• 1978 – „Party and Politics“

    Why José James
    is obsessed with the sound
    of the music of 1978.

    Listen HERE!

    NPR is under attack
    from the neo-fascists
    of the Trump government.

    Go to the source: NPR

    The White House is
    one step closer to
    defunding public radio.

    „1978: Revenge of the Dragon ist eines der faszinierendsten Alben von José James und ein großartiger Ort, um ihn zum ersten Mal zu entdecken. Es ist nicht kategorisierbar: vier Originalsongs und vier Klassiker von 1978, wobei jeder Coversong von den Bee Gees, den Rolling Stones, Michael Jackson und Herbie Hancock jenseits aller Kategorien liegt. Die Soul- und Hip-Hop-Grooves sind tief, die gummiartigen Basslinien weigern sich, aufzuhören, und die impressionistischen Harmonien stammen direkt von einer modernen Jazz-Aufnahme. In jedem Stück spielt die Stimme des Leaders die Hauptrolle, verführerisch, suchend, quer durch die Jahrzehnte, mit Texten, die Helden von Marvin Gaye über Stevie Wonder bis hin zu Nas erwähnen.“ (Will Layman, Popmatters)

  • Die Tücke der Tickets, der kleine Hans, der wilde Norden, und eine Kneipe am Ende der Welt (eine Humoreske)

    Long live Kevin Kline in Silverado – aber das ist eine andere Story! Es geht weiter mit den Pannen. Da meine Holde nicht nach Düsseldorf kommen kann am 21. Juni, nahm ich die beiden Cat Power-Tickets an mich, und legte sie superclever in einem Buch meiner Wahl ab, mit wunderbarer, mnemotechnisch geschulter, Eselsbrücke. Da hatte ich mich selber ausgetrickst, die Tickets finde ich nicht mehr. Zu jedem dritten Buch könnte ich eine fantasievolle Brücke zu Cat Power herstellen, allein alles Wirbeln durch die Seiten nutzte nichts. Der Kundenservice von Eventim entpuppte sich zudem als Unding. Zur Zeit bin ich der Meister im Verlegen – muss ich mir Sorgen machen, nein! Seit 2005 ungefähr habe ich eine unbändiges Interesse, Cat Power zu interviewen, und zwar as deep as deep can go, und live zu erleben. Aber leider gibt sie seit langem keine Interviews auf Tourneen. Eine gute Stunde suchte ich nun nach den Düsseldorfer Tickets – over and out.

    Letztlich schaltete ich einen der besten Promoter ein, die ich kenne, und der ein verdammt kluger Typ ist. Und was bedeutet das, liebe Leser? Das bedeutet: Lukas und ich verstehen uns! Wir haben einen ähnlichen Humor, auch das. Obwohl, was meinen Humor und meinen Witz angeht, gibt es geteilte Meinungen. Neulich, bei einem noch nachzureichenden Bericht über einen kleinen „Aufstand der Analytiker“, fuhr mich der Lebensabschnittsgefährte einer im Bayerische zu verortenden Tiefseelenforscherin mit dem Alias SmallHans auf einem Blog mit folgenden Worten an: „Die seltsame Art des Michael E. etwas „witzig“ zu finden und sich damit gleichermassen wunderbar zu offenbaren, auf der “ … riesigen Spielwiese der Macho-Wettpinkler … “ derjenige zu sein, der am weitesten pinkeln kann, ist auch eine Aussage!

    Das ist etwas halbrecherisch verschwurbelt, und ich hoffe, dass Klein Hans diese hochintellektuelle Gedankenkonstruktion unfallfrei überstanden hat. Ich habe diese Schwanz- Und Pinkelmetaphorik keinesfalls ins Spiel gebracht, und vermute, Frau stand gerade am Herd, beim Porridge, als Klein Hans, erbost vor die Ranch trat und vor seiner Retourkutsche mal seinen eigenen Weitpinkelstatus erhob. Sei‘s drum! Es ging da um Stellungnahmen zum alten Western von John Wayne bis Kevin Costner. Dann kam noch der eine und andere Cowboy dazu, und sie forderten mich auf, richtig zu lesen usw. Das war tatsächlich etwas Stoff zum Kopfschütteln! 😉 Um die Gemüter abzukühlen, empfahl ich den Jungs, sich mal einen meiner Lieblingswestern anzuschauen. War es „Silverado“ oder „Der Mann, der Liberty Valence erschoss“? Egal.

