• The shit I was falling through“ – ein paar Gedanken zu einem Phänomen namens „Tindersticks“ und ihrem neuen Album „Soft Tissue“


    „Falling, the light on Neals Yard / Falling, the light on Cold harbour lane / Falling, the light on your hand in mine / Falling, the light on a secret shared“ Ich war am Freitag bei einem wunderbaren Flutlichtspiel im Westfalenstadion, unserem 4:2 gegen Heidenheim. Lange war ich nicht mehr bei einem Spiel – beim Abschied von Marco Reus trafen wir uns nebenan im „Strobels“ mit Freunden und bejubelten Marcos Kunstschuss auf der grossen Mattscheibe. Das Live-Erlebnis fehlte mir. Wie früher liebe ich es einfach, in die Menge einzutauchen, beim Überqueren der Brücke über die A40. Die früher die B1 war. Oder das Aufbrausen des Torjubels: kein Privileg der Gelben Wand. Ich spüre die Verbindung zu Wildfremden wie zu alten Gesichtern, meine Spielart von „spirituellem“ Agnostizismus. Man kann viele Kopfhörer so einstellen, dass das Ambiente der Erwartung und Vorfreude hörbar bleibt, und sich mit der Musik meiner absoluten Zuneigung mischt. „Soft Tissue“ heisst das neue Opus der Tindersticks, dem ich auf dem Weg lauschte. Ein paar Leute wollten schon von mir wissen, in den letzten 30 Jahren, was ich an diesen Melancholikern aus Nottingham so schätze, aber letztlich hat sich nie einer beschwert, dass ich seit 1995 jedes Album von Ihnen (und ich meine jedes!) nachts in den Klanghorizonten im Deutschlandfunk spielte. Nachts stellen sich solche Fragen auch nicht, denn Tindersticks machen Musik, die in der Nacht tendenziell undwiderstehlich ist. Hier nun die Gedanken von Alex Petridis aus dem Guardian.

    Es ist leicht, den Anfang der Karriere der Tindersticks als verpasste Chance zu betrachten. Es gab einen kurzen Moment, etwa zur Zeit ihres gleichnamigen Albums von 1995 und seines Nachfolgersl „Curtains“, in dem es so aussah, als ob die üppig instrumentierten, gefühlvollen Songs der Band aus Nottingham ein breites Publikum finden könnten: ersteres erreichte kurzzeitig die Top 20, letzteres verhalf ihnen zu einem Major-Label-Vertrag. Aber sie waren dazu verdammt, ein von der Kritik gefeierter Kultbetrieb zu bleiben, der in Kontinentaleuropa größer war als in ihrer Heimat. Sie waren eine Band, die etwas aus der Reihe tanzte, zu spröde und eigenwillig für eine Ära, in der der britische Alternative Rock zu grellen Primärfarben und Mitsing-Kommerz neigte, ihr Image zu abgehoben und ihre Stimmung zu niedergeschlagen, ihre Musik eher zur Untermalung der anspruchsvollen Filme der französischen Regisseurin Claire Denis geeignet als zum Torjubel bei Match of the Day.

    Doch man spürt, dass der Kultstatus ihnen in ihrem zweiten Akt gut getan hat. Tindersticks traten 2008 nach einer fünfjährigen Pause und ohne die Hälfte der ursprünglichen Mitglieder wieder in Erscheinung. Die meisten Bands, die sich neu formieren, sind, ob sie es zugeben oder nicht, der Nostalgie und den damit verbundenen Erwartungen verfallen: Ihr neues Material ist bestenfalls eine faire Fälschung alter Alben, die jeder kennt, um den Platz in der Setlist zwischen den großen Hits zu füllen, für die jeder bezahlt hat. 

    Aber die verjüngten Tindersticks wurden nicht von ihrer eigenen Vergangenheit eingeengt oder von dem Bedürfnis angetrieben, frühere kommerzielle Erfolge wieder aufleben zu lassen. Sie haben die letzten 16 Jahre damit verbracht, leise nach vorne zu drängen und äußerst beeindruckende Alben zu machen. Ihre bemerkenswerte qualitative Beständigkeit wird durch die Tatsache verstärkt, dass sie sich ihres Publikums sicher genug sind, um ihm gelegentlich einen Kurvenball zu verpassen, wie auf „Distractions“ von 2021: Das Album wurde während eines Lockdowns aus der Ferne aufgenommen und handelte mit Samples, Loops und Geräuschausbrüchen und wies so spärliche Arrangements auf, dass die Musik hinter der Stimme von Frontmann Stuart Staples gelegentlich kaum vorhanden zu sein schien.

