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  • The Art of Darkness

    (In deutsch: hier)

    „Thick enough to stun an ox,“ Laurie Anderson once said about a book. This one, at 738 pages, certainly fits that description. Nearly a hundred of those pages are dedicated solely to sources, author’s notes, and the index of names and titles. It took me about four weeks to read the book, but despite some slow patches, it was ultimately worthwhile.

    However, it’s important to know what the book is actually about. The Art of Darkness – The History of Goth only indirectly discusses Gothic culture as a scene. That would indeed be a very broad field with many branches. There is no single „scene,“ and the scenes in England, the USA, and Germany have certainly not developed identically. John Robb therefore focuses on a specific area: the music. He describes its development largely organized by the cities of the featured bands and musicians.

    He does this with great care and considerable research. The number and detail of the interviews Robb conducted himself with bands and musicians is remarkable (and at times, quite lengthy). I was particularly surprised whom he includes in the precursors of Goth rock: The spectrum ranges from David Bowie, T. Rex, Led Zeppelin, The Doors, Grace Jones, Lou Reed, Brian Eno, Roxy Music, Kate Bush, and Kraftwerk, all the way to the Glitter Band, Suzi Quatro, and The Sweet – the influences from which Gothic rock emerged. And while this might initially seem surprising, Robb’s presentation usually makes sense.

    The main focus, however, is on the encyclopedic-essayistic accounts of the bands and artists that one would typically categorize as Gothic: From Bauhaus, The Cure, The Damned, Siouxsie & The Banshees, Killing Joke, the Sisters of Mercy, Throbbing Gristle, Philipp Boa, Depeche Mode, Blixa Bargeld and Einstürzende Neubauten, to (repeatedly) Nick Cave & The Birthday Party, all the usual suspects are present. This is highly interesting in parts, especially the early stages; however, the lengthy reproduction of the interviews is sometimes a little tedious and not always productive.

    It’s fascinating to trace how the various bands, artists, styles, and local characteristics gradually come together and merge into a recognizable whole without losing their individual identities. Different genres also converge: New Romance, Industrial, Electronic, Punk, but also simply Pop. Significant differences between Europe and the USA are also evident.

    Some names one would expect to find are dealt with surprisingly briefly, such as Lydia Lunch, Ultravox!, Nico, or Diamanda Galás, or they are completely absent, such as Wolfsheim, De/Vision, Lacrimosa, London After Midnight, or Anne Clark, to name just a few. But I know it’s impossible to list them all; doing so would exceed the scope of even these 738 pages, and I don’t know of any more extensively researched book on the subject anyway.

    John Robb:
    The Art of Darkness — The History of Goth
    Manchester University Press 2023
    ISBN 978-1-5361-7676-9
    This book is now also available in a German translation, but I don’t know it.

  • Richard Williams‘ 15 albums of 2025

    1 Ambrose Akinmusire: Honey From a Winter Stone (Nonesuch)
    2 Mavis Staples: Sad and Beautiful World (Anti-)
    3 Henriksen / Seim / Jormin / Ouaskari: Arcanum (ECM)
    4 Masabumi Kikuchi: Hanamichi / The Final Studio Recording Vol II (Red Hook)
    5 The Necks: Disquiet (Northern Spy)
    6 Patricia Brennan: Of the Near and Far (Pyroclastic)
    7 Amina Claudine Myers: Solace of the Mind (Red Hook)
    8 The Waterboys: Life, Death and Dennis Hopper (Sun)
    9 Peter Brötzmann: The Quartet (Okoroku)
    10 Chris Ingham Quintet: Walter / Donald (Downhome)
    11 Vilhelm Bromander Unfolding Orchestra: Jorden Vi Ärvde (Thanatosis)
    12 Nels Cline: Consentrik Quartet (Blue Note)
    13 Bryan Ferry & Amelia Barratt: Loose Talk (Dene Jesmond)
    14 Lucy Railton: Blue Veil (Ideologic Organ)
    15 Charles Lloyd: Figures in Blue (Blue Note)

