Ein neues Album, und ein Film über Nik Bärtsch und Ronin
„Fast wie ein Wissenschaftler“. Das sagt jemand zu Beginn von Ingredients for Disaster, Julian Phillips‘ neuem 67-minütigen Dokumentarfilm über die Musik des Schweizer Komponisten, Pianisten und Bandleaders Nik Bärtsch. Fast wie ein Wissenschaftler. Nun, ja. Als Bärtsch nach einer Vorführung in London diese Woche sprach, fielen Worte wie „Architektonik“ und „Topographie“. Und Phillips wählt zur Veranschaulichung der polymetrischen Strukturen der Musik ausgeklügelte Computergrafiken, die das Innere der Stücke beleuchten, in denen die vier Spieler meist gleichzeitig in verschiedenen Taktarten arbeiten.
Auf der anderen Seite, überhaupt nicht wie ein Wissenschaftler. Jedenfalls nicht in der Wirkung. Bärtschs Bands zuzuhören, sei es der „Zen-Funk“ von Ronin oder die „rituelle Groove-Musik“ von Mobile, kann eine zutiefst emotionale Erfahrung sein, vor allem, wenn er eines seiner gebrüllten Kommandos gibt und die ganze Band wie ein plötzlicher Adrenalinstoß den Gang wechselt.
So beginnt ein kleiner Text von Richard Williams, nebenan zu lesen in The Blue Moment, über zwei Dinge, auf die wir uns freuen können, so wir dem Zen-Funk von Nik Bärtsch zugewandt sind. Ab 29. November ist die Doku auf amazon prime und/oder apple plus zu sehen – und das neue Album ist auch greifbar nah, das ausnahmsweise mal nicht auf ECM erschien (wirklich nur vorübergehend, wie Nik mir vor Wochen mailte). Es war witziig, dass in Matala an einem Tag die audio files der neuen Ronin- und Underworld-Alben ankamen. Das schönste doppelte „Tanzvergnügen“ des Jahres, wobei ich zum Glück auch ziemlich gut im Sitzen und Liegen und Schwimmen tanzen kann. HIER eine Erinnerung an sein Pianosoloalbum „Entendre“, in Form eines alten DLF-Beitrages. Und HIER Rosatos Geschichte seiner einstigen Entdeckung von Ronin und Co.
Der alte Harry
Harry Bosch ist in die Jahre gekommen, und es ist gut, dass er in Renée Ballard eine jüngere, gleichermasssen rigorose Ermittlerin an seiner Seite hat. „Wüstenstern“ ist ein melancholisches Spätwerk mit und um Harry Bosch herum, aber das hindert Michael Connelly nicht daran, in zwei komplexen wie finsteren Kriminalfällen für enormen Drive zu sorgen, der die zeitweilige „Action“ mitunter zweite Geige sein lässt gegenüber der akribischen Ermittungsarbeit. Darin war er immer schon ein Meister seines Fachs, und hier zieht er einmal mehr all seine Register. Wer die „Bosch“-Serien auf Prime kennt, sieht natürlich stets Titus Welliver vor seiner Nase, so überzeugend, wie er Bosch auf die Leinwand bringt, aber das ist kein Nachteil. Und natürlich lege er daheim immer noch alte Jazzplatten auf. Art Pepper zählt zu seinen Lieblingen. Allein Coltrane, sein Hund und treuer Begleiter, scheint das Zeitliche gesegnet zu haben.
