• Das alte Haus in Bergeinöden

    Brian Eno und ich lebten mal in der alten BRD in einer Art „Blase“, Brian 1976 oder 1977 zur Sommerzeit einige Wochen im Weserbergland bei Forst, mit Moebius, Roedelius, und MIchael Rother (bald darauf entstanden nahe Köln „Cluster und Eno“, sowie „After The Heat“, und sogar „Music For Airports“ nahm dort in grossen Teilen Form an. Meine „Blase“ war die Zeit, in der wir „Pioniere“ der Suchttherapie mit dem Inventar der Kognitiven Verhaltenstherapie in Furth i. W. als Gruppentherapeuten aufschlugen, in einem anderen deutschen Niemandsland. Da die Koordinaten dieser Gegend für einen „townie“ wie mich so einzigartig waren wie die Dinge, die sich ergeben sollten, blieb mir vieles, vieles unvergessen zwischen Oktober 1980 und Dezember 1982.

    Wie oft kamen, in alten Mana- und neuen flowflow-Zeiten, Erinnerungen und Stories rund um meine Zeit in Bergeinöden / Arnschwang / Furth i.W. in meinen „Posts“ ins Spiel. Und da hier viele Leute diese Sachen lesen, was in der Birne haben, auch empathiemässig, wissen so gut wie alle, dass, wenn ich einen Text beginne mit „Brian Eno und ich“, es nicht um „Selbsterhöhung“ geht, sondern schlicht um einen launigen „Aufhänger“ für zwei parallele Lebensphasen von zwei „humans“ in good old Germany. Brian zog es danach nach Manhattan, wo er aufregende Jahre verbrachte, und mich über Umwege in meine alte Heimat Dortmund.


    Ein wenig beklommen fuhr ich am 7. Mai 2022 den alten Weg an den knallgelben Feldern vorbei, jetzt ein kleines Wurmloch, und ich hätte meinen hippiebunten VW in der Einfahrt geparkt. Es ist das Haus, das in aufgeputztem Weiss ganz links erstrahlt.

    Das Finale in der Volleyballhalle hatte ich beim Frühstück in kleinerer Runde erzählt, das Drama in kurzen Zügen, auch die Verwünschungen einer Verbitterten – und selbst wenn das eine „Repertoire-Story“ ist, hat meine Erinnerung nie die Kanten geglättet. Es hätte entgleisen können.

    Ich fuhr also um das alte Haus, aus dem eine kleine Häuserzeile geworden ist, herum, und machte ein Foto der Rückansicht über den Acker weg. Nichts an diesem Foto ist besonders, weil es schlicht nicht durch die Zeit springen kann. Ich beschäftige mich halt ein wenig, hantiere, gucke rum, während die inneren Bilder ein umso wilderes Tänzchen aufführen.

    Dann halte ich vor dem Haus an, in dem ich lebte und liebte – aus einer Garage, in welcher ihr Motorrad immer verschwand, waren drei geworden, und eine leichte Leere beschlich mich, von ferne her, vom  Sommer 1982. Der braune Hund sah mich vom gegenüberliegenden Haus, er trottete langsam zu mir, hockte sich vor meine Fahrertür. Ich öffnete das Seitenfenster und streichelte ihm den Kopf: „Alter, ich habe hier mal gelebt. Schön, dass du mir ein bisschen Gesellschaft leistest.“ Das war der Moment, in dem ein paar Tränen flossen. Und noch ein paar. Als ich losfuhr, drehte sich der Hund um und schaute meinem Wagen hinterher. Wir sehen uns im nächsten Leben. 

  • new album of october

    Was haben Aaron Badgley, Tom Phelan, Wyndham Wallace, Leah Kardos, und ich gemeinsam? Wir haben Plattenkritiken geschrieben zu „Liminal“, rundum angetan, zwischen vier und mehr Sternen! Und so ist es nur recht und billig, meinen Text zu „Liminal“ auch bei „album of october“ in unserer Kolumne rechts zu posten, zumal der November für Steve Tibbetts reserviert ist und seine Cd „Close“ auf ECM.