    Der Nachfolger könnte nicht unterschiedlicher sein. Die Musik auf „Soft Tissue“ ist zurückhaltend und leise genug, um das Gefühl zu erwecken, dass das Ganze irgendwo bei gedämpftem Licht in den frühen Morgenstunden aufgenommen wurde, aber sie fühlt sich auch warm und befriedigend an und ist stellenweise im Soul der 70er verwurzelt.

    Die Bläser und das E-Piano des Openers New World haben einen deutlichen Memphis-Flair – und die Drum-Machine, die den Song untermalt, erinnert ein wenig an Timmy Thomas‘ „Why Can’t We Live Together“.

    Streicher, die irgendwo zwischen einem Blaxploitation-Soundtrack und einem dramatischen Disco-Arrangement liegen, sind auf „Don’t Walk, Run“ zu hören. Eine sparsame, hypnotische Basslinie treibt „Turned My Back“ in einem gemächlichen Tempo voran. Anderswo gibt es einen schwachen lateinamerikanischen Einfluss im Rhythmus von „Nancy“, insofern er wie die „Bossa Nova“-Einstellung einer primitiven Drum-Maschine klingt, und ein faszinierendes Wechselspiel zwischen Staples‘ Bryan Ferry-artigem Drawl und dem schärferen und geradlinigen, souligen Ton seiner Gesangsdame Gina Foster.Die Stimmung ist oft so düster wie immer. „Nancy“ bittet um Vergebung, aber man ahnt, dass sie damit auf taube Ohren stößt; die leidenschaftliche Liebe, die auf „Always a Stranger“ „in flames“ ist, scheint trotz des streicherlastigen Arrangements unerwidert zu bleiben. Der Erzähler von New World beklagt „the shit that I was falling through“: Der wiederholte Refrain von „I won’t let my love become my weakness“ klingt mitreißend, bis man merkt, wie zweideutig die Zeile ist.

    Aber die Verzweiflung ist nicht die ganze Geschichte. Im Zentrum des Albums steht „Falling, the Light“, das auf einer unglaublich hübschen Gitarrenfigur und einem seltsam klimpernden Rhythmus aufbaut. Der Text ist abwechselnd von der Schönheit Südlondons im Sonnenschein und von Erinnerungen an Hochzeitstage und gemeinsame Geheimnisse geprägt. Das abschließende „Soon to Be April“ ist traumhaft, besitzt eine wunderbare, lange instrumentale Coda und findet echten Optimismus im Vergehen der Jahreszeiten. Wenn es bei der Gesamtbotschaft darum geht, die Schönheit der kleinen Dinge als Bollwerk gegen die Grausamkeit des Lebens im 21. Jahrhundert zu erkennen, dann spiegelt sich das auch im Sound des Albums wider, der reich an schönen, subtilen Details ist: das schimmernde Keyboard, das sich tief in „Don’t Walk, Run“ verbirgt, die zarten Geigenverläufe um Staples‘ Gesang in „The Secret of Breathing“.

    Es spricht viel für eine Band, die es schafft, ihre Identität auf zwei so scheinbar ungleiche Alben wie „Soft Tissue“ und seinen Vorgänger zu übertragen. Vielleicht liegt das daran, dass die Tindersticks in ihrer eigenen Welt leben, unbehelligt von den Launen der Musikmode und losgelöst von allem anderen. Das war schon immer so: Man hat Mühe, einen zeitgenössischen Künstler zu finden, mit dem man die Tindersticks im Jahr 2024 vergleichen kann, aber damals war es auch schwer zu erkennen, wo sie vor 30 Jahren hingehörten. Sie scheinen sich damit zufrieden zu geben, einen ruhigen Ort abseits des Geschehens zu bewohnen, und das ist auch verständlich: Es ist ein Ort, den zu besuchen ein Vergnügen ist.