  • Wir sind alle eine Bettwurst

    Dietmar Kracht, isch liebe disch so unwahrscheinlisch, versank im Wannsee, tagelang ging ich durch den Grunewald, voll der Trauer um ihn. Der Film von Rosa von Praunheim “ DIE BETTWURST“ lief bei uns in der WG in Freiburg in den 70ern. Ich hatte Besuch von meinem besten Freund aus Saarbrücken. Er ist Cineast und damals Undergroundfilmspezialist. Er empfahl der WG den Film zusammen anzusehen. Es sei ein Higherlebnis ohne Drogen. Während des Films lagen wir lachend am Boden, ahmten den unverwechselbaren Mannheimer Dialekt nach und spielten in den nächsten Tagen die Staubsaugerszene durch. Mich interessierten die Filme von Rosa, die über das Thema Homosexualität gingen nur politisch, ich sah sie mir an, fand aber keinen Bezug dazu. Rosa bewunderte ich immer, traf ihn mehrmals. Er war (sic) ein schöner Mann, voller Energie und mit einem verführerischen Lächeln. Ich bewunderte seine hohe Produktivitätskraft und sein Brennen für die Rechte der Homosexuellen. Dass er doch noch geheiratet hat, mag ein Hochzeitsgeschenk an seinen langjährigen Partner gewesen sein bzw. , in meiner Denke, viceversa, die Bitte, ihn bei seinem Tod zu assistieren. In einem letzten Interview hörte ich Rosa sagen, dass er den Tod liebe, sich auf das lange Schlafen und das Träumen freue. Das wünsche ich ihm jetzt. (Lajla Nizinski)

  • Lajlas Lieblingsgeräusche von 2025

    Man muss immer trunken sein, das ist die einzige Lösung, um nicht das furchtbare Joch der Zeit zu fühlen, das eure Schultern zerbricht und euch zur Erde beugt, müsset ihr euch berauschen. Doch womit? (Baudelaire)

    Ich habe mich mit folgender Musik berauscht:

    Brian Eno und Beatie Wolfe Luminal
    The Allman Brothers Drunken Hearted Boy
    Kurt Rosenwinkel Deep Sing
    Grateful Dead Morning Dew
    Sophie Hunger Le vent nous portera
    Jorge Pardo Djinn
    German Lopez Maridaje
    Dhafer Youssef Shiraz
    Belen Alvarez Doreste Lajalada
    Claudia Alamo Llama a mi mama

    und alles wie immer von Anton Bruckner

  • Die letzten Rätsel des Weissdornwegs

    Es war ein Film, der mich tief berührte, als ich ihn einst im Kino sah, entführte er mich doch ins Reich der Kindheit, und da war es egal, ob die Geschichte in Amerika spielte oder am Weissdornweg. „Stand By Me“. Ein paar Jungs machen sich auf den Weg in einen Wald nahbei, und entdecken eine Leiche. Rob Reiners Geschichte habe ich auch später immer wieder mal gesehen, und er meinte, der Erfolg des Filmes habe auch damit zu tun, dass es an einer Stelle heisse, solche Freundschaften, wie man sie mit zwölf Jahren habe, gäbe es nie wieder. Sentimental oder nicht, ich würde dem zustimmen, machte ich mich doch vor Jahr und Tag auf die Suche nach meinem einstigen besten Freund in Volksschulzeiten. Dass sie Schule Brüder Grimm-Schule hiess, hätte auch Stephen King gefallen, der die Vorlage für Rob Reiners Film lief. Meine kleine Detektivstory kann hier jeder nachlesen, der unter suchen „Im Club der Fische“ eingibt, vier Teile finden sich da mindestens.

    Und es hatte etwas Tragisches, dass ich ihn nur ganz knapp, etwa um drei Häuser, verfehlte, meine besten Freund, weil ich meine Suche an einem bestimmten Punkt abbrach. Ich hätte ihn beinah noch einmal angetroffen, wenige Monate vor seinem Tod. Wäre es zutiefst bewegend gewesen, keine Frage, ja! Bestimmt auch befremdlich für Mattes, wenn da plötzlich ein Zeitreisender vor der Tür gestanden hätte, und ich aus Verlegenheit mit dem Finger in die Richtung der Weissen Taube gezeigt hätte, wo uns zwei Kids 1966 völlig humorlos mit einem Messer bedroht hatten.

