• Radio on

    Listen now! (Ein Klick genügt hier)

    klanghorizonteplaylist in sequence: Flora / Luminal / The Jewel In The Lotus / Loose Talk / New Vienna / Luminal / Lateral (Big Empty Country) / special guest: Beatie Wolfe / Sprecherinnen: Christiane Nothofer & Nina Lentföhr / Tontechnik: Malte Wiegert / Redaktion: Thomas Loewner /

    Beatie Wolfe‘s „Notting Hill solo talk“ can now be heard in the column TALK as part of our Monthly Revelations (June). Music of „Klanghorizonte“ by Beatie Wolfe & Brian Eno, Hisroshi Yoshimura, Bennie Maupin, Amelia Barratt & Bryan Ferry, and Keith Jarrett

  • Mitten im Leserausch

    Dies ist keine Romanbesprechung. Denn ich bin erst auf Seite 257. Und der Kriminalroman hat 571 Seiten. Federico Axat wurde 1975 in Buenos Aires geboren, wo er auch heute lebt. Das ist das erste Buch, das ich von ihm lese. Keine Spoilerei, keine Sorge. Die Geschichte beginnt mit einer enorm erfolgreichen Journalistin (zwei Emmys für investigative Fernsehbeiträge – na ja, okay!), die sich aus ihrem Beruf zurückzieht, und es dann doch nicht sein lassen kann. So weit, so bekannt. Eine Jugendliche ist verschwunden, man spricht von Suizid, aber daran bestehen gehörige Zweifel. Okay, das ist erstmal klassisches Krimi-Terrain.

    Aber dann passiert mir dieser „switch“, dass ich plötzlich in der Story drin war. Axat hat einen angenehm intelligenten, unprätentiösen Schreibstil mit einer Prise Humor und der Fähigkeit, seine Figuren ernst zu nehmen. Das ganze Feld vibriert mit dem Zauberwort „coming of age“. Die junge Clique, die sich über Musik und Freundschaft findet, droht zu zerreissen, als ein Drama viral geht. Eine Protagonistin ist die nur musikalisch frühreife Janice, die nicht zufällig zu ihrem Namen gekommen ist und in Joplins Album „Pearl“ viel mehr von sich findet als in den keimfrei geschliffenen Pop-und-Country-Preziosen einer Taylor Swift. „I pulled my harpoon out of my dirty red bandana / I’s playin‘ soft while Bobby sang the blues / Windshield wipers slappin‘ time…“ Wie Musik als Bindemittel einer kleinen, halbverschworenen Gruppe von Teenagern fungiert, das hat was!

    Dann das Ende all dieser Träume ewiger Verbundenheiten, das Ende der Jugend nah: ich fühle mich hier und da angenehm erinnert an meinen Lieblingsfilm „Absolute Giganten“. Ich mag es, wie der Autor aus manch unscheinbarer Figur vielschichtige Momente hervorzaubert. Der Aufbau der Spannungskurven funktioniert auch dank zweier faszinierend in Szene gesetzter Zeitebenen, angesiedelt vor und nach dem Verschwinden der hochintelligenten Sophia (hochintelligent, Zentrum der Clique, der diversen Handlungsebenen, Schlüsselfigur mit erstaunlich früh gebildeter Menschenkenntnis und detektivischem Talent – sie heisst auch noch Holmes, fällt mir echt erst jetzt auf).

    Und so bin ich jetzt mittendrin, auf Seite 257, hoffe, dass Sophia keinen schlimmen Scheiss gebaut hat und noch lebt – und schreibe diese Zeilen im Wartezimmer einer ungemein sympathischen, extrem gutaussehenden Augenärztin. Zumindest in diesem autobiografischen Fall werde ich alle Rätsel auflösen (ich bin vielleicht viermal in meinem Leben bei Augenärzten gewesen, zweimal davon mit sechs oder sieben Jahren): normaler Augeninnendruck, mit Brille komme ich links zumindest auf 100 Prozent, Anfang eines Grauen Stars (muss nicht operiert werden), kein Grüner Star. So weit, so gut, so altersgerecht! Jetzt aber ratzfatz zurück in mein erstklassiges Leseabenteuer, dem wahrscheinlich besten Psychothriller seit „Der Gott des Waldes“ von Liz Moore! Ein Fall nicht nur für Sylvia aus meiner Klartraumgruppe!