  • Rarities of Sky


    I remember the seaside, smoking
    a pipe while reading a paperbook
    about how to smoke a pipe.
    I stranded, the tongue too hot, that
    Scottish Blend a festival of fragrances,
    under the palms of Paignton,
    hunting for words, rhyming plums
    and rums in 1971. All from my picture book,
    in which all, there is, is
    vanishing. Clouds playing
    solitaire in the rarities of sky,
    far away, too, the sounds of
    a gambling hall with that song
    I love so much, on tip of the tongue.

    (Im Umfeld der Aufnahmen zu seinem letztjährigen Album, das ich für eines seiner schönsten halte, enstanden auch die acht Stücke von „the skies: rarities“. Rund 30 Minuten ist dieses Minialbum lang, und es umfängt mich genauso wie der grosse „Vorgänger“. „Above and Below“ ist für mich ein „instant classic“, die Solopianoversion von „Through The Blue“ ein mit Understatement gespielter Evergreen, der Lust bereitet, wieder sein Debut „Voices“ aus dem Regal zu holen, das einst Bruder Brian mit Dan Lanois in Hamilton, Ontario, produzierte. Übrigens zähle ich das auch zu seinen schönsten Alben. Das kleine Gelegenheitsgedicht schrieb ich, und feilte daran, während das Album dreimal von vorne bis hinten lief. Roger Eno ist ein grosser Wanderer an den Küsten von Suffolk, und ich mischte da eine ferne Erinnerung auf, an einen unvergesslichen Nachmittag an der Küste von Paignton, an dem, bis auf mein Abenteuer mit der Pfeife, rein gar nichts passierte. Ich war 16, und die Baskenmütze auf meinem Kopf habe ich verschwiegen, es wäre auch zu peinlich 😂…)

  • The Flying Building Blocks Of A Radio Hour in March 2025

    Je perfekter das „sequencing“ einer Ausgabe der „Klanghorizonte“ ist, desto leichter das Schreiben der Texte. Unbewusst liegen sie dann schon vor, es geht nur um das Ausformulieren, und ein Quantum Storytelling. Und somit ist es eine schöne Sache, ab heute mit den „fliegenden Bausteinen“ zu hantieren. Eigentlich kam mir die Idee gestern, als ich mit Marjan im Wartezimmer ihrer Zahnärztin sass und ein paar Gedanken zu „Amelia“ notierte.

    Es schien auf Anhieb eine perfekte Abfolge zu sein: ein Track aus Laurie Andersons neuem Album, mit den Flügelschlägen einiger von Dennis Russell Davies arrangierter Violinen und Violas, gefolgt von dem berühmten „Cantus (In Memory of Benjamin Britten)“ aus Arvo Pärts Klassiker „Tabula rasa“, bei dem ein gewisser Dennis Russell Davies mitwirkte, und einer alten englischen Folkmelodie, traumhaft drageboten vom Danish String Quartet und ihrer neuen Arbeit „Keel Road“. Jetzt denke ich noch einmal darüber noch, und ersetze dann doch, wegen des allzugrossen Bekannheitsgrades, Arvo durch Annette, bei der das Cicada String Quartet amwesend war – und die Abfolge lautet, im Zentrum der „Klanghorizonte“ am 25. März um 21.05 Uhr:

    Laurie Anderson: Amelia
    OTON (Danish String Quartet)
    Danish String Quartet: Keel Road

    OTON (Danish String Quartet)
    Annette Peacock: An Acrobat‘s Heart

    Annettes einziges Songalbum für ECM kommt in Kürze als Schallplatte heraus. Nun, bis dahin ist es noch eine Weile, und entweder sammeln sich hier, neben der dann real herausspringenden, auch noch ein paar imaginäre Radiostunden, wer weiss?! Leicht liesse sich diese Stunde hieb- und stichfest machen, aber das widerspräche der Grundidee der „flying building blocks“. Trauen Sie also Ihren Augen besser nicht! Wie bringe ich eine Episode aus Joe Boyds „And The Rhythm Will Remain“ in der Stunde unter, und zu welcher Musik? Wo landet der erste Auftritt des „American Analog Set“ in der Geschichte der Klanghorizonte?