    Ich schweife ab. Innerhalb von drei Stunden bin ich auf der Düsseldorfer Gästeliste für Cat Power gelandet. Sie gehört zu den wunderbaren SängerInnen, die die Lieder von anderen zu ihren eigenen machen können, wie Nina Simone, Johnny Cash auf seinen „American Recordings“, oder Robert Wyatt mit „Shipbuilding“. Hör dir DIESEN nicht ganz unbekannten Song an! Nach dem Flop mit den „Flammenden Lippen“ wollte ich nicht noch mal scheitern, und freue mich riesig auf „Cat Power sings Bob Dylan“. Ich bekam dann noch die Nummern meiner zwei gebuchten Sitzplätze heraus. Bedeutet: wenn ich keinen Topplatz erhalte als Gast des Hauses, husche ich zum Parkett rechts, und kann auf dem Nachbarsitz noch all meine Sachen ablegen, zum Beispiel ein Tonband alter Schule, um, wie in „Diva“, alles mitzuschneiden. I‘m only joking, dear! Und jetzt noch eine kurze Notiz von der Reiseberaterin meines Vertrauens: „Lieber Michael! Du hast mir gesagt, wie gerne du zeitnah zehn Tage in den wilden Norden von Mallorca reisen möchtest (nach deiner Lektüre der letzten SZ am Wochenende) – nun, ich habe dir, noch vor der Saison der Grossen Ferien, ein paar Orte rausgesucht. Melde dich bis morgen Mittag, solange reserviere ich dir alle Optionen.“

    Und darum geht es nun, liebe Leser! Mallorca Ende Juni – und nach meinen Erfahrungen mit patriarchalisch organisierten Maulhelden aus dem Bayernland, hoffe ich, dass ich nicht von unduldsamen mallorcinis mit der Mistgabel gejagt werde, die seit Jahr und Tag Touristen auf’s Korn nehmen, und ihren Unmut mitunter drastisch zum Ausdruck bringen! Parallel zu diesem noch rein im Konjunktiv befindlichen Inselabenteuer ist das wunderbare Album „Luminal“ von Beatie Wolfe und Brian Eno auf dem Weg nach El Hierro, um dort, mit Lajlas Support, an einem warmen Sommerabend, in einer kleinen Bar, die „kleine Nachtmusik“ zu geben – wunderbar! Kann ich mir einen traumhafteren Ort für „Luminal“ vorstellen? Nein, da kommen nicht mal die „cuevas de los verdes“ auf Lanzarote mit. Vielleicht, lang nach Mitternacht, wird dort, auf der kleinsten aller Kanareninseln, die alte Jukebox angeworfen (sie haben dort, habe ich gehört, eine Wurlitzer 1015, auch „Bubbler“ genannt): HERE we go! An wievielen Orten kann ein Mensch eigenlich gleichzeitig sein?!

  • Instead of a long story

    How I love „Cabinessence“! Or Surf’s Up, Cool Cool Water, Trader, All This Is That, The Lonely Sea, Let The Wind Blow, ’Til I Die, any number of songs… I have periodic Beach Boys obsessions, the current one has been continuing since last summer. A band I have almost infinite patience for, I even enjoy the songs I don’t like (I realise that makes no sense!) It started for me with the Smile sessions, bootleg tapes acquired in the 1980’s. Cabinessence is representative of a large body of work, the structures, edited sections, constructions. Brian Wilson’s description of ‘feels’, song ideas, unfinished sections of songs, works in progress. It’s this idea of ‘feels’ that I personally identify with. (I also love Surfin’ USA, Little Deuce Coupe etc too)

