• The exciting two albums of Mr Henderson from the 70‘s

    In meiner Erinnerung wurden die beiden Alben „Horn Culture“ von Sonny Rollins und „Multiple“ von Joe Henderson auf der gleichen Seite in einer alten Ausgabe des Jazzpodiums besprochen. In meiner Erinnerung bekam Sonny die vollen fünf Sterne, und Joe viereinhalb. Bei mit war es damals und ist es heute noch andersrum. Ernst beiseite, „Horn Culture“ ist auch ein tolles Album! Wie „Multiple“ ist auch „Horn Culture“ auf dem Label „Milestone“ erschienen, anno 1973. Bisher noch keine „reissue“! Im übrigen fällt mit auf, dass ich im folgendem Text vergessen habe, meiner Begeisterung über Larry Willis‘ Rhodes-Piano Ausdruck zu verleihen!

    Ich kenne seine Lebensgeschichte nicht, aber es verwundert schon, dass er in den Siebziger Jahren so wenig Musik aufnahm. Ein Werk namens Canyon Lady“ kam mit illustrer Besetzung und all seinen „latin vibes“ nicht an seine zwei „milestones“ aus jenem Jahrzehnt heran. Ich stiess auf ihn fast zufällig, als er schon lange Geschichte geschrieben hatte auf dem Label Blue Note, als Leader und Sideman ein tonangebender Meister des Saxofons, auf etlichen Klassikern.

    Dann, als die Zeit der „fusion music“ anbrach, Jazz und Rock und Funk und „weissderkuckuckwasalles“ sich in kühnen Amalgamen fand, vom „elektrischen Miles“ bis „Weather Report“, da tauchte auch Joe Henderson auf. Er dachte sich aber nicht, dass er jetzt mal was Modernes für die Kids machen würde.

    Joe suchte sich Produzenten, die das Studio auch als Spielwiese begriffen und nahm zwei Alben auf, die das pure Feuer waren und auch sonst der griechischen Lehre der Elemente tollkühne Klänge folgen liessen: „The Elements“ hiess das eine Werk, das mit erlesener Bande, mit Alice Coltrane, Charlie Haden und Co. Wasser, Erde und Luft folgen liess. So mitreissend und deep wie „Brown Rice“ von Don Cherry oder „Love, Love“ von Julian Priester.

    Das andere Album, „Multiple“, umarmte nicht ganz so ferne Horizonte, und war gleichermassen wild, funky, herzergreifend (dieser warme Ton, selbst wenn er die Luft zerriss, in ausgewählten Momenten of „overblowing“! ). Am Bass Dave Holland (vor Tagen noch, the old fire still burning, an der Seite von Anouar Brahem in Hamburg), am Schlagwerk Jack DeJohnette.

    Diese beiden Alben sind in den letzten Jahren als Schallplattem neu aufgelegt worden, „Multiple“ zuletzt, feines Remastering durchweg, und was das Schönste ist: die Musik nimmt mich heute genauso gefangen wie damals in dem Siebzigern, als ich darüber las, im Jazz Podium, und gleich zugriff. Ich kann mich an den beiden Alben offenbar nie satt hören, und verpasse selten einen einzigen Ton seines Spiels!

    (Also, wenn das mit dem angefragten Interview mit Eno & Wolfe nicht klappt, und / oder ich eine Woche vor VÖ nur die beiden dann als Videos gelisteten, überall tausendfach gehörten, Songs spielen darf (s. „Ultimative Playlist nebenan in „Radio“), dann hebele ich wohl den zentralen „Beatie & Brian-Part“ aus und spiele „Tress-Cun-Deo-La“. 10 Minuten und 34 Sekunden: das ist so verdammt grossartige Musik! Und die Moderation hätte ich auch schon im Sack.)

  • Hopelessly At Ease (A2)

    Oh Baby warte auf mich 
    So hoffnungslos entspannt

    Ich gebe dir all meine Zeit 
    Mein Grund und mein Reim 

    Und so flattert es weiter 
    Ein Fragment eines Liedes 

    Die Schuhe, die ich nie gebunden habe 
    Du kannst nicht sagen, dass ich es versucht habe