„maverick guitar explorations, restauriert zum fünfzigsten“
„Günter Schickert ist nur den eingefleischtesten Krautrock-Sammlern ein Begriff. Diese Unbekanntheit ist ein Bärendienst, denn der in Berlin geborene Gitarrist hat sich mit Samtvogel einen Platz in der offiziellen Liste verdient. Samtvogel wurde 1974 in Eigenregie veröffentlicht und ein paar Jahre später von Brain für eine breitere Veröffentlichung aufgegriffen und macht Schickert zu einem Meister der Echo-Gitarre. Die drei Tracks bewegen sich irgendwo zwischen dem exzentrischen Jammen von Faust und dem quecksilbrigen Gitarren-Layering von Ash Ra’s Manuel Göttsching (wobei anzumerken ist, dass Schickert zuerst da war, denn Samtvogel erschien ein Jahr vor Göttschings LP Inventions For Electric Guitar von 1975 ). „Apricot Brandy“ ist ein gnomischer Kinderreim-Blues, den Schickert mit plätscherndem Echo umhüllt, und macht den Anfang im Songbereich. Doch beim seitenlangen „Wald“ hat Schickert die Songform völlig verlassen und webt mit seiner Echo-Box und der E-Gitarre ein Gitter aus schimmernden Klängen, so komplex und schön wie ein mattes Spinnennetz.“ (übersetzt von deepl)
Als ich Louis Pattisons Kurzbesprechung der Neuauflage (Vinyl, Cd) des mir unbekannten Günter Schickert-Debuts „Samtvogel“ las (1974), rief ich bei bureau b an und liess mir die Platte kommen. Ich schaute nicht nach, ob Jan dazu was in seinem Krautrockbuch geschrieben hatte, ich legte das Album im Dunkeln auf und kam von Anfang bis Ende nicht aus dem Staunen raus. Den Vergleich mit exzentriischem Faust-Jamming würde ich so nicht unterschreiben. Ich wusste rein gar nichts über dieses Album, kannte den Namen nir von weiter Ferne, machte mir ein paar Gedanken Richtung Minimalismus und Steve Reichs „It’s Gonna Rain“ und „sehr eigener Sound“, und ob er wohl „No Pusyfooting“ von Fripp & Eno mochte, und wünschte mir im Nachgang „liner notes“ von Asmus Tietchens. Tatsächlich fand ich seine blitzgescheite Lobrede auf das Album hinterher auf der Innenhülle des Albums. Ich schmunzelte. Tolles Album! Landete sofort beim meinen reissues 2024“ (s. Blog Diary 15. November), in bester Nachbarschaft. Und so gut kann ich mich an meine klanglichen Vorlieben 1974 erinnern: hätte ich die Platte damals gehört in Winfrid Trenklers „Schwingungen“ mit Bo Hanssons Intro-Musik, ich hätte eines der 500 ersten Exemplare (in Eigenregie fabriziert) sofort gekauft.. (m.e.). Besser spät als nie. Danke, Günter! Über „Samtvogel“ wird noch zu reden sein. Tolle Pressung. Toll klingendes Remaster! Far-out, gewiss, aber wunderbar hypnotisch! Bei aller Reduktion besitzt das Album ein immens reiches Innenleben, das es weit über ein rein historisches Interesse hinaus zu einem zeitlosen Klangabenteuer macht. Große Worte, zugegeben, aber gelassen ausgesprochen.
„Getting there – an invitation“ – archival discoveries & reissues (2023 & 2024)
Legen wir einfach mal los. Dank Jans Buch habe ich „Autobahn“ in diesem Jahr so oft gehört wie damals, als es uns ins Staunen und Schmunzeln versetzte. Die Beatles waren schon vier Jahre Geschichte, und alle fragten sich: wo geht die Reise hin? Blicken wir in die ferne Vergangenheit, dies war, vor einem Jahr, „mein“ 2023, in der Abteilung „time travels“. In Matala entdeckte ich mein Faible für Al Stewarts „Year Of The Cat“ wieder. Wir können, in die Jahre gekommen, leicht vorwärts und rückwärts durch die Dekaden springen. Am Ende macht die Zeit einen Narren aus allen von uns. „The fool on the hill“. Das ist keinesweges sarkastisch, allein mit bitter nötigem Humor versetzt. Man darf sich weiterhin fragen: Wo geht die Reise hin? In welcher Sprache gibt es 50 Ausdrücke für Wehmut, 50 für Exstase? 50 für Verbundenheit?
01. Nana Vasconcelos: Saudades
02. Keith Jarrett: Bremen / Lausanne
03. Jon Hassell: Further Fictions
04. Don Cherry et al: Old And New Dreams
05. Hiroshi Yoshimura: Surround
06. Alice Coltrane: Journey In Satchidananda
07. Pharoah Sanders: Pharoah
08. Dorothy Ashby: The Rubayat Of Dorothy Ashby
09. XTC: Chrome Dreams
10. Meiko Kaji: Hajiki Uta
11. Frank Zappa: Over-Nite Sensation (surround)
12. Gary Burton: The New Quartet
13. Neil Young: Chrome Dreams
In der Sprache der Musik natürlich, 50+! Und das ist, was alte Zeiten angeht, zwischen gar-nicht-so-weit-hergeholt und Teenagerjahren, meine Zeitreisensammlung 2024. Einiges habe ich damals gehört, einiges ging an mir vorbei. So kannte ich von „Band on The Run“ nur zwei Hits, bis mir diese wunderbare „Packung“ vor die Ohren kam.My shining star is Ank Anum‘s dyabhingi-fuelled discovery from old London years (1973 again). AnkAnum’s is more suited to a Rastafarian groundation session replete with chalice and enough ganja to rewrite the laws of physics.