    • words by Craven Standers from on Interview for Klanghorizonte and Manafonistas in 2023

  • Die Verweigerung des amerikanischen Traums (Teil 3)

    Five Easy Pieces (1970, Regie: Bob Rafelson) Der Filmtitel ist raffiniert, weil er sehr offen wirkt und weil es sein kann, dass man sich am Ende des Films an keine Stelle erinnern kann, in der von „five easy pieces“ die Rede ist; man könnte sich aber an eine Schlüsselszene erinnern, in der diese Worte sinngemäß fielen oder gefallen sein könnten. Es gibt mehrere Filmcover, von denen ich zwei hier untereinander einfüge, auch wenn das nicht so super aussieht. Wenn man die Bilder zusammensetzt, ergeben sie eine ziemlich genaue, aber doch vage Ahnung vom Inhalt des Films. (Natürlich gibt es hier keine Inhaltsangabe.)

    Am Notenblatt ist zu erkennen, dass sich die fünf leichten Stücke auf Musiknoten fürs Klavier beziehen, wobei die Stücke durchaus anspruchsvoll sind. Jack Nicholson vor einem Ölbohrturm und sitzend an einem Klavier, das auf einem Transporter steht. Auf dem dritten Cover (ohne Abbildung) steht: „He rode the fast lane on the road to nowhere.“ In diesem Spannungsfeld bewegt sich der Plot und vor allem die Figur, die Jack Nicholson mit der gewohnt beeindruckenden schauspielerischen Leistung verkörpert.  

    In der deutschen Fassung wurde der Filmtitel wieder einmal ruiniert. Hier heißt es platt: „Ein Mann sucht sich selbst.“ Es ist vor allem der Charakter der Hauptfigur, die die Handlung bestimmt. An zwei Stellen wird über seine Persönlichkeit reflektiert. Einmal erklärt er sich so: „My life, I mean, most of it, doesn’t add up to much that I could relate as a way of life that you’d approve of. I move around a lot. Not because I’m looking for anything, really, but because I’m getting away from things that get bad if I stay.“ Sein Gegenüber versteht jedoch nichts von diesem Bekenntnis; es ist sein Vater, von zwei schweren Schlaganfällen gezeichnet. Die zweite Charakterisierung erfährt Dupea von einer Frau, die ihn zwar gerade erst kennengelernt hat, ihn aber nach einigen intensiven Begegnungen zu erkennen meint.

    Five Easy Pieces hat auch einen Roadmovieanteil und wie in Two-Lane Blacktop werden Tramper mitgenommen; hier sind es zwei Frauen, die nach Alaska auswandern wollen, weil sie der Meinung sind, sie könnten dort dem Schmutz und dem Konsumterror der USA entkommen. An dieser Stelle des Films hätte man ein paar Minuten kürzen können; das ist überdehnt.

    Das Verhalten der Hauptfigur, seine Persönlichkeitsstruktur, das hat etwas Zeitloses, was der Film wunderbar in zeitgemäße Bilder übersetzt. Die Schlussszene an einer Tankstelle im Bundesstaat Washington beendet den Film konsequent, würdevoll und erschütternd. Die nicht gezeigte Fortsetzung, die man erahnt, hallt nach.

  • Die Verweigerung des amerikanischen Traums (Teil 2)

    „More than any other American film of that time, Medium Cool learned from John-Luc Godard how to blur the line between fact and fiction and how to interrogate the film-making process in the course of making a movie, though Wexler, in his commentary, cites Peter Watkins’s Punishment Park as a potent influence.“ (P. French, The Guardian)


    „Medium Cool“, dachte ich anfangs, vor Jahren, nie gehört, mal sehen, und dann: reines Staunen! Die grosse Leinwand bietet auch beim zweiten Sehen einen Film, bei dem es mir nicht leicht fällt, eine sachdienliche Distanz zu wahren

    Medium Cool“ ist für mich einer der ganz grossen Filme jener Ära des sog. „New Hollywood“. Und überhaupt. Mich packt er ein ums andere Mal, und ich bedaure, ihn nicht schon damals, 1969, als Teenager gesehen, besser, erlebt zu haben. 