  • those were the days, Folge 472

    1 – Being There in 1970

    Das Problem beim Isle of Wight Festival 1970 war, wie man wieder von dort wegkam. Am Morgen des Montags, dem 31. August, vor genau 55 Jahren, wollten etwa 600.000 Fans versuchen, die Insel zu verlassen. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde die Warteschlange für die Fähre von Ryde nach Portsmouth einer weniger frostigen Version von Napoleons Armee ähneln, die sich aus Moskau zurückzog.

    Ich hatte das Festival zusammen mit meinem Freund Geoffrey Cannon besucht, dem damaligen Rockkritiker des Guardian. Ich war einer von drei Melody Maker-Autoren, die über das Festival berichteten; die anderen waren Chris Welch und Michael Watts. Der arme Watts, ein Neuzugang, war zu einem Campingausrüstungsgeschäft in Holborn, gleich um die Ecke vom Büro, geschickt worden und hatte genug Geld bekommen, um sich mit einem kleinen Zelt und einer Schlafrolle auszustatten. Seine Aufgabe war es, die Geschichte aus der Perspektive der Kids auf dem Hügel zu erzählen.

    Welch und ich machten uns Notizen in dem relativ komfortablen Bereich, der für VIPs und die Presse vor der Bühne reserviert war, und genossen es, Miles Davis vor mehr als einer halben Million Zuschauern zu sehen, deren Durchschnittsalter wahrscheinlich bei 20 lag. Und dann waren da noch Joni Mitchell, The Who, Richie Havens, John Sebastian und der Rest eines außergewöhnlichen Line-ups.

    Geoffrey und ich mussten beide am Montagmittag in unseren jeweiligen Büros sein, und er war es, der eine brillante Lösung fand. Er rief die Flugschule am Flughafen Portsmouth an und fragte, ob sie ein Flugzeug hätten, das uns abholen und über den Solent fliegen könnte.

    Die Flugschule konnte seinem Wunsch tatsächlich nachkommen, und wir wurden gebeten, uns um etwa sechs Uhr morgens, vielleicht auch etwas früher, zu melden. Nachdem wir das Festival verlassen hatten und zum nahe gelegenen Flugplatz Bembridge gekommen waren, saßen wir in einer Hütte neben der Graslandebahn und warteten auf die Ankunft unseres Flugzeugs.

    Wir waren erst seit ein paar Minuten dort, als eine Limousine vorfuhr. Daraus stieg Jimi Hendrix, immer noch in den bunten Seidengewändern, die er nur drei oder vier Stunden zuvor auf der Bühne getragen hatte, wo er einen Auftritt gegeben hatte, der schlecht begonnen hatte, sich aber schließlich zu etwas entwickelt hatte, das diejenigen, die es gehört hatten, nie vergessen würden (zum Glück wurde der gesamte Set gefilmt).

    Auf Jimi wartete ein Hubschrauber. Er stieg ein und verschwand im nebligen Morgengrauen. Achtzehn Tage später, nachdem er von Auftritten in Dänemark und Westdeutschland nach London zurückgekehrt war, war er tot.

    Kurz nach seiner Abreise aus Bembridge tauchte unsere einmotorige Cessna auf und wir flogen los. Ich nehme an, wir teilten uns ein Taxi von Portsmouth nach London und setzten es als Spesen ab, ebenso wie die Kosten für das Flugzeug, die sich einschließlich Landegebühren auf neun Pfund und sechs Shilling beliefen. Die Rechnung wurde auf Geoffrey ausgestellt. Irgendwie habe ich es geschafft, sie in den letzten fünfeinhalb Jahrzehnten aufzubewahren.

    2 – Listening to Agharta in 2025

    (Es gibt nicht viele Berufe in den Medienlandschaften des Radios und der Journaille, die ich mir erfüllender vorstellen kann als gute dreieinhalb Jahrzehnte nach der schönsten Musik der Welt zu suchen und sie sinnlich und geschichtenreich zu präsentieren. Zur Melody Maker-Crew zu zählen zwischen 1967 und 1980 ist einer der Jobs, den ich allerdings, ohne mit der Wimper zu zucken, vorgezogen hätte. – m.e.)

