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Blumenkohl
Der letzte Monat war ein ganzes Jahr.
Diese Wahrnehmung scheinen so viele Menschen zu teilen, dass ich mich frage, ob sie nicht wirklich wahr ist. Und bei mir haben sich die ersten 31 Tage des Jahres nicht ausgedehnt, weil die Zeit so oft still stand (zum Beispiel beim Hören zerbrechlicher Klangbilder oder präpariertem Klavier); die Ereignisse haben sich gegenseitig überholt und ausgebremst.
Zum Glück kann Essen ja die Laune deutlich heben; im Januar haben wir dreimal einen „Blumenkohlauflauf mit Käse und Senf“ gegessen, der diesen Effekt hatte. Wohlfühlessen. Das Originalrezept findet sich so ähnlich in dem sehr empfehlenswerten Kochbuch Simple.
Einen Blumenkohl in Röschen (4cm) zerteilen, 5 Minuten (kochen oder) dämpfen, abkühlen lassen. In einer Pfanne oder einem breiten Topf eine gewürfelte Zwiebel in einem großen Stück Butter anschwitzen (10 Min), Kreuzkümmelsamen (1 TL), Senf (1 TL) und Chilipulver nach Geschmack hinzufügen. Das ganze kurz schmoren, 200 g Sahne dazu gießen, 100g geriebenen Käse (Cheddar oder Gouda) und Salz einrühren, die Sauce etwas eindicken lassen, den Blumenkohl hinzufügen und 1 Minute köcheln.
Den Auflauf mit etwas Käse, Semmelbrösel, Petersilie bestreuen und für ca. 20 Minuten in 180°C heißen Backofen stellen. Nach 15 Minuten kann man den Grill anmachen, damit er knuspriger wird. Dazu schmeckt bestimmt eine Bratwurst ziemlich gut, das habe ich aber noch nicht ausprobiert; bei uns gab es Salat und/oder Reis.
Beim Kochen habe ich in letzter Zeit recht viele Podcasts gehört, oft aus dem Ressort „Nachrichten und Politik“ der Zeit oder eine Aufzeichnung von „Studio 9 – Der Tag mit…„. Irgendwie will ich den Überblick behalten und die zahlreichen Fragen zur Tagespolitik, die mir in der Schule gestellt werden, halbwegs beantworten können.
Die Sache mit der Stunde Null (eine Frage)
Oft wurde der Minimalismus als Stunde Null der Amerikanischen Klassik gesehen. Ein Neuanfang in den USA, von Reich, Glass, Riley und Co. Ein Strukturprinzip: Repetition. Oft wird auch die Krautrockära in der BRD als eine Art Stunde Null gesehen: die Abkehr von anglo-amerikanischen Idolen der Rockmusik, und Beginn eines neuen Weges, bei Kraftwerk, Can, Neu, Cluster et al. Ein Strukturprinzip: Repetition. Haben all die „Krautrocker“ die amerikanischen Minimalisten als Inspiration gewählt?
Ab und zu hatte ich über die Jahre die Vorstellung, dass Holger Czukay, Jaki Liebezeit, Ralf Hütter, Michael Rother, Florian Schneider, die Zwei von Cluster und andere, zuhause, wieder und wieder, Klassiker des Amerikanischen Minimalismus gehört haben (Drumming, In C, Rainbow In Curved Air) und davon träumten, solche Repetitionen herzunehmen und damit Eigensinniges anzustellen.
Jüngst kam ich auf die Idee, in den Klanghorizonten am Anfang, in der Mitte und am Ende, drei tolle Werke des „Minimalismus“ ausschnittweise zu spielen, die sehr repetitiv sind, mit Delay und Tonbandgeräten arbeiten, und, eine gemeinsames Merkmal der drei Platten, allesamt mit einer Reizüberflutung agieren: das eigene Bewusstsein wird dermassen mit akustischen Ereignissen „überladen“, dass eine andere Art von Hören erforderlich ist, um sich dem „hingeben“ zu können: die Rede ist von Steve Reichs „It‘s Gonna Rain“, Terry Rileys „Shri Camel“, und – einem Album, das ich mal einen lang vergrabenen Schatz der Krautrockära nenne – Günter Schickerts „Samtvogel“.
