„Klanghorizonte mit Beth Gibbons, Sussan Deyhim, Richard Horowitz und Ank Anum“ (Sommer 2024)



Press play to listen to „Klanghorizonte“:


Nine tracks, three parts, two guests, one DJ. / Erster Teil (DISTANT HILLS): Ank Anum: Song of the Motherland (1985) / Saru l-Qamar: A Lily  / Arushi Jain: Delight // Zweiter Teil (IN A STATION OF THE METRO): Warrington Runcorn New Town Development Plan: Your Community Hub / Erik Honoré: Triage / Pan American & Kramer: Reverberations Of Non-Stop Traffic on Redding Road // Dritter Teil (HEAVENLY MUSIC CORPORATION): Beth Gibbons: Lives Outgrown / William Parker & Ellen Christi: Cereal Music / Richard Horowitz: Eros in Arabia (1981)

Lange ist es her. So ungefähr sahen die beiden damals aus, als ich, in den „wilden Achtzigern“, das erste Interview meines Lebens mit ihnen führte, noch vor meinen Jazzthetik- und Radiojahren, mit einem guten alten Kassettenrecorder und einem frisch erstandenen Sennheiser-Mikrofon, in einer aus der Hausbesetzer-Szene in Dortmund-Dorstfeld hervorgegangenen Kneipe mit dem herrlich skurrilen Namen. Es war eine mit BDSM-Elementen angereicherte Musik-Performance, die die Magie des Albums einfallsreich auf die kleine Bühne übertrug.

Leider habe ich die alte Kassette mit dem Interview nicht mehr. Ganz sicher klangen da Jon Hassell und der Begriff „Fourth World Music“ an, und was es für Sussan bedeutete, Anklänge aus uralten Traditionen mit moderner Elektronik und ungewöhlichen Ritualen zu koppeln. Ich erinnere mich daran, dass das Paar ruhig und sachlich Auskünfte gab, hier und da ein Lächeln.

Als Richard Horowitz sein seltsamerweise einziges Soloalbum seines Lebens 1981 veröffentlichte, „Eros in Arabia“, wählte er dafür sogar eine fremdartig klingenden Künstlernamen (sein realer Name rückwärts!), was erst „korrigiert“ wurde, als das Album 2017 eine remasterte Vinylversion erhielt. Mehr zur Vita des Paares in „comment 1“ – der Pressetext begleitete die „reissue“ von „Desert Equations“, ein Album, das mich damals wie heute gleichermassen gefangennimmt!


Bei nicht wenigen Lesern dieses Blogs hat die von Marc Hollander und Crammed Discs früh in den Achtziger Jahren ins Leben gerufene Musikreihe „Made To Measure“ dauerhaft Spuren hinterlassen. Kam ein Gepräch auf dieses Brüsseler Label für überwiegend instrumentelle  Musik abseits des Mainstreams, fielen mir zwei Favoriten auf Anhieb ein, MTM 8 und MTM 15. Heiner Goebbels war von dem Album „Desert Equations“ und der Stimme der gebürtigen Iranerin ähnlich begeistert, und so ist Sussan Deyhim auf einem seiner besten Arbeiten zu hören („SHADOW – Landscape with Argonauts“ –  auch Brian Eno ist ein Bewunderer dieses ECM-Albums).

Richard H. ist auf einigen Alben von Jon Hassell zu hören, etwa auf „Vernal Equinox“ und „Power Spot“. Und hat das betörende Solowerk „Eros In Arabia“ geschaffen, das vor Jahren neu aufgelegt wurde als Vinyl und Download, und aus dem ich heute Abend um 21.05 Uhr in den Klanghorizonten eine Passage spiele, aus der langen Komposition „Elephant Dance“, in memory of Richard Horowitz, der vor kurzem in seiner Wahlheimat Marrakesch starb. Hier das ursprüngliche Cover der Langspielplatte, das mich ein wenig an eine erotische Erzählung aus den „Märchen aus 1001 Nacht“ erinnert.

„at first skeptical of our interest in eros in arabia, richard was so incredibly kind and inquisitive after we finally met in nyc at a favorite tribeca restaurant so many years ago. he perfectly understood our position and intention, and embraced and enabled our efforts. it was always a lovely, learning experience getting time with him in new york and los angeles, and becoming close with sussan in the process

we will miss your presence in this physical realm, richard. now you are all around us, reborn in the ultimate dimension. thank you for the incredible gift of music, and allowing us to share ~“ (Aus einer instagram-Mitteilung des Labels „freedom to spent“, das „Eros in Arabia“ wiederveröffentlichte)

P.S. Zwei Dinge fehlen mir in den Klanghorizonten heute Abend: vor allem eine Passage aus meinem leider verlorenen, uralten Interview mit Richard und Sussan, und (auf die schnelle fand ich die Cd leider nicht und vergass es dann), ein Ausschnitt (den ich im Hintergrund einer Moderation platziert hätte), aus jener alten Platte von Fripp & Eno, die im Königlichen Zirkus vor dem Konzert von Beth Gibbons gespielt wurde, aus ihrem Mixtape.

