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Zwei Graphic Novels
Für ein Leseprojekt in einer 9. Klasse zum Thema deutsche Geschichte 1848 – 1945 lese ich gerade verschiedene Texte (Romane und Comics/graphic novels), die die Jugendlichen dann vorstellen sollen. Hier sind zwei davon, Reinahrd Kleins „Der Boxer“ (2012) und Luz‘ „Zwei weibliche Halbakte“ (2025).
Reinhard Kleins graphic novel basiert auf den Lebenserinnerungen von Hertzko Haft, die er gemeinsam mit seinem Sohn Alan zu Papier gebracht hat und die auf der Rückseite des Einbands zurecht als verstörend beschrieben werden. Hertzko Haft ist 14 als die Deutschen 1939 Polen überfallen und seine Heimatstadt Belchatov besetzen. Zwei Jahre später wird er in einem Zwangsarbeitslager interniert, kurze Zeit später kommt er nach Auschwitz. Dort wird er wegen seiner Statur von einem SS-Aufseher zum Boxer ausgebildet und muss von nun an jedes Wochenende gegen einen anderen Häftling kämpfen. Es sind Schaukämpfe auf Leben und Tod, die Deutschen bringen die Verlierer um. Ende 1944 werden die Lager um Auschwitz aufgelöst, die Häftlinge irren auf Todesmärschen durch Polen und Deutschland. Hertzko Haft gelingt im April 1945 die Flucht, auf der er einen SS-Mann und ein älteres Ehepaar umbringt. Nach Kriegsende führt er vorübergehend ein Bordell für amerikanische Soldaten, um dann in die USA zu emigrieren. Dort hat er eine kurze Karriere als Profiboxer, heiratet schließlich, wird Vater von drei Kindern und eröffnet einen Gemüseladen in Brooklyn. Zeitlebens kann er über die Kriegsjahre nicht reden, wird aber von den Dämonen seiner Vergangenheit gemartert; erst kurz vor seinem Tod berichtet er seinem Sohn seine Lebensgeschichte. Um ehrlich zu sein bin ich mir nicht sicher, ob diese – von Reinhard Kleist in sehr ausdrucksstarken schwarz-weiß Zeichnungen erfasst – für 14jährige nicht etwas zu düster ist; vielleicht eher etwas, um es für Unentschlossene in der Hinterhand zu haben.
Ein preisgekrönter Comic aus Frankreich in deutscher Übersetzung, dessen Autor vor 10 Jahren dem Anschlag auf Charlie Hebdo nur entgeht, weil er an dem Tag Geburtstag hat und deswegen zu spät zur Redaktionssitzung kommt. Seitdem steht Luz unter Polizeischutz. „Zwei weibliche Halbakte“ erzählt von der deutschen Geschichte zwischen 1919 und 1946 (wobei die letzten Ausläufer der Handlung in der Gegenwart enden) aus der Perspektive des titelgebenden Gemäldes von Otto Müller. Man sieht also was sich unmittelbar vor dem Bild abspielt – und sonst nichts. Aus dieser reduzierten Sicht stellt Luz geschichtliche Ereignisse prägnant dar. Das Bild steht lange im Atelier des Malers, bis der es an einen Anwalt und Kunstsammler verkauft, der nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten Selbstmord begeht. Die Sammlung muss verkauft werden, damit die Familie Deutschland verlassen kann, wird dann beschlagnahmt, und das Bild „Zwei weibliche Halbakte“ landet auf der Ausstellung für „entartete Kunst“. Dort betrachten es sowohl pöbelnde Nationalsozialisten, aber auch Kunstliebhaber. Und dann geht die Geschichte weiter – heute kann man das Gemälde in Köln im Museum Ludwig sehen; die Erben des Kunstsammlers wurden zu Jahrtausendwende entschädigt. Die Bilder sind in gedeckten Farben gemalt, von denen einige leitmotivisch wiederholt werden. Immer wieder nutzt Luz die bildliche Tiefe, um im Hintergrund weiteres Geschehen zu zeigen. Ich habe „Zwei weibliche Halbakte“ sehr gerne gelesen. Für meine Schüler*innen ist der Fokus auf „entartete Kunst“ sicher etwas speziell, zudem müssen sie in der Lage sein, sich den Kontext beim Lesen zu erschließen – aber das schaffen einige bestimmt ganz gut.
