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  • Die Fellfarben eines Fuchses (eine Januarstunde 2026 im Deutschlandfunk)

    „Tibbetts morphs from one register to the next, swapping terrains with the ease of a fox changing the color of its fur without even thinking. The seasons are his compass, trudging through the underbrush as winter approaches. The delicate patter of canine footsteps is audible now and then, marking the forest floor with rhythms older than all of us put together.“ (Tyran Grillo on Close)

    Close

    Die frühen Jahre:
    Yr
    Northern Song
    Exploded View

    Ruhepol und Abenteuer:
    Big Map Idea

    Die Wildnis:
    The Fall Of Us All
    A Man About A Horse

    Die Einkehr:
    Natural Causes
    Life Of

    Close

    “Close is like a dark Rothko painting on fire. The love of life, the losses. Honestly, this album breaks my heart.” — Flowworker.org

    Über den Titel kann man noch reden, aber dies sind die fünf Stationen („Kapitel“) meines Steve Tibbetts-Porträts im Januar 2026. Es beginnt und endet mit seinem jüngsten Streich „Close“. in seiner Anthologie „Hellbound Train“ gibt Steve Tibbetts auf zwei Cds einen fesselnden Überblick über seine mal dem Meditativen, mal dem Exstatischen zugewandten Welten. Es gibt nur eine bessere Reiseoption: jedem Album persönlich zu begegenn, ear to ear,, mind to mind. In einer langen Radionacht würde ich all seine Alben vorstellen, in 54 Minuten und 38 Sekunden folge ich allein den ECM-Jahren. Safe journey!

  • “Around You Is A Forest“


    Thomas Morgan’ debut album, Around You Is a Forest (Loveland Music), reveals a dimension of Morgan’s artistry long hidden from public view: his lifelong engagement with computers, programming, and hacker culture. The record is built around WOODS, a virtual string instrument Morgan designed in SuperCollider, an open-source software environment for real-time audio synthesis and algorithmic composition. WOODS evokes the sound of plucked and struck string instruments — West African lute-harps, Asian zithers, the Hungarian cimbalom, marimbas — while operating according to generative code that Morgan shaped into a living, evolving instrument.

    Jeder Titel ist ein Duett zwischen WOODS und Dan Weiss (Tabla), Craig Taborn (Keyboards, Feldaufnahmen), Gerald Cleaver (Schlagzeug), Henry Threadgill (Flöten), Ambrose Akinmusire (Trompete), Bill Frisell (Gitarren), Immanuel Wilkins (Altsaxophon) und Gary Snyder (Gesang). Morgans erste Erfahrungen mit dem Programmieren machte er bereits in seiner Kindheit in Hayward, Kalifornien. Sein Vater, ein Professor für Informatik, machte ihn mit Spielen wie „Where in the World Is Carmen Sandiego?“ und „Myst“ bekannt – und brachte ihm dann bei, wie man hinter die Kulissen schaut. „Als ich ihn fragte, zeigte er mir, wie man eine SimCity-Datei in Hexadezimalcode bearbeitet, um die Stadtkasse aufzubessern“, erinnert sich Morgan. „Zu verstehen, wie die Dinge tatsächlich funktionierten, eröffnete mir eine ganz neue Welt.“

  • Hubert, das I Ging, und „objets trouvés“

    Manchmal begegnet man bei Konzerten oder hier bei den „Flussarbeiten“, Menschen, die einen selbst lange kennen (medial), ohne dass man oder ich in diesem Falle je zuvor von ihnen gehört habe. Einiges brachte mich in der folgenden Mail zum Schmunzeln. Hubert managte mal einen Musikclub im Hinterland, in der Zeit zwischen der zweiten Hälfte meines Studiums in Würzburg, und meiner Zeit als Gruppentherapeut in Furth i.W. – da bin ich aber gespannt, wo dieser Club lag. Meine Lieblingshinterlandclub war das To Act in der Fränkischen Schweiz (Weißenohe), wo ich 1980, unvergessen, Robert Fripp and The Leagug of Gentlemen erlebte.

    Und als ich dann endgültig selber zwei Jahre im deutschen Niemandsland wohnte, in Arnschwang und Bergeinöden, da waren meine treuen Gefährten, neben der Musik als Seelennahrung, und einer Handvoll guter Freunde, die Schafgabenstengel, mit denen ich öfter ein meditatives Ritual durchführte, um Antworten auf ein paar drängenden Fragen zu erhalten. Abseite aller Mystifizierung tat es mir sehr gut denn die Aussagen des alten chinesischen Weisheitsbuches hielten inspirierende Dinge bei, um Blokaden meines Unbewussten auszuhebeln.