(Click on „Fripp & Eno“, penultimate line, to listen to the title track, click on „Beth Gibbons“, last line, to see a film on „Lost Changes“ from her Lives Outgrown tour. The comments are telling, too:))

8 Kommentare

  • Michael Engelbrecht

    PRESSETEXT DESERT EQUATIONS:

    When it first appeared in 1986, the Desert Equations: Azax Attra album was greeted with enthusiasm, awe and disbelief: nobody had done anything quite like that before, and this dizzying, inspired blend of Persian tradition, New York avant-garde and electronic music remains incomparable, powerful and mesmerising to this day.

    Combining the sublime voice of Iranian vocalist Deyhim and the electronic wizardry of US composer Horowitz, this haunting and futuristic album prompted writer Paul Bowles to wonder: „Was this composed under the influence of Majoun?“, and convinced filmmaker Bernardo Bertolucci to entrust the soundtrack music for his Sheltering Sky movie to Richard Horowitz (which earned him a Golden Globe).

    Desert Equations wonderfully blends the duo’s multiple sources, including their experiences at the epicentre of New York’s early 80s avantgarde music and theatre scene, Sussan Deyhim’s knowledge of traditional Persian music and its reverberation in modern Iranian arts, and Richard Horowitz’s background in jazz, electronics and Moroccan folk music.

    This 2021 / 2022 remastered reissue includes three previously-unreleased bonus tracks, and a rich booklet with photographs and notes recounting the duo’s fascinating life stories.Sussan Deyhim went on to work with the likes of Peter Gabriel, Jah Wobble, Bobby McFerrin, Adrian Sherwood, Ornette Coleman, and renowned visual artist Shirin Neshat. Richard Horowitz collaborated with Jaron Lanier, Hassan Hakmoun, David Byrne, was the original artistic director of the Gnaoua Festival in Essaouira, and wrote & recorded film soundtracks for Oliver Stone a.o. In April 2021, Deyhim and Horowitz have performed at the Nobel Prize Summit.

  • Michael Engelbrecht

    Playlist Klanghorizonte mit Interviewpassagen aus Gesprächen mit Shabaka Hutchings und Erik Honoré:

    Erster Teil (DISTANT HILLS):

    1) Ank Anum: Song of the Motherland (1985)
    2) Saru l-Qamar: A Lily
    3) Arushi Jain: Delight

    Zweiter Teil (IN A STATION OF THE METRO)

    4) Warrington Runcorn … : Your Community Hub
    5) Erik Honoré: Triage
    6) Pan American & Kramer: Reverberations …

    Dritter Teil (HEAVENLY MUSIC CORPORATION)

    7) Beth Gibbons: Lives Outgrown
    8) William Parker & Ellen Christi: Cereal Music
    9) Richard Horowitz: Eros in Arabia (1981)

  • Lajla

    Dass ich heute bei Nieselregen durch einen musikalischen Musikdschungel geführt werden würde, hätte ich nicht gedacht. Danke Michael. Und dass ich mich morgen mit Eric Honoré an einen Métromast lehnen werde, ist verdammt gut geplant, so kurz vor den Olympischen Spielen in Paris.
    Formidable.

  • Michael Engelbrecht

    N’est-ce pas?

    Deepl translation, funny mistakes still included.

    At the centre of ‘Klanghorizonte’, the ‘setting’ of a text by Ezra Pound. There are poems that have resonated for years. In any case, that’s what happened to me with the famous three-liner by Ezra Pound, entitled ‘In a Station of the Metro’. How often I thought of it when I travelled on the Underground in London, towards Epping Forest, Picadilly Circus or Angel Station. The two lines under the heading: ‘The apparition of these faces in the crowd: / Petals on a wet, black bough.’

    Sometimes, when my gaze went blank, or when I tried to read other people’s faces in a matter of seconds, this idea of perceiving these tubes of underground spaces as cold, wet tree trunks floated along. Then I uttered the lines quietly, like that other mantra in London underground tunnels: Mind the gap, mind the gap, mind the gap.

    Listen, in the sound horizons, to the setting by Erik Honoré. He is joined by Sidsel Endresen, Arve Henriksen, Jan Bang, Kirke Karja and Tim Nelson. The album ‘Triage’ will be premiered at this year’s Punkt Festival in Kristiansand. It will be released on ‘Punkt Editions’ as LP, CD and DL.

  • Olaf Westfeld

    Formidable & superb. Lief gestern im Garten bei Weißwein und Plausch, ich höre noch mal in Ruhe am Wochenende – danke für die Möglichkeit. AnkAnum ist nun auf dem Weg zu mir.

  • Martina Weber

    Wie immer habe ich „die Sendung“ auf eine 90er Kassette aufgenommen (habe keine 60er mehr), allerdings nicht live gehört, weil ich zu der Uhrzeit vor der Reise (vor Einbruch der Dunkelheit) unbedingt noch joggen musste, und zum Kofferpacken war es nicht die richtige Musik. Deshalb habe ich meine Aufnahme erst heute gehört: über Kopfhörer. – Wow. Von Anfang bis Ende intensiv und ganz besonders berührend. Die Unheimlichkeiten, die O-Töne. Und wiedergehört: Das für mich schönste Gedicht von Ezra Pound, das du, Michael, schon in deine letzte Ausgabe der Fünf-Stunden-Klanghorizonte eingebracht hast. Kaum möglich, Favoriten zu benennen. Eine Aufnahme, die ich noch oft hören werde. Jetzt läuft sie über den Kassettenrecorder und über die Lautsprecher.

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