Lynch
Wenige Filme habe ich so häufig gesehen, zumal im Kinosaal, wie einige von David Lynch. Die Todesnachricht las ich, als ich in Banff vom Mittagessen in einem koreanischen Restaurant, wo ich alleine gesessen hatte, in meinen Mietwagen zurück ging, mich reinsetzte und überlegte, was ich als nächstes tun würde. Ich öffnete Facebook, wo ich manchmal am ehesten mitbekomme, wenn was in der Welt passiert ist, und das erste, was erschien, war die Verkündigung von Lynchs Tod über sein Künstlerprofil in meinem „Feed“ (keine Ahnung, wie das heutzutage eigentlich auf deutsch heißt). Mir war nicht mehr bewusst, dass ich „David Lynch“ aus Facebook abonniert hatte, und so erschien mir die Nachricht auf den ersten Blick recht unwirklich, so im tiefen Winter in Kanada, in einem Auto, zumal die Verkündung so sachlich und mit einem recht untypischen Bild (Lynch an der Gitarre) verfasst war.
Die Nachricht war zu dem Zeitpunkt etwa drei Stunden alt, und das Weiterscrollen in meinem Facebook-Bekanntenkreis zeigte, dass nahezu jeder diesen Todesfall bereits kommentiert hatte. In den folgenden Tagen bestätigte sich wieder, wie viele, teils extrem unterschiedliche Menschen in meinem weiteren Umfeld eine persönliche Beziehung zu Lynch und seinem Werk hatten. Vermutlich hatte ich seit David Bowies Tod nicht von so vielen Seiten so viele persönlich betroffne Kommentare zu einem verstorbenen Künstler gelesen und gehört.
Auch für mich war Lynch sicherlich mit entscheidend für meine Berufs- und Studiumswahl. Und offenbar gilt das auch für unzählige meiner Regiekolleg/innen. Kaum eine/r, der/die das nicht nach dessen Tod noch einmal kundgetan hat. Auch etliche Musiker-Freunde erwähnten das. Mit der Sängerin Mattiel aus Atlanta bspw. habe ich mal eine Weile über Lynch gesprochen; sie hat zwar nicht Film studiert, aber sie hat ihre Musikvideos immer komplett selbst gemacht und mir mal erzählt, dass sie dafür – „learning by doing“ – viel von Lynch gelernt habe.
Gewissermaßen habe ich Lynchs Werk auch vor meinem eigentlichen Studium schon recht intensiv studiert (u.a. unter Zuhilfenahme des dem Interviewbuchs „Lynch on Lynch“ und anderen Büchern). „Lost Highway“ kam am Ende der Woche meiner Abiturprüfungen raus (und Geburtstag hatte ich in der Woche auch noch) – und hat auch mich enorm geprägt. „Mulholland Drive“ kam schon vor meinem Studium in die Kinos, und ich erinnere mich immer sehr intensiv daran, wie ich nach dem Film, es war eine Spätvorstellung (22 Uhr 45; ich habe letzte Woche die Eintrittskarte in meiner Soundtrack-CD wieder gefunden), nachts um zwei aus dem Kino kam und durch Berlin nach Hause radelte; es war vollkommen überraschend Schnee gefallen, alles war weiß, die Stadt komplett still (Wochentag + Wintereinbruch), und der Himmel war irritierend hell, in surrealen Rottönen. Das war eine bizarre Erfahrung, nach diesem Film, der vieles auf den Kopf stellte. Bis heute ist es wohl der Film, den ich am häufigsten im Kino gesehen habe.
Nicht selten muss auch ich (wie viele Kolleg/innen), in vielen verschiedenen Zusammenhängen, in meinem beruflichen und künstlerischen Tun an Lynch denken. Auch wenn man selbst natürlich nie etwas Vergleichbares macht.