„Zwei Karten für die Hafenstraße, Alter!“
Das war verblüffend, wie oft mir pure Irritation begegnete, wenn ich ausserhalb der Rituale von Klassentreffen ein paar ausgewählte Jungs, die damals Kumpel waren, anschrieb oder anrief, um mal ein Treffen auszumachen. Nicht ganz unverständlich, wenn, was Volksschulzeiten betrifft, nicht mal verstreute Begegnungen über die Jahre einen Anknüpfungspunkt ergaben. Und Mädels kamen gar nicht vor, da wäre Befremden durchaus verständlich.
Ich rede von Freunden, mit denen ich in unseren Dortmunder Vororten eine Reihe von kleinen und grossen Abenteuern erlebte, wenn nicht gleich auf dem Level von Enid Blytons „Fünf Freunden“, so doch unvergesslich genug – wenn, ja, wenn man nicht irgendwann die Kindheit zu einem „anderen Land“ erklärt, und Vorstösse dorthin im gesetzten Alter mit diversen Erstverdächtigungen begleitet werde, ob da einer verrückt geworden sei, oder depressiv, oder gar Geld wolle.
Da war, einmal, das schon in der Stimme spürbare Unverständnis der Gattin eines meiner Jugendkumpels zwischen 11 und 17, das nur noch getoppt wurde von der höflich-unterkühlten Sprache von Hans S., der ein kleines Treffen in Aussicht stellte, wenn er seine Mutter, die immer noch in dem Haus gegenüber wohnte, hochgradig senil, in zwei Wochen in eine Seniorenresidenz bringe. Ganz kurz sprach ich davon, wie ich die stolze Frau damals erlebt habe, und es entstand der Ansatz einer kurzen, doch recht förmlichen Unterhaltung.
Wenige Tage später eine förmliche Absage. Immerhin hatte ich rausgefunden, dass es die anderem drei Kumpel vom Wildbannweg noch gab. Als ich ihm auf wenigen Zeilen einige Erinnerungen und Gehemnisse auftischte, von einem gemeinsam durchgeführten telepathischen Experiment, bis zu diskret gehaltenen Liebeleien (die Namen blieben auch jetzt, aus Respekt vor den Lebenden und Toten ungenannt), war klar, in diesem und den kommenden Leben würde ich von H. nichts mehr hören. Ein komplettes Verschwinden von Interesse und Neugier.
Bleibt also mein 2024 wiedergefundener Schulkamerad Zurli, mit dem ich demnächst Haus um Haus in unserem alten Dornröschenweg abgehen, und seine Erinenrungen mit meinen anreichern werde und umgekehrt. Ursprünglich wollte ich im letzten Jahr vor allem meinen einstigen „Blutsbruder“ Matthias finden, kam dafür ein paar Monate zu spät. Jetzt bin ich guter Dinge, dass Zurli, Klaus (wieder bald gesund, hoffentlich!) und ich bald im alten Dorfkrug sitzen werden und der Zeit kurzfristig ein Schnippchen schlagen. In der Jukebox kann es dann gar nicht sentimental genug zugehen, von „Yesterday“ bis „Walk On The Wild Side“! Und, Zurli, es wird wieder Zeit für einen Sonntagsspaziergang! Mitte August, herrliches Sommerwetter, der BVB spielt bei Rot Weiss Essen, die erste Pokalrunde, und ich habe zwei Karten füre die Hafenstrasse, Alter! (Dank an Freddie R. – die Tickets waren ratzfatz ausverkauft!
Spieltage
Kinder der Bundesliga, das sind natürlich alle die, welche im ersten Jahr dabei waren, 1963, und von früh an Fan! Zu meinen schönsten Erinnerungen zählt „mein“ erster Gewinn eine Deutschen Meisterschaft direkt vor der Einführung der Bundesliga, als ich bei meinen Grosseltern live den 3:1-Sieg des BVB gegen den favorisierten 1. FC Köln verfolgte. Unvergesslich, wie auch Hoppy Kurrats Fernschuss zum 1:0. Es gibt kein schöneres und tieferes Buch zur Geschichte der Liga, als Ronald Rengs „Spieltage“. Eine Hauptrolle spielt darin Heinz Höher, einstiger Spieler und Trainer, Kauz und Original und auch noch verdammt schlau, aus dessen Perspektive vieles nacherzählt und neu aufbereitet wird. Leserausch für Freunde des runden Leders garantiert! Das Buch ist nun schon über zehn Jahre alt. Und ein „Klassiker“ geworden!
