we have to talk about this album

Für dieses Album – Central Park’s Mosaics of Reservoir, Lake, Paths and Gardens – brachte Wadada Leo Smith die Pianistin, Organistin und Sängerin Amina Claudine Myers ins Boot –  auf seinem Album Trumpet (TUM Records) hatte er ihr bereits ein Stück gewidmet; und Andrew Cyrille spielte auf seinem letzten Soloalbum Music Delivery / Percussion (Intakt Records) eines von ihr. Unter Jazzpianist/innen wird die 1942 geborene Myers sehr geschätzt und verehrt, ich fand sogar alte deutsche Jazzmagazine aus den 1980ern mit Berichten über sie, doch abseits von Kenner/innen ist sie heute kaum jemanden überhaupt ein Begriff. Insofern ist es sowohl dem halb so alten Produzenten Sun Chung als auch Wadada ein Anliegen, sie nun in ihren Achtzigern noch einmal ins Bewusstsein zu rufen. Anfang 2025 erscheint bei Red Hook ein Soloalbum von ihr, das im Oktober gemischt wird. 

Sun Chung war acht Jahre Produzent bei ECM Records, und auch bei unzähligen ECM-Aufnahmen, bei denen er nicht selbst die Produzentenposition innehatte, war er an Manfred Eichers Seite anwesend (er hat mir in einem bislang unveröffentlichten zweistündigen Gespräch von diesen „Lehrjahren“ erzählt). Für ECM produzierte er unten anderem eine Reihe exzellenter Alben mit Andrew Cyrille, an denen Bill Frisell und Wadada Leo Smith mitwirkten.

Nach seinem Ausstieg bei ECM startete Sun mit den letzten Studioaufnahmen von Masubumi Kikuchi (1939-2015) aus dem Dezember 2013 (Hanamichi, das bei ECM keinen Platz finden konnte; in einem Jahr wird es eine „Deluxe Edition“ mit mehr Aufnahmen aus dieser letzten Session geben) sein eigenes Label Red Hook Records, benannt nach dem Viertel in Brooklyn, in dem er aufwuchs. Bereits fürs zweite Album Two Centuries — wiederum mit Andrew Cyrille und Wadada Leo Smith — gewann Red Hook vor einem Jahr den Deutschen Jazzpreis. Das Album Refract mit Tyler Gilmore, Jason Moran und Marcus Gilmore war letzte Woche für den Deutschen Jazzpreis nominiert; es wurde im Mai 2022 in der gleichen Woche aufgenommen wie Suns sechste Zusammenarbeit mit Andrew Cyrille (Trio mit Bill Frisell und Kit Downes), welche im Herbst erscheinen und, so viel sei schon verraten, eine recht ungewöhnliche, aber, wie ich finde, enorm faszinierende Musik bieten wird.

Leider konnte ich bei den Sessions des „Central Park“-Albums mit Wadada und Amina aufgrund des Corona-Einreiseverbots für Nicht-US-Bürger nicht persönlich dabei sein, dafür aber im Herbst 2023 bei den Aufnahmen von Aminas Soloprojekt im Studio „Sear Sound“. Bei der Gelegenheit habe ich ein Auto gemietet und Wadada in New Haven besucht [über einen lustigen Umweg via Keene, New Hampshire, wo ich ein höchst erinnerungswürdiges Konzert von Xiu Xiu besuchte], um ihn zu diesem Duo-Album zu befragen – und bei der Gelegenheit auch gleich Material gefilmt für ein Video zu seinem 17. Streichquartett, das er im Herbst beim London Jazz Festival präsentieren wird. Wadada erzählte mir von seinen Inspirationen zu den Stücken, die allesamt mit Orten im Central Park verbunden sind, und ich bemühte mich tags darauf, innerhalb einer kurzen Zeit von knapp zwei Stunden ein paar Aufnahmen von wenigstens einiger dieser Orte zu machen. Immerhin war es ein wunderschöner Herbstsamstag, und da das Wetter an den darauffolgenden Tagen unglaublich schlecht war, konnte ich die ausstehenden Orte nicht mehr audiovisuell einfangen. 

Mein Doku-Portrait zum Album ist also selbst wie ein kleines Jazzstück, kombiniert aus ein paar Videofragmenten, die jemand anderes bei der Studiosession mitgeschnitten hat, aus ein paar (zu wenigen) Herbstbildern aus dem Central Park, einem Gespräch in Wadadas Wohnzimmer und einem kleinen Kommentar von Amina aus dem Interview, das ich im Rahmen der Session ihres Soloalbums mit Sun Chung gefilmt habe.  (ijb)

3 Kommentare

  • Lorenz

    Thank you for the tip! I just listend to the track „central park at sunset“ by Wadada Leo Smith and Amina Claudine Myers which is already available on bandcamp. So lovely!

  • Olaf Westfeld

    Hätte nie gedacht, dass das Doku-Portrait improvisiert ist – für mich wirkt es wie genau so geplant, wie aus einem Guss. Hanamichi und Two Centuries mochte ich, von daher ist das Album bestimmt was für mich – und die Kombination Cyrille, Downes, Frisell finde ich auch spannend (auf dem papier).

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