Keith Jarretts Standards war ich nach dem Zauber des Anfangs (Standards, Vol. 1, Vol. 2, Changes) bald so leid, dass ich fast eine Bebop-Allergie entwckelte. Nach langer Zeit hörte ich erstmals wieder genau hin, und die pure Spielfreude seines Auftritts in einem geliebten kleinen Jazzclub brach alte Barrieren. Läuft morgen im Toyota, auf dem Weg in die tiefe Eifel! Natürlich dabei, Klaus Walters‘ „Autobahn“!
Sowie „New Ancient Strings“: „After an hour or more spent chasing out the chirping crickets, it was midnight before tranquility was achieved and recording could begin. Toumani and Ballaké played through the night, entirely live, without second takes, improvising around tunes from the classical Mande repertoire. By seven the next morning, the album was done.“
Jakob Bros traumhaftes Album „Taking Turns“ hätte auch zu den „archival discoveries“ gespasst, aber ich bringe dieses Werk von 2014 bei den „neuen Alben“ unter.
Exzellente Surround-, Quad-, und Atmos-Remixe gab es neben King Crimsons „Red“ auch von einigen Joni Mitchell-Alben, von Airs „Moon Safari“ und von „Yoshimi Battles The Pink Robots“ sowie Randy Newmans „Good Old Boys“.
Womöglich erreicht mich erst kurz vor Weihnachten „G stands for Go-Betweens, Vol. 3“. Das grosse traurige erhebende Finale der wundervollen Songschmiede aus Brisbane.
01. Ank Anum: Song Of The Motherland
02.The American Analog Set: New Drifters
03. Alice Coltrane: The Carnegie Hall Concert
04. Taylor / Winstone / Wheeler: Azimuth
05. Paul McCartney and Wings: Band On The Run
06. Jan Garbarek: Afric Pepperbird
07. Can: Live in Paris 1973
08. Günter Schickert: Samtvogel (ENTDECKUNG!!)
09. Peter Thomas: The Tape Masters, Vol. 1
10. Julie Tippetts: Shadow Puppeteer
11. Byard Lancaster: The Complete Palm Recordings 1973-74
12. Toumani Diabate / Ballake Sissoko: New Ancient Strngs
13. Keith Jarrett / Gary Peacock / Paul Motian: The Old Country
Next door to Alice: A guest appearance now from UNCUT making an important point in regards to Alice Coltrane. Her music can open up gates of perception, simple as that, and you don’t have to follow her Hindu way or any other religion to reach a deeper state of mind. Peace, calmness, whatever. A healthy dose of paegan basics, or even pure existenzialism with a smile and an open ear: nothing more required. By the way, don‘t take my ranking too serious – it‘s a simple meditation, like playing solitaire by the window. Alice Coltrane is present here in both years, in that Carnegie night, and on her Journey In Satchidananda, an album that goes deep as deep can go. And what a stellar ensemble, Cecil McBee‘s bass wizardry on the title track, for example.„FINALLY, it appears that Alice Coltrane has taken her deserved place at the top table of 20th-century musical icons, alongside her illustrious husband. Rifle through Uncut’s best albums of 2024 and her influence is everywhere – not just on harpists like the amazing Nala Sinephro and Brandee Younger (who makes several key contributions to Shabaka’s recent album) but on artists as diverse as Julia Holter, The Smile, Arooj Aftab and Dirty Three.
Recorded live in New York in the same month as the release of her spiritual jazz touchstone Journey In Satchidananda, it featured the first two tracks from that album blissfully spun out to more than twice their original length with the help of an expanded ‘double quartet’, including the likes of Jimmy Garrison and Clifford Jarvis. But it’s on an incredible version of John Coltrane’s “Africa” – with Alice having switched from harp to piano – where dual saxophonists Pharoah Sanders and Archie Shepp really earned their corn, trading blazing solos for almost half an hour with no let-up in intensity.
Im „Londoner“ im Kreuzviertel
Es regnete Hunde und Katzen, und als die Kneipe endlich öffnete, sprang ich aus meinem Toyota gagenüber und war rasch drin, Tisch 10. Die Ruhrnachrichten hatten diesen „Vodcast 462“ als öffentliche Veranstaltung oegansiert, und ich hatte mich rechtzeitig, aus Matala (!), angemeldet. Es war ein besonderer Gast angekündigt, für die Gesprächsrunde mit Sascha Staat, und einmal im Leben lag ich mit meinem Tipp richtig, als wir an Tisch 10 spasseshalber rateten.
Thomas Broich! Tatsächlich tauchte er nach einer halben Stunde auf, aber wegen Soundunzulänglichkeiten verzögerte sich die Talkrunde etwas. Ich gab den Lautsprecher vom Tisch 10, un dging einmal nach vorne, um von dem Bassgewummer von Saschas Stimme zu berichten. Und es war hochinteressant, wie Thomas Einblicke gab in die vielen Facetten der Jugendarbeit, in der wuch die alte Tante Persönlichkeitsbildung auch nicht zu kurz kommt. Es lohnt sich, die Zeit zu nehmen und gut zuzuhören:
HIER (ab ca. 18.00 Uhr, 12.11.) läuft die „youtube-Fassung“.