Einmal hatten wir an der Filmakademie die seltene und seltsame Chance, dass Lynch für eine Veranstaltung mit den Studierenden kommen wollte. Es wurde dafür ein großer Kinosaal, das Arsenal, bereitgestellt, und alle, die irgendwie davon gehört hatten, kamen vorbei, man erwartete die Chance, von Lynch ein kleines Scheibchen Goldstaub-Inspiration mitzunehmen. Der Saal war über Gebühr voller Studenten, auch bis an die Potsdamer Filmhochschule hatte sich das herumgesprochen. Lynch saß auf der Bühne, neben ihm vier oder fünf seltsame rundliche Herren in Anzügen. Und dann wurde kundgetan, Lynch werde nicht über seine Arbeit sprechen (als Gast an einer Filmhochschule!), sondern über Transzendentale Meditation (TM) – und dazu Fragen gerne beantworten. Das geschah dann auch, und auf alle Anwesenden wirkte das Ganze wie eine Theatershow aus einem Lynch-Film – und der Stargast wirkte auf uns, als sei er einer Gehirnwäsche unterzogen worden. Es war reichlich bizarr. Der damalige Leiter unserer Ausbildungsstätte, Hartmut Bitomsky, entschuldigte sich später, dass er da vorab nicht genauer nachgefragt hatte, was zu erwarten war; die einmalige Gelegenheit, Lynch zu Gast zu haben, sei auch ihm zu verlockend und einmalig genug erschienen. Damals war noch nicht gemeinhin bekannt, dass Lynch ein Anhänger der TM war, die er in höchsten Tönen lobte, und die Herren neben ihm nickten und lächelten immer nur wortlos, während sie da auf der Bühne saßen. Es wirkte so, wie man sich Scientology vorstellte. Lynch sprach sogar vom Weltfrieden via Meditation. Einer der damals anwesenden Studenten, David Sieveking, hat in der Folge den Dokumentarfilm „David wants to fly“ gemacht, über seine Entzauberung von Lynch als so wichtigem Autorenfilmer für ihn und für uns alle.
Diese Episode ist lange vergessen, und Lynch hat sich mit den 18 Stunden „Twin Peaks 3“ später auch mehr als rehabilitiert. Zahlreiche Berliner Kinos haben in den letzten Wochen ihr Programm umgestellt, und man konnte das Lynch-Kinogesamtwerk (inklusive des sehr schönen Dokumentarfilms „The Art Life“) überall in Berlin sehen. Wir schauten „Mulholland Drive“, „Lost Highway“ und vorgestern, am Samstag, schließlich „Eraserhead“ – alle drei sah ich nun erstmals in digitalen Vorführkopien. Und zum Glück war die Vorstellung jeweils sehr laut. „Mulholland Drive“ wurde leider komplett asynchron abgespielt, der Ton eine knappe halbe Sekunde verzögert, was mir Kopfschmerzen bescherte. Ich konnte nicht auf die Münder der sprechenden Figuren schauen. Nach dem Film fragte ich nach, ob sich denn niemand beschwert habe, und der Kinomitarbeiter war rasant in seiner Antwort: „Das ist vom Verleih so gewollt.“ Nach ein paar Minuten Diskussion mit dem Herrn meinte ich abschließend: „Naja, interessant zu wissen, dass ich der einzige war, den das gestört hat, dann ist es halt so.“ — und er gab schließlich zu, dass sich doch schon während des Films einige über den asynchronen Ton beschwert hatten.
Zu „Lost Highway“ nahmen wir ein ganzes Rudel kunstinteressierter Berliner Freunde mit, die den Film allesamt erstaunlicher Weise noch nie gesehen hatten. Die Wiedersichtung dieser drei Filme (plus einer TV-Doku in der Arte-Mediathek) bewies wieder einmal, wie sensationell gut Lynch als Filmemacher, als Filmkünstler war. Dass er mit so wenigen Filmen die Sprache des Kinos so enorm gut beherrschte, beeindruckte mich bei „Lost Highway“ wieder einmal. „Kein Wort zu viel“ meinte eine der mitgekommenen Freundinnen, sie habe sich prächtig amüsiert, wie bei René Pollesch in der Volksbühne. Diese Filme sind – noch immer – einfach phänomenal gut. Und dabei doch so enorm vielschichtig. Die Meisterschaft und Einzigartigkeit der Regiearbeit treibt mir fast die Tränen in die Augen.