    Mein „sixpack“ der Platten des Jahres 2025 (bisher): 1) Steve Tibbetts: Close / 2) Brian Eno & Beatie Wolfe: Liminal / 3) Anouar Brahem: After The Last Sky / 4) Brian Eno & Beatie Wolfe: Luminal / 5) Jon Balke: Slrifum / 6) Jeff Tweedy: Twilight Override

  • warum ich dieses bild von mir aus dem Jahre 1977 poste


    Der Farbstich, der Gilb, das Ausbleichen: meine Haare waren braun. 2018 entdeckte ich, erstmals nach ewigkeiten, den dazugehörigen fotoband mit den abenteuern einer schwarzgekleideten frau, meiner damaligen freundin. das bild entstand auf einem grossen feld nahe würzburg. es war auch das feld, zu dem ich später zurückkehrte, als die tränen flossen. aber ich sehe an meinen augen das glück des verliebtseins. der soundtrack unserer liebe (1975-1978), in vier alben zusammengefasst: Desire, Zuma, Yellow Fields, Taking Tiger Mountain (By Strategy)! diese scheiben liefen damals rauf und runter, zuma und desire liefen schon lange, bevor ich für eine weile ihr herz eroberte und nur träumte, träumte und ihr eine einladung zu einem wim wenders film sandte (sie wohnte im gleichen wohnheim). dort im kino sollte es beginnen.

    Tatsächlich gibt es aus diversen Gründen extrem wenig Bilder aus meinem Leben zwischen dem 12. und 32. Lebensjahr. Dabei waren das bewegte, wilde Jahre. So selten stosse ich auf ein Foto von mir aus jener Zeit, und wenn es passiert, öffnet sich gleiche eine kleine grosse Geschichte dazu voller Gefühle, Empfindungen, flashbacks. Es ist eins, wenn man solche Dinge erzählt, es ist noch etwas anderes, wenn man unverhofft in die Augen eines jüngeren Ichs aus lang vergangenen Sommern blicken kann.

    Das Königsallee-Foto, zwei Tage ist es her, hat jetzt auch seine Story erhalten.

  • Pino Palladino und Blake Mills in Leipzig


    Mein erster Besuch bei den Leipziger Jazztagen hätte kaum angenehmer sein können. Zunächst einmal möchte ich hervorheben, wie wunderschön das UT Connewitz ist, in dem die Veranstaltung stattgefunden hat.

    Es ist ein ganz kleiner, etwas abgeschabter Raum, der bei mir sofort Erinnerungen an das Moka Efti aus Babylon Berlin geweckt hat. Da hätte deren Tanzmarathon in jedem Fall auch gut hineingepasst.

    Das Konzert von Pino Palladino und Blake Mills war mir auch eine große Freude. Es ist einfach etwas Wunderbares, so passionierten Musikern bei dem zuzusehen, was ihnen das Wichtigste zu sein scheint.

    Mir hat besonders gefallen mit welcher Ausdauer und Hingabe Pino mit dem Kopf wippt, wenn er Bass spielt. Außerdem sieht das bei ihm wirklich ausgesprochen leicht aus. Er trug dabei auch Sonnenbrille und Schirmmütze – sehen muss er sicher nicht, was er spielt. Alle Musiker hatten eine große Leichtigkeit in ihrem Spiel, und der ganze Abend war so ziemlich das Gegenteil von manieriert. Das hat mir sehr zugesagt.

    Es waren tatsächlich sehr jazzige Stücke, vor allem am Anfang, die sie gespielt haben. Von den beiden Alben, habe ich gar nicht so viele erkannt. Womöglich haben sie diese auch noch etwas abgewandelt. Es hatte sehr den Charakter einer Jamsession, was schön war. Außerdem haben sie auch nur fast instrumentale Stücke gespielt. Blake Mills hatte nur zwei-,  dreimal etwas wortlosen Gesang hinzugefügt.

    Ein besonders witziger Moment war, wie Blake Mills einen Schluck Wasser nahm und der Perkussionist das dann sehr echt vertont hat, woraufhin auch alle anderen dem gleichkamen, wieder mit Vertonung durch den Drummer!

