„Yr“ (1/10)
Yr ist das zweite Album des amerikanischen Gitarristen und Komponisten Steve Tibbetts, das ursprünglich 1980 beim Independent-Label Frammis Records in Minneapolis veröffentlicht und 1988 von ECM neu aufgelegt wurde. Yr war Steves Eintrittskarte bei ECM. Als Manfred Eicher das Album hörte, lud er Steve T und Marc Anderson nach Oslo ein, um „Northern Song“ aufzunehmen. Die lange Reise begann. Hier eine Einstimmung auf die Klanghorizonte des Deutschalndfunks am 25. September, in der ich u.a. Steve Tibbetts’ Album „Close“ mit einem sehr interessanten Interview vorstelle (Steve ist bekanntlich einer meiner favorisierten Storyteller und „Musikphilosphen“. Downbeat schrieb zur Wiederveröffentlichung von „Ys“ 1988:
Yr kommt zu uns wie ein Artefakt aus einer verlorenen Zivilisation. Es scheint reich an Details und Geschichte zu sein, doch gleichzeitig geheimnisumwittert und von einem Hauch von Exotik umgeben. Tatsächlich ist es das Werk von Steve Tibbetts, einem Multi-Instrumentalisten, der sich wie Don Cherry, Mike Oldfield und Jade Warrior mit globaler Synthese beschäftigt. Wie Oldfield ist auch Tibbetts‘ Musik im Wesentlichen eine Ein-Mann-Produktion, bei der das Aufnahmestudio und das Tonband zu Instrumenten werden, mit denen alle Elemente gemischt und in eine fast mystische Kreation verwandelt werden.Das rein instrumentale Yr ist Tibbetts‘ zweites selbst produziertes Album und wie das erste ein Traum für Gitarrenfreaks. Tibbetts überlagert akustische und elektrische Instrumente in einer Hendrix-artigen Gedankenwelt der Produktionskunst und kombiniert oft bis zu 20 Gitarren in einem Track. Er schichtet den Klang zu atemberaubenden Gitarrenchören und komplexen Überbauten. Seine Soli sind gewundene, singende Reisen, die sich mit dem Gefühl spiritueller Erleuchtung entwickeln, das man in einem Sopranlauf von Coltrane hören würde. Nachdem er einen überschwänglichen Höhepunkt aufgebaut hat, der fast an die Belastungsgrenze geht, ersetzt er ihn durch eine klagende Akustikgitarrenpassage, die die nächste Reise einleitet.
Obwohl Yr aus acht Stücken besteht, fließen sie alle zu einer einzigen ausgedehnten Komposition zusammen, in der ein Percussion-Ensemble für Kontinuität, Farbe und Antrieb sorgt. Die beiden Tabla-Spieler halten die für indische Musik charakteristische Vorwärtsbewegung aufrecht, Während Marc Anderson eine Vielzahl von Instrumenten spielt, die der berauschenden Atmosphäre von Tibbetts‘ Kompositionen Gestalt und Ambiente verleihen. Der Effekt ist, als würde man einen nebelverhangenen tropischen Fluss hinuntergetragen, der an jeder Biegung einen neuen Anblick offenbart.
Wie schon sein erstes Album ist auch dieses komplett in Eigenregie produziert, einschließlich des geheimnisvollen Cover-Artworks und der Technik. Aber für ein Album, das mehrere Ausdrucksformen zu einem einheitlichen Ganzen verschmelzen lässt, muss man sich nicht entschuldigen. Nur Jade Warrior hat es geschafft, Musik zu machen, die so mitreißend elektrisch ist und gleichzeitig die ursprüngliche Reinheit von akustischer Folk- und internationaler Musik bewahrt. Suchen Sie dieses Album, sonst wird es eher zu einer Reliquie als zu dem lebendigen und pulsierenden Ausdruck, der es ist.