Die Aufgaben sind dermassen komplex, dass bestes teamwork verlangt ist. Also spitzten wir die Ohren und wurden mit neuesten Forschungsansätzen und „basics“ bekannt gemacht. Sagen wir mal, es ist ein „sehr weites Feld“. An unserem Tisch wurde die Stimmung auch immer besser, und plötzlich fragte mich ein gewisser Rainer, noch bevor es losging, ob ich Michael Engelbrecht sei, er kennne meine Sendungen vom Deutschlandfunk, und er treffe nur selten Freunde von Brian Eno. Eine amüsante Randepisode.
Thomas Broichs Ritt im Galopp durch die Jugendarbeit war swhr spannend, erforderte aber volle Aufmerksamkeit. Aktuelle Themen wie Emre Cans sinndfreise Rot-Foul spielte nur am Rande hinein. Sascha Staat ist einer hervorragender, auch humorvoller Moderator, klug assisitiert von Cedric Gebhard. (Überhaupt haben diese RN-Experten von Sascha bis Cedric und Jürgen Koers, von Thomas Pinnov bis Altemeister Dirk Krampe (my generation!) etwas Angenehm-Unarrogantes, was in diesem Job beileibe nicht alltäglich ist. Diskurskuktur der Extraklasse.) Leider musste Rainer früher gehen, weil sein Kumpel akut erkrankt schien. Gute Besssrung an dieser Stelle.
Hinterher gab es noch, wie es sich für Fussballkultur im Kreuzviertel gehört, eine tolles Schaschlik, und eine Alternative für Vegetarier. Sehr spendsbel, liebe Ruhrnachrichten! Am Ende schnackte ich noch etwas mit Sascha, er war heilforhm dass es mit dem Sound noch klappte, und ich erzählte ihm, wie ich einmal lachen musste, als er, in einem früheren Vodcast, im hochgeschätzten „Vorgeplänkel“, kundtat, dass er weder Joni Mitchell noch Kate Bush kenne. Er sei so schlecht in Musik, sagte er. Nein, nein, erwiderte ich, das ist einfach eine Frage der Generationen! Gerne demnächst wieder!
Questions for Jakob
Hello, Jakob Bro!
Via Henning Bolte I discovered your music around 2012, and since then I followed your ways. Gefion was my first album, and if I should take three favourites to the infamous desert island, they would be, in this moment of time, Returnings, Strands – and Taking Turns.
So here come my questions. At the beginning of December I will review Taking Turns in the JazzFacts radio magazine, nearly 7 minutes long. The audio of my little feature can be heard afterwards a very long time.
I will cut and edit your answers, so you can make them as long or short as you like. Maybe, it can all happen within 8 days… and after all this radio work will be done, I’ll be in my old town in Dortmund, on Dec. 4 to hear you with Arve and Jorge!
As a preparation for these questions, I listened twice to Taking Turns yesterday, and for a second time I saw the documentary Music For Black Pigeons. Well, it was a great afternoon. So here we go:
- Produced in 2014, Taking Turns was in some ways the follow-up of December Song, with Jason Moran instead of Craig, and Andrew Cyrille. At that point in time you had already made Gefion with Manfred, who, as I think, is not present during the Taking Turns recording. (Or was he?) Now, in retrospect, how do you look back on these one or two days of making the album in NYC with a line-up that, in this constellation, never met before or after again. Do the recordings of Taking Turns somehow exist in a bubble, do you see them as an extension of December Song? Or what makes this session stand apart?
- How did the musicians of this one time band „learned“ the new compositions? With notation (there are often papers with notes in the documentary)? Have there been detailed notations with a bit of freedom to improvise, or how did you introduce these compositions to the band?
- In the case of Lee Konitz: did he just got to know the basic melody, and then act as a free agent on the music played? His playing is simply wonderful.
- In the case of Jason Moran and Thomas Morgan: it is such a joy to listen to both of them finding the right spaces / moments for their impacts… in the case of Jason, it sounds he is soloing and accompanying at the same time. Both musicians constantly surprise here. Not that i did expect anything else:) Can you remember a certain moment?
- At one point in the film, Lee asked: well, are these pieces folk songs? Now looking at the titles, one could really think of „folk tunes“ refering to different parts of the world? Even „Milford Sound“ refers to „a place in New Zeeland“….. How do you look at this choice of the seven compositions? Somehow i don‘t think they just lay around? Has there been a „landscape feeling“ in some of the pieces?