    Dafür begegnete ich andern aus meiner ersten Schulzeit, Zurli, Klaus, und vielleicht bald auch Zurlis Schwester, die das lebende Gedächtnis der Siedlung im Weissdornweg in Dortmund zu sein scheint, wenn Zurli mal so ins Reden komm. Es gäbe noch einige Geheimnisse zu lösen, ein paar verdammt offene Fragen, und wenn wir einfach mal einzelnen Puzzlestücken hinterhergingen, und unsere Erinerungen wie durchsichtige Polaroids übereinanderlegten, köme vielleich das eine oder andere heraus. All das brachte sich mir in Erinnerung, als ich gestern vom gewaltsamen Tod Rob Reiners las, und von den hässlichen Worten, die ihm der Abschaum von einem amerikanischen Präsidenten hinterher geschickt hatte.

    Die gute alte Singerhoffstrasse. Eine Art Hörspiel mit Zurli.

    (einfach auf die obige Zeile klicken und auf halbswegs tauglichen Lautsprechern laufen lassen.)

  • Sentimental not sentimental 

    Letzte Woche saß ich in Bergen spät im Hostel mit ein paar anderen (jüngeren) Übernachtungsgästen am Tisch, und eine junge Norwegerin fragte mich, ob ich den Film „Affeksjonsverdi“ gesehen hätte. Ich musste nachfragen, konnte den Titel nicht zuordnen. Ich sagte, nein, aber ich hätte zwei Tage zuvor einen anderen norwegischen Film gesehen, über einen Vater und zwei Töchter, aber der Titel fiel mir nicht mehr ein. Dann sagte sie, doch das sei der Film, den sie meine. Sei sehr gut. Den habe sie eben gesehen. Ich sagte, nein, der Film hieß anders, es ging um einen Vater mit Problemen und seine zwei Töchter, der Film spielte in Oslo… und sie sagte, ja genau, ein Vater und zwei Töchter, spielt in Oslo. Ich war verwirrt, war ich schon so neben mir oder habe ich so schlechte Ohren? Es war klar, dass ich nicht den Film mit dem unaussprechlichen Titel gesehen hatte, kam aber nicht auf den Titel des Films, den ich in Oslo gesehen hatte. Ich beschrieb den Inhalt etwas genauer, es ging um Weihnachten und um zwei Töchter, und um einen Weihnachtsmarkt. Dann sagte sie: „Stargate heißt der Film.“ Sei nach einem erfolgreichen Buch. Ja, kein Wunder, dass ich mir den Titel nicht merken kann. Wer nennt einen Weihnachtsfilm auch „Stargate“? Was ein Unfug. Da denkt doch jeder, es wäre ein Film von Roland Emmerich. Ihren Film konnte ich noch immer nicht zuordnen, sie meinte, Elle Fanning spiele mit, was meine Verwirrung noch steigerte. Elle Fanning in einem norwegischen Film? Das kann doch nicht sein… macht sie sich über mich lustig?. Erst nach weiteren Details stellte sich raus, wovon sie sprach: Ich meinte, bei uns heiße der Film, den sie gesehen hatte, „Sentimental Value“

    Heute, also mittlerweile gestern, sah ich dann „Affeksjonsverdi“ bzw. „Sentimental Value“ hier in Berlin, auf dem Papier ein typischer „Europudding“: mindestens vier Länder und mindestens acht Produktionsfirmen und fast nochmal doppelt so viele Filmförderungsanstalten waren daran beteiligt. Ich frage mich: Was soll das? Warum müssen all die Filmfördergelder für deutsche Filmemacher von allen deutschen Filmförderungsinstitutionen so großzügig in alle möglichen Länder verteilt werden (letzte Woche sah ich den herausragenden brasilianischen Film „O Agento Secreto“, der ebenfalls viel Geld von deutschen Filmförderungen bekommen hat), wenn es dann für die deutschen Filmemacher fehlt, gerade wenn die kein Geld von irgendwoher bekommen und mit viel kleineren Summen schon zufrieden wären. Langsam ärgert mich das sehr. Jeder sagt, wie schwer es ist, in Deutschland Geld von der deutschen Filmförderung zu bekommen, weil man so viele Faktoren beachten muss, etwa, dass es deutsche Themen sein müssen, deutsche Regie oder Drehbuchautorenschaft, deutsche Handlungsorte, Drehorte in Deutschland, deutsche Wahrzeichen, deutsche Themen wie deutsche Geschichte oder Politik oder Gesellschaft… usw usf. Was haben „O Agento Secreto“ und „Affeksjonsverdi“ (um nur zwei von unzähligen Beispielen zu nennen), mit all diesen Faktoren zu tun? Gar nichts. Für viele deutsche Filmschaffende ist dies zunehmend ärgerlich. Bei den Filmfestivals in Cannes, Berlin, Venedig, Locarno usw. laufen mittlerweile stets zuverlässig jeweils fünf oder sechs Filme mit deutschen Co-Produzenten und deutschen Filmfördergeldern, die aber von all den von der Filmförderung bei deutschen Filmemachern eingeforderten Bedingungen, nichts vorzuweisen haben. Toll für Claudia Roth und ihren Nachfolger, dessen Namen ich immer wieder vergesse, saublöd für die nationale Filmkultur, die über mangelnde Fördergelder klagt.