    erlebt und geschrieben von Ella Edelmann

  • Lose-Fäden-Notizen um mehrere Leerstellen

    Als ich vor ein paar Tagen überlegte, ob ich den Namen des diesjährigen Nobelpreisträgers für Literatur, László Krasznahorkai, schon einmal gehört hatte, denn gelesen hatte ich noch nichts von ihm, fand ich die Verbindung über einen seiner Buchtitel: Sátántangó. Zwar habe ich den Roman nicht gelesen, aber es gibt eine mehrere Stunden dauernde Verfilmung von Béla Tarr, wobei ich zwar vor Jahren staunend einige Filme von Béla Tarr gesehen habe, aber in Satanstango, sein Hauptwerk, habe ich nur die ersten Minuten hineingeschaut und wollte den Film ein andermal ganz sehen. Tatsächlich wurde ich in einem Ordner fündig: In dem wunderbaren Portrait Béla Tarrs in der Zeitschrift film-dienst (Ausgabe 23/2009), „Der nackte Mensch. Filmen am Rande des Nichts“ von Hans-Joachim Schlegel, wird László Krasznahorkai als jemand erwähnt, der für Béla Tarrs Entwicklung so wichtig war und der in der Natur „einen Bruder des zur Einsamkeit im Nichts verurteilten Menschen“ entdeckte. Eine zentrale Verbindung der beiden sehe ich nun, da ich den Anfang einer Erzählung aus dem Band „Seiobo auf Erden“ gelesen habe, die von einem in einem Fluss reglos stehenden Reiher handelt, in der Herausnahme der Geschwindigkeit, also in einer Art von Beschreibung, die die Wahrnehmung verlangsamt und über die Wahrnehmung hinausgeht, so wie die langen Einstellungen in den Filmen von Béla Tarr irgendwann einen Zeitpunkt überschreiten, was dazu führt, dass wir mit eigenen Überlegungen in Kontakt gebracht werden, und zwar auf eine solche Art, dass wir eine innere Verbindung mit dem, was wir gar nicht gesehen haben, aufbauen als eine Erfahrung, die sich mit der Erinnerung an den Film verbinden kann, so wie der endlos scheinende Blick auf die Tür einer Hütte in einer der letzten Szenen von „The Man from London“ (Drehbuch von Béla Tarr und László Krasznahorkai, nach einem Roman von George Simenon). Die Folgen der Geschwindigkeit auf Individuum und Gesellschaft hat Paul Virilio zu seinem Hautthema gemacht. In dem schönen Merve-Büchlein aus dem Jahr 1978 „Fahren, fahren, fahren…“, Lajla hatte es mir vor vielen Jahren empfohlen und kürzlich habe ich es endlich gelesen, heißt es unter anderem, dass die Geschwindigkeit die Identität zugunsten der Konformität herabsetzt. Die hohen Geschwindigkeiten schieben, so Virilio, die Bedeutungen ineinander, bis sie sich schließlich ganz auflösen, wie das Licht die Farben auflöst.

  • Königsallee, 6.15 Uhr


    Selten genug, durch eine Stadt zu streifen, in früher Niemandsstunde. Ich kann gar nicht sagen, wie müde ich war, als ich in die Steinstrasse fuhr Richtung Carlsplatz. Da wenigstens, dachte ich, würde schon ein „eary bird café“ zu finden sein, im Herzen der schläfrigen Altstadt. Fehlanzeige

    Ich hatte unsere Pflegetochter zum Flughafen gefahren, mit wenig Schlaf vorab. Jetzt trieb ich durch diese dunklen Strassen, fand irgendwann eine Bäckerei, ein Hauch von Schlaf im Toyota, und schellte um 7.30 Uhr die Frau aus dem Bett, die schon zwanzig James Lee Burke-Romane gelesen hat. Ich war natürlich angemeldet. Nach dem allerfeinsten Frühstück noch eine Pause, aber richtig frisch sollte ich, übernächtigt, wie ich war, nicht mehr werden.

    Ich fuhr zu Mister Minty, einem der wunderbarsten Schallplattenläden in NRW, um 100 Platten zu verkaufen, die natürlich individuell gesichtet, geprüft, bewertet werden. Wir hatten ein kleines Gespräch, was wie immer, mit Günter Herke, herzlich verläuft, ob man über den Wahnsinnin der Welt spricht, über den Taylor Swift-Mainstream in der ansonsten geschätzten SZ (was waren das für Zeiten, mit Karl Bruckmaier, als im Feuilleton noch Musik entdeckt wurde!), über Robert Forster (wir haben beide eine besondere Story mit dem einstigen Go-Between), und verabredeten uns für die Vorweihnachtszeit bei dem anderen „Robert“, dem Restaurant am Rheinufer. Dann aber ausgeschlafen meinerseits!

  • Happy / Sad

    Es ist lange her, als ich ein Interview mit Tim Buckley las. Er begeisterte sich darin, Mitte der 1970er Jahre, über die Solopianomusik von Keith Jarrett. Anrufungen waren das für ihn, „evocations“ – und als er zu seiner eigenen Freiheit gefunden hatte, etwa auf „Happy Sad“ von 1969, jetzt grossartig aufbereitet von Rhino für das Vinylformat, da konnte man getrost auch von „evocations“ , Beschwörungen sprechen. Das Album war an mir vorübergegangen. Wonderful and deep and floating! Mit jenem „Jazzflirren“, das auch Van Morrisons „Astral Weeks“ durchströmte. Und der Gesang war ebenso einzigartig. Um nicht die anderen Instrumente zu Schattennummern zu machen, hört man seine Stimme zu Beginn von „Gipsy Woman“ wie aus weiter Ferne. Es war eines seiner letzten Interviews. Er hatte kaum noch Zeit. Er starb kurz darauf, im Juni 1975.