ECM albums: (Yr) – Northern Song – Safe Journey – Exploded View – Big Map Idea – The Fall Of Us All – A Man About A Horse – Natural Causes – Life Of – Close (in lockerer Abfolge eine kleine Retrospektive aller ECM-Alben von Steve Tibbetts, in der Reihenfolge ihrer Entstehung – eine exzellente Anthologie ist auch bei ECM erschienen die Doppel-Cd „Hellbound Train“)
Klanghorizonte
Auch im Jahre 2026 macht die Band Wandt Loewner Engelbrecht weiter in gleicher Besetzung – jeder mit zwei Shows zur zweitbesten Zeit um 21.05 Uhr – nur die Nacht bleibt unschlagbar.
„Wiener Schnitzel für Chris, Lloyd und Tony“
Lieber Ed!
Einen Oton aus dem Necks-Interview habe ich auf dem Blog gepostet. HIER! Dass in den Klanghorizonten am kommenden Donnerstag keiner zu finden ist, ist der alten Regel amerikanischer Filmemacher geschuldet: kill your sweetest darlings. Es hätte, da sie recht analytisch und abstrakt erzählen (blame it to my questions) – bis auf Lloyd Swanton und seine amüsant servierten Antworten zu seinen ECM-Lieblingsplatten – den „flow“ ein wenig gemindert, aber ich kann dir eins sagen: das „Triple-Album“ kommt verdammt gut rüber, wie auch die drei Konzerttermine hierzulande (die mir, was Aachen betrifft, ein paar böse Hörerbriefe einbringen könnten)….
Übrigenns nenne ich „Disquiet“ mal, mit lauter guten Gründen, das beste Dreifach-Opus der jüngsten Musikhistorie, neben Jeff Tweedys „Twilight Override“! Zu gerne hätte ich einen Song von Jeff gespielt, wie auch aus Lucrecia Dalts „A Danger To Ourselves“ , die beide auch inhaltlich gepasst hätten…. aber, siehe oben, die Sache mit den Darlings…Anbei bekommst du das Skript, und ich habe diesmal sehr, sehr viel Zeit auf die „Horizonte“ verwendet. Nun erzählt diese Stunde eine durchgehende Story mit dramatischem Indiana Jones-Auftakt und herzzerreissendem Finale (ich übertreibe, aber es stimmt trotzdem😉!) – von der Zerstörung unserer Natur bis hin zur Utopie einer anderen grünen Welt. Bitte lass das Skript nicht zirkulieren vor der Ausstrahlung – den link bekommst du automatisch…
Sehr selten, dass vier meiner „Favoriten“ – seit den letzten dreissig Jahren des vorigen Jahrhunderts (!) – in einer einzigen Stunde versammelt sind, Brian Eno, Steve Tibbetts, die Necks – und Robert Wyatt (look at the photo, „reading Robert on Sylt Island. Steve T. Has a story with that time, too, wjen he had been there, once upon a time.)
Jedem Kollegen, der sie haben will, sende ich die audio files der Antworten der drei Necks zur freien Verfügung zu! Freu mich zudem, wenn du mir von dem angekündigten Album von Ivar Grydeland (s. Cover) noch eine Promo-Cd senden kannst! Und, kleiner Tipp, diese „Klanghorizonte“ wirken viel besser, wenn du sie vorher nicht liest, ausser den Sachen zu den Necks!
Ich freue mich total, dass das Trio Ende Oktober in meine zweite Heimat kommt. Leider spielen sie schon am kommenden Tag in Berlin. Die Drei kennen mich aus diversen „virtuellen“ Interviews – unter anderen gab es einen launigen längeren Mailverkehr zu meiner Idee, ein Doppelalbum zu machen, produced by Manfred Eicher (eine Hälfte) und Brian Eno (die andere). The thing with imaginary albums…viel hat nicht gefehlt…Du kannst den Necks gerne anbieten, dass meine Liebste und ich für sie am Nachmittag, nach dem Soundcheck, ein grandioses Essen zubereiten würden, bei uns daheim, zehn Minuten mit dem Auto vom Bunker entfernt. Es gäbe Original Wiener Schnitzel mit Bratkartoffeln, Preiselbeeren, Kapern, Zitrone!