Wer sich nach dem Kommerzirrsinn der letzten Jahrzehnte einen Rest Fussballromantik bewahrt hat, kann Rengs Zeitreise mit soviel Vorfreude und Leselust und „memory triggering“ antreten, wie Jan Reetzes Trip durch die Krautrockära, „Der Sound der Jahre“! Wer sich auf dem Laufenden halten möchte, dem empfehle ich, sich die BuLi-Saison 2025/26 „Das Markensonderheft“ von „11 Freunde“ zuzulegen, diesem einzigartigen Magazin für Fussballkultur. Man erfährt darin nicht nur die Abschlusstabelle der kommenden Spielzeit, und einen detaillierten Bericht über das Pokalfinale im kommenden Juni, dass der BVB gegen Bayern 3:1 für sich entscheidet, sondern auch gewitzte Gespräche über Fussball mit Willy-Brandt Filius Matthias (Werder-Fan!), ein tolles Interview mit Bremens neuem Trainer Horst Steffen (ursypmpathisch), eine gnadenlose Abrechung mit dem Unfug der Klub-WM, ein aussagekräftiges Interview mit „unserem Kapitän“ Emre Can, und so viele Stories mehr.Monthly Revelations (August)
album: Olga Anna Markowska: Iskra // film: Sirāt // prose: Brian Anderson: Loud And Clear // talk: Beatie Wolfe (third month in a row) // radio: Ein älteres John Taylor-Portrait // binge: „Robert Lemke – Wer bin ich?“ // archive: Brian Eno: Another Green World (50th anniversary)Die „revelations“ des Monats August sind von beachtlicher Verschiedenheit. Das von Ingo präsentierte Albim gibt es anscheinend schon länger in diesem Jahr, aber wir betreiben keine Fetischisierumg des Neuen, und warten gerne auf perfekte Zeitpunkte. Wie ich bei dem „Arcanum“-Album von ECM. Klar, wir entdecken manches erst im nachhinein. Das seltsamste Miteinander hier sind Robert Lemke und Brian Eno – aber, bitteschön, beide hatten in den Siebziger Jahren ihre Hoch-Zeit, Robert Lemke war etwas früher dran. Und auch die legendäre Quizshow öffnete Welten, trotz aller inszenierten Gemütlichkeit (was machte die Schönte des Rateteams auf einmal in einem Italo-Western in dem Armen von Clint Eastwood!?) Neben „Einer wird gewinnen“ meine Lieblingsrateshow aus Kinderzeiten. Und später kluge Dokus zu sehen über die Akteure, wie Hans-Joachim Kulenkampff, Hans Rosenthal und jetzt Robert Lemke ist und war, für viele eine spannende Zeitreise. (m.e.)
Heute Abend im Radio
„Benedicte is a unique musician with a vision. Her previous concert at Punkt was really beautiful. Her choice of musicians, especially that of Håkon Stene works beautifully alongside her playing the hardanger fiddle. The opening piece of Mirra has such a clear sense of place where you can almost feel the presence of the reindeer gathering at the Hardangervidda (Hardanger plateau). Perhaps a nod to Harold Budd’s „Plateaux of Mirror» ?“
Das schrieb mir Jan Bang gestern, zu Benedicte Maurseth, deren neues Album „Mirra“ heute Abend in den „Klanghorizonten“ des Deutschlandfunks um 21.05 Uhr ausgiebig vorgestellt wird. Die Stunde beginnt mit altem brasilianischen Flair, um dann weiterzuziehen ins Land der Rebriere, und in einen Ferienort an der englischen Ostküste, namens Yarmouth. Und sie endet (ein zweiter Abstecher zu „Mirra“) bei den Rentieren im riesigen Hardanger Hinterland und (radiotechnisch gesehen mit einer „Kreuzblende“) in einer versprengten Inselgruppe noch weiter nördlich, den Lofoten.