  • „Everything that sinks will float“

    Simple instruction for the casual and recurring reader: stroll down this side and see: The Mountain Goats, Brian Eno & Beatie Wolfe, Robert Forster, Steve Tibbetts, Joe Meek, Thomas Pynchon, and „Wayfaring Stranger“. What can one want more? Well, maybe the forthcoming duo album by John Scofield and Dave Holland on ECM. And Rafael Toral! And Roger Eno‘s „Without Wind, Wthout Air“. Letzteres zeigt Bruder Roger einmal mehr auf einem kreativen High, was seine Soloalben aus dem Hause Deutsche Grammofon betriftt, eines so ergreifend wie das amdere, und immerzu findet er neue delikate Einsamkeiten. Erhebend! (m.e.)

    Ah, yes, that headline sounds like flowflow’s daily mantra!

    Nautical disaster and spiritual redemption in conceptual 23rd. And conceptual they like to go, may I add. i followed the ways of the Mountain Goats from the very beginning in my radio days. One of many hghlights were „The Sunset Tree“, now 20 years backwards in time and appropriately reissued this autumn. But a new album is always worth a look, a listen, an hour in the evening. I do reccommend the bluewater vinyl edition. (M.E.)

    “Cold At Night“


    In the world but not of it any more
    Starving to death down by the shore
    Prehistoric insects trapped in ice
    Letting the hunger claim its price
    Sixteen to three now down to two
    Soon it’ll just be you

    John Darnielles umfangreiche Diskografie reicht mittlerweile von DIY-Kassetten bis hin zu diesem geplanten Musical über ein schwindendes Trio von Schiffbrüchigen, komplett mit orchestraler Ouvertüre und Broadway-Star Lin-Manuel Miranda. Es ist eine qualvolle Metapher für die Vergänglichkeit der Menschheit und die kosmische Sterblichkeit. „One day the stars will go out“, singt Darnielles namenloser Erzähler, worüber zukünftige Propheten berichten werden. Aber während sich die Katastrophe für diese unvorbereitete Moderne zuspitzt, gehört das sanfte New-Orleans-Blechbläserensemble der 70er Jahre in „Through This Night“ zu den musikalischen Balsamen. Während die samften Streicher anschwellen, erklingt der Vers, „everything that sinks, will float“. (Nick Hasted, Uncut, December)

    “Armies Of The Lord“

    I am sitting on the floor of my minimum wage job mindlessly replacing paper price tags with digital price tags it’s 1:42 Am. I am happy to be here I am happy to know that I can listen to this new song even with six hours left on my shift and I’m happy that music like this brings people solace. (Mewziana, youtube comment)

  • Brian Eno and Beatie Wolfe go „Liminal“

    „A quiet life where
    We can blend
    Hidden thoughts
    With sweet lament“
    (from Shudder Like Crows)

    A manageable arsenal of instruments, essentially synthesizer and guitar. Two defining instruments of rock history—and nothing seems to have been told to an end yet. If anything has completely disappeared from the duo’s expeditions, it is tempo, action, and turmoil. Everything, including the vocals, is imbued with slowness, a sense of adventure and the unknown.

    But first things first: after their song cycle “Luminal,” a kind of “electric country dream music” in which the private and the political are closely intertwined in dark times; after the purely instrumental large-scale composition “Lateral,” with its subtly eerie prairie spaces, Brian Eno and Beatie Wolfe now present their third coup. “Liminal” is an exciting collection of immensely rich “instrumentals,” songs, song-like pieces, and the thin places in between. Each composition reveals a different sphere: lament, primeval fantasy, dream story, at one time probably the most verbose breakup song in recent pop history, set in a laundromat! Or is the narrator just caught in a dream? “Liminal” surprises at every turn.

    And we know / what it means to be dust / Watch it sleep / In the last part of us“. Although we are confronted time and again with finitude, decay, and darkness, in verses that pose many a riddle and could serve here and there as new koans for Zen students, it is quite an uplifting experience to dive into these breathing things and sounds. With Eno being a kind of nighttime painter with a knack for „the soul in the machine“, the guitar, folksy and meditative, is no miles and moons away from legendary campfires moods: a quiet joy, and more than a quantum of solace.

    The voice, close-miked,  has an unexpected range of  intimacies to offer, but is not really reliable, coming along like an uncanny entity, ghost-like, a figure from a dream, a meditation on human fragility, a delicate splash of colour.  What a seamless balance between the moments on the brink, and the almost warm-hearted adventures with „oceanic“ vibes in between!  Exit strategies for sheer amazement are hard to find on this visionary, wild and strangely relaxed ride!

    Michael Engelbrecht, Deutschlandfunk