- Listening to the album, it is such a captivating melange of textures. As a listener you can let your attention be wandering to the single instruments, to the overall sound…. Now, most of these guys know your music very well. Anyway, it would not surprise me if you kind of announced to them something like: let the melodies be as important as the atmosphere! (Or they know that anyway):)
- On a piece like „Haiti“ there is this love for the simple melody, returning again and again… but so much happens between the beginning and the end of that track, sometime it seems to be on the verge of „rocking“ and „grooving“…..can you give some insights into this piece?
- The last piece „mar de plata“ … the press info says: „On the concluding “Mar del Plata”, which summons memories of touring through Argentina, Morgan has a strong central role, endeavoring to invest each bass note with meaning, and sounding like a young Charlie Haden almost, as the music canters toward the sunset.“ When composing did you really have „Argentinian memories“ in your mind that somehow entered the music? Or did you find this coennection later, in the mixing process? And on this track Lee Konitz is not playing, the only time on the album…. Any reason for that? Some thoughts from the back of your mind about this track would be nice…and I know: it‘s been a long time ago!
Thank you for doing this,
Thank you for the music,
Best wishes, Michael Engelbrecht!
“Die glorreichen 10“
Jede Interpretation hat etwas von faktengefütterten Märchen. Filmkritiken und Filmanalysen sind Storytelling auf der Meta-Ebene. In allen „Versionen dieser Art“ werden – hört, hört – Versionen erzählt. Aber alles, was auf einmal allzu schlüssig erscheint, verliert seinen magischen Mehrwert. Ich mochte die Filmkritiken von Peter Buchka in der Süddeutschen Zeitung, damals, in dem Studentenjahren, wenn er die Wim Wenders-Filme besprach. Ganz einfache Sprache, voller Leerräume für unsere Fantasie. (Jedenfalls erinnere ich diese Texte so, die dann wochenlang, bis der Gilb kam, in den Schaukästen des City-Kinos ausgestellt waren. Da wurde man auf jeden Fall nie verschlaumeiert). Schön, dass es Filme gibt, die in Zwischenräumen des Ungreifbaren ihren wahren Raum finden. Auch wenn sie hier und da altes Gerümpel aus alter Zeit mitschleppen. Schon klar, den „unschuldigen Blick“ gibt es nicht, jede Wahrnehmung ist gefiltert. Aber es gibt einen entspannten, frischen, unverbrauchten Blick, zum Beispiel auf all diese zehn wunderbaren Filme, ob sie nun klassische Western sind, neo oder postmodern. Sie alle bieten etwas Besonderes an, wenn man sie mit neugierigen Augen und geschärften Sinnen (in einem progressiven Sinne „unaufgeklärt“) „in sich aufnimmt“: das pure Spiel, das Ausprobieren anderer Wirklichkeiten, das Entgrenzen geschlossener Räume, die reine Erschütterung (also die alte Tante griechisches Drama (was einst Chor war, wurde Soundtrack), die „Aktivierung“ des kreativen Unbewussten in einem Akt von Erleben, Hingabe, „Surrender“ (auch mittels vertiefender, doppelbödiger oder dramatisch gegenläufiger Musik). Wir sind klug genug, in diesen seltsamen „twilight zones“ unser eigenes, anrührendes Theater der Träume freizulegen. Voller Nachhall und Tiefen. Modelle für ungelebtes Leben. Schnittstellen. Es gibt die Liebe zum Fremden auf den ersten Blick. Es ist 1970, ein Tag in meiner Kindheit. Der Stummfilmpianist betritt das alte Kino in der Brückstrasse. Das Abenteuer kann beginnen.
- Goldrausch (Charlie Chaplin)
- Die glorreichen Sieben (1960)
- The Good, The Bad, and The Ugly
- Dead Man
- Silverado
- McCabe & Mrs Miller
- True Grit
- 3:10 to Yuma
- Shane
- Der Mann, der Liberty Valance erschoss
“Dead Man“ von Jim Jarmusch (no. 4)
Es gibt Filme, und das mag eine Binse sein, für die man in der passenden Stimmung sein sollte. Das gilt ganz sicher für „Dead Man“ von Jim Jarmusch, den viertbesten Western aller Zeiten, in meiner Welt. Meine Mutter zitierte gerne ein-, zweimal Michel de Montaigne, wenn sie sagte, „das Leben zu leben, heisse, das Sterben zu lernen“ . Bei diesem Film, dachte ich, in seinem langen Finale, an diese französische Spruchweisheit, aber mich richtig zu packen, gelang „Dead Man“ erst beim zweiten Sehen in einem Progammkino im Londoner Westend.
