Im Club der Fische (4)
Es war nicht mehr langhin, dann würden wir uns nie wieder sehen, vielleicht waren wir noch ein Jahr beste Freunde, ohne dass alles, ohne besonderen Grund und Sinn, zerfiel in zwei ganz andere Lebenswege. Kein einziger Streit, je, das muss man sich mal vorstellen, aber gemeinsame Abenteuer und tolle Erlebnise wieder und wieder. Und ein Langstreckenlauf besonderer Art. Eine Sache war etwas unheimlich, und sie fand an einem besonderen Ort statt, nahe der Weissen Taube, auf einem Feld mit struppigem, hochgewachsenen Gras.
Wir spielten dort, und ich weiss gar nicht mehr was. Vielleicht erkundeten wir nur das Wiesenfeld. In der Nähe eine Tankstelle, und die Geleise der S-Bahn, auf die wir öfter die Ohren gelegt haben, um zu hören, ob seltsames Gesumm einen nahenden Zug ankündigte. Da kam ein uns unbekannter Junge herüber, und wir wunderten uns, dass er direkt auf uns zukam. Er kam gleich zur Sache, und sagte, das Feld sei nicht unseres, und wir mögen verschwinden. – Nein, machen wir nicht, entgegnete ich. Wir stören hier niemanden!
Der Typ, der in unserem Alter war, etwas kleiner und eher humorlos, zog von dannen. Nach etwa zwanzig Minuten kam er mit einem Kumpel wieder. – Ihr verschwindet jetzt hier, sagte er und holte ein kleines scharfes Messer hervor. Das veränderte die Situation. Auf eine kleine Rauferei hätten wir es noch ankommen lassen, aber das hier konnte gefährlich werden. Wir hatten keine coolen Sprüche auf der Lippe und räumten das Feld anstandslos. Bis wir die Weise Taube überquert hatten, spürten wir die Angst in unseren Knochen.
Rückblickend hatte der Ort etwas Besonderes. Der Junge, der seinen Kumpel mit dem Messer holte, verschwand in einem der Häuser auf der Hagener Strasse, in einer seit Ewigkeiten dicht gedrängten Häuserzeile, in der du nicht so viele Jahre später mit deiner Frau eingezogen bist, als du schon völlig verschwunden warst aus meinem Leben, nie aber aus den Erinnerungen. Ich wohnte nur sieben Minuten von der Weissen Taube entfernt, bis ich das Abitur machte. Und dann, fort, fort! Ich hätte dich gerne gefragt, ob du nicht öfter, wenn du das Feld gesehen hast, oder den Raum, auf dem einst das Feld stand, an diese eigentlich völlig folgenlose Episode gedacht hast, in der wir einmal, von einem Typ bedroht wurden und klein beigeben mussten. Vielleicht bist du gar eine Zeitlang sein Nachbar gewesen, aber keiner hätte den anderen erkannt und auf diese Konfrontation angesprochen.
Wie gerne würde ich heute noch einmal mit dir an diesen heissen Sommertag zurückkehren (ich ernnere es genau, wie die Sonne niederbrannte). Natürlich würden wir einmal mehr das Feld räumen, aber es wäre eine ideale Gelegenheit gewesen, unsere Blutsbrüderschaft zu erneuern, und auf alle Zeiten zu verlängern, quer durch die Jahrzehnte, über das Ende des Jahrhunderts hinaus. Wir hätten das diesmal wieder mit einer Stecknadel gemacht, in der Lichtung in dem grossen Wald, der unser Revier war.
4 Kommentare
Norbert Ennen
Wie eine Szene aus Rob Reiner’s Stand By Me.
flowworker
Ich habe auch daran gedacht
An den Film
Aber wir haben keine Leiche gefunden
flowworker
Im übrigen, Norbert, war ich abends nach unserm Flow Treffen in Düsseldorf, an dieser Häuserzeile an der Weißen Taube, gegenüber von dem besagten Feld, und habe leider die Suche und das Klingeln nach zu wenigen Häusern abgebrochen … so doof! Fast geschafft. Aber wer weiß was dann ….
Michael Engelbrecht
Back to the sixties…