    Durchaus ein wenig vergleichbar mit Brian Enos „Oblique Strategies“, ein Kartenspiel, das stets griffbereit lag. Einmal, unendlich verliebt, griff ich in den Stapel und zog die Karte „Into The Impossible“. Wie wahr. Es waren damals die Pionierjahre der Kognitiven Verhaltenstherapie bei der Behandlung von Alkoholkranken und Medikamentenabhängigen. Am Ende meiner Zwit dort war ich einem Liebeskummer verfallen, der dem des jungen Werthers nahekam. Jedes Aufwachen über Wochen eine qualvolle Begegnung mit dem Verlust der Angehimmelten. Der Stoff für eine zweihundertseitige Erzählung (ich suche dafür noch ein sponsoring in Höhe von 30000 Euro, kein Witz.) in dem kleinen Roman würden sie alle Protagonisten vorkommen, und meine damals besten Freunde, Hansjörg, Gudrun, Uwe. Und Ralf im Hintergrund war auch ein Netter (mein ECM-Experte im Nördlichen Ausläufer des Bayerischen Waldes). Hier ein Foto des Hauses, links, mir frischem Weissanstrich, in dem damals die Schafgarben flogen und „Remain In Light“ (nomen est omen) von den Talking Heads zu einem survival kit zählte.

    Hallo Michael,

    ich heiße Hubert Mania, bin Autor und Übersetzer, 71 Jahre alt. Ich kenne deine Sendungen von Anfang an, habe die Manafonistas ein paar Jahre verfolgt und lasse mich nun auch von euch Flussarbeitern zu musikalischen Entdeckungen anregen. Zwischen 1977 und 1982 war ich Mitinhaber eines Jazz- und Rockclubs auf dem Land: ne Dorfkneipe mit Disco und Konzertsaal.

    Neulich erwähntest du in einem Beitrag en passant deine Beschäftigung mit Schafgarbenstengeln, und ich glaube, ich habe da vielleicht eine Anregung für dich. Meine Erlebnisse mit dem I Ging habe ich 1984 aufgeschrieben und dabei den mit objets trouvés funktionierenden Zugang zum Buch der Wandlungen beschrieben. Hier kommt jetzt gleich ein kleiner teaser aus dem sachte redigierten 18seitigen Text, den ich per PDF mitschicke. Kein Stress: Ich werde keinesfalls nachfragen, weil ich mir vorstellen kann, dass du gar keine Zeit für so was hast.

    Herzliche Grüße,

    Hubert

    P.S. Es gibt auch eine poetische Hochrechnung des I Ging zur Bundestagswahl 1980. Franz Josef Strauß war gegen den Eisernen Kanzler angetreten. Als einzige Kneipe im Ort durften wir unsere Landfreak-Disco als Wahllokal zur Verfügung stellen. Während in der ARD der angenehme Bariton von Rudolf Rohlinger die ersten Hochrechnungen bekanntgab, brachte ich den Wahlhelfern gerade eine neue Runde Bier und Kurze. Sie hatten die Stimmen schnell ausgezählt und die Lokalhonoratioren gaben auf den überwältigenden Sieg der CDU im Dorf einen aus.

    Beim Abräumen der nassen Bierdeckel fiel mir als Erster einer in die Hände, auf dem die Zahlenkombination 32/34 stand, vermutlich die inoffizielle Notierung der Erst- und Zweitstimmen für die SPD im Dorf. Ich brauchte nicht im I Ging nachzuschlagen, denn diese Bilder kannte ich: 32 ist die Fortdauer und 34 die Macht des Großen Mannes. Und das gaben auch zwei Stunden später die vorläufig endgültigen Hochrechnungen des Herrn Rohlinger bekannt: Die Fortdauer der Macht des Großen Mannes. Helmut Schmidt blieb Bundeskanzler.

    (Hubert Mania hat mir einen überarbeiteten Text zu „I Ging und objets trouvés“ zur Verfügung gestellt, den ich gerne auf Anfragen zusende. Ausserdem scheint Hubert guten Humor zu besitzen, ein feines Gespür für das Fantastische Im Alltag, und sowieso gut schreiben zu können… bahnt sich hier, neben Bernard aus Limburg, die Ankunft eines weiteren neuer „Flusswerkers“ an. Ich sollte mal wieder die Schafgabenstengel rausholen!)