    … beware now, it is friday 13th, and my fantasy get further shapes, „overnite sensations“…though one thing is clear, we will see so much musical brilliance til March 25 that this sequence will definitely get a lot of workover, maybe some basic ideas stay. Fact is, this sequence now seems close to perfect, full of horizons, symmetries, the old and the new, and, quite imaginary … with these boxsets and albums at hand, winter can come …

    The American Analog Set
    Joni Mitchell Archives, Vol 4: The Asylum Years (1976–1980) 
    *
    Henriksen / Bang / Kleive: Chiaroscuro (the album)
    A track based on chapter 2 of Joe Boyd‘s book
    Laurie Anderson: Amelia
    Danish String Quartet: Keel Road
    Annette Peacock: An Acrobat‘s Heart
    A second track based on chapter 2 of Joe Boyd‘s book

    Chiaroscuro: the 20th anniversary concert
    Shane Parish: Repertoire (Probably „Europe Endless“)
    Nala Sinephro: Endlessness

    *The lost highways of Joni’s 1970s odyssey, mapped and charted across six astonishing discs. Joni Mitchell seemed to know exactly where she was going. At the end of 1975, as her contemporaries gave up the ghost or were laid waste by punk, she was embarking on one of the most extraordinary artistic solo odysseys of the 20th century. Far from Saskatoon, Laurel Canyon, Canada and the United States, beyond folk, rock, jazz and blues, she was out on her own strange adventures into the wild blue yonder.

  • Ein paar Geschichten rund um Tabula Rasa (1)

    In der Vinyl-Serie „Luminessence“ von ECM ist nun, zum 40-jährigen Bestehen der „New Series“, das erste Werk dieser Reihe für notierte Musik als Schallplatte mit Gatefold-Cover wiederveröffentlicht worden. Zu einem stolzen Liebhaberpreis knapp unter 50 Euro. HIER ein zehn Jahre altes Gespräch mit dem Produzenten Manfred Eicher darüber. Es folgt, bis Monatsende, ein kleiner launiger Text zu diesem aussergewöhnlichen Werk. Vielleicht haben ein paar Leser dieser Zeilen Lust, sich das Album erst einmal (wieder) daheim anzuhören (auf Cd, einer etwas älteren Schallplatte, oder als Download) und ihren eigenen Erinnerungen und Empfindungen nachzuspüren. Wer mir seine kleine „Hörgeschichte“ mit „Tabula Rasa“ erzählen möchte, schreibe diese bitte, egal wie kurz oder lang, an micha.engelbrecht@gmx.de

  • „Jazz im Deutschlandfunk“

    (JazzFacts, Deutschlandfunk, September 5, incl. the talking voices of Søren Skov, Frode Haltli, Bill Frisell, Kit Downes, Florian Weber, Miles Okazaki, Johannes Ludwig – and Wayne Shorter‘s take on a beloved movie tune from the 80‘s, „The Edge Of The World“)on amazon prime: Zero Gravity – The life and times of Wayne Shorter in three parts. Thinktank and inspirations by Brian Whistler.



    Søren Skov Orbit: Adrift (Frederiksberg)
    Frisell / Cyrille / Downes: Breaking The Shell (Red Hook)
    feature 1: Miles Okazaki: Miniature America (Karl Lippegaus) 
    feature 2: Florian Weber: Imaginary Cycle (Niklas Wandt)
    feature 3: Nano Brothers: Ascend Flowers (Odilo Clausnitzer)
    Trygve Seim / Frode Haltli: Our Time (ECM)
    Wayne Shorter Quartet: Celebration, Vol. 1 (Blue Note)

    „Celebration, Vol. 1“  simmers and stews with creative possibilities. And hey, I even recognized Orbits! The lovely Edge of the World by film composer Arthur Rubinstein totally floored me. And following it,  Lotus was equally stunning. I didn’t hear anything in this rendition of She Moves Through the Fair that particularly reminded me of the original recording – the main theme is nonexistent, but it was a hell of a strong free group improvisation to end the record with. Perez is almost psychic here. He’s the glue that makes it really come together. He’s the net under the constantly transforming textures and sonic explorations. But of course, each player is integral in keeping the kinetic sound sculptures from collapsing. Brilliant stuff.“ (Brian Whistler).

    Ein Dank auch an Ingo J. Biermann für die Bereitstellung seiner Gespräche mit Kit Downes und Bill Frisell. Zur Veröffentlichung wird sein kleiner „Film zum Album“ bei youtube zu sehen sein.