    Davon abgesehen ist „Sentimental Value“ einer dieser Filme, bei dem mir die Tränen kommen — nicht, weil ich mich aus eigener Lebensgeschichte so sehr mit den Charakteren und ihren Problemen und ihren Familiendramen identifiziere, dass ich aufgrund des sentimental value darin aufgehe und mitleide. Sondern weil der Film einfach so unfassbar gut ist. Oftmals kann ich auch bei sehr guten Filmen, während ich sie sehe, verstehen, wie die Filmemacher da hingekommen sind, also zu dem Ergebnis, das am Ende so gut geworden ist. Aber hier – der Film ist so gut, dass ich nicht mal so richtig verstehe, wie man einen so guten Film machen kann. Okay, Joachim Trier und Eskil Vogt haben zusammen schon einige Filme geschrieben und realisiert, die eigentlich alle mindestens sehr gut waren, teils auch grandios. Aber dieser, „Sentimental Value“, da bleibt mir die Spucke weg. Das ist phänomenal, wie gut das Ganze ist. „Kann man nichts sagen“, würde der Deutsche hier anerkennend sagen. Doch, eine Sache ist mir aufgefallen: Warum setzt Roxy Musics Same Old Scene (immer wieder ein wahnsinnig guter Song) einmal so laut ein, als Stellan „Gustav Borg“ Skargard mit dem Auto fährt? Weder ist es so gemischt, als würde „Gustav Borg“ das beim Autofahren hören (die Situation legt es aber irgendwie nahe), noch ist es schlüssig wieder ausgeblendet, sondern einfach ziemlich ruppig wieder rausgezogen, als Borg an seinem Ziel ankommt und dort das Haus betritt. Also bitte, in so einem makellosen Film hätte man das doch wohl auch noch besser lösen können. Vielleicht aber war das die eine Sache, die ich nicht verstanden hatte?

  • Überraschungen

    Anfang des Jahres hätte ich nicht gedacht, dass ich viel Zeit mit den Emotionen und Gedanken dieser drei Menschen verbringen werde: ein Musiker, ein Autor und ein Welterklärer.

    Die Musik von John Fahey (1939 – 2001) kenne ich aus der Ferne schon lange. Ich erinnere mich an einen Spaziergang vor über 20 Jahren durch Friedrichshain, bei dem ich eine von einem Freund gebrannte CD in einem Discman hörte (es war etwas umständlich, man musste das Gerät die ganze Zeit in der Hand tragen). Ich war angetan, habe dann irgendwie nie den Faden aufgenommen. Bis ich diesen Sommer zwei Alben in einem Schallplattenladen stehen sah. Die begeistern mich so sehr, dass ich seitdem noch zwei weitere kaufe – und andere Gitarristen für mich entdecke, wie den meditativen Robbie Basho, oder mir bekannte noch mehr höre, wie die feine Folkgitarre von Bert Jansch. 

    Auch von Richard Powers hatte ich vor über zwanzig Jahren mal sehr gerne ein Buch gelesen, auch bei ihm habe ich dann nie weitergelesen, um dann in diesem Jahr gleich in vier Büchern zu versinken. Über zwei habe ich hier schon geschrieben; die anderen beiden fand ich „nur“ sehr gut, nicht ganz so herausragend. Aber Orfeo hat schon großartige Passagen (alleine die Erzählung, wie Olivier Messiaen Quator pour la fin du tempskomponiert, lohnt das Lesen) und Erstaunen eignet sich vielleicht wegen der relativen Kürze am Ehesten als Einstieg. Ich lese auf jeden Fall weiter.