Richard Williams ist ja einer einer meiner Lieblingsjournalisten beim „Melody Maker“ in den Siebziger Jahren gewesen, und neugierig verfolge ich seinen Musikblog „The Blue Moment“, seine ruhigen, historisch fundierten Ausflüge durch die Musikhistorie. Der Mann lebte in London, als in den „wilden Jahren“ unendlich viel passierte. Einig sind wir uns bei den neuen Werken eines skandinavischen Quartetts um Arve Henriksen (ECM), und Amina Claudine Myers Solopianalbum (Red Hook). HIER Ingos Vorstellung dieser Red Hook-Produktion von Sun Chung.Scott McNiece: Introduction and „Chicago Waves“
im Zentrum der Stunde dreht sich alles um International Anthem Rec., das mittlerweile sein elftes Jahr erlebt, und die Klanghorizonte seit Jahren mit spannenden Alben versorgt. Das Interview mit einem der Gründer, Scottie McNiece kam einen halben Tag zu spät, um noch Teil der Klanghorizonte zu werden. Dafür gibt es Scotts O-Töne in diesem Text, in denen er über Jeremiah Chiu & Marta Sofia Honer spricht, über eine Wiederveröffentlichung aus der Frühzeit des Labels von Carlos Niño & Miguel Atwood-Ferguson, über Ben LaMar Gays Musik, und über die Rolle der Musik in dunklen Zeiten!
Scott McNiece on the role of music
Scott McNiece on „Different Rooms“
P.S. „So I sat down in my electric cave with a small pile of new experimental music, and that afternoon I fell in love with the new album by Jeremiah and Marta Sofia. At first I was sceptical about the spherical and synthetic (Klingklang is what I call sounds that just dance pretty on the surface), but it didn’t take long for the first tipping point of perception, and I heard these other spaces and interstices, and the strange sensations that came with them. Pretty indescribable, so the ‘review’ ends here. „Different Rooms“. Wondrous music. Safe Journey.“ (M.E.)
Die Kraft des sensiblen Tons (für Karsten Mützelfeldt)
Ich glaube, diese Sendung entstand im Jahr, als das Trioalbum „Rosslyn“ erschien, 2003. Die knappe Stunde hat, neben der Musik, ihre schönsten Passagen, wenn man John Taylors Erinnerungen, und dem Tonfall seiner Stimme, lauscht. Natürlich befragte ich ihn zu dem berühmten Album „Azimuth“ mit Kenny Wheeler und Norma Winstone, das unlängst in der ECM-Vinylreihe „Luminessence“ wiederveröffentlicht wurde. Und ich ging zurück in eine Zeit, in der er als Sideman spannende Ideen einbrachte in Volker Kriegels Werke „The Missing Link“ und „Lift!“ Alte MPS-Highlights!Ganz verwundert war ich beim Wiederhören dieser Sendung, dass ich seine Story zu den Aufnahmen einer meiner Lieblingsplatten von Jan Garbarek, „Places“, gar nicht vorfand. Ich überlegte einen Moment: ich habe jenen O-Ton sicher, zu einem Stück von „Places“, in einer Ausgabe der Klanghorizonte verwendet! Es ging da um eine kleine defekte Orgel, die John spielte, und die ihren Teil beitrug zu der Magie einer Aufnahme, an der auch Bill Connors und Jack DeJohnette mitwirkten.
Cádiz y Paco de Lucia calling
Was für ein Gefühl, ein Stück Autobahn unter sich zu wissen. LKWs, PKWs, Camper und Motorräder stehen dicht aneinander auf Deck 4 und 5 der grossen ARMAS Fähre von Teneriffa nach Cádiz. Achtundfünfzig Stunden an Bord, vorbei an den magisch im Dunst liegenden Kanareninseln, die letzte, Lanzarote, wird um Mitternacht angelaufen, danach sind es noch sechsunddreissig Stunden auf offenem, ruhigem Ozean bis nach Cádiz. Ohne Netz.
Ich hatte das Buch von Ocean Vuong nicht mitgenommen, es wiegt zu viel, dafür einige Tageszeitungen und den SPIEGEL. So eine Überfahrt ist lang, umso grösser die Vorfreude auf das Ankommen im fremden Hafen. Cádiz empfängt uns mit flirrendem hellen Licht, fatamorganisch liegt die Stadt mit der grossen Kathedrale am Meer.Der Himmel und das Wasser: ocean blue.