Da war ich in der „richtigen Stimmung“, sanft melancholisch, endlos hungrig auf meine Lieblingsstadt (ich war an dem Tag stundenlang an den Docklands entlanggewandert), und mit weit geöffnet Ohren für die Magie von Neil Youngs Gitarrenimprovisationen. Tatsächlich funktioniert dieser Soundtrack allein im Verbund mit den bewegten Bildern, anders als Ry Cooders „Paris, Texas“ (ein Album, das ECM damals nur zu gerne rausgebracht hätte). Nicht alle Jim Jarmusch-Filme erhalten ihre Strahlkraft über die Jahre – dieser auf jeden Fall!
Die auffälligste Rolle, die in schönem Kontrast zu dem von Johnny Depp gespielten Blake und seinem passivem Wesen steht, ist Nobody (ein etwas anderer Nobody als der von Terence Hill gespielte, in dem wunderbaren Spätwestern „Mein Name ist Nobody“), ein amerikanischer Indianer (ja, ich darf das so sagen), mit hoher Spiritualität, geringem Selbstwertgefühl und pausenlosem Geplapper. Nobody behauptet, als Kind nach England entführt und als Wilder vorgeführt worden zu sein, und wandert nun, losgelöst von seinem Stamm, durch die Wälder und versucht, spirituelle Führung durch Peyote und die Poesie von William Blake zu finden.
Mit Neil Youngs traumverlorener Gitarrenmusik entwickelt sich „Dead Man“ zu einem seltsam modernen Buddy-Movie, in dem Außenseiter in ihrer Isolation vereint sind, und hat am Ende mehr mit „Midnight Cowboy“ als mit „The Man Who Shot Liberty Valance“ gemein. Eine filmische Meditation der Extraklasse, noch dazu eine schwarze Komödie, und existenzieller Stoff mir den wunderbaren Kamerafahrten von Robby Müller.Jake Hinkson’s „Sex, Death, and Jean Arthur“, or: (Shane (1953), no. 9 of Michael‘s ten favourite Western movies that can still put a spell on you today)
Stevens wanted to demonstrate to audiences „the horrors of violence“. To emphasize the terrible power of gunshots, he created a cannon-like sound effect by firing a large-caliber weapon into a garbage can. In addition, he had the two principal shooting victims (…) rigged with hidden wires that jerked them violently backward when shot. These innovations, according to film historian Jay Hyams, marked the beginning of graphic violence in Western movies. He quotes Sam Peckinpah: „When Jack Palance shot N.N. in Shane, things started to change.“ (Wikipedia)
Es war natürlich nur ein kleiner cineastischer Traum, das amerikanische Bewusstsein zu schärfen für „the horrors of violence“. Bei seinem Auftritt in Glendale im politisch umkämpften Bundesstaat Arizona nannte der widerliche und meines Erachtens real „geistesgestörte“ Donald Trump Cheney eine „radikale Kriegstreiberin“ und schlug dann vor, sie in eine Situation zu bringen, in der sie „mit einem Gewehr dasteht, während neun Gewehrläufe auf sie feuern“. Dann fuhr er fort: „Lasst uns sehen, wie sie das findet, wenn die Waffen ihr ins Gesicht gerichtet sind.“ Politiker wie sie seien Kriegstreiber, wenn sie in ihren netten Gebäuden in Washington säßen und sich entschieden, 10.000 Soldaten „ins Maul des Gegners zu schicken“, sagte Trump weiter. Ich will in der nächsten Woche nirgendwo den Satz lesen: „good night, America“. Aus der Nacht würde ein Alptraum. (m.e.)
Als ich gestern, nach Ewigkeiten, wieder „Shane“ erlebte, einen Film, der in Deutschland mit dem Titel „Mein grosser Freund Shane“ lief, war ich fasziniert von der Figur, die Jean Arthur spielte. Ich musste hinterher googeln, um zu erfahren, von wem Marian Starrett, die Farmersfrau, gespielt wird. Von wegen nur das Muttchen in der Küche (auch wenn sie offenbar einen wunderbaren Kuchen aus dem Ofen zaubert, der bestimmt nahe rankommt an Joni Mitchells Rhabarberkuchen für Graham Nash).Selbst ausgewählte Filmfotos lassen ihre erotische Ausstrahlung in diesem Film kaum erahnen. Hier geht es in keiner Sekunde um das alten Spiel mit der „femme fatale“. Gerade die Reibung zwischen ihrer sehr traditionell angelegten Rolle, und den zwischen Zeilen, Blicken und Momenten durchschimmernde „Gefühlswelt“ produziert eine feine Spannung. Trotz einer etwas langen Saloonschlägerei ist „Shane“ ein besonders feinsinniger Wildwestfilm. Ein Höhepunkt ist der abendliche Tanz von Marian mit Shane, eine Paradebeispiel für die Sublimierung sexueller Energie (nur an der Oberfläche hat dieser Tanz (ein „Ländler“? ein square dance?) den skurrilen Charme eines Tanzabends aus der „Raumpatrouille Orion“, „it‘s a brooding affair“).