Danke dir für alles,
Michael!
Widerfahrnis, und andere „Krimis“
„Gesänge zwischen den wogenden Schilfpflanzen am Gleisrand, begrenzt durch die Ränder des Schotters.“ Ein Satz aus den Moderationen meiner herbstlichen Klanghorizonte. „Niemandslandmusik“. Lassen wir mal die „Gesänge“ beiseite, und ob es Schilfpflanzen am Duisburger Hafen gibt: die Beschreibung könnte gut zu einer Szene aus dem Tatort „Der unsichtbare Gegner“ (***1/2 Sterne, der Nostalgiker in mir gibt deren **** ) stammen, einem Schimanski-Tatort aus dem Jahre 1982. Graues Ruhrgebiet, Götz George, herrlich polternd und sinnierend mit Tanner an seiner Seite, bevor auch „Schimi“ irgendwann seinen rauen Charme ausgereizt hatte. Diese Duos im Tatort haben bei mir mitunter eine rasche Verfallszeit, oder sie werden „Kult“, was fast noch schlimmer ist. Bei den Münsteranern bin ich rasch ausgestiegen, der Witz war auf Bud Spencer – Terence Hill – Niveau für Intelektuelle gesunken, die Drehbücher wurden immer mehr zum Pointenlieferanten.
Als ich ein paar Tage allein war mit unserer Pflegetochter (die Schule hat wieder angefangen, und sie möchte im Herbst 10 Tage in ein nicht ganz so ungefährliches Land fliegen, was wir nicht so toll finden), stöberte ich abends, wenn ich nicht gerade an meiner Sendung feilte oder in Nicolás Ferraros Thriller und Coming-of-Age-Roman „Ambar“ versank (diese junge Frau hat‘s auch nicht leicht!), huschte ich durch Tittelbachs TV-Seite und entdeckte zwei Tatorte (neben dem „Schimanski“ noch „Der oide Depp“ mit den beiden Münchnern, bei denen nun auch Schluss ist: das sind zwei Tatorte, die so gut sind, dass man sie auch nach Jahren gerne noch einmal sehen kann, und einen exzellenten „Polizeiruf 110“, einen der besten mit Claudia Michelsen, namens „Widerfahrnis“. Ein eindringliche dunkle Geschichte, die nachwirkt. Wie „Der oide Depp“ (****1/2) ist auch „Widerfahrnis“ (*****) eine cold case-Story mit zwei Zeitebenen, die feinsinnig verwoben werden. Und beide enden mit einer „romantische Volte“, ohne jeden Hauch von Kitsch. A propos Tittelbach: mir sind da die Besprechungen oft zu positiv, wie zuletzt bei einem der „bretonischen Krimis“ , wo die Figuren alle so melodramatisch „überperformen“ in Gestik und Mimik, als hätten sie einen Peter Lorre-Gedächtnis-Kurs hinter sich.(m.e.)
“Three Of A Perfect Pair“
It’s worth getting hold of the magazine—it’s a long and substantial cover story. I’m faced with the small problem of deciding which will be, in retrospect, my album of the year, “Luminal” by Eno/Wolfe or ‘Close’ by Steve Tibbetts? The solution: I’ll simply declare both to be „my burners of 2025”—clever, right? More difficult is the finale of my Klanghorizonte on September 25: will a brand new piece from “Liminal” come into play at the very end, or the “jubilant” milestone “Another Green World” turning 50. Both one after the other will be difficult; the tight schedule hardly allows it. The old saying of filmmakers in the ‘cut’: “kill your darlings.” My selected songs from the impressive works of Lucrecia Dalt and Jeff Tweedy have already been dropped. Blame it on Jan Bang‘s „After The Wildfire“, Steve‘s storytelling – and the flow factor!