    So was von fesselnd, zum Nachdenken anregend sowieso,  und vor allem eine einzigartige Aufzeichnung eines wichtigen Ortes und einer wichtigen Zeit! 

    Es ist 1968, ein Kongress der Demokraten. USA. Eine harte politische Zeit im Land. Für einige, die diesen Film nicht kennen, könnte er eine Art Offenbarung sein, wie die Jahre der Gegenkultur in Szene gesetzt wird. 

    Zunächst einmal ist es eine ziemlich gute, wenn auch etwas unzusammenhängende Geschichte: zwei „weltgewandte“ Nachrichtenreporter aus der Mittelschicht werden geschickt, um den Parteitag der Demokraten  in Chicago zu filmen und werden unwissentlich in die politischen Demonstrationen, und die innerstädtischen Probleme, die sie ausgelöst haben, verwickelt, obendrein noch in das Leben einer alleinerziehenden Mutter und ihres kleinen Sohnes in dieser rauen, verwirrenden und stark unterprivilegierten Welt! 

    Die schauspielerischen Leistungen sind hervorragend und manchmal so wirkungsvoll, dass es schwerfällt, sich bewusst zu machen, dass es sich um keine Sozialdokumentation handelt. Darüber hinaus wird der Film, mit seinen atemberaubenden Bildsequenzen, von einem perfekt abgestimmten Soundtrack aus den späten 60er Jahren untermalt. Die Psychedelik ist ein Teil davon und enthüllt einen weiteren Subtext dieser Ära.

    So weit so gut, aber das ist nur der Anfang. Hinzu kommen die umfangreichen Live-Aufnahmen von den Straßen Chicagos, während sich die Unruhen entwickeln, die von dem Kamerateam des Films gemacht wurden, als sie selbst in ein sehr „echtes“ politisches Drama verwickelt waren.

    Was für eine  bedrohliche Abfolge der Ereignisse, von einem lustigen „Tag im Park“ für die Hippies bis hin zu ernsthafter „Polizeistaats“-Gewalt! Dann sind da, ich komme schon beim  Nacherzählen aussser Atem, die ebenso beunruhigenden Bilder dessen, was in der Kongresshalle vor sich ging, alles parallel – und dann noch die klugen und beunruhigenden Szenen der verzweifelten Suche der Mutter nach ihrem verlorenen Sohn, während Wexler sie inmitten der zunehmend anarchischen Menge von Demonstranten und Truppen filmt, die sich zu dieser Zeit tatsächlich auf den Straßen befanden, und schon hat man, wie kann ich es sagen, etwas ganz Besonderes. Ein wahrlich atemraubender, tief berührender und erschütternder Film! 

    Nachklapp 1: Der Idiotenpräsident befiehtl im Juni 2025 die Nationalgarde nach Los Angeles. Eine brutale, menschenverachtende Ausweisungspolitik wird durchgezogen. Ich sehe Nachrichten. Einzelne Szenen erinern mich an „Medium Cool“. Wieviel hässlicher kann es noch werden!?

    Nachklapp 2: Update, 9.30 Uhr: Der australische Premierminister Anthony Albanese hat mit der US-Regierung über die bei den Protesten in Los Angeles von der Polizei verletzte Journalistin Lauren Tomasi gesprochen. Das berichtete die New York Times. Auf einer Videoaufnahme ist zu sehen, wie ein Polizist auf die Journalisten zielt und Tomasi mit einem Gummigeschoss am Bein trifft. Albanese habe den Vorfall auf einer Pressekonferenz als „schrecklich“ bezeichnet. Er habe hinzugefügt: „Wir finden das nicht akzeptabel.“