    Des weiteren hatte ich das Glück, dass Jens Müller der Techniker bei dieser Produktion war. Man kann hören, wie wunderbar die Mischung aus Klang und Wort geworden ist. Und wir mussten beide schmunzeln, dass am Ende der Stunde Wayne Shorters „Edge of the World“ noch gute fünf Minuten zu hören war – der perfekte Ausklang einer Sendung, welche, in Form und Sequencing, einem „imaginary cycle“ nahekommt.

  • „From Strawberry Hotel to Keel Road (and the jukeboxes in between)“


    Wo der Geier gleitet, absteigend
    Auf einer Asphaltautobahn, die sich
    Durch Bibliotheken und Museen, Galaxien und Sterne
    Die windigen Hallen der Freundschaft hinunter
    Zu der Rose, die von der Peitsche gestutzt wird
    Das Motel der verlorenen Gefährten
    Wartet mit beheiztem Pool, beheizter Bar“


    There will come, in October and November, some promising albums (possibly mixing up the places 2 to 10 in Olaf’s and my „Nikolausliste“:)), and this is the cover of one of them, „Strawberry Hotel“. Underworld‘s last effort, „Drift“, was an artistic success all the way through (in my ears), the short version and especially the long epic edition. It was music to sink in, and as i was never much into techno (except some of it I preferred to listen to while sitting, not raving. I even danced to „Drift“ in my electric cave, and normally only dance here when listening to Marc Bolan‘s best song).

    I had my Underworld days long after their early milestones (two of them were classics, „Beaucoup Fish“ not that strong). Later came the „Barbara“ album that didn‘t impress me too much, but „Drift“ was and is killer, always only a look and a dance and a deep listen away. I love to listen to „Drift“ in the dark, with the mini-movies or without. I love the way Karl Hyde let his lyrics and diary notes enter the tracks. His way of delivering words. Now one of the songs you can listen to HERE from the forthcoming album, reminds me of his first collaboration with Eno (my interview is HERE, and now ten years old), and i could imagine Brian‘s voice from 2014 joining Karl‘s verses, but that‘s just my imagination running away with me. (You know this classic? Who doesn‘t. When I heard it in the radio back in 1971 for the first time, I was literally floored. Buyed the single. Played it again and again. Til I was inside. Time capsules. Like THIS one.

    Back to Underworld. I just have preordered this double album in vinyl, in a rush with the moving pictures Brian, The Whistler, recently wrote about, „Music For Black Pigeons“. A gift now for soul mates. A propos Jakob Bro who is a central figure in that documentary : i will see the Danish guitarero on one of his concerts in December, it may be December 04 at the Domicil in Dortmund, or at a festival in Palma de Mallorca three days later. At his side Arve Henriksen and Jorge Rossy. Speaking of Bro, immediately brings to mind his fantastic 2023 live album with Mikkelborg and Mazur (now available on vinyl, too), the nothing less than awesome debut of the Danish Søren Skov Orbit (Olaf, Norbert and me now are close to open up an internarional fanclub).

    Seriously, I had the fantasy of a three record box of SSO and sent Manfred Eicher a message to keep an ear on this heavenly music corporation. Now my story with telling Manfred about artists he should work with, is (over the decades) thankfully very short – and reads itself like this: The Necks, Tigran Hamasyan, Thomas Köner, and SSO. And now, the icing – and the strawberry – on the cake: another Danish record you may fall in love with: „Keel Road“. Take your time listnening to this: „Once A Shoemaker“. And, speaking of ECM, „Keel Road“, and a somewhat older album (with the Cicada String Quartet, and the voice of Annette), „An Acrobat‘s Heart“, will get their vinyl appearance a few weeks from now, in September and October.