Alles andere als ein „film noir“, liegt ein Hauptaugenmerk dieses Westerns auf der Beziehung ihres Jungen zu der Figur des „lonesome drifters“ Shane. Hier nun den bösen alten Onkel Ödipus ins Spiel zu bringen, wäre eine Sackgasse. Eine naheliegende, aber falsche Fährte. Es geht vielmehr, in einem Film, der überraschend viele Ebenen hat (trotz meiner Wikipedia-Lektüre zweifel ich immer noch daran, dass die Berge im Hintergrund real sind), um Freundschaft, Bewunderung, die kleinen Einrisse von Projektionen, wenn unsere „Wunschbilder“ ins Wanken geraten, oder die Sehnsucht nach einer hübschen Portion Ewigkeit sich letztlich als Perlenschnur unvergesslicher Momente erweist. Das Ende einer Kindheit. By the way: herrlich altes Color (mit teilweise „märchenhaften“ Farbwerten) – und „Shane“ kam im damals neuen Breitwandformat in die Kinos.
(Das Interessanteste, mit einer durchaus verstörenden Note, am Schluss. Ich fand den folgenden kleinen Essay von Jake Hinkson auf seinem Filmblog, einen Text aus dem Jahre 2012. und ich füge ausdrücklich hinzu, dass ich einige Dinge anders sehe als Jake. Mich interessieren hier einmal mehr die Mechanismen der Projektion. Insofern sehr lesenswert.)
Jean Arthur has been on my mind today. I’m not sure why, except that she is one of those movie people (Lizabeth Scott, Robert Mitchum, Gary Cooper, Ingrid Bergman) who seems to have staked a claim to a certain portion of my mind. So, in a way, I’m always thinking about Jean Arthur.
She was a huge star in her day, but over the years the luster of her fame has dimmed considerably. I guess that’s the way of things. It’s only our own solipsism and narrow focus that allows us to talk about the „immortality“ of movie stars. That kind of talk in nice for Oscar speeches and TCM intros, but the truth is that Jean Arthur was world famous at one point and since her death her fame has shrunk and shrunk with each passing year. She will be all but forgotten one day. Movies are still a young art form. In just another hundred years will anyone know who Jean Arthur is? Or will she exist only as a shadow on a data file in a computer somewhere, accessed once every few years by some bleary-eyed film student writing a master’s thesis on Subtextual Transfiguration in the Works of Frank Capra–or whatever the hell they’ll be writing about in the year 2112? What about 2212? Keep adding on increments of 100 years. Immortality becomes less achievable the more you think about it.
So this is a lament then. I hadn’t planned it that way, I assure you. Someone mentioned Iowa today and it made me think of my favorite Jean Arthur moment, the scene in FOREIGN AFFAIR when she strikes up the Iowa state song in a dirty little Berlin nightclub. The thought, as it always does, made me happy.
Yet here I am talking about–well, if not her passing, then about her absence, about the fact that she is gone and has been gone a long time. Yet I know her, or I know that flickering shadow. I saw that movie for the first time in a theater, saw it for the first time in the dark with her face high and wide and silver on a wall.
I’ve long thought that cinema is an intrinsically erotic art form. We are allowed to stare at people without them staring back, without them telling us to stop. This is one reason why movie stars tend to be beautiful. But this is also why movie stars tend to be a little odd. Millions of gorgeous people are turned away from Hollywood every day. Beauty is not enough. There has to be something worth looking at besides tan skin and muscles.
Jean was beautiful and odd. She had a tomboy quality. Pretty and scrappy, capable but halting, she was a movie star because she was just so damn interesting. Looking at her is indeed a happily erotic occupation. Classic movie geeks often talk about being „in love“ with certain actors and actresses. This is more than a crush, more than simple lust, more than the usual projection of erotic fixation one has for a contemporary celebrity. It’s closer to necrophilia.
That’s a gruesome way to put it, isn’t it? But if being an „old movie buff“ is largely the matter of being obsessed with women many years dead, then this obsession touches that bizarre intersection of sex and death, eros and thanos, which is not the creation of cinema but is its essential creator. Life, after all, is largely a matter of sex and death. Movie stars are no more immune to these forces than the rest of us. We may regard them as sexual objects, but they are people and people die. When they die, then, what becomes of the sexual object left flickering on the wall? It becomes an object, oddly, of both sex and death.
