In der Pariser Metro, im Keitumer Teekontor, und anderswo
Es ist wie bei einer Meditation: die richtige Sitzposition hilft, zur Ruhe zu kommen. Der Teekontor in Keitum ist ein Power Spot, dessen bürgerliche Akkuratesse durchaus hilfreich ist für die Verwandlung des eigenen Bewusstseins. Dort nimmt man bei schlechtem Wetter auf der Couch Platz, von der aus das obige Bild geschossen wurde. Noch besser, im vordersten Strandkorb draussen, mit Blick auf die weite Prairie. (In der Regel sind sie anders aufgestellt, nämlich so, dass der Blick allein aufs weite grüne Feld gerichtet ist.) Man bestelle sich eine Kanne mit grünem, weissem, oder schwarzem Tee: die Beschreibungen der Getränkekarte sind verlässlich. Das High stellt sich nach 20 Minuten ein. Und so ist es nun mal beim Teegenuss: die Gedanken werden, mitunter, schärfer, heller, luftiger. Man muss es nicht Meditation nennen, auch „heiteres Verweilen“ macht Sinn. Ich habe dort schon oft über Stunden an dem „Sequencing“ der Stücke für die Klanghorizonte gearbeitet, mit Papier und Bleistift. (Das waren ja auch fünf Stunden in den letzten Jahren, also galt es fünf Spannungsbögen zu basteln.) Diesmal ist die Reihenfolge bei mir daheim entstanden. Jede gelungene Abfolge ein kleiner „Coup“.
Im Zentrum der „Klanghorizonte“, die „Vertonung“ eines Texts von Ezra Pound. Es gibt Gedichte, die hallen nach seit frühen Jahren. Auf jeden Fall erging es mir so mit dem berühmten Dreizeiler von Ezra Pound, betitelt „In a Station of the Metro“. Wie oft dachte ich an ihn, wenn ich in London mit der Underground fuhr, Richtung Epping Forest, Picadilly Circus, oder Angel Station. Die zwei Zeilen unter der Überschrift: „The apparition of these faces in the crowd: / Petals on a wet, black bough.“ Zuweilen, wenn der Blick ins Leere ging, oder in Sekundenschnelle fremde Gesichter zu lesen versuchte, schwebte diese Vorstellung einher, diese Röhren der unterirdischen Räume als nasse kalte Baumstämme wahrzunehmen. Dann sprach ich die Zeilen leise aus, wie jenes andere Mantra in Londoner U-Bahnschächten: Mind the gap, mind the gap, mind the gap. Lauschen Sie, in den Klanghorizonten, der Vertonung von Erik Honoré. An seiner Seite Sidsel Endresen, Arve Henriksen, Jan Bang, Kirke Karja und Tim Nelson. Das Album „Triage“ wird beim diesjährigen Punktfestival in Kristiansand uraufgeführt. Es erscheint auf „Punkt Editions“. als LP, CD, und DL.
3 Kommentare
Michael Engelbrecht
Ank Anum ist meine Wiederveröffentlichung resp. archivarische Ausgrabung des Jahres, noch vor der zauberhaften Box des American Analog Set, vor der erstmals auf Vinyl erschienenen Doppel-Lp Shadow Puppeteer von Julie Tippetts, vor Alice Coltranes überragendem 1971er Auftritt in der Carnegie Hall, vor dem famosen Pariser Konzert von Can, vor „Luminessence“ vom Keith Jarrett und Jan Garbarek vor Paul McCartneys famosem, grossenteils in Afrika aufgenommenen Klassiker mit den Wings. Bis auf die Hits war mir „Band On The Run“ nie zu Ohren gekommen. Ank Anums Platte steht ebenbürtig neben der Dub Poetry von Linton Kwesi Johnsons, aber mit einem völlig anderen stilitischen Ansatz. Denn jedes Stück des Albums nimmt eine neue Klangspur auf, jedes Stück überzeugt mit Intensität. Ein famoses anglo-karibisches Diabinghi-Ensemble begleitet all diese Ausflüge. Klartext: Natürlich ist ein Ranking immer nur eine Sequenz von Liebeserklärungen. Alle genannten Alben bewegen sich in meiner Welt auf einem Level. Alles five star Alben. Für andere ist das natürlich wieder etwas (oder mehr oder weniger) anders.
Michael Engelbrecht
Deepl Translation:
There are poems that have resonated for years. In any case, that’s what happened to me with the famous three-liner by Ezra Pound, entitled ‘In a Station of the Metro’. How often I thought of it when I travelled on the Underground in London, towards Epping Forest, Picadilly Circus or Angel Station. The two lines under the heading: ‘The apparition of these faces in the crowd: / Petals on a wet, black bough.’ Sometimes, when my gaze went blank, or when I tried to read other people’s faces in a matter of seconds, this idea of perceiving these tubes of underground spaces as cold, wet tree trunks floated along. Then I uttered the lines quietly, like that other mantra in London underground tunnels: Mind the gap, mind the gap, mind the gap. Listen, in the sound horizons, to the setting by Erik Honoré. He is joined by Sidsel Endresen, Arve Henriksen, Jan Bang, Kirke Karja and Tim Nelson. The album ‘Triage’ will be premiered at this year’s Punkt Festival in Kristiansand. It will be released on ‘Punkt Editions’ as LP, CD and DL.
Olaf Westfeld
Ank Anum muss auch dringend noch in meinem Haushalt landen, die akustischen Basslines hallen immer noch nach.