michael e
Draussen im Dunkeln
Im Wartezimmer meiner Zahnärztin habe ich diese fünf Songs zusammengestellt, ohne sie zu hören oder zu kennen (bis auf die Lieder von Jeff und Jonathan), also rein intuitiv, und nach der Lektüre kurzer oder längerer Besprechungen, zumeist aus der neuen Ausgabe von „Uncut“. Irgendwo in meinem Archiv schlummert ein tolles Album von Brigitte Fontaine – ich bin sehr gespannt auf diese Ausgrabung von „WeWantSounds“.„Wewantsounds is delighted to reissue French pop icon Brigitte Fontaine’s landmark 1968 albumBrigitte Fontaine Est Folle, originally released on the cult label Saravah and arranged by Jean-Claude Vannier. This special 2-LP edition, approved by the artist, features the original album, newly remastered from the original tapes, along with a second LP of demos, instrumentals, and a live rendition of „Il Pleut“ recorded for France Inter/ORTF. The release also includes a 20-page bilingual booklet with introductions by journalist Jeremy Allen and Stereolab‘s Laetitia Sadier, essays by Brigitte Fontaine’s biographer Benoît Mouchart and Benjamin Barouh, plus full lyrics and rare archival photos.“
“Il Pleut“
It was novelist and critic John Berger who first posited that “calm is a form of resistance”. Who knows if Jeff Tweedy was channelling that sentiment while creating the gentle behemoth that is Twilight Override, but he has certainly responded to the maelstrom of paranoia and inhumanity unleashed by the second Trump term – what the Wilco frontman has dubbed “a bottomless basket of rock bottom” – with disarming composure, and a big batch of tunes for his fifth solo outing.
Twilight Override is a 30-song triple album of mostly mellow consolation, insightful rather than intimidating. In the studio performance video for “Feel Free” – one of four tracks released in advance of the album – there is a glimpse of a sign on the wall of Wilco’s Chicago studio, The Loft, saying: ‘It Could Be Worse’. The song itself is a seven-minute invitation to shut out the white noise and slow down, to lay down anger and concerns, “To fall in love with the people you know and fall harder for the people you don’t”.
(Fiona Shephard, Uncut, November 2025)
Michaels Stunde der wahren Empfindung
Ach, diese Leere, und müde war ich zudem, als ich um 7.30 Uhr in meinem Sender ankam. Ich produziere die Klanghorizonte an zwei Donnnerstagen, und heute ging es nur um die Bearbeitung der Interviewausschnitte, das Transportieren der Musik in den digitalen Speicher, und andere Vorbereitungen. Von meinen sieben Moderationen hatte ich erst drei geschrieben, das hat alles Zelt bis zum Wochenende. Dann kommt der Mix, die Abmischung, immer der schönste Teil einer vorproduzierten Sendung! Aber so viel kann ich verraten. Eine Sendung mit Robert Wyatt, Brian Eno und Steve Tibbetts ist schon was Feines, und da diese Herren nun mal manch Unerschöpfliches anzetteln, werden es selbst Kritiker schwer haben, ein gewisses Gähnen professionell zu begründen.Selbst wenn ich halben Unsinn erzähle, folgendes ist gewiss: Christoph Schumacher ist genauso ein music lover wie ich (ein begnadeter Tontechniker, der mir heute von einer wunderbaren Begegnung mit Don Cherry erzählte), Robert Oschatz, bekannt aus Funk, Fernsehen und Hörbüchern, spricht Tibbetts genial, Anna Fuchs liest ein Alfreda Benge-Gedicht voller Anmut, das „sequencing“ ist eine verdammt runde Sache. Im zeitlichen Zentrum der Stunde, entfachen die Necks mit DISQUIET einen impressionistischen Rausch, das einem ganz warm ums Herz wird, und ich wieder im Jardin du Luxembourg auf einer grossen Sommerwiese liege, mit „Warm Running Sunlight“, in meinen Ohren.
Disquiet is a marathon – it’s more than three hours long – but every minute matters, from the knock-kneed, stumbling groove of “Ghost Net”, to the ornery elegance of “Causeway” and the slow ecstasy of the track I will play (at least for some minutes). They’ve still got it. And there‘s more than that. I will send you places!