    Und während wir heute Abend tanzen
    So spielerisch und hell 

    Da ist etwas in deinen Augen
    Ein Licht, das nie stirbt 

    Oh Baby warte mit mir 
    So hopelessly at ease 

    Ich gebe dir alles, was ich habe
    Ich weiß, es ist nicht viel

    Und laufe wie ein Kind
    Ungebunden für eine Weile 

    Dann dreh dich um und sieh
    Hier ist niemand außer mir


    Entpuppt sich das Verliebtsein des lyrischen Ichs als pure Illusion, am Ende? Einfache Motive reihen sich überraschende, die Stimme der Sängerin ist im zweiten Lied zu vollem Leben erwacht, es ist eine Stimme, die überhaupt nicht darauf ist, Oktaven zu springen, oder den Raum zwischen Flüstern und Schrei zu füllen. Sie ist ruhig, intensiv, geerdet, meditativ – die Stimme vereint, was widersprüchlich scheint, in seltsamer Klarheit. Was elementar ist, reiner Tanz wird fast schon Selbstbefragung, Analyse einer Passage wahrer Empfindungen – die Verse allein suggerieren Traumartiges. Samsara.

    Brian Eno wird sehr glücklich sein mit lyrics, die keine „message“ liefern, die die Dinge in einer Schwebe halten. So bleibt unsere Aufmerksamkeit nicht an Worten hängen, und wenn, dann lösen sich diese Worte rasch auf, wie die berühmten Wolken, die vorüberziehen. Die Klänge um foreground vocals und background vocals herum entfalten einen Sog, vintage Eno, aber nie abgegriffen aus alten Sphären. Dieses Album ist ein kleines Wunder. Damals, mit 18, als ich noch Gustav Mahler hörte: „Das Lied von der Erde“ berührte mich ähnlich tief, die Monoaufnahme mit Bruno Walter am Dirigentenpult! So viel Tiefe dringt ein in die Schwebungen von „Luminal“.

  • Milky Sleep (A1)

    In dieser Glut
    Die Stunden wachsen

    Alle aufgereiht
    Höre sie rufen

    Milchiger Schlaf
    Schmeckt so süß

    Schwere Luft
    Verstrickt dort 

    An der Wand
    Blumen kriechen

    Nimm mich auf
    Butterblume

    Schwerkraft
    Leg dich zu mir

    Wie Zement
    Himmelsduft

    Selten, das fünf „posts“ hintereinander mit „poetry“ hantieren! Am 6. Juni erscheinen zwei Alben von Beatie Wolfe & Brian Eno, ein Instrumentalalbum sowie ein Songalbum. Im Laufe der nächsten Zeit erscheinen hier alle Übersetzungen der lyrics von „Luminal“. „Milky Sleep“ ist das Eröffnungsstück. Wenn im Kontext dieses Werkes von „dream music“ die Rede ist, darf das durchaus wörtlich verstanden werden. Alle Texte hat Beatie geschrieben, und je länger ich die Texte auf mich wirken lasse, desto feinsinniger erscheinen sie mir. Beaties Gesangsstimme klingt anders als in allen Folgestücken, seltsam verwaschen, wie aus Traumsphären geborgen.

    Die Polarität schwerer und leichter Empfindungsräume durchzieht diesen ersten Song, so schwebend wie leitmotivisch. Die Übersetzungen mache ich mit „deepl“, anschliessend Feinschliff. „Luminal“ ist das Album eines alten Meisters und einer jungen Meisterin. Zwar bedauerte ich anfangs, dass Brian durchweg allein die „background vocals“ besorgt, aber der Vortrag von Beatie lässt mich verstummen, so faszinierend finde ich ihren stimmlichen Vortrag.

    „Lateral“, das „ambient album“, ist alles andere als ein Anhängsel des Liederzyklus, und als rund einstündige Komposition so eigen, so reichhaltig, wie „“Neroli“, „Thursday Afternoon“, „Discreet Music“, „Reflection“ oder „Lux“. Vor ein paar Wochen brachte Richard Williams sein „Album des Jahres“ ins Spiel, Ambrose Akinmusires „Honey From A Winter Stone“, ich lege gerne nach. In unserer berüchtigten „Nikolausliste“ kann ich mir in meinem Jahresrückblick kein anderes Teil als „Luminal“ an Nummer 1 vorstellen. Ganz egal, was Herr Pitchfork und Frau Guardian dazu erzählen.

    Natürlich, betrachtet man die Worte von „Milchiger Schlaf“, kann man analytisch oder rein intuitiv herangehen, in jedem Falle bekommt man kein annäherndes Bild davon zustande, wie „unbelievable“ sich Worte und Klänge in all diesen Songs durchdringen. Da ist understatement im Spiel, wenn Pathos droht, oder es wird seltsam emotional, wenn das eine und andere Wortbild vermeintlich stoische Ruhe verbreitet. Die Klänge fungieren nie als Stimmungsverstärker, sie setzen auf eine zweite und dritte Ebene.