    Und dann bin ich im Sommer über die Lage der Nation Podcasts auf den Soziologen Aladin El-Mafaalani gestoßen, habe seitdem zahlreiche Podcasts mit ihm gehört (drei bei jung & naiv) und gerade auch ein Buch von ihm geschenkt bekommen (Misstrauensgemeinschaften, noch nicht gelesen). Diese politisch-soziologischen Analysen sind empfehlenswert; zum Beispiel die Gedanken zu der Rolle von Kindern in alternden Gesellschaften finde ich sehr erhellend. 

  • Bernhard Scherbers 10 Lieblingsalben 2025

    Das Jahr geht zu Ende. Einiges ist liegenblieben, manches hat mich auf den letzten Drücker erreicht, und viele Alben werde ich erst demnächst zu hören bekommen.  Hier nun meine aktuelle Liste:

    1  Hiromi’s Sonicwonder  –  Out There             

    Nix wie raus und Spaß haben. Hiromi erneut mit Hadrien Feraud (E-Bass), Gene Coye   (Drums) sowie  Adam O’Farrill (Trompete) und verspielt wie selten zuvor. Häufig auch am Keyboard.  Mein (Sommer-)Album des Jahres. Und mit  „Pendulum“ eine Ballade in zwei Versionen. Einmal mit der wunderbaren Michelle Willis und einmal solo.

    2  Brandee Younger  –  Gadabout Season

    Alice Coltranes Harfe ist wieder zurück und bei Brandee Younger in den richtigen Händen. Auch hier ist der Albumtitel aufschlussreich.  In ihrem Wohnzimmer kommen und gehen die Gäste. Hervorheben muss ich hier das exzellente  Drumming.  Die zweite Künstlerin neben Hiromi, für deren Talent  ich keine angemessenen Worte finde.

    3  Astrobal  –  L´Uomo E La Natura

    3, 2, 1 – Ignition.. Emmanuel  Mario mit kosmischem Pop der 1970er Jahre in neuem Gewand. Bevor wir in den Kosmos starten, erstmal ein wenig Tropicalia. Wir erleben den Sonnenaufgang in Brasilien, wohin wir am späten Abend zurückkehren.  Zwischendrin in  weiter Ferne ein Gewitter. Ansonsten schweben wir durchs All und werden bei „The End of Capitalism“ aufgefordert, uns dies vorzustellen.

    4  The Besnard Lakes   –  The Besnard Lakes Are The Ghost Nation

    The Besnard Lakes so entspannt und eingängig, dass es mich bereits beim zweiten Durchgang packt. Jeder Titel  ein vorzeitig ausgepacktes Weihnachtsgeschenk. Neben Gitarrenlastigem hören wir auch Songs, die von Dulcimer, Bouzouki, Vibraphon und Keyboard getragen werden . Jace Lasek und Olga Goreas. Meine Lieblingsstimmen, wenn es um Rockmusik geht.

    5  Adrian Younge  –  Something About April III

    Der zeitreisende Musiker und Produzent macht Halt in Brasilien und verschmilzt MPB mit Soul.  Weiblicher Chorgesang , eine wie immer 100 % analoge Produktion und jede Menge „Herzwärmer“.

    6  The Necks  –  Disquiet

    7  Beatie Wolfe & Brian Eno  –  Luminal

    8  Ebo Taylor, Adrian Younge & Ali Shaheed Muhammad  –  Jazz Is Dead 22

    Nochmal Adrian Younge. Diesmal mit Highlife und psychedelischem Afrobeat.

    9  Chip Wickham  –  The Eternal Now

    Roger Wickham überrascht mit Anleihen bei Souljazz und integriert Streicher in seine Klangwelt. Immer wieder schön die Querflöte.

    10  Anika  –  Abyss

    Definitiv kein Hörvergnügen. Roh und direkt in die Magengrube.  Annika Henderson benennt das Toxische in Beziehungen, der Gesellschaft, den Medien, der Politik. Mal direkt und mal subtiler. Eine Stimme, die mir nicht mehr aus dem Kopf geht.