  • Assoziationen zu der Erinnerung eines anderen (Teil 1)

    „Die Kombination des Schlagzeugers Pete La Roca und des Bassisten Steve Swallow auf Paul Bleys Footloose hatte mir sehr gut gefallen, und auf Basra (1965) kamen Pete und Steve wieder zusammen, um eine offenere Musik zu erkunden, begleitet von dem stets inspirierenden Steve Kuhn am Klavier und Joe Henderson am Tenor. Unter den vielen Blue Notes mit Henderson sticht diese Aufnahme wegen ihres Geistes und ihrer Energie hervor. La Roca verschwand für lange Zeit von der Bildfläche, um Jura zu studieren und dann zu praktizieren. Nach seiner Rückkehr spielte er mit John Abercrombie, und eine Zeit lang war ein Aufnahmeprojekt mit Pete, John und Kenny Wheeler im Gespräch – das leider nicht realisiert wurde.“


    Das erzählte Manfred Eicher vor Jahren, als er nach seinen Favoriten bei Blue Note gefragt wurde. Wer vertraut ist mit ECM-Alben der genannten Musiker, kann sich ganz gut den Sound und die Atmosphäte dieses imaginären Trios im Geiste vorstellen. Einige Assoziationenen zu den Protagonisten dieser Erinnerung…

    Pete La Roca: Vielleicht habe ich eine Blue-Note-Platte, bei der er Sideman war, aber ansonsten keine greifbare Erinnerung. Vielleicht kennt ein Leser Basra, es wurde, lese ich, 2020 remastert, und erneut auf Vinyl herausgebracht.

    Steve Swallow: Der Bassist begegnete mir erstmals zu einer Zeit, als er schon vom akustischen zum elektrischen Bass gewechselt war: in Dortmund kaufte ich mir, frisch zum Erscheinungsdatum zwei Lp‘s, die in einer Hülle zusammen verkauft wurden, Steves Duos mit Gary Burton und Ralph Towner – traumhaft! Meine Frage war, beim Betrachten des eines Covers: Wo ist das „Hotel Hello“, da will ich hin!

    Paul Bley: Paul Bley haute mich um mit seinem ECM-Soloalbum „Open, To Love“. Der Sound war speziell, und anders als die ebenfalls damals in Oslo aufgenommenen Solowerke von Keith Jarrett („Facing You“) und Chick Corea (Piano Improvisations, Vol. 1 und 2), die mich nicht weniger umhauten und das heute noch schaffen, hatte „Open, to Love“ einen eigenartig-dünnen, spinnwebenhaften, auch kühlen Sound. Wieso habe ihn damals, als ich Mr Bley in Bremen interviewte (und er mir mein vielgerühntes, mittlerweile historisches, Sennheiser-Kondensator-Mikrofon abkaufte), nicht danach gefragt? Ein unbeabsichtigter Effekt der Aufnahme, oder kalkuliert, weil er beim Spiel die Hüllkurven früher Synthesizer nachempfinden wollte?

    (Teil 2 findet sich am 2. September)


  • Der Klang von Tintagel (John Surman zum 80. Geburtstag, mit etwas Verspätung)

    My Room Is Full Of Boxes Of Loose Threads

    (Ingo‘s interview video)

    Polperro / Tintagel / Trethevy Quoit / Rame Head / Mevagissey / Lostwithiel / Perranporth / Bodmin Moor / Kelly Bray / Piperspool / Marazion ./ Bedruthan Steps. Etliche dieser Orte wirst du heutzutage leicht ansteuern können. Damals, auf einer Reise nach Cornwall, noch im letzten Jahrhundert, in der Woche, als Bob Dylans „Time Out Of Mind“ erschien, 1998 oder 1997, brauchten wir noch Landkarten.

    Ich hatte, in einer Besprechung von „Road To St. Ives“ (Jazzthetik), dem Fremdenverkehrsverein von Cornwall empfohlen, mit diesem Soloalbum von John Surman Werbung zu betreiben. Tatsächlich machen die Namen neugierig, Orte, die in historischen Roman auftauchen, Geschichten von Liebe, Tod, Wahnsinn, Hexerei sowie Legenden, die in unseren Hinterköpfen rumschwirren, von König Artus bis zu den Nebeln von Avalon. Es war später Sommer, als John Surmans Platte (und Dylans melancholisches Album) zum Soundtrack unserer Reise wurden.

    Wir schliefen in dem Haus, und dem Himmelbett, in dem Daphne de Mauriers Schreibzimmer unversehrt erhalten war: hier hatte sie den berühmten Piratenroman geschrieben, den Hitchcock später verfilmte, oder war es nur „Rebecca“? Wir gingen durch den kleinen Ort mit dem wundervollen Namen Tintagel, ich erinnere mich an das Backsteinpflaster, die Ruhe am Meer, einen Fish’n’Chips-Laden, aus dem tatsächlich Scarborough Fair in der Version von Simon & Garfunkel ertönte.

