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20 A Tribe Called Quest – Midnight Marauders
Als kleiner Nachtrag: Zwischen 10 – 15 bin ich ein eher zurückhaltender, introvertierter (vor-) pubertärer Jugendlicher. Jeans, Strickpulli, Turnschuhe. Im Gymnasium an guten Tagen ein mittelmäßiger Schüler, „blaue Briefe“ flattern mehr als einmal ins Haus. Ich lese viel, Krimis von Edgar Wallace oder Agatha Christie, was halt so zu Hause rumsteht. Recht früh lese ich (wohl in der 8. Klasse) „Der Fänger im Roggen“ und „Die neuen Leiden des jungen W.“ und bin beeindruckt von der Unangepasstheit der Hauptfiguren – und deren Ablehnung der Gesellschaft.
Und mit 16 ändert sich einiges. Das Feiern tritt in mein Leben. Parties in Gemeindezentren und im Haus der Jugend. Manchmal auch Discos (ich darf bis 22:00 draußen sein). Alkohol. Schüchterne Schwärmereien. Und auf einmal jede Menge neue Menschen.
Der Soundtrack dazu ist vielfältig. F bringt eine Kassette mit – wahrscheinlich sind wir gerade 16 geworden, meine Eltern sind nicht zu Hause, sturmfrei. „Indie Mix“ ist der Titel, darauf sind die Pixies, They Might Be Giants, Hüsker Dü, Dinosaur Jr, Phillip Boa, Snuff, Nomeansno, vielleicht auch schon Yo La Tengo. Außerdem hat er sich schon eine Schallplatte mit dieser neuen Musik gekauft: „In God We Trust, Inc“ von den Dead Kennedys. Die Lieder sind – mit einer Ausnahme – unter 2 Minuten lang, alles ist sehr laut, sehr verzerrt, sehr schnell, sehr super. Nachdem wir erst das Tape und dann die LP gehört haben, sieht meine musikalische Welt sieht anders aus.
Und irgendwie kommt in der Zeit, vielleicht etwas später, Hip Hop in mein Leben. Sicher auch durch ein Mix Tape (von denen ich auch selber unzählige aufnehme und verschenke, als ich mein Tape Deck zur Reparatur bringen will, werde ich gefragt ob es im Profigebrauch gewesen sei). Sicher vor allem durch Artikel in der Zeitschrift Spex, die schnell den Musik Express ablöst und die ich bis sie schließlich 2018 eingestellt wird immer wieder lese.
Als ich 19 war habe ich aber den Blues und zwar so richtig. Meine Freundin hat Schluss gemacht, kurz vor der mündlichen Abi-Prüfung. Das zieht mir tatsächlich den Boden unter den Füßen weg, ich bin für ein halbes Jahr zu kaum etwas zu gebrauchen.
Gleichzeitig beginnt mein Zivildienst. Ich betreue eine Studentin, Mitte 20, die im Rollstuhl sitzt. Ihr Freund lebt in Trier, dorthin begleite ich sie immer wieder. Und dort, in einem kleinen Eckladen, stehen im November 1993 auf einmal zwei CDs, auf die ich schon sehr lange warte: „Doggy Style“ von Snoop Doggy Dog und „Midnight Marauders“ von A Tribe Called Quest.
Sehr lange Vorrede, aber das zweite Album geht es mir. Diese unglaublich positive und lebensbejahende Musik holt mich ins Leben zurück. Die Welt ist auf einmal nicht mehr schwarz-weiß, sondern farbig. Der Einfallsreichtum der Musik, die Detailverliebtheit, der rote Faden, der durch eine Art Moderatorin gesponnen wird, die Texte – all das macht einen großen Eindruck auf mich, bereitet mir Freude. Aber das Beste sind die beiden Rapper: das Zusammenspiel von Mastermind Q-Tip mit dem anti-hesitator, funky diabetic Phife Dawg ist einzigartig. Und all das macht mir mit 50 immer noch viel Spaß und gute Laune. Musik hat mir aber noch nie so viel Trost gespendet wie im November 1993.
(Ich habe lange überlegt, ob ich nicht doch das Album „Illmatic“ des Rappers Nas nehme, über das ich irgendwann noch einmal schreibe. Ein Gitarrenalbum hat sich komischerweise nicht so aufgedrängt, kommt aber dann zum Eintrag 25.)