Taking Turns

“I’m Not Really so Impressed by the Guitar Playing; I’m More Interested in Hearing People Talking to Each Other on Their Instruments” (Jakob Bro)


Es begann alles auf dem Flowworker-Blog mit einem Gedankenaustausch zu dem Schlagzeuger Paul Motian. Und nun: ein Traum. Alle sechs sind sich vorher oder nachher begegnet, live, in Studios, als Duo, Trio, privat, wie auch immer, aber in dieser Zusammensetzung nie wieder in Erscheinung getreten. Bei aller Vertrautheit, zwischen Respekt und Freundschaft, untereinander: mit „business as usual“ hat „Taking Turns“ nichts zu schaffen. Ein oder zwei Tage in den Avatar Studios. Magie ist nicht programmierbar. Um dem Betriebsgeheimnis dieses zum Jahresende hin erscheinendes Albums nahezukommen, könnte man sich getrost auf die Bildersprache von Träumen einlassen. Tatsächlich stand ich in einem alten Plattenladen in Amsterdam, und sah Henning in einem Fach wühlen, das den Namen „Dream on“ trug. Statt geläufiger Rubriken fanden sich, Fach für Fach, Anweisungen von poetischer Schärfe und Ungenauigkeit. Der Besitzer des Ladens, Greg Fisch, sorgte für ein wenig Unruhe, als er mit Wucht gegen eine Jukebox trat, die sich seinen reparierenden Griffen widersetzte und auf Teufel komm raus nicht „Take Five“ spielen wollte. Lajla liess sich davon nicht aus der Ruhe bringen, und war unter dem Kopfhörer ohnehin in einer anderen Welt anwesend, in der Lucinda Williams von den Geistern eines Highways sang. Auf Wunsch von Rosato lief Jakob Bros „Taking Turns“ auf einem in die Jahre gekommenen Technics-Plattenspieler, und er schien hin und weg. Ich hatte ihn lange nicht gesehen. Wenn ich seine Worte im Dämmerlicht richig verstand, sagte er: „…ganz stark, was diese Sechs an feinen Linien zeichnen. So eine wunderbare melodische und klangfarbige Polyphonie bewegt mich…“ Allmählich übertrug sich die kaum fassbare Stimmung des Albums auf alle, die zuhörten. „Hammer“, sagte ich zu Rosato, „Hammer!“ Ich war zudem noch nie zuvor in einem Plattenladen, in dem nach 18 Uhr Kerzen das verschwindenden Tageslicht ersetzen. Wie gesagt, ein Traum. Wie anders lässt es sich erklären, dass die Musik zehn Jahre in einem Archiv ruhte. (m.e.)

4 Kommentare

  • Michael Engelbrecht

    4. Dezember : Domicil, Dortmund. Jakob Bro / Arve Henriksen / Jorge Rossy

    5. Dezember: Deutschlandfunk, 21.05 Uhr. Odilos JazzFacts mit einem Beitrag von mir zu TAKING TURNS

    6. Dezember: Jakob Bro: Taking Turns (ECM) – release date / evtl. schon in der zweiten Novemberhälfte (!)

    7. Dezember: Borussia Mönchengladbach – Borussia Dortmund

  • Olaf Westfeld

    Inspiriert durch den Gedankenaustausch zu Paul Motian habe ich heute „Psalms“ aufgelegt. Der Titeltrack eröffnet das Album auch mit einer hypnotisch-träumerischen Atmospäre. Die Musiker tasten sich in den Klang hinein. Gutes Album!

  • flowworker

    Never listened to Psalms closer.

    Clicking on Jakob’s phrase of hear people talking leads to Bill Milkowsky’s introduction from January 2023.

  • radiohoerer

    Was für ein toller Text! Ich brenne darauf, mehr über das Fach „Dream on“ zu erfahren. Was hat sich wohl dahinter versteckt? Vielleicht etwas von Disturbio. Klänge, Geräusche, Satzfetzen, jenseits aller Grenzen, vollkommen grenzenlos und inspirierend. Oder wir folgen den Lone Wolf Runner auf seinen Pfaden, irgendwo im Eis. Wer weiß, was uns da erwartet?

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