  • Die Flaming Lips in Hamburg

    Samstag Abend: Eine Band auf dem Höhepunkt ihres Tiefs. Der Gesang war fast durchweg Playback (nur bei „Race for the Prize“ nicht, dem letzten Stück). Und die „Band“ waren offenbar von Wayne Coyne zusammengecastete Statisten (Michael Ivins und Steven Drozd fehlten), die (auch wieder mithilfe von Playbacks) performte, als würde sie alles spielen. Taten sie aber nicht. Das war eine unspontane und sehr uninspirierte Vorstellung, man hatte immer das Gefühl, man steht vor eine Glasscheibe und hört einer Konserve zu. Echt krass. Da lebte nichts. Wayne nahm zudem mit seinen endlosen Ansagen der Sache die letzte Magie. Dass der optische Mummenschanz normalerweise geil ist, steht außer Frage, aber ein Live-Konzert war das sicher nicht.

    Soweit der Bericht eines gewissen Gereon Klug. Ich war mit Ischisas lahmgelegt, aber offensichtlich muss ich es nicht weiter bedauern, da nicht dabei gewesen zu sein. Meine bisherigen drei Lips-Konzerte, 2003, 2005, und 2016 waren „real“! Wer in die Welt von Yoshimi eintauchen möchte, dem empfehle ich die Platte, die Cd, die Surroundausgabe mit fantastischem 5:1-Mix, und die „Yoshimi-Schatzkiste“! (s. Foto) (m.e.)

  • Annie and the Caldwells (Finale)


    Vorspiele mit Tanzboden und Weihrauch

    „Wow, man, this 10-minute, tension-building gospel declaration in “Can’t Lose My Soul.” The way it’s drawn out is powerful, capturing resilience in faith and morals gorgeously. Apparently, I can listen to the refrain “can’t lose my (soul)” for 10 minutes straight and not grow tired of it.“

    Als Kind war ich kurze Zeit Messdiener, hatte brav die lateinischen Texte für die Prüfung gelernt, und schwitzte ganz schön, als ich mit ungelenken Bewegungen den alten Priester Dechant mit dem Weihrauchspender auf dem Kreuzgang begleitete. Der alte Katechismus hatte Schreckensbilder verbreitet, und ich ahnte oder hoffte doch, das sei ja wohl alles ein bisschen übertrieben.

    Sweet Sixteen, und andere Wallungen

    Zu der Zeit, als ich zwar noch der Parapsychologie und fernöstlichen Meditationslehren vertraute (aus Büchern eines Freiburger Esoterik-Verlages, in den mittleren Teenagerjahren), aber der Kirche immer weniger, betraten die Beatles und die schönsten Girls von Dortmund meine Träume, und alles änderte sich. Ich ging nie mehr in die Kirche und wurde mit ca. 17 zum Agnostiker und Gelegenheitsmystiker (nie von Baghwan und Co. eingefangen, worauf ich stolz bin, dafür liess ich mich einmal, peinlich, vom Wanderprediger Bill Graham in der Westfalenhalle segnen. Damals kam HAIR gross raus, JESUS CHRIST SUPERSTAR, aber das fand ich doch reichlich kitschig und verschwärmt, etwa so over the top wie alttestamentarische Drohszenarien im Kindheitskatechismus.

    In der Hölle brennt kein Feuer, ich war raus aus dem Club, und deshalb nie wirklich offen für die Ergriffenheitsgesänge des Gospel, was hier und da auch auf mein Erleben von Soul abfärbte.

    STRANGE THINGS HAPPEN EVERY DAY

    Jahrzehnte später erzählte mir Brian Eno, ein erklärter Atheist, wie sehr er Gospel liebe. Das sprach sich sowieso rum, und kurz bevor ein gewisser Paul Simon nach London fuhr, um von Brian ein Album produzieren zu lassen, mit dem ich nie richtig warm geworden bnin, schickte Paul Brian eine neu erschienen riesige Gospel-Box. Das verändert meine Gospel-Abstinenz kein bisschen, mit einer Ausnahme.