  • Monthly Revelations (September)

    Es liegt nun die Jubiläumsausgabe vor eines Triumphs von John Prine im mittleren Alter. 1991 feierte er nach langer Abwesenheit ein erfolgreiches Comeback, als er sich an Tom Pettys Sideman Howie Epstein wandte, um „The Missing Years“ zu produzieren. Mit Benmont Tench von den Heartbreakers an Bord gewann das Album einen Grammy, und vier Jahre später tat sich das Trio erneut zusammen, diesmal mit Marianne Faithfull als Backgroundsängerin, um „Lost Dogs + Mixed Blessings“ aufzunehmen. Angeführt von dem teilweise gesprochenen „Lake Marie“, das Dylan als seinen Lieblingsmoment von Prine bezeichnete, sind Songs wie „Ain’t Hurtin’ Nobody“, „Quit Hollerin’ At Me” und „Big Fat Love” vielleicht etwas ausgefeilter als seine üblichen Nummern, aber die Wärme, der Witz, der Humor und die Menschlichkeit, die sein Markenzeichen waren, sind hier in Hülle und Fülle vorhanden auf einem Album, das zusammen mit „The Missing Years” zu den Höhepunkten seiner Karriere zählt. Soweit diese kleine Abschweifung zu unserer Buchempfehlung des Monats. Alle weiteren Empfehlungen finden sich in unseren „marginalen Kolumnen“! Schönes Stöbern!

  • My 20 favourite albums of 2025 (revisited and so far)


    Diese Liste ist einfach durchweg meiner Wahrnehmung geschuldet, anderes habe ich nicht, Konsensalben nehme ich am Rande wahr, und freue mich über seltene Übereinstimmungen. Also: für die Damen und Herren der flowflow-Gemeinde hier meine durchdachte, „gerankte“ Liste der 20 Juwelen des Jahres, als Inspiration für den vorweihnachtlichen Jahresrückblick. Bis dahin erscheint der dritte Streich von Brian und Beatie, und was nicht noch alles. Aber dass noch ein Werk rauskommt, dass es mit meinen drei Alben des Jahres aufnehmen kann, bezweifle ich dezent. Sechs-Sterne-Alben wie diese sind halt selten, auch in meinem Universum.

    1. Steve Tibbetts: Close
    2. Beatie Wolfe & Brian Eno: Luminal
    3. Anouar Brahem: After The Last Sky
    4. Jeff Tweedy: Twilight Override
    5. Lucrecia Dalt: A Danger To Ourselves
    6. Jon Balke: Skrifum
    7. The Necks: Disquiet
    8. Brian Eno & Beatie Wolfe: Liminal
    9. Jan Bang & Arve Henriksen: After The Wildfire
    10. Benedicte Maurseth: Mirra

    Elf: Jeremiah Chiu & Marta Sofia Honer // Zwölf: Jonathan Richman: Only Frozen Sky Anyway // Dreizehn : Mercereau – Johnson – Niño: Openness Trio // Vierzehn: Tortoise: Touch // Fünfzehn: Chicago Underground Duo: Hyroglyph // Alabaster dePlume: A Blade Because // Sechzehn: Cate Francesca Brooks: Lofoten // Siebzehn: Saul Williams meets Carlos Niño and Friends… // Achtzehn: Henriksen – Seim – Jormin – Ounaskari: Arcanum // Neunzehn: Modern Nature: The Heat Warps // Zwanzig: Ludwig Berger & Vadret De Morteratsch: Crying Glacier

  • The story behind „Music For Films“


    THE STORY

    In jenem legendären, einsamen Sommer (oder war es schon Herbst), in dem „Music For Films“ erschien, lebte ich in einer leergeräumten Wohnung, in der die Schatten einer alten Liebe noch an der Wand tanzten. Allmonatlich kaufte ich die „Sounds“, die beste Musikzeitschrift der alten Bundesrepublik. Ich stöberte durch die jüngste Ausgabe, als mein Blick auf eine kleine Werbung der Firma Polydor fiel: „Der Mann im Hintergrund“, war da zu lesen, so flüstert es mir meine Erinnerung ein, ein monochromes graues Cover war abgebildet – Music for Films wurde mit kalkuliertem Understatement verkündet. Sofort bestellte ich die Platte bei einem meiner zwei Dealer, in Unterlüss. Der andere Postversand war Jazz by Post in der Gleichmannstrasse 10 in Pasing, von dort kamen mir über Jahre u. a. viele ECM-Neuheiten ins Haus, die Schatztruhe der 70er Jahre war weit geöffnet. Unterlüss war für die Rockmusik und ihre Ränder zuständig. Zwei, drei Tage später hielt ich Music for Films in Händen. Und hörte sie zum ersten Mal.