Exploded View (3/10)
Indeed Tibbetts‘ exotic soundscape is more like prehistory made new – Margaret Mead-meets-Electric Ladyland. (Rolling Stone)
Damals schaltete ECM Records über Jahre Anzeigen in der ZEIT, gerne vier Cover nebeneinander. Als ich dieses Cover dort erstmals sah, erhöhte es meine Vorfreude noch ein wenig mehr – prähistorisch glühendes Gestein. „Safe Journey“ brachte bereits bereits diverse Höhen- und Breitengrade ins Spiel, nicht zuletzt den Fernen Osten – der Name Tibbetts wie ein ein die Wiege gelegtes Omen für Tibet, Nepal, Katmandu.
Exploded View – a perfect name for a recording that detonates like a fission bomb and rebuilds the world in a new form. On this roaring maelstrom of an album, Tibetan monks moan through subharmonic feedback drones. The dervish percussion is like a global drum choir, as Marc Anderson and Marcus Wise play the rhythms of India, Africa, and Morocco with one mind. And through it all is the sound of Steve Tibbetts‘ guitar, a cathartic wail of siren choirs and scorching melodies.
Ich war begeistert. Eine wilde wunderschöne zerrissene Musik. Aber, was ich hier notiere, stammt aus ferner Erinnerung. Ewig habe ich das Album nicht mehr gehört. Was daraus in Steves Anthologie „Hellbound Train“ zu hören war, hat mich auf Anhieb wieder mitgerissen. Es ist wie mit alten Freunden: zuweilen verliert man sich (warum auch immer) aus den Augen, und, sobald man sich wieder begegnet, knüpft man nahtlos an alte gute Zeiten an.
Tibbetts belongs to a lost generation of musicians, the ones who grew up listening to the progressive and underground sounds of the ’60s and early ’70s and were left in the cold when the music went corporate. On Exploded View the guitarist continues to compose a personalized music filtered through his emotions, his guitar pyrotechnics, and his studio experimentation. Playing with the same musicians he’s worked with since his first self-produced recording in 1977, he leaves nothing out, and yet it all works.
Steve Tibbetts und Marc Anderson traf ich erstmals persönlich, als sie in Dortmund, früh in den Neunzigern, live auftraten, in der Live Station am Hauptbahnhof. Lang ist‘s her. „Big Map Idea“ war zwei, drei Jahre zuvor erschienen, und als wir abends beisammen sassen, erzählten sie mir von der Freude, die ihnen „Big Map Idea“ nach wie vor bereitete. Auf „Exploded View“ waren sie nicht so gut zu sprechen: es sei für beide eine Zeit des Aufruhrs gewesen, der Trennungen, der Kümmernisse. Aber, think twice, lieber Leser: wenn Musiker mit den Erinnerungen an ein Album persönliche Wirrungen verbinden, färbt das auf die emotionale Beziehung zur Musik ab. Und auch ihre künstlerische Bewertung.
Unlike the more contemplative meditations of his first two ECM recordings (Northern Song and Safe Journey), Exploded View most recalls Yr, Tibbetts‘ ground-breaking 1979 recording. Like Yr, Exploded View journeys through carefully wrought landscapes, with urgent acoustic guitars giving way to screaming feedback, the steady gurgle and throb of percussion, and the plaintive cry of Claudia Schmidt.
Ich habe vor, in den kommenden Wochen endlich wieder einmal in „Exploded View“ zu versinken. Ich habe hier die Absätze eine Plattenbesprechung aus Steves Homepage eingeflochten, die, wie einst das Cover, beim Lesen meine Lust auf das „wilde Teil“ steigert: Wiederentdeckung ohne Nostalgie! Ich möchte einfach wieder an den Orten herumstreunen, zu denen mich „Exploded View“ transportiert. Ich höre all seine Alben bevorzugt in dunklen Räumen. Safe Journey!