  • „Reisenahrung“

    Spätestens, als ich damals „Safe Journey“ (1984) kaufte, war meine Verbindung zur Musik von Steve Tibbetts besiegelt. Als ich heute in aller Frühe zu jenem Flughafen fuhr, der Brian Eno auf die Idee seiner auf andere Art unerschöpflichen „Music For Airports“ (1978) brachte, hörte ich nach längerer Zeit mal wieder „Safe Journey“ , und die Musik klang so frisch und unverbraucht wie einst. (m.e.)

  • Die Gesänge einer Laute

    „Jeder, der Davy Graham oder Sandy Bull mag, wird daran große Freude haben.“ Das merkt Richard Williams an zu der „Music for archlute and chitarrone“, solo vorgetragen von Rolf Lislevand auf seiner neuen Cd „Libro primo“. Obwohl die „liner notes“ der Historie und den Geschichten dieser Lautenmusik des 16. und 17. Jahrhunderts ausführlich nachgehen, ist ein kleiner „Crashkurs“ in Sachen Lautenmusik gar nicht erforderlich, um sich in dieser Musik zu verlieren. In einer alten, zu einem Studio umgebauten Scheune im Süden Norwegens, ringsum nur Wald, entstand diese fliessende, in-sich-versunkene Musik. Der Trick beim Hören besteht darin, über die flüchtige Wahrnehmung hinauszugelangen, dass diese alten Stücke doch sehr ähnlich klängen. Es gibt den Kipppunkt des Lauschens, an dem einem die immense Vielfalt bewusst wird, der Zauber im Detail, die emotionale Leichtigkeit und Tiefe all dieser Lieder ohne Worte. Kaum ein Song in diesen Wechselspielen von Erzlaute und Chitarrone überschreitet die klassische Kürze einer guten alten Pop-Single: alles erscheint so transparent wie klar umrissen, und schon damals war es eine Kunst, blossen Zierat zu verbannen und strenges Regelwerk auszuhebeln. Es gibt weitere zwei imaginäre Freunde von „Libro primo“, die mir auf Anhieb einfallen: Bert Jansch und John Renbourne!

  • „Alte Hasen“ stellen grosse Jazzalben der 2020er Jahre vor – „Hanamichi – The Final Studio Recording Vol. 2“ (2025)

    In unserer neuen, auf 12 Folgen angelegten Reihe, besprechen Musikkritiker, die viele von uns schon lange kennen, aussergewöhnlliche Jazzalben aus dem ersten Viertel dieses Jahrhunderts.. Es geht dabei nicht um Kanonsierung und eine Best-of-Liste, sondern um besondere Werke, die aus dem endlosen Üblichen, das man auch Mainstream nennen kann, weit herausragen. Nach Nitai Hershkovitz nun also Masabumi Kikuchi, in den Worten eines wahrlich „alten Hasen“. Long may you run! Und, um alle Unklarheiten auszuräumen: ein „alter Hase“ ist man ab dem 40. Lebensjahr! Bei den flowflows sind sowieso nur alte Hasen und Häsinnen. masabumi war ein regelmässiger Gast in meinen Klanghorizonten – hier ein Foto aus einer Radionacht, in der ich in der ersten „Runde“ sein Werk „Black Orpheus“ vorstellte. (m.e.)

    In seinem Begleittext zu Masabumi Kikuchis Album „Black Orpheus“, einer Aufnahme des letzten Solokonzerts des japanischen Pianisten, erwähnte Ethan Iverson ein Blatt Papier, das auf dem Klavier lag und die Anweisung enthielt: „Spiele langsamer. Ich klinge besser, wenn ich langsamer spiele.“ Kikuchi nahm sich seinen eigenen Rat zu Herzen. In den Soloauftritten, die in den 20 Jahren vor seinem Tod im Jahr 2015 im Alter von 75 Jahren aufgenommen wurden, verlangsamte sich sein Spiel so sehr, dass der Metabolismus der Musik eine neue Ebene der Existenz zu erreichen schien.

    Der endgültige Beweis dafür wurde 2013 in einer Session auf einem alten Steinway D im New Yorker Klavierhaus erbracht, deren erste Früchte vor vier Jahren vom Label Red Hook unter dem Titel Hanamichi veröffentlicht wurden. Nun gibt es eine zweite Ausgabe aus derselben Quelle: Hanamichi, The Final Studio Recording Vol II. Wie sein Vorgänger mischt es unbetitelte improvisierte Stücke mit den Standardmelodien, die er gerne erkundete, in diesem Fall „Manha de