Sonntag Abend in der Volksbühne: Zola Jesus, eine Sängerin aus Wisconsin, von der ich einige Alben habe. Sonst baut sie ihre sehr exaltierte, fast opernhafte Musik mit umfangreicher Instrumentierung, Klangwelten und Elektronik aus. Diesmal solo am Flügel, nahezu ohne elektronische Effekte. Ich war skeptisch, aber es funktionierte erstaunlich gut, war intensiv, auch wenn in der ersten Hälfte sicher 50 bis 80 Zuschauer den Saal zwischen den ersten Stücken verließen. Offenbar hatten sie keine Solo-Show erwartet. Oder fanden den Gesang zu exaltiert. Zum Schluss sang sie, als Verbeugung vor David Lynch, den sie einmal getroffen hatte, „In Heaven (Lady in the Radiator Song)“ aus „Eraserhead“, den ich 24 Stunden zuvor im Kinosaal in der digital restaurierten, klanglich beeindruckend wiedergegebenen Vorführung gesehen hatte.
Dec 6 until Mar 25 – my favourites and a lesson in escapism
(Erste Viereljahresliste) Okay, das ist der Job des Musikjournalisten, die Zukunft ein wenig anzugraben. Und nun also die Alben, die mich voll gepackt haben, ohne Ranking, ohne Umschweife, ohne „Listenlook“. Icn hoffe, ich habe etwas verpasst, sonst wäre diese Sammlung ja nahezu perfekt. Alabaster DePlumes Meditationen über das Paradoxon der Klinge sind schon auf den ersten fünf Plätzen meiner nächsten Nilkolausliste gebucht. Burner! Diese skandinavische „Super Group“ namens Unionen bescherte WeJazz Records am Nikolaustag 2024 einen Blick in jene Zukunft des Jazz, in der es noch Unberechenbares und Wundersames gibt. Lange keine Platte mehr im Dämmerlicht dreimal hintereinander gehört. Jon Balkes „Skrifum“ ist das erste Fünf-Sterne-Album des Jahre von ECM. Richard Dawsons „End Of The Middle“ ist ein umwerfend raues Meisterstück über den Alltag unserer Tage im All, aber es fordert Hörgewohnheiten heraus und verlangt gutes Englisch. Anouar Brahems „Last Days Of Sky“ ist in Besetzung und Ausführung eine Klasse für sich, mit all den dunklen Himmeln, die das mitschwingen. Wer Dave Holland dort Bass spielen hört, möge seine uralte Schallplatte „Conference Of The Birds“ rauskramen und mit ein kleines Dankeschön schicken. (Aber nicht dieses Meisterstück vom Dave Hollands Quartet escheint als übernächste „Ausgrabung“ in der Luminessence-Reihe, sondern Bennie Maupins Sternstunde „The Jewel In The Lotus“. Im Mai.) Und zum Schluss dieser Plattenschau ein wenig Eskapismus. Wie, was? Ja, die Platte mit dem verboten bunten Cover da oben habe ich mir heute aus Berlin bestellt, nie gehört, aber neugierig – schliesslich besitze ich den janpanisch-balearischen Klangtraum namens „Pacific“ auf Vinyl, von eben diesem Herrn Haruomi und einigen seiner Gefährten aus fernen Zeiten.
Orbital
(English version here)
Diese Besprechung von Samantha Harveys Orbital, in der deutschen Übersetzung Umlaufbahnen, beinhaltet den Versuch des flowworker-Teams, ein Buch von mehreren Mitgliedern des Blogs besprechen zu lassen. Dies ist mein Beitrag dazu, die anderen finden sich hier von Olaf Westfeld, in den Kommentaren dort äußern sich Michael Engelbrecht und Martina Weber, weitere Erwähnungen hier und hier.
Ein Buch ohne Handlung, aber keineswegs ohne Inhalt. Zwei Frauen und vier Männer umkreisen die Erde, sechzehnmal am Tag — was immer „Tag“ in der Raumstation ISS heißen mag. Sagen wir besser: in vierundzwanzig Stunden. Wir folgen ihrem Tagesablauf, ihren Gedanken, ihren Gesprächen, ihren wissenschaftlichen Experimenten, etwa der Arbeit mit den 40 Mäusen an Bord. Wir erleben in knappen Schilderungen und Dialogen die Profanitäten des Daseins, die Schlafprobleme oder der Dusche in der Schwerelosigkeit, die Speisekrümel, die wieder eingefangen werden müssen. Das immer irgendwie vorhandene Bewusstsein, dass nur eine millimeterdicke Metallschicht vor dem Vakuum schützt, spielt ebenso eine Rolle wie die Tatsache, dass gerade ein Raumschiff eine Expedition zum Mond unterwegs ist. Würde man lieber dort mitreisen als hier an Bord der ISS? Man erfährt von dem Tod der Mutter einer der beiden Frauen und der Unmöglichkeit, an der Trauerzeremonie teilzunehmen.
