„Found In Transition“ (feat. Henning, Rosato, and me)
Ein kleiner Rückblick. Springen wir kurz ins Jahr 2013. In den Avatar Studios entsteht der dritte Teil einer Trilogie des dänischen Gitarristen Jakob Bro. HIER die Komposition „Vinterhymne“. Es findet sich auf seinem vorzüglichen Werk „December Song“. Diese drei Alben erschienen alle auf Bros eigenem Label, und „December Song“ wurde ein gefeiertes Album der Musikkritik – auch Henning schrieb Einfühlsames über „December Song“. Auf jedem dieser drei Alben kam es zu einer kleinen Veränderung des Personals, zu den konstant Anwesenden zählten Lee Konitz, Bill Frisell, sowieso Jakob Bro – und der „spirit“ von Paul Motian, der zu Beginn der Trilogie, auf „Balladeering“, noch physisch präsent war. Lee Konitz erlebte im Kreise dieser „Cracks und Legenden“ ein spätes Karriere-High, und Henning zitiert Konitz mit folgenden Worten:
„Ich habe mein ganzes Leben damit verbracht, von Lennie Tristano, Lester Young und all den großen Jazzspielern beeinflusst zu werden, und plötzlich spiele ich ganze Noten und halbe Noten und Akkordfolgen, und ich weiß nicht, warum. Es ist keine Volksmusik, kein Jazz, keine Popmusik, kein Funk, es ist einfach nur Balladenspiel oder was auch immer.“
Was auch immer…. Mit Blick auf eine grossartige Interpretation eines Carla Bley-Stücks schrieb Henning am Ende seiner Besprechung in „Allaboutjazz“: „‚December Song‘ is not just more of the same but opens up a still broader spectrum on a higher level.“
Auf diesen drei Alben entwickelte sich eine enorme Empathie der Musiker untereinander, quasi telepathisches Verstehen, das Aufgreifen unausgesprochener Gedanken und ungespielter Klänge – und es war nur folgerichtig, im Jahr darauf einfach noch einmal ins Avatar Studio zu gehen: was die Besetzung anging, nahm Jason Moran die Stelle von Craig Taborn ein, und einen passenderen Schlagwerker als Andrew Cyrille konnte man sich für jene Session nicht erträumen Das Album wurde eingespielt, erschien aber nicht.
Manfred Eicher kannte wohl diese Aufnahme, wollte aber Jakob Bros Einstieg bei ECM mit einer ganz eigenen Produktion beginnen, und es erschien schliesslich „Gefion“ im Jahre 2015 (produziert noch vor den „Taking Turns“-Sessions im November 2013 in Oslo), mit ECM-Urdrummer Jon Christensen, und Thomas Morgan an der Seite des dänischen Gitarristen. Eine Reihe ganz und gar fesselnder Alben folgte, aber erst jetzt, im Herbst 2024, Ende November, erblickt jene alte Session unter dem Titel „Taking Turns“ das Licht der Welt.
Das Cover macht klar, wer da alles den Ton angibt, obwohl das wohl etwas zu forsch formuliert ist. Wer die alte Trilogie kennt, weiss, dass mitunter die tiefste Musik entsteht, wenn das Ego vollkommen zurückgenommen wird. „Taking Turns“ treibt solche Selbstlosigkeit alias Hingabe noch einmal auf die Spitze. Traumhafter Jazz, nichts weniger! In den JazzFacts Anfang Dezember stelle ich das Album im Deutschlandfunk vor, das als LP, CD und DL vorliegen wird. Und natürlich mit frischen O-Tönen von Jakob Bro. Soviel möchte ich ergänzen: „Taking Turns“ is not just more of the same, but opens up a still broader sprectrum on a higher level.“ Rosato spielte ich das Album vor, und er merkte an: “Was für eine melodische und klangfarbige Polyphonie – sowas bewegt mich!“
2 Kommentare
flowworker
In memory Jon Christensen
Olaf Westfeld
Ich glaube, Henning hatte das Video zu Vinterhymne auf Manafonistas gepostet – anscheinend ist das schon 10,11 Jahre her. Ich erinnere, dass ich mir das Video gleich mehrmals anschaute und das Album dann direkt runterlud. Es lief dann sehr viel in dem Winter, meiner Erinnerung nach im Wechsel mit „Black Messiah“ von D’Angelo. Einmal konnte ich Bro dann ein paar Jahre später live sehen, zusammen mit Jason Moran und … komme gerade nicht auf den Namen des recht bekannten amerikanischen Drummers – sehr intensives Spiel, ein denkwürdiges Konzert.