Voilà, wir sind an der Küste des Lichts. Alles ist fussläufig vom Hafen aus zu erreichen, ich befinde mich schon in der Altstadt mit ihren sehr engen Gassen, die kaum einen Sonnenstrahl durchlassen. Jeden Morgen werden die Strassen und Plätze mit Wasser besprenkelt, das ergibt diese Frische, die, neben dem leichten Atlantikwind, das Flanieren so angenehm macht. Hundebesitzer halten eine Wasserflasche bereit, um die Hinterlassenschaften ihrer Lieblinge wegzusäubern.
In der lebendigen autofreien Altstadt herrscht eine Eleganz aufgrund der wunderbar erhaltenen hohen Gebäude im postkolonialen Stil: viele Fenster, viele Holzbalkone. Ich entdecke sieben Buchläden, teilweise mit hübschen Cafés und sehr leckeren sweeties. Ich entdecke ein grosses Kulturhaus, wo am Abend eine junge Flamencosängerin aus Madrid auftritt.
Ich besuche das eintrittsfreie Kontert, das auf einer Hochterrasse stattfindet mit herrlichem Blick über die beeindruckende Insellage der Stadt. Ich war nie vom Flamenco begeistert, weder vom Tanz noch vom Gesang. Joachim Berendt ist es einst nicht gelungen, den Jazz mit dem Flamenco zu fusionieren. Das gelang dem grossen Künstler an der Gitarre, der nicht weit von Cádiz geboren wurde.
PACO DE LUCIA
Paco encanta al que no sabe y vuelve loco
al que sabePaco nannte sich de Lucia nach dem Vornamen seiner portugiesischen Mutter Luzia. Mt seinem ständigen musikalischen Partner Cameron de la Isla verband ihn eine lebenslange Freundschaft. Ein Kinderbuch zeugt von dieser Verbundenheit. Dort lese ich, wie der kleine Junge Camerón zum Mond, der Paco heisst, hinaufruft: „wir müssen singen, viel singen, damit die ganze Welt uns hört.“
Paco war weltweit unterwegs. Er spielte mit Al Di Meola (Land of the Midnight Sun), John Mc Laughlin (Friday Night in San Francisco 1982, Carlos Santana, Bob Marley, Paul Simon und vielen anderen. Und diese Fusion gefällt mir sehr gut. Auf seinem letzten Album CANCIÓN ANDALUZA steht:
Si hay que navegar
que me lleve la marea
primito, donde me quiera llevar.2014 ist er in Cancun/ Mexiko gestorben. Beerdigt ist er in Algeciras, wo er geboren wurde. Echte Fans reisen dorthin, es gibt seit einem Jahr das „Casa Paco de Lucia“ – auch wegen der aussergewöhnlichen Landschaft an der Strasse von Gibraltar lohnt sich eine Reise dorthin.
Zu jedem Aufbrechen ins Offene gehört das Kennenlernen von neuen Menschen in der Fremde. Auf der Hinfahrt wurde ich auf Deck 7 von Marokkanern zum Tee eingeladen. Sie reisten weiter mit der nächsten Fähre nach Tanger. An dem Flamencoabend habe ich eine iranische Filmemacherin kennengelernt, die mit ihren aussergewöhnlichen Themen viele Preise gewonnen hat (für Martina hier ihr Name Yassamin Malek Asr). Auf der Rückreise lernte ich eine liebenswerte Familie aus Madrid kennen, die ihren Hund in Cádiz operieren liessen und jetzt Ferien auf Lanzarote machen. Für Michael.
L.N.
Another dark and dancing world
„Manchmal macht man Entdeckungen, wenn man eigentlich viel zu müde ist dafür. Dann traut man seinen Ohren nicht, und dann doch!“
Speaking of perfect summer songs with deepness inside and surprises all along, HERE is one. Except it is not really a summer song. I am so stunned and haven’t heard any other song from the album. How often I am slightly disappointed when writers surpass one another with their writing on the next great singer. Oh, well, I say to myself, probably i‘m too old for this, but not here, not in this case.
I haven‘t read any review yet, but, in its own mysterious or very clear ways, this song takes me back to the early 80‘s and my time in the northern part of the Bavarian Wood, with „Too Rye Aye“ on high rotation in my little house in the middle of nowhere land. More than curious if the whole thing lives up to the time traveling standards of this song, and, more than that, its passages of euphoria and darkness.