Vor allem aber hören wir von den Impressionen beim Blick aus dem Fenster, auf die Erde. Nicht, dass die Autorin das hier philosophisch überfrachtet — in diesem Punkt hält sie sich zurück, auch auf die allzu naheliegenden ökologischen Belehrungen verzichtet sie. Aber doch ist es nicht egal, dass aus der Perspektive der ISS der Globus da draußen keine Grenzlinien hat, dass man keine voneinander abgesetzten Staaten sieht, ja, dass man schon aus den gerade mal 200 Kilometern, die die ISS von der Erde entfernt ist, keine Spuren der Zivilisation mehr erkennen kann. Nur bei Nacht verraten sich die Städte durch ihr Licht.
Gelegentlich tauchen in dem endlosen Strom der Gedanken Ideen auf, die man schon anderswo gelesen oder gesehen hat, etwa der von Carl Sagan entworfene kosmische Kalender, der den Zeitraum vom Urknall vor 13,6 Milliarden Jahren bis heute auf ein Jahr reduziert und auf diese Weise die unvorstellbaren Zeitdimensionen in eine handhabbare Größe verwandelt. Kaum zu glauben, dass in diesem Modell die Menschheit erst am 31. Dezember, drei Minuten vor Mitternacht, auf der Erde auftaucht. Vor 1,2 Sekunden ist Columbus in Amerika eingetroffen. Samantha Harvey erweitert die Skala recht clever, indem sie — anders als Sagan — die Uhr weiterlaufen lässt, in die Zukunft hinein. Dann ist in diesem Maßstab in spätestens vier Monaten Feierabend auf der Erde. Dafür sorgt die weitere Entwicklung der Sonne, die heißer werden und sich nach und nach zu einer Größe aufblähen wird, bei der die Erde verschluckt werden wird. — Aber das sind Probleme von übermorgen; zunächst müssen wir uns wieder um die vierzig Mäuse kümmern.
Ein sehr faszinierendes Buch und eine spannende Gedankenreise, wenn auch nicht immer ganz einfach und auch nicht immer ohne Längen. Die Autorin lehrt Creative Writing, manchmal merkt man das. Wie auch immer, Michaels Idee, es sollte vielleicht eine Audiobook-Version geben, in die gelegentlich Ausschnitte aus Brian Enos Apollo-Alben eingeblendet werden, hat etwas für sich. Aber wenn schon akustische Beiträge, dann wäre mein Vorschlag dieser hier. Der lässt mich seit Jahren nicht los und fasst eigentlich ohnehin das ganze Orbital-Buch in dreieinhalb Minuten zusammen.
„Open, to love“ (in Erinnerung an Gudrun H.S.)
Zuweilen kommt zu einem unvergesslichen und unerschöpflichen Album auch noch ebensolches Cover!Ich werde, wenn dieses Album, das 1973 veröffentlicht wurde, am 7. März innerhalb der „Luminessence“-Vinylserie von ECM neu aufgelegt wird, dazu etwas schreiben. Es wird auch in der Kolumne „Archive“ vom März seinen Platz finden.
Mich erreichte heute schon ein Exemplar, und es ist nicht billig, wenn man es, als Gatefold, und mit einem neuen (und hervorragenden) Begleittext versehen, kauft, für knapp unter vierzig Euro. Aber ich denke, es lohnt sich, lapidar gesagt.
Nicht, weil es ohne Zweifel zu den grössten Solopianoalben aller Zeiten zählt, sondern, weil, ich gerate etwas ins Stocken, ähem, nun, weil es ein Album ist, zu dem der, der sich einmal in dieses Album hat fallen lassen, wohl immer wieder hingezogen fühlen wird. Lebensbegleitend. Wie das Cover.