    In dem tollen Film der Coen-Brüder, O Brother Where Art Thou, da hatte von Blues bis Gospel diese Musik für mich einen atemraubend gefilmten Rahmen gefunden! Da hörte ich hingebungsvoll und lustvoll zu. Normalerweise meide ich auch jedes Opernhaus der Welt – aber als ich einst die Stimme der Callas hörte in dem berühmten französischen Neo Noir Thriller mit einem „Touch of Zen“ , namens DIVA, konnte ich sogar eine Arie wertschätzen. Der Kontext, der Kontext! Das andere Mal, das mir eine Opernarie sehr, sehr gefiel, war in einem Film von Werner Schroeter, auf einer unendlich langsamen Kamerafahrt entlang einer Münchner Aller der Bordsteinschwalben – pure Magie!

    Und nun also die erste Gospelplatte meines Lebens, die es annähernd schafft, „on high rotation“ zu sein! Als ich sie das erste Mal hörte, wusste ich noch nichts von der Verbindung zu David Byrne. Tatsächlich erinnerten mich da die Wechselgesänge der Band von Annie an bestimmte „cross singings“ von „Remain In Light“. Und dann eben, dass die Caldwells den dancefloor zuliessen! Und dass ich in dem Sound der Band aufging, bei voller Lautstärke – und sebst die „vocals“ auf einmal „sculpted sound“ waren! Ich schliesse mich den finalen Worten von Alex Petridis an:

    … their message is ultimately one of hope. You don’t need to share the Caldwells’ faith to find something powerful and inspiring in that, particularly given the current climate, which can easily incline you towards hopelessness; something steeped in tradition seems apropos right now. You should listen to Can’t Lose My (Soul) purely on musical terms. Moreover, it’s an album you might need.“


    Nachklapp 1: „The world has changed, of course, and not everyone will seek reassurance in the Caldwells’ beliefs. But the message of suffering and survival on the road to salvation may just get you through any darkness looming on the horizon… or simply get you dancing. Strange things still happen every day; just ask Sister Rosetta.“ (David Hutcheon, Mojo)

    Nachklapp 2 aus meinem Interview mit Brian Eno aus dem Jahre 2005: „Dieses Bekenntnis ist ein wenig peinlich, aber: bei  einigen dieser Songs von „Another Day On Earth“ kamen mir Tränen, als ich sie sang –   da gab es Bewegungen in der Stimme, die – jedenfalls für mich – übermächtig waren. Das geht auf die  Erfahrung zurück, als ich zum ersten Mal eine Gospelkirche  besucht habe. Das war 1978,  in den USA. Eine kleine Kirche. Und es war ein Kindergottesdienst. Ungefähr vierzig Kinder waren da, und sechs oder acht Mütter passten auf sie auf; dann dieser Priester, ein sehr großer dicker Mensch, und  zwei Kids an den Instrumenten:  ein neunjähriger  Schlagzeuger und ein zwölfjähriger Organist. Und sie begannen diesen Gospel zu singen. Und  es gab einen Moment in der  Melodie, die sich in einem fort um sich selbst drehte,  einen Moment, der so emotional bewegend war, daß ich ihn nicht singen konnte – es war für mich zu überwältigend! Diese Erfahrung ist bei mir geblieben; und  ich dachte, wenn Musik nicht so machtvoll  ist, dann möchte ich sie nicht spielen  – wenn Musik nicht fähig ist, einen solchen emotionalen Effekt auf mich auszuüben –  und mir ist es egal, wie clever sie ist, wie hip oder modern – wenn sie mich nicht dermaßen bewegt, dann will sie nicht machen!“

    Nachklapp 3: a very handsome chap is telling about travels to Bratislavs with Hejira in his 20‘s, and about the album Brian did with Paul Simon: just click HERE! Ich hatte SURPRISE ewig nicht gehört, und jetzt höre ich hier HOW CAN YOU LIVE IN THE NORTHEAST, und auch WARTIME PRAYERS, und die Songs berühren mich. Ich sollte SURPRISE eine neue Chance geben. Ich mag es, wenn die eigene Wahrnehmung „kippt“!