    Ich habe diese Platte mit ihren flüchtigen und mich auf jede Flucht mitnehmenden Skizzen, ihren vollkommenen Unfertigkeiten, ihren Sehnsuchts- und Angst- und Traumstoffen seither unendlich oft gehört, bewusst, unbewusst, im Hintergrund, im Seitengrund, Im Vordergrund. Beim Wandern (mit Knopf im Ohr), beim Schreiben, beim Einschlafen, Wachwerden, in der Fremde. Und als Alternative für „die Zigarette danach“. Beim ersten Hören wusste ich damals schon, 1978, dass diese Musik lebensbegleitend sein würde. Sie wurde rasch auch eine Medizin, sie half mir, mit den nackten Schatten an der leeren Wand zu tanzen, statt sie zu verscheuchen.

    Und als damals ein Riese mich aus dem Bett und meiner Wohnung im 7. Stock schleudern wollte, ich meinen Geist vergeblich mit Kakao zu beruhigen suchte, der Alptraum aber wiederkehrte, und ich mir einen heißen Grog machte mit dem guten alten Pott, mit dem Auto auf einen großen leeren Acker in der Nähe von Würzburg fuhr, dort den Sonnenaufgang erlebte und  meine einzige tief anrührende Begegnung mit einer Kantate von Bach aus dem schräpigen Autoradio hatte, und hernach in die Alpdruckwohnung heimkehrte, legte ich Music for Films auf, und erlebte, wie sich die vollkommen irrationalen Glücksgefühle, die sich schon auf dem kühlen Morgenacker aufgetaucht waren, weiter ausbreiteten, und ich mich gar freute auf die nächste Begegnung mit dem Riesen.

    (Wer ganz oben auf „The Story“ klickt, hört, was Brian Eno mir vor ein paar Jahren über „Music For Films“ erzählte, und wie eng die Musik mit den Aufnahmesessions von „Another Green World“ verknüpft war. Es ist ein Fakt, dass kein Album öfter in den Klanghorizonten von mir in all den Nächten zwischen 1990 und 2021 gespielt wurde als diese beiden. Es ist ein Fakt, dass ich in meinem Leben kein Album öfter gehört als diese beiden.)

    „The passage of time
    Is flicking dimly up on the screen
    I can’t see the lines
    I used to think i could read between
    Perhaps my brains have turned to sand“

  • The Strange World of Common One

    With Pee Wee Ellis now fully on board, Morrison recorded his 1980 album, Common One over 11 days in a converted (and apparently haunted) monastery high up in the French Alps. Morrison had evidently been listening to Miles Davis’ In A Silent Way because that proto-fusion classic is all over Common One – but is especially noticeable on this closing track. According to Ellis, the song was improvised and recorded on the spot, with no real direction from Morrison aside from informing the band that there was neither key nor tempo and that he wanted something “different” from the “normal stuff.”  The result is 15 minutes of minimalist ambient jazz, over which Van recounts another of his mystical visions, until, once again, he is transported beyond mere words and is reduced to whinnying into his harmonica like an animal in pain and/or ecstasy.

  • The Making of Strawberries


    „Robert Forster – like anyone who has watched parents die and loved ones suffer – knows that the worst is never over. However, Strawberries concludes that raging against the dying of the light is a mug’s game; the only sensible response to mortality and pain is to live (and love) harder. […] Forster is writing some of the best songs of his life.“
    (Jim Wirth, MOJO)

  • Close (3)

    We Begin
    We Begin
    We Begin

    Away
    Away
    Away

    Remember
    Remember


    Somewhere
    Somewhere
    Somewhere


    Anywhere


    Everywhere
    Everywhere
    Everywhere
    Everywhere
    Everywhere


    Remember and


    Remember and Wish


    We End

    Samuel Beckett hat einst auch kurze Gedichte geschrieben. Er kannte Gomringer. Er kannte sowieso die Kunst der Verknappung. Diese Tracklist stammt aber nun von Steve Tibbetts’ Ende Oktober stammendem Album „Close“. In weissen Buchstaben sind diese 20 Stücke gelistet, über zwei Seiten. Wobei, anders als hier, dem jeweiligen Titel, untereinander, die einzelnen Teile angefügt sind, „Part 1“, „Part 2“, „Part 3“ beispielsweise. Weiss auf schwarzem Hintergrund.

    Halten wir fest: ungewöhnlich ist diese Tracklist allemal. Nehmen wir sie spasses- wie ernsteshalber als ein Gedicht: hätte Gomringer es in einem Büchlein untergebracht (oder Beckett in seinen Kurzgedichte, niemand hätte an der Echtheit gezweifelt. Die Freunde klassischer Poesie rollten damals sowieso mit den Augen, wenn solch ernüchternde Wortanordnungen ohne raffinerte, vielschichtige Ebenen, als Poeme hingestellt und verkauft wurden.