Recording in his home studio, Tibbetts gets an astounding clarity of sound that is well served by this CD. Tablas and congas have never had a more visceral punch, their sharpness defining and punctuating Tibbetts‘ sustained electric lines and the resonance of his acoustic guitar. The only way to listen to this record is loud.
Die Story zum Cover von „Close“
Es gibt einen berühmten amerikanischen Fotografen, auf dessen Namen ich gerade nicht komme, der seine Fotos arrangiert wie Filmszenarios. Man hat jede Menge zu sehen, wenn man eines seiner „one-picture-dramas“ in grossem Format betrachtet. Jedes einzelne hat unzählige Echos, Referenzen, Anspielungen, und ist so durchgestylt, das sowas wie die Idee eines „Schnappschusses“ in einer völlig anderern Welt angesiedelt ist. Als ich erstmals das Cover von „Close“ sah, ein Album, das Mitte Oktober bei ECM erscheint, geschah zweierlei: ich bedauerte erstmal, dass das Album nur als CD und Download erscheint, und vorerst wohl nicht auf Vinyl. Ein wenig traurig für Vinylpuristen, da einige von ihnen sicher meine Begeisterung für die Musik teilen werden, sich aber nun die Begegnung mit „Close“ versagen. Oder nur bei Freunden anhören werden.
Das Cover ist wie gemacht für das Medium Schallplatte, Steves Bevorzugung guter alter analoger Ausrüstung sowieso. Der zweite Gedanke war, dass es mich an die Bilder jenes berühmten Fotografen erinnerte, denn auch hier scheint vieles bis ins kleinste Detail arrangiert zu sein. Ist der Sternenhimmel überhaupt echt. Ist er! Der Clou ist, dass es sich um einen klassischen Schnappschuss handelt. Ich habe Steve natürlich gefragt nach diesem Bild, und ihm geschrieben, ein hinreissenderes Cover sei mir für diese Musik und ihre „twilight language“ kaum vorstellbar. „Fairytale“, „darkness“, „somewhere“, „anywhere“, „noir“, so flogen meines freien Assoziationen umher, auch, weil ich, neben den Klängen, schon die „tracklist“ kannte, die, nach dem Hören der Musik, für eine Extraportion Gänsehaut sorgte.Einfach auf „Die Story“ klicken, das hier ist nur ein PS.:
Ach, guck: der letzte Blogeintrag beginnt mit einem weiteren meiner favourite album covers, Robert Wyatts „Dondestan“. Das Bild hat Roberts Lebensgefährtin Alfie gemalt. Und Martina Weber sitzt gerade daran, einen der Songs für die Klanghorizinte am 25. September zu übersetzen. Der Liedtext ist auch von Alfie und wird in der Sendung von Anna Fuchs gesprochen. Kreise schliessen sich.
Wäre ich Gregory Crewdson (danke, Ingo, für die Erinnerung!), und würde meine Radiosendungen wie Storytelling betrachten (was ich tatsächlich tue), die folgenden drei Kapitel für diese Abendstunde ergäben sich ohne grosses Nachdenken und mit einem Lächeln: ERSTER TEIL: „Geschichten von Eis und Feuer“. ZWEITER TEIL: „Zwielichtsprache und Sonnentanz“. DRITTER TEIL: „Spuren eine anderen grünen Welt“. Roberts Song stammt natürlich aus dem finalen Kapitel, der „Wyatt-Eno“-Ecke. Sie sind alte Freunde, Robert spielte beispielsweise die Klaviertöne auf „Music For Airports“, und Brian besuchte das Paar auch in der spanischen Ferien-Finka, die auf dem Cover von „Dondestan“ zu sehen ist. Aber das ist eine andere, längere Geschichte.
