• March Nourishment

    Ich dachte, die vergangene Woche würde ereignisarm werden und dann entdeckte ich Stapel über Stapel in Stapeln auf meinem Schreibtisch, die abgearbeitet werden müssen (zum Teil wenigstens auch schon mussten, ein bisschen habe ich erledigt).

    Dann war da noch ein dickes Buch: Die Wurzeln des Lebens. Ein Roman, wie ein Baum, mit Wurzeln (neun fein ausgearbeitete Charaktere werden auf den ersten 200 Seiten vorgestellt, zunächst hat man das Gefühl, acht packende Kurzgeschichten zu lesen), einem Stamm (die Menschen treffen sich, Handlungsstränge entstehen), einer Krone (die Verbindungen verzweigen sich) und schließlich den Samen, die für neues Leben sorgen. Es gibt einen Programmierer, Öko-Terroristen, ein Paar, das einander (nicht) besitzt, eine Baumwissenschaftlerin, einen Professor für Verhaltenspsychologie, jede Menge Bäume, Wälder, vieles mehr. Ein wirklich faszinierender Roman. Ich habe vor 20 Jahren ein Buch von Richard Powers gelesen, „Der Klang der Zeit“, das mir damals gefallen hat; aber irgendwie habe ich nie mehr zu einem Buch dieses Autors gefunden. Nach „Die Wurzeln des Lebens“ habe ich den Impuls, in einen Buchladen zu gehen und mir jeden verfügbaren Titel von ihm zu kaufen. Und seltsamerweise ist es schon das zweite Waldbuch, das ich in diesem Jahr gelesen habe.

    Dann war da noch Jackson Lamb. Trotz der für mich immer schwer zu schluckenden übertriebenen Gewaltausbrüchen haben wir die ersten drei Staffeln von „Slow Horses“ hier im Nu weggeschaut. Originelle Charaktere, feinstes Storytelling, beste Serienunterhaltung (und dazu noch ein toller Mick Jagger Song).

    Dann war da noch ein Reissue: als ich mich vor 12 Jahren oder so auf den Weg machte, tiefer in das ECM Universum einzutauchen, griff ich aus irgendwelchen Gründen unter anderem zu „Open, To Love“ von Paul Bley. Und ich schwöre, dass ich damals auch schon das Gefühl hatte, eigentlich elektronischer Musik zu lauschen – das Interview von Michael hat diesen Eindruck bestätigt. Sounds and Spaces to get lost in.

    Dann stand da auf einmal Don Cherrys „Relativity Suite“ im Plattenladen vor mir, am Wochenende nachdem ich hier und da darüber gelesen hatte. Leider nicht ganz billig, die Vernunft hat dann nicht gesiegt. Die Pressung ist nicht perfekt, aber der Vorbesitzer ist sehr sorgfältig mit Vinyl und Cover umgegangen. Die Musik ist toll, auch sie geht tief zurück zu den Wurzeln des Lebens.

    Und dann schließlich noch zwei Alben. Alabaster DePlume bedankt sich auf seinem neuen Album bei seinem Schmerz und ist als Soundschamane unterwegs, der aus Folk, Jazz, Spoken Words und was weiß ich noch alles einen heilenden Zaubertrank braut. Noch häufiger habe ich allerdings „The Music Of Butterfly“ gehört. Dahinter verbergen sich Vincent Gallo (der vor 20 Jahren mal Alben auf Warp veröffentlichte, damals auch eine heiße Akte als Regisseur und Schauspieler war, vor über 40 Jahren mit Basquiat in New York eine gemeinsame Band hatte und definitiv kein Sympathieträger ist) und Harper Simon (der in der Plastic Ono Band spielt und einen verehrungswürdigen Vater hat). Spärlich instrumentiert – Gitarre, Bass, Drum Machine, Analoge Synthesizer – dazu der körperlose Gesang von Gallo; als hätten Thom Yorke und die Young Marble Giants in New York eine Platte aufgenommen und diese dann penibel gemastered und gepresst. Ich habe nicht viele Alben, die so gut klingen. Streng limitiert, nicht günstig, Künstler ein Republikaner – trotzdem ein tolles Album (der Titel des vorherigen Posts beschreibt die Musik von Butterfly auch ziemlich gut).

    Und im April drehen sich dann bestimmt Natural Information Society & Bitchin Bajas auf meinem Plattenteller.