    Hätten wir diesen Text (ein Spiel der Imagination) im Abitur serviert bekommen, hätten wir ihn seitenlang interpretiert. Als Zeit zwischen Anfang und Ende, zwischen Geburt und Tod. Wir hätten sprachlich die Ortungen von Somewhere, Anywhere, Everywhere auseinandergepflückt. Es gibt, bei aller Schlichtheit, keine Ordnung, keinen Plan, es gibt Bewegungen in Raum und Zeit, und erst zum Ende hin entsteht eine Art Überraschung. Remember and. Und was bitteschön?! Remember and Wish. Ah, Wünsche kommen ins Spiel, mit einem Augenzwinkern könnte man sagen, die Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat. Remember geht in unserem Zeitpfeilen nach hinten, Wünsche gehen „nach vorne“. Dann ist aber auch schon (in diesem Gedicht alles vorbei. We End.

    Hier kommen wir zur Verbindung von Tiitel und Musik. Hätte mir jemand die zwanzig Musikstücke zum Hören gegeben, mit der Herausforderung, ich möge das Stück, das den Titel „Remember and Wish“ trage, unter ihnen herausfinden, es wäre mir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gelungen. Aus diesem einen Stück springt einen das Wünschen geradezu an, in einem Motive, das nichts mit einem Evergreen zu schaffen hat.

    All diese Worte „nur“ Worte. Wegzeichen. Markerungen. Marker. Mental Notes. Irrwege. Phrasen.

    Höre die Musik: DAS IST DER BURNER!

  • “Close“ (2)

    Es ist schon ein paar Jahre her, als „Life Of“ von Steve Tibbetts erschien, so ruhig und in sich versunken wie einst „Northern Song“, doch ganz anders gewoben und gearbeitet. „Even the silences were different.“ Ich konnte mich wohl gerade noch beherrschen, den berüchtigten Satz von mir zu geben (oder ich habe ihn tatsächlich rausgehauen?!): „he has painted his masterpiece“. Nun, nach den ersten Reisen durch sein Ende Oktober erscheinendes Album „Close“ kam mir dieser Ladenhütersatz wieder in den Sinn, und einmal mehr hätte ich gute Gründe dafür.

    Seit „Safe Journey“ warte ich auf Werke von Steve Tibbetts mit der gleichen Erwartungslust wie, einst oder immer noch, auf Alben von Brian Eno, Robert Wyatt oder Scott Walker. Ich kann in vielen Arbeiten des Gitarristen hausen, leben, herumstreunen, wie in einem grossen Abenteuer. Keines seiner Alben hat sich je abgenutzt, und jedes neue Opus legt neue Horizonte frei. So wartete ich auch diesmal, zum Ende hin immer ungeduldiger, auf „Close“. Als es dann möglich war, die Musik als Journalist vorab zu hören, war ich gerade auf dem Weg zum Rursee, wo ich sehr gerne schwimmen gehe, tief in der Eifel. Aner natürlich wollte ich es in aller Ruhe hören.

    Wir erlebten launige Stunden am See, und irgendwann nahm die Hitze zu. Ich holte mir eine Cola, und dachte mir, komm, ich höre mir mal auf dem Parkplatz die ersten Stücke an. Gesagt, getan. Ich lauschte „We Begin – Part 1“, „We Begin – Part 2“, und „We Begin, Part 3“. Nicht, weil unsere Pflegetochter inzwischen von einer Wespe gestochen wurde (das erfuhr ich erst Minuten später): nein, ich drückte auf die „Stop“-Taste, weil mich die Musik dermassen packte, dass ich am liebsten in die Sounds hineingekrochen wäre, wie einst vielleicht an der Seite von Jules Verne in eine Höhle auf seiner „Reise zum Mittelpunkt der Erde“. Ich wollte mich verlieren in dem einzigartige Gewebe dieser leisen wie wilden Sounds. Es gibt ja auch den kleinen Schock des Ergriffenseins, und schliesslich musste ich an diesem Nachmittag noch gut funktionieren, Kühlpacks besorgen und Marjans leichte Unterzuckerung beenden. Ich schreibe hier munter drauflos, aber ich war in jenen Minuten auf seltsame Art sprachlos. Die grosse Reise holte ich daheim am späten Abend nach, vom ersten bis zum letzten Ton. Und dann dieses Cover mit all seinen Dunkelheiten und speziell ausgeleuchteten Winkeln – „fairytalelike“ – wohl eine noch gelungenere Einladung, „Close“ kennenzulernen als all meine ausufernden Worte!