    Wir wanderten lange Tage auf dem Coastal Path, von Klippe zu Klippe. Wir brachen auf zu Trethevy Quoit. Die Sonne stach vom Himmel, schließlich kamen wir dort an. Ein oller Steinhaufen, dem man nur mit viel Phantasie etwas Pittoreskes abgewinnen konnte. Ein Hund schlug an der Kette, neben dem keltischen Ort der Kraft hingen weisse Bettlaken im müden Wind. Der Ort hatte allen Zauber eingebüßt. Eine Ruine ohne Strahlkraft.

    Das entsprechende Stück von John Surman ist sehr kurz, ein Furor mehrerer übereinander geschichteter Saxofone. Ich spielte es öfter in den Klanghorizonten, als akustischen Koffein-Booster, und habe John Surman später einmal gefragt, wie er auf die Namen dieser Kompositionen gekommen sei. Ich glaube, er hatte einfach Namen genommen, die er mit Reisen in seiner Kindheit verband, oder solche, deren Klang ihm gefiel. Anouar Brahem liebte das Album. John Surman ist in diesem Jahr 80 geworden, wie ich gerade bei Ingo gelesen habe. Ich sah ihn nur einmal live, in Münster 1974, mit S.O.S., viele Jahre späte sprachen wir über „Thimar“ sprachen, das Trio mit Anouar Brahem und Dave Holland.

    Über die Jahrzehnte landeten all seine Soloalben bei mir, auch seine Duos mit Jack DeJohnette. Jedes Werk garantierte mindestens einen Ohrwurm (wie etwa „Nestor’s Saga“), und ich bekomme gerade beim Schreiben Lust auf das zweite Album jenes Paul Bley Quartetts, bei dem neben John Surman auch Bill Frisell und, ich glaube, Paul Motian dabei waren. Es hiess schlicht und ergreifend „The Paul Bley Quartet“.

  • Assoziationen zu der Erinnerung eines anderen (Teil 2)

    Steve Kuhn: Meine eindeutig liebste ECM-Platte von Steve Kuhn ist heute ein fast vergrabener Schatz: sein Soloalbum „Ecstasy“ ist beispielhaft, was meine Idee von „wild-romantisch“ angeht, das Ausreizen der Räume zwischen „hingetupft“ und „voller Dröhnung“ (ohne auch nur einmal im Pathos zu versinken).

    Joe Henderson: Habe fast alles Blue-Notige von ihm verpasst, und meines ersten beiden und lange einzigen Alben dieses grossen Saxofonisten waren zwei innig geliebte Scheiben aus der „Fusion“- und „Spiritual Jazz“-Ecke der Siebziger Jahre, „Multiple“ (mit dem Gespann Dave Holland / Jack DeJohnette) sowie „The Elements“ (oh my god!)… wann immer ich Blue Note rückwärts entdeckte, mochte ich seinen warmen, durchdringenden Hornklang, etwa auf dem famosen „laid back jazz“ von Kenny Burrells „Midnight Blue“.

    John Abercrombie: ich habe mal ein langes Interview mit John Abercrombie gemacht. Wer will, kann das Porträt HIER nachhören. Ich verstehe, wieso John sein zweites Duo-Album mit Ralph Towner, „Five Years Later“ höher einschätzte, als ihr Debut „Sargasso Sea“, aber ich liebte beide (und sehe heute noch mein kleines, am Morgen sonnengeflutetes Zimmer im Würzburger Studenenwohnheim vor mir, in meinen Wochen mit „Sargasso Sea“).

    Kenny Wheeler: müsste ich meinen Favoriten von Kenny auswählen, käme ich früher oder später auf „Deer Wan“. Mit John Abercrombie und den üblichen Verdächtigen für das Jahr 1977. Bei „Sideman Kenny“ denke ich an das erste Azimuth-Album, und an sein Spiel auf Anthony Braxtons grossem Wurf „New York, Fall 1976“.

