ in der vierten Zeile, nach dem Lyrikzitat, und hör dir das Lied an. Nur eine Idee! Richard Williams Tagebucherinenrung findet sich auf seinem Musikblog „The Blue Moment“. Ich hatte heute Nacht meinen „blue moment“! „Aftermath“ war meine erste und einzige Stones-Platte (HIER das ganze Album zu Anhören!), die ich mir als Teenager besorgte. Und „Late For The Sky“ fiel mir zu dieser Geschichte als ideales Cover ein (und ziemlich guter Soundtrack) – sowieso mein Lieblingsalbum des Amerikaners! Nachklapp 2 enthält ein paar Zeilen aus „What We Are“ von Beatie Wolfe und Brian Eno, for all the good reasons!

    Nachklapp 2:

    Here
    In the stars
    Can you trace
    What we are

    Where
    Is the line
    That divides
    You and I 

    Nights
    Fading fast
    Made to live
    Made to last

  • Annie and The Caldwells (Teil 3)

    „Eighty years ago, in April 1945, Sister Rosetta Tharpe was Number 2 on the Billboard “race records” chart with Strange Things Happening Every Day – fair comment for the month in which Franklin D Roosevelt, Mussolini and Hitler all died. There were also several noteworthy musical events: Richard Strauss completed Metamorphosen; Rodgers and Hammerstein’s Carousel opened; the audience at a hometown performance by the Berlin Philharmonic were offered cyanide as they left the auditorium; and Tharpe’s hit was the first gospel record to reach that Billboard countdown.“ (David Hutcheon, Mojo, 4/2025)

    Jetzt wird‘s persönlich, und weihnachtlich, einen Tag vor Pfingsten. Eine meiner „Repertoire-Stories“, aber „mit Butter bei den Fischen“. Die schönsten Weihnachtsgeschenke bekam ich 1970 oder 71, als ich 14 oder 15 war. Ich hatte mir vier Schallplatten gewünscht, und bekam sie in meiner materiell erfüllten Kindheit (die auf anderen Ebenen pure Alpträume bereithielt): Miles Davis Live At Fillmore, Joni Mitchells Blue, Live At Fillmore East von den Allman Brothers, und, nicht lachen, Live At Filmore von Aretha Franklin.

    Heimlich schlich ich mich vor den Festtagen in das Schlafzimmer meiner Eltern, und entführte „Blue“ in mein Kinderzimmer: verboten jung und grün hinter den Ohren, wie ich war, ist es erstaunlich, wie sehr manche Kids wie ich (die wohl schon im Mutterleib der schönsten „Musik des Gurgelns und Rauschens“ lauschten), so früh Schätze fürs Leben entdeckten.

    Natürlich hatte ich nicht ansatzweise den Erfahrungsschatz von Joni Mitchell, und es war wohl Intuition, viel Vorahnung im Spiel, aber auch das Erleben purer Magie, als ich „Blue“ auflegte und am liebsten in die Lautsprecher gekrochen wäre vor Glück! Ähnlich erging es mir mit den Allmans, und mit dem „elektrischen Miles“. Aber, bei allem Respekt, die grosse Aretha Franklin und ihr Soul lieseen mich eher kalt zurück, genauso wie der Moment, als Ray Charles auf die Bühne sprang. Soul und Gospel liessen mich meistens unberührt. Oder lösten Widerstände aus. Was war da los? Aufklärung im folgenden und finalen vierten Teil, zuvor aber die Fortsetzung von Alexs Besprechung:

    Annie & The Caldwells: Wrong

    „Der Gesang ist rau, aber perfekt abgestimmt; es gibt eine Art telepathisches Zusammenspiel zwischen Annie Caldwells Gesang und den Harmonien ihrer Töchter während der improvisierten Abschnitte des langen Titeltracks und Don’t You Hear Me Calling. Das gilt auch für die Band, die es irgendwie schafft, sowohl extrem tight als auch spontan zu klingen: Wenn die Band, wie Deborah Caldwell behauptet hat, „nicht übt“, dann sind ihre Auftritte hier eine Werbung für den Verfeinerungseffekt, den das Spielen in der Kirche jeden zweiten Sonntag hat.

    Es sind großartige, kraftvolle, bewegende Songs, die durch die Tatsache, dass sie live, ohne Publikum, in einer Kirche in der Heimatstadt der Band, West Point, Mississippi, aufgenommen wurden, noch stärker wirken. Die schlichte Produktion gibt Can’t Lose My (Soul) das Gefühl, als würde es direkt vor Ihren Augen passieren, und verleiht den Songs Lebendigkeit und Dringlichkeit, besonders in den extemporalen Momenten. Erfreulicherweise wird die Art von Fake-Antiquitäten vermieden, die oft auf Soulmusik des 21. Jahrhunderts angewandt werden, die in der Vergangenheit verwurzelt ist, als ob sie versuchen würden, den Hörer davon zu überzeugen, dass er ein lange verschollenes Album hört.“

    (Finale folgt bald)

    Ein Wort zu Alex Petridis: ich lese gerne seine Besprechungen im Guardian, sofern mich die besprochenen acts interessieren. Ich stimme des öfteren nicht mit seinen Bewertungen überein, was ja wohl normal ist (richtig Ärger bekommt er wenn er LUMINAL nur drei Sterne gäbe – ein Witz😉!) aber ich mag seine Schreibe, seinen Witz, und seine profunden Kenntnisse. Meine Lieblingsmusikjournalisten (neben Richard W.), was Interviews und grosse Musikfeatures angeht, sind Laura Barton und Sam Phillips, die vorzugsweise in Mojo und Uncut veröffentlichen. Sie bringen Musiker dazu, sich zu öffnen, und sind selbst gute Storyteller!