All this from the Iowa corn song.
“True Grit“ (the Coen Bros. version) – no. 7 & „Der Mann, der Liberty Valance erschoss“ – no. 10
(Brandneuer Remix, mit einem running gag, ein bisschen Kraftwerk, und Drama ohne Ende)
Ich mag beide Versionen von „True Grit“, und habe vor Jahren sogar mit Wehmut (Achtung, dieses Wort taucht gleich noch einmal auf) den berühmten kleinen Roman gelesen, der die Vorlage bildete. Manchmal mochte ich sogar John Wayne, obwohl mir Charaktere wie die oft von James Stewart gespielten, viel näher waren. So eine bestimmte spröde „Männlichkeit“ verfehlte jede Wirkung auf mich, deswegen hielt ich z.B. Zorbas von Anfang an für einen Spinner. Genauso wie viele rosa gekleideten Baghwans. Einmal stellte ich in Dortmund mit 18 Lenzen „Jünger“ der Transzendentalen Meditation vor einem grossen Publikum, und mit Herzklopfen, zur Rede, weil ich das Bezahlen für sog. heilige, auf einen persönlich zugeschnittene, Mantras für reine Geldmacherei hielt. Später begegneten mir solche Gurus auch unter anderem einmal als Leiter einer Suchtklinik nahe Aschaffenburg.
Ich sagte formlos ab und bin heute noch Ralf S. dankbar, dass er mich nach Furth i. W. holte, dort richtete ich meine erste Höhle ein, am Ausläufer des Hohen Bogens, ich hatte die schönste Musik der Welt darin, und einen alten Fernseher, in dem ich auch meiner alten Liebe zu Wildwestfilmen nachging. Die lassen sich nicht auf ein paar Klischees runterbrechen, und können – in ihren gelungendsten Ausprägungen – Stories voller Magie ausbreiten.
Gestern erst sah ich „Shane“ (vielleicht meine no. 9) wieder, mit Alan Ladd, ein Kindheitswesternhighlight, das heute noch bezaubern kann. Melancholische Einzelgänger wie Shane schätzte ich sehr, auch so wunderbar wehmütige Figuren mit Rückgrat wie James Stewart in „Der Mann der Liberty Valance erschoss“. Natürlich floss da etwas Selbstmitleid ein, und ich sah mich damals hier und da schon als „Loner am Ende der Welt“.
Aber ich hatte ein paar verdammt gute Freunde in Arnschwang und um Arnsxhwang herum (wir sehen uns in gut zwei Wochen wieder, tief in der Eifel!), Gudrun und Hansjörg sorgten als frisch gegründete Familie für die immer wieder mal erforderliche Erdung – und eine grüne Strähne in meinem Haar. Uwe und ich, die Gespräche nach unseren engen Tennismatches. Und die Woche in Berlin beim Kongress der Verhaltenstherapie – wir bespielten unser Glück und landeten in manchen Armen. Und sahen beim Berliner Filmfest einen Dirty Harry Film, und einen kleinem feinen Krimi von Christopher Petit.
Ein halbes Jahr später, an einem Winterabend, lief also „Der Mann, der Liberty Valance erschoss“ nahe der tschechischen Grenzem in meiner „Wildnis“, und die schönste Frau Regenburgs legte sich zu mir ins Bett. Da muss jetzt wieder an „Shane“ denken, und die gewaltige erotische Ausstrahlung von Jean Arthur. Ich wollte hier eigentlich viel mehr erzählen über Erlebnisse mit bestimmten Soundtracks von Western, die mich so oft in ihren Bann zogen, egal, ob alte Hollywoodschule oder gegen den Strich gebürstete Songs und Sounds. Statt dessen, die Schuld solcher Abschweifungen, geistern mir „meine Songs“ von 1982 durch den Kopf, „Come on, Eileen“, „Abracadabra“, und, rauf und runter, alles von „Remain In Light“. Und „Das Model“ (und das ganze Album) von Kraftwerk im Hinterland zu spielen, im Rausch der Sinne, zwischen grosser Liebe und Burnout, das hatte was.
Aber zurück zu „True Grit“: „True Grit is a harsher, more sombre film than the Wayne version, the tone chillingly wintry rather than gently autumnal, the music less jaunty, more religious and pastoral. It’s also funnier, yet never inviting the description „comic western“. The villains, when they eventually appear, are perhaps a little less colourful than those in the 1969 film, and Jeff Bridges’s diction lacks Wayne’s clarity, though in other ways he’s altogether more complex. It also has a brief, moving, beautifully staged epilogue set in 1903 that brings the picture to a satisfying conclusion.“ (Philip French, The Guardian)