  • Lichtzeichen

    Seit Ostern war ich auf zwei Klassenfahrten, die dritte steht kurz bevor. Dazu kommen die Abschlussprüfungen und die Vorbereitungen der Zeugnisse; beides für mich etwas aufregender als sonst, da ich in diesem Jahr die Abschlussklasse betreue (mit denen ich in einer Woche in die Toskana fahre – und mich vorher noch auf deren Abschlussstreich durch den Kakao ziehen lasse).

    Ende der Osterferien begleitete ich das Schulorchester zum Probenwochenende auf die Wewelsburg. Wer jemals in der Nähe von Paderborn unterwegs ist, könnte diesem Nest, wo es eine überaus malerische Renaissance Burg gibt, einen Besuch abstatten. Heinrich Himmler war so fasziniert von Burg und Umgebung, dass er dort eine riesige Anlage für verdiente SS Mitglieder plante. Es sind nur erste Ansätze davon fertig geworden: Die beiden Räume im Burgturm – vor allem aber die dazu gehörende Ausstellung – sind mehr als geeignet Jugendlichen die Grausamkeit dieser Zeit vor Augen zu führen.

    Geradezu gegenwärtig werden diese Grausamkeiten, wenn man im Informationszentrum unter dem Holocaust Mahnmal, die Ausschnitte aus Tagebüchern, Briefen und Postkarten jüdischer Mitbürger*innen liest, die zwischen 1933 – 1945 ermordet wurden. Im Mai begleitete ich eine Klasse auf ihrer Exkursion nach Berlin unter anderen an diesen Ort.

    Ansonsten gehe ich gerade viel Spazieren. Vor allem aber wird am Schreibtisch das Schuljahr eingepackt: Listen erstellen, vervollständigen, Zeugnistexte schreiben, Noten errechnen, frisch geschriebenes und lange übersehenes korrigieren, kontrollieren, ob alle Kolleg*innen ihre Zensuren an die richtige Stelle eingetragen haben. Nächstes Wochenende muss alles verschnürt sein.

    Dazwischen die ganzen ungeschriebenen Blog Beiträge:

    Über die Graphic Novel Version der New York Trilogy, die ich mir auf Martinas Post hin gekauft habe und die mir gut gefallen hat. Allerdings ist es hier genau so, wie ich auch das Buch in Erinnerung habe: die erste Episode „City Of Glass“ finde ich deutlich stärker als die anderen beiden Geschichten.

    Über das tolle Album „The Show Must Go On“ von Sam Dees, das ich Norbert abgekauft habe. Selten ein so homogenes und gleichzeitig so vielfältiges Soul Album gehört. Alles ist drauf: Himmel voller Geigen, funky Bläser Sätze, fuzzy Gitarren, himmlische Chöre, talking ballads, tearjerkers, Stücke über Ungerechtigkeiten. Jede*r sollte dieses Album kennen. Deep shit.

    Über die Konzerte von Anouar Brahem (herausragend) und Stereolab (sehr gut) in Hamburg und Berlin.

    Über die Collapse EP von The Utopia Strong. Durch Zufall bin ich an eines der auf 250 limitierten, signierten und mit handgemachten Cover versehenen Alben gekommen – ich glaube nach zwei Stunden waren alle verkauft. Vinyl Fetischismus für Fortgeschrittene. Auf jeder Seite ein kosmisch-psychedelisches Ambient Stück to get lost in.

    Über die drei Alben, die um Weihnachten auf jeden Fall in meiner Jahresliste unter die ersten 10 kommen: Anouar Brahem, DJ Koze, Little Simz.

    Und auch weder über The Young Gods Play Terry Riley, noch über zwei weitere Alben, die mich sehr interessieren und an andere Orte transportieren könnten: Luster (Maria Somerville) und Different Rooms (Jeremiah Chiu & Marta Sofia Honer).