  • “When there is no sun“

    Ein halbes Jahr, oder anderthalb Jahre, bevor diese Platte in Rom entstand, war ich auf der einzigen Verlobungsreise meines Lebens, etwas nördlicher allerdings, zwischen Perugia und Padua. Mit einem Abstecher nach Venedig natürlich, einem damals weitgehend verdreckten „Sehnsuchtsort“ voller Giftschilder, und selbst der Platz mit den Tauben strahlte nur lang verblichenen Glanz aus. Gut zwanzig Jahre früher war Katherine Hepburn vor Ort, als David McLean dort „Summertime“ (1955) drehte. Ein kultureller power spot meines Trips war ein Plattenladen in Perugia oder Padua, nichts weniger als ein Sun Ra-Shangrila: über zwei Regalreihen verteilt, so viele seiner auf kleinen, obskuren, wagemutigen Labels vertriebenen Schallplatten! Italien war für Sun Ra scheinbar ein perfekter Ort des Verweilens zwischen zwei Weltraumerkundungen. Wäre mein Geldbeutel besser gefüllt gewesen, ich hätte ich im grossen Stil zugeschlagen. Christiana war daran gewöhnt, dass ich sie in manchen Plattenladen schleppte, und (was man so alles erinnert) sie war dabei, als ich in Paris, Im Quartier Latin (grosser Laden, erster Stock), „Fast Last!“ von Lester Bowie erstand, und „New York, Fall 1976“ vom Anthony Braxton Quartet. Und in München, bei Elektro Egger in der Gleichmannstrasse 10, erster oder zweiter Stock, Paul Bleys „Alone, Again“ (auf diesem kleinen feinen Paul Bley-Label, Improvising Artists Inc. (IAI), in dem auch mal ein Album namens „Turning Point“ mit dem Sun Ra-Weltenwanderer John Gilmore erschien, an der Seite von Paul Bley, Gary Peacock und Paul Motian).

    „New Steps is one of several albums done with this basic lineup in January of 1978. This album is billed to the Sun Ra Quartet, but it sounds like there’s a bass player present on at least some of the cuts (it could be Ra, but he’d need three hands). There are two standards amongst a program of Ra originals, and things get started with a stellar version of „My Favorite Things.“ The music quickly takes its only sharp turn toward outer space as Ra introduces listeners to „Moon People,“ the only track where Ra emphasizes synthesizerk over piano.“

    So beginnt Sean Westergaards Besprechung von „New Steps“. Ich kam auf das Album, und speziell das unten zu hörende Stück „When There Is No Sun“ – ein wunderschönes Beispiel für „spacige evergreens“ in seinem Werkeverzeichnis – weil Søren Skov es auswählte für eine Stunde der Sendung „Hidden Tracks“ auf byte FM, in der er auch über sein fantastisches Album „Adrift“ sprach (ich warte in diesen Tagen auf seine audio-files, für mein JazzFacts-Magazin am 5. September). Gilles Peterson hatte mal vor Jahren eine sehr gelungene Sun Ra-Compilation herausgebracht, wo die melodische Seite des Meisters im Vordergrund stand. Jedenfalls begeisterte sich Søren Skov für das hingebungsvolle, neugierige Saxofonspiel seines Kollegen John Gilmore auf dieser Komposition („humble“ ein Wort seiner Wahl) – ganz und gar traumhaft in der Tat! Seans Besprechung eines Albums, das im Laufe der Jahre mit zwei Covergestaltungen im Handel war, geht dann so weiter:

    „Sun Steps“ is a slow tune featuring some beautiful piano playing from Sun Ra. In fact, the remainder of the album is on the mellow side („When There Is No Sun“ is the only track with vocals), and features some great statements by John Gilmore and Ra. Michael Ray is in fine form as well, if somewhat less exuberant than usual. With such a small group, solo space is ample, and Luqman Ali’s understated drumming really holds things together nicely. New Steps is another fabulous release from Sun Ra, but all the Horo albums can be difficult to find.“


    Recorded in Rome, Italy, January 1978. Such a brilliant piece from the album that i downloaded at bandcamp for 10 Euros, . You can download it on Bandcamp. Thanks for Søren Skov‘s recommendation! The old vinyl is a bit more expensive, between 260 and 490 Euros! In a region of „moon prices“, comparable to the vinyl edition of Jon Hassell‘s fantastic double album „Last Night The Moon….“ Any guys out there who want to make me a nice gift?! 😉