  • Ella Edelmann erlebte Radiohead in Berlin

    Es war ein ganz wunderbares Erlebnis, wobei „Wunder“ und „bar“ beide gleichermaßen Teil dieses besonderen Abends waren. Irgendwie verwunderlich in seiner Eigenart und gleichzeitig bar jeden Zuviels, genau richtig in seiner Schlichtheit – sofern sich das von einem Arena-Konzert sagen lässt.

    Interessant fand ich die Art Gaze-Leinwände, hinter denen die Band anfangs eingeschlossen war, und die – obwohl teiltransparent – später auch als Videoleinwände dienten. Das erste Lied („2+2=5“) spielten sie noch komplett hinter dieser Art Netz. Ich empfand das erst als sonderbare Distanz zwischen Performenden und Publikum, als die Wände dann aber später angehoben wurden, kam mir doch der Gedanke, dass es eigentlich ganz passend ist, das Erscheinen auf der Bühne durch dieses Zwischenelement nochmal um einen Schritt zu erweitern und sich so auch sichtbar dem Publikum zu öffnen.

    Die Leinwände waren das ganze Konzert über sehr geschmackvoll eingesetzt. Oft finde ich es ein bisschen schade, wenn die Leinwände einfach in groß das zeigen, was man von seinem hinteren Platz sonst eben nicht erkennt, zumal ich mich dann oft dabei erwische, wie ich nur noch die Leinwand anstarre.

    Das war diesmal anders. Die leinwandübertragenen Sequenzen waren immer wieder verfremdet, teilweise auch gedoppelt oder schnell nacheinander wiederholt. Das hat das Element der Konzertleinwand, finde ich, hier viel interessanter gemacht.

    Musikalisch hat es mir sehr gut gefallen. Anfangs hatte ich das Gefühl, den Gesang etwas leise zu hören – das hat sich aber schnell gegeben.

    Die Band hat toll gespielt und die Songs teilweise auch in Versionen präsentiert, die ich nicht direkt so erwartet hätte. Manchmal war rhythmisch etwas anders oder es wurden synthetische Intermezzos eingefügt und/oder ausgedehnt.

    Besonders begeistert und eingenommen hat mich auch die Bühnenpräsenz Thom Yorkes. Er hat sich tatsächlich viel bewegt und getanzt, wie auch in den Kritiken, die ich vorher gelesen hatte, beschrieben. Ich fand das ungemein passend. Es hatte eine Leichtigkeit und ich hatte das Gefühl, er performt all diese Songs sehr bewusst, ohne aber irgendetwas bestimmtes darstellen zu wollen. Seine Art die Bühne zu bespielen, hatte meines Empfindens nach eine große Authentizität. Gleichzeitig fand ich die Art, wie er bei den vielen düsteren Texten damit auch Leichtigkeit und Freude vermittelt hat, sehr taktvoll.

    Für mich persönlich war es besonders schön die vielen Songs aus „In Rainbows“ zu hören. Jetzt nach diesem Live Erlebnis finde ich mich nochmals darin bestätigt, dass es wohl mein Lieblingsalbum von Radiohead bleibt.

    Es hat mich sehr berührt, zu spüren, dass diese Lieder mehr oder weniger einem ganzen Stadion viel bedeuten und ich fand es schön, in diesem Moment ein Teil davon zu sein.

    Auch schön war, dass in meinem Hostel nahezu ausschließlich KonzertgängerInnen unterschiedlichsten Alters untergekommen waren. Mein Zimmer teilte ich mir mit einer Gruppe junger FranzösInnen, die extra aus Lyon für das Konzert angereist waren. Im Aufzug hatte ich mich am Abend noch mit einer Gruppe älterer Herren (Sie dürfen niemals erfahren, dass ich sie so genannt habe, da sie sich schon an meinem Siezen gestört haben – sagen wir also „für mich älter“) unterhalten, die ganz stolz auf ihre Merch-Errungenschaften waren.

    Es ist einfach immer wieder schön zu sehen, welche verbindende Kraft Musik hat. Das habe ich gestern wirklich nochmals in aller Deutlichkeit erlebt.