Manfred Eicher sprach von „Songs“. „Open To Love“ hat etwas dermassen Verlockendes, Entrücktes, In-Aller-Ruhe-Berauschendes! Was er da anstellt mit seinen eigenen Kompositionen, mit denen von Carla Bley und Annette Peacock, ist einzigartig und atemberaubend. Seite 2 endet mit einem Stück vom Annette, das mich mehr als einmal zu Tränen gerührt hat, und einen Titel hat, der auch nachhallt: „Nothing Ever Was, Anyway“. Vom Nachhall könnte man hier noch viel erzählen.
Die Musik von „Open, To Love“ hat mich begleitet von Dortmund nach Münster, nach Würzburg, nach Furth i. Wald und zurück nach Würzburg, zurück nach Dortmund, und Ewigkeiten später von dort nach Aachen. Diese Musik wird nie aufhören, mich gefangen zu nehmen, mich zu fesseln, mich aus Begrenzungen hinaus zu begleiten, offen dafür, zu lieben! Mit dem Album verbinde ich auch das gute alte Wort „surrender“.
Ich frage mich, ob es Leser gibt, die das hier lesen, und das Album nicht kennen.
Ich traf Paul Bley in den noch recht jungen Neunziger Jahren in Bremen, natürlich sprachen wir auch über dieses Werk, und ich werde mal gucken, ob mein Porträt, eine alte Ausgabe der „Studiozeit“, noch irgendwo im Archiv des Deutschlandfunks abgelegt ist. Kleine Anekdote: an dem Tag meines Interviews verkaufte ich ihm mein allerfeinstes Sennheiser Stereo Mikrofon, fair enough, zum Einkaufspreis – es wurde bald ein Sammlerstück.
(m.e.)
Song des Tages
Nächste Woche habe ich frei – na ja, bis auf Montag, da ist eine fünfstündige Dienstbesprechung und bis auf den Berg auf meinem Schreibtisch. Aber immerhin. Bis dahin höre ich noch ein paar Mal den neuen Song von Lucrecia Dalt, bei dem David Sylvian mitmischt (production, mixing) und am Ende auch noch ein paar Zeilen raunt. Deep, hypnotic stuff.Eno on Ibiza, 1977
The day before yesterday Brian gave his last lecture on school of songs. Here is one story he told, and I‘ve never heard it before. And after that, listen to the song he has been hunting down fourteen years. Not long ago, WeWantSounds reissued the album containing that track. By the way, it was 1977 when he heard the song for the first time, a time where „global music“ was not yet somthing for everyday. The records that were mirroring music from far away places were not so many … after Tom Scott’s Music For Zen Meditation, after Don Cherry’s Brown Rice, after Yusef Lateef‘s Eastern Sounds, all reflecting north african, arabic style musics or sounds from the far east, it took a time til, at the end of the 70‘s, at the begnning of the 80‘s that thing called „world music“ entered Western cinsciousness, and the market became, after quite some time, a big one: from originals to creative fusion, and pure mainstream on the other end of the spectrum.looking back on eno‘s seminar on songwriting
I even wrote one song in these weeks, a spoken-word piece with a bit of singing – 😉 – called „Ein kleiner Strand“. I like it enough to post it here one day… in case, Tommy Perman and Jan Bang add their magic! It was a great experience to come together with people from all over the world. Hello, Tom Boon! But, I am so familiar with Brian‘s thoughts, and not really planning to write songs in the future, that it had a kind of nostalgic vibe. Brian is in the years now, as we all are who grew up with his music from the 70‘s onwards. And, apart from his clear and humourous ways of lecturing, the Brian who keeps surprising me most, is the Brian putting out new albums. Secretly, I am hoping fo another song album. What he did on „Foreverandevernomore“ was definitely a fantastic late work, opening new gates of perception with a voice and vocals that have aged well. The song he created for Eno, the documentary, „All I Remember“ showed clearly that he can still write songs that are more connected with a sensual and visceral memory, instead of the dark time travel songs of a distant future (the near future yesterday threw some dark shadows on politics in Germany with fucking right wing fascists and a future Kanzler counting on their voices). And it was a very personal song. Why not do a whole work of such sophisticated, sentimental torch songs!? An artist who regularly refuses to write confessional songs would surprise us one more time. By the way, my song „Ein kleiner Strand“ has a distant echo of Seven Regener‘s songs, but it is not a love song, and will have, in its final version (that probably never sees the light of day) more electronics inside.