  • Another Day At The Radio


    klanghorizonte deutschlandfunk
    Donnerstag, 27. März, 21.05 Uhr

    Macie Stewart: When The Distance Is Blue 
    David Sylvian: Died In The Wool – Manafon Variations  (2011)

    Paul Bley: Open, to love (1973)
    Jon Balke: Skrifum  
    Alabaster DePlume: A Blade Because A Blade is Whole 
    Andrew Wasylyk & Tommy Perman: Ash Grey And The Gull Glides On (2024)
    David Sylvian: Died In The Wool – Manafon Variations  

    Brahem / Bates / Lechner / Holland: After The Last Sky

    Talking voices (in order of their appearance): Macie Stewart, Erik Honoré, Jon Balke, Alabaster DePlume aka Gus Fairbarn, Tommy Perman, Andrew Wasylyk, and Jan Bang

    … click HERE to listen to the „blue hour“!

  • Die unvergesslichen Momente von „Anora“

    In der SZ gab es ein paar Jahre lang eine Rubrik am Ende des Jahres, in dem von vielen Schreibern die schönsten Filmmomente erinnert wurden. Dabei wurden nicht einfach die jeweilige Szenen gelistet, sondern beschrieben, umschrieben, analysiert, mit einer überschaubaren Anzahl von Zeilen. Hochinteressant. Meinen „unforgettable moment“ von „Anora“ werde ich hier nicht kundtun, dafür einen meiner absoluten „Filmkritik-Momente“ des letzten Jahres.

    „Oder um es noch deutlicher zu sagen: Das Leben ist ein Chaos, der amerikanische Traum eine Lüge und die Hollywood-Romanzen sind Fiktion, wenn nicht gar Betrug. Sean Bakers Anora bietet ein saures Korrektiv, indem er einen Film wie Pretty Woman unter eine Tatortlampe hält, um uns die Flecken auf den Laken und die Daumenabdrücke auf dem Kristall zu zeigen. Aber vor allem ist sein Film kein Wermutstropfen. Er ist heftig, frisch und witzig, lässt kaum einen Takt aus und lässt seine 140 Minuten Laufzeit im Galopp vergehen. Bakers frühere Filme (Tangerine, The Florida Project, der unterschätzte Red Rocket) hatten bereits gezeigt, dass er ein überschwänglicher Führer durch die Schattenseiten Amerikas ist. Anora ist jedoch sein bisher aufrichtigstes, aufschlussreichstes und am besten umgesetztes Werk. Je dunkler es wird, desto kühner und heller wird es.“

    Schön und treffend ausgedrückt von Xan Brooks im Guardian. „Anora“ ist ein mitreissender Film, und der letzte Satz seiner sehr lesenswerten Besprechung könnte Anreiz genug sein, Unentschlossene zu dieser „wilden Fahrt“ zu animieren. Dem Regisseur ist das Kunststück gelungen, wie ein grelles C-Movie anzufangen, und, allem Grotesken und Absurden zum Trotz, ab einem bestimmten Moment, den jeder Zuschauer für sich selber rausfinden könnte, an Tiefe zu gewinnen. Jim Jarmusch wird ihn bestimmt auch sehr mögen, manchmal dachte ich von ferne, ohne meine Empfindungen dingfest machen zu können, an „Down By Law“. Ich werde werde mich mal auf die Suche nach den drei von Xan erwähnten Filmen begeben. Hätte nach den ersten zwanzig Minuten nicht für möglich gehalten, wieviele vermutlich unvergessliche Momente diese „Tragikomödie“ bereithält. (m.e.)

  • „Everything Wounded Will Flow“ – Robert Fripp speaks


    Let’s celebrate one year of Flowworker!

    On this morning today, at the end of March 2025, I strolled through our early „flowflow“-posts. Once upon a time, a good year ago, „Manafonistas 2“ was installed, not possible without the support of a new webmaster in action, Nevzad K.! Instead of a little „flowflow“-jubilee party, or telling the true story behind the crash of „Manafonistas 1“, I chose one of my favourite posts of those „early days“, in fact one of my, well, 350 favourite posts ever. No clapping on my shoulder this is – I’m only one of two guys mumbling questions in a room full of strangers.