Sommerlektüre
Richard Powers „Das grosse Spiel“
Bereits der zweite Roman von Richard Powers, den ich 2025 lese. Kaum ein Buch hat mich in den letzten Jahren so begeistert und beeindruckt wie „Die Wurzeln des Lebens“. „Das grosse Spiel“, erschienen Ende 2024, habe ich wieder sehr gerne und recht schnell gelesen, wobei der Dauerregen der letzten zwei Wochen sicher einen Anteil hatte. Richard Powers jongliert mit vier Bällen, den verwobenen Geschichten von vier Charakteren: einer Meeresforscherin, einer Künstlerin und zwei sehr unterschiedlichen Freunden, Perfektionisten beide, die sich aus der Schulzeit kennen und dann gemeinsam an einem College studieren. Der eine entwickelt sich zu einem Tech-Oligarchen, der im frühen Internet eine Seite namens Playground (so auch der amerikanische Titel des Romans) aufbaut, die er zu einer der weltweit meistgenutzten Plattformen entwickelt. Der andere ist ein manischer Leser, ein Dichter und Denker, dessen Leben anders verläuft. Der Roman handelt von den Gegensätzen der beiden, damit auch von Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Literatur und Technik. Dann spielt eben noch das Leben der Meeresforscherin eine große Rolle und damit die Beschreibungen des Lebens unter der Wasseroberfläche (immerhin sind 71% der Erde von Wasser bedeckt).
Sehr sinnlich schildert Powers eine ganz andere Welt. Und ähnlich wie bei „Die Wurzeln des Lebens“ stellt er hier die mannigfaltigen Formen der Kooperation von Lebewesen in den Mittelpunkt seiner Beschreibungen. Es gibt ja noch eine vierte Figur, eine Künstlerin… und die Zusammenhänge der Lebensläufe. Auf der Zielgerade stellt der Lesende dann fest, dass Powers gar nicht vier, sondern fünf Erzählbälle jongliert. Wieder bin ich tief in die Welt des Buches abgetaucht, wieder verzaubert, wieder aufgewühlt und wieder viel zum Nachdenken gekommen. Ich werde in diesem Jahr noch mindestens ein Buch von Richard Powers lesen: „Erstaunen“ (Bewilderment) steht als nächstes an (das ist mit 320 Seiten zum Glück auch etwas kürzer als „Das Grosse Spiel“).
Wolfram Eilenberger „Die Geister der Gegenwart“
Der Dauerregen in den letzten zwei Wochen und die Tatsache, dass ich die längste Zeit home alone war, haben dazu geführt, dass ich noch ein zweites dickes Buch gelesen habe: „Geister der Gegenwart“ von Wolfram Eilenberger. Dies ist dessen dritter Philosophie Schmöker, in dem Gedanken und Leben von vier Denker*innen parallel erzählt werden, so dass sich unterschiedliche Verbindungen ergeben. Hier sind es Susan Sontag, Theodor Adorno, Paul Feyerabend und Michel Foucault. Fragen nach der Möglichkeit einer Moral nach Auschwitz (auch nach dem immer wieder thematisierten Kolonialismus) werden gestellt, die (historische Entwicklungen der) gedanklichen Grundlagen der Gegenwart werden ebenso hinterfragt, wie die Methoden der Wissenschaft, es werden Alternativen gesucht und verworfen – und vieles mehr. Wie bei den anderen beiden Büchern Eilenbergers gab es immer wieder Passagen, die für mich sehr erhellend waren, solche die unterhalten haben (alle vier haben bewegte Leben geführt) und gelegentlich hat sich mir beim Lesen ein Nebel über meine Gedanken gelegt. Geht mir mit philosophischen Texten immer so – wahrscheinlich bin ich da nicht der einzige und vielleicht macht diese Verwirrung auch den Reiz für mich aus. Auch dieses Buch habe ich sehr gerne gelesen.
Die beiden Bücher haben sich immer wieder ergänzt. Die Aufspaltung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften ist ein gemeinsames Thema, damit verbunden eine Kritik an einer Intelligenz, die Phänomene („Welt“) auf einen Begriff reduziert und beherrschbar macht – und so Welt (oder Menschen) missbraucht.