“Safe Journey“ (2/10)
Auf seinem neuen Album „Close“, erzählt Steve Tibbetts, hätten sich die Titel der einzelnen Stücke geradezu von selbst geschrieben, und wirft einen Blick in seine Notizbücher. Ihr könnt Steve hören, wenn ihr auf die ersten zwei Stichwortzeilen „klickt“, unterhalb des Covers. Die dritte Zeile führt zu einem seiner „notebooks“ – old and new titles, so to speak. In other words: old and new dreams!
Ich hatte damals, 1983, nur sein ECM Debut „Northern Song“, das wie ein „klassisches ECM-Album“ produziert wurde, zusammen mit Manfred Eicher und Jan Erik Kongshaug, an zwei, drei Tagen in Oslo. An „Safe Journey“ arbeitete er hingegen, wie bei allen Nachfolgern, kleine Ewigkeiten, tagaus, tagein, in seinem Studio in St. Paul, Minnesota.
Dass die Musik von Steve lebensbegleitend sein würde („lifers“ nannte mein alter Mana-Freund aus Glasgow solche Alben gerne), ahnte ich schon, als „Northern Song“ allzugerne tagelang meinen Plattenspieler in dem Dörfchen Bergeinöden blockierte. Und ich WUSSTE es, als mir „Safe Journey“ via „Jazz By Post“ zukam, meinem Dealer in den Siebziger, Achtziger Jahren für die aufregendste Musik der Welt.„..… eine Art Ambient-Electric Ladyland – es verschmilzt die expressionistischen Pastelltöne des Post-Eno-Art-Rock mit kristallklaren, Oregon-ähnlichen Folk-Impressionen und überraschenden Ausbrüchen von heavy Acid-Wail.…“
Auf kleinen Newslettern fanden sich auch die Neuheiten kleiner amerikanischer „independant labels“. Wochen zuvor hatte ich eine begeisterte Besprechung gelesen, in „Stereo“ oder im „Jazzpodium“ und wartete voller Ungeduld auf die Schallplatte. Those were the days. Ich wünsche mir ein Boxset mit all seinen ECM-Platten. Ungefähr so umfänglich wie die Mammut-Edition von Keith Jarretts „Sun Bear Concerts“.
Im „Downbeat“ stand damals eine Rezension (4 1/2 -Sterne), in der ein paar Vergleiche gezogen wurden, munter und querbeet. Leicht behindern solche „Kontexte“ die Wahrnehmung der unheimlichen Frische und Eigenständigkeit seiner Musik. Ein „Ikonoklast“ sei er, sagte mir neulich ein guter Bekannter, und ich lachte. Wir sprachen über seine Kunst und seine „Stories“. Ganz bestimmt würde ich im Deutschlandfunk nicht sagen, Steve sei ein „Ikonoklast“, und lachte noch mehr, egal, wie sinnig dieser Ausdruck sei. Aber dass das neue Album „Close“ ein „instant classic“ sei, das würde mir leicht und in bestem „Anglodeutsch“ von dem Lippen gehen.
„Close“ ist ein „instant classic“. Just give it some time…😉
Und this is the tracklist from „Close“… and there‘s a rhythm in it, for sure…. in den Klanghorizonten am kommenden Donnerstag spiele ich daraus: Away, Part 3, We Begin, Part 3, sowie Away, Part 1…
Ich schweife ab, egal. Übrigens, ein paar diskret eingestreute „field recordings“ schlichen sich in das Stereopanorama von „Safe Journey“.
„Each piece on Safe Journey is a textural construction, a layering of sounds, rhythms, and ideas. The fundamental concepts are primarily Western – bits of folk music, rock, jazz, and modern classical – but Tibbetts‘ use of repeating figures and cyclic structures brings to mind the Indonesian gamelan music that influenced Steve Reich. Tibbetts‘ guitar playing is rooted in familiar folk and rock techniques. When he chooses to overlay distorted power chords with screaming single-note lines, it is easy to hear the legacy of Jimi Hendrix. His use of space and long sustaining passages, though, suggests early Pink Floyd and Soft Machine, and some of his layering and tape manipulation recalls the experiments of the Beatles (think of Strawberry Fields).“ (downbeat review, excerpt)