    This thing came into being by total surprise. With some revealing thoughts, sidesteps & stories by the leader of the legendary league of gentlemen! Michael Frank contacted me asking for permission using our old interview with Robert Fripp from 1998 for this or that. We met him inside the big lounge of Hyatt, Cologne. The waterfall sounds like tape hiss, a deliberate scenario by the management to make „eavesdropping“ difficult.

    When broadcasting excerpts of this talk later, after midnight at the radio, funny things happened. While the listener heard nothing for a minute or longer, I heard Robert‘s voice strangely doubled on my headphones, and I said to the woman in the control room: „Ich höre Überblendungen.“ And this was the first thing after quite a period of dead air that everybody could hear in that „live situation“.

    Besides from that, I had forgotten most of the content of our 1998 conversation. Now, listening to it again in the first place, I was surprised by some nice passages of that interview, amongst them background stories on the creation of „No Pussyfooting“ by Fripp & Eno. And about the strategies of the record company to delay the original release. And that‘s only the beginning! Kudos to Michael Frank for sharing this buried treasure!

    Putting the ancient interview a bit into context: many years later Discipline Global Mobile released what I would call my favourite boxset ever. EXPOSURES. 32 compact discs reflecting Robert‘s „solo journeys“ between 1977 and 1983. Still available for 114 Euros. I’ve had the idea for some time now that to make my last ever hour of „Klanghorizonte“ centered around this boxset and the long story I had written about it. If you‘re in the mood for Robert, give it thirty minutes of very slow reading and daydreaming time – HERE!

    But, for now, lose yourself under an artificial waterfall!


  • Köln 75

    Ich war eine halbe Stunde vor Kinoeinlass in der Bar des Apollo, und plötzlich strömten all die alten Menschen aus Kino 1. Mit und ohne Rolator, hustend, gebückter Gang, ein paar Rüstige bestimmt auch dabei, zwischen elegant und zottelig, ich gehöre ja nun auch zur Seniorengruppe, und das so geballt zu sehen, liess mich noch mal extra in dem Alter ankommen, in dem ich jetzt bin. Denn die kamen alle aus dem Dylan-Film, einige sichtlich bewegt. Und das war ich auch, als ich aus KÖLN 75 kam, zwei Stunden später.

    Geschickt vermeidet es der Regisseur, in einem Film mit tollen Einfällen, exzellentem Drive, glaubwürdigen Zeitkolorit, grossartigem Schnitt, auch nur einen Ton aus THE KÖLN CONCERT zu servieren. Da wurde aus der Not, es nicht zu dürfen, eine Tugend gemacht. Wie er das anstellt, mit ganz anderer Musik aus jener Zeit – chapeau! Wir sind in Köln, und da bekommen wir auch das wilde Leben der jungen Vera zwischen Jazz und Psychedelik geliefert, incl. Can und Floh De Cologne. Und ein Ensemble, das spürbar grosse Lust hat, diese alte, verrückte, und weitgehend sehr wahre Geschichte zu erzählen.

    Aber leider, leider: die Abwesenheit von Jarretts Spiel hätte konsequent durchgezogen werden müssen. Wenn dann nämlich in Lausanne ein „Jarrett-Imitator“ in die Tasten langt, wird die orginale Musik zum eigenen Klischee heruntergebrochen – und das ist doch überhaupt nicht nötig, in einem Film, der sich so mit allen Tricks zwischen Zeitreise, Drama und komödiantischem Überschwang bewegt. Auch in der wunderbar in Szene gesetzten Nachtfahrt von Lausanne nach Köln (Manfred Eicher ist schon gut getroffen!) klingt es verdächtig nach einem Nocturno a la Jarrett, aber natürlich nicht von Jarrett – die Szene hätte mit klavierbefreiter Melancholie gewonnen (zum Beispiel mit Brian Enos „Sparrowfall“ oder einem Stück aus Ralph Towners „Diary“).

    KÖLN 75 ist famoses Kino, auch ein zweites Sehen wert – und wie dieser Genre-Mix Jazzhistorie en passant vorführt, allemal ein Extralob wert. Auf dem Weg in die City und zurück lief die lange erste Improvisation vom Original, in voller Länge in meinem Auto! Eine Woche vor jenem Ereignis, waren Keith und Manfred in Kronach bei „Rosato“ in der Aula eines Gymnasiums – diese herrliche Story hat uns Hans Dieter Klinger schon mal zum Besten gegeben. Das Hotel, in dem die beiden übernachteten, hiess „Sonne“. Sieben Tage später verweilte das Duo nahe der Alten Oper im „Hotel Engelbrecht“. Der Rest ist Geschichte! Und die von Rosato ist HIER nochmal nachzulesen!

  • “Es war einmal, 2017, in Forst und um Forst herum“


    (Alte manafonistische Notizen von einem Wochenendseminar im Sommer 2017, mit Freunden der Musik von Cluster, Eno, und Harmonia, nahe dem Gehöft, in dem einst die Herren Moebius, Roedelius und Rother lebten. Das abgebildete Cover der neuen Ausgabe von Electronic Sound verarbeitet dss Design einer wunderbaren LP von Harmonia. Und „Autobahn at 50“: ein guter Grund für Interessierte, Jan Reetzes „Geschichte von Kraftwerks Autobahn“ zu lesen)

    „A la recherche du temps perdu? Immer anders als man denkt!“ (Joannie Rotten)

    Nicht unter dreissig Seiten, so eine Nacherzählung. Und dann müsste alles fiktionalisiert werden, die Namen zumindest, und in kleinen Episoden, sollte es gut gemacht sein, ein Nachhall geschaffen werden. Tatsächlich ist die Weser kein gemächlicher Fluss, und es bedurfte schon kundiger Hilfe, die guten windgeschützten Orte für das Baden und die Boxen zu finden. Nirgends tauchen in Forst museale Zonen auf, von den Relikten aus alter Zeit ganz zu schweigen. Keine berühmten Sonnenschirme, nicht mal die Bäume vom Cover von „Sowiesoso“. Wir wären ja auch verrückt gewesen, Bäume zu suchen. Auch von dem berühmten Bordell im Wald, ein Edelkurtisanenbetrieb alter Schule, mit Stil, Klasse und exotischen Schönheiten, war Dorfältesten nicht mal ein „Es war einmal“ zu entlocken. Das halbe Dutzend der Einheimischen hatte die 80 satt überschritten, und war mehr im Vergessen als Erinnern angekommen. In einem anderen Dorf gab es eine gesicherte Feuerstelle, die keinen offenen Brand zuliess, und wir karrten die Scheite zusammen, stöpselten die Boxen ein, holten den Strom aus einem still gelegten Wirtshaus, und liessen uns von den beiden Harmonia-Platten umrauschen. Der Wein ging rum, das Haschisch, und alle schliefen im Umkreis von zwei Kilometern. Zuvor aber hielten uns das Feuer und die Dämmerung und die Musik gefangen, und jeder erzählte eine Geschichte.

  • Eine wunderbare Bluesplatte

    Eine grosse Ecke für Bluesscheiben gibt es in meinem Archiv nicht, trotz all der guten Vorarbeit in frühen Jahren vom Canned Heat bis zu den Allman Brothers. Aber immer wieder mal entdeckte ich ein Album, das mich völlig begeisterte, obwohl der Blues selbst, ausser in der Disco (kleiner Scherz), nie so mein Ding war. Wenn man kein Spezialist und kein Sammler des Genres ist, stolpert man eher über bestimmten Alben, die aber dann umso mehr funzen: „Folk Singer“ war so ein Ding, von Muddy Waters, gern als audiophiler Schatz auf High-End-Messen vorgeführt, auf denen ich mich nie tummele, bei aller Liebe zu einer gut klingenden Hidi-Anlage. Aber ein toller Sound verstärkte, bei dieser LP etwa, die Eindringlichkeit des Vortrags. Eine Art Hyperrealismus!

    Die begehrte Illusion, mit einem Musiker den Raum zu teilen. „He‘s here!“ Mein liebsten Bluesplatten teilen vielleicht etwas Abseitiges, das sie vom ganz klassischen Blues vielleicht minimal abhebt, dingfest kann ich das nicht immer machen. Ein weiterer Favorit wurde die einzige Platte, die John Lee Hooker für das Impulse-Label gemacht hat. Mehr archaische Wucht als „It Serves You Right To Suffer“ geht nicht. Ich besitze das Werk als SACD. Zu dieser kleinen Sammlung besonderer Bluesalben gesellte sich in den letzten Tagen auch „Today“, von Mississppi John Hurt, einer irgendwann nach Jahrzehnen wiederemtdeckten Legende des Blues. „Today“ heisst das nun auf Vinyl remasterte Teil, dieses Bluesmannes mit ungewohnt feinem Gesang und nicht minder feinnervigem Gitarrenspiel! So ein Crack wie John Martyn hat ihn sicher gekannt und geliebt! Dylan sowieso. Folkblues nennt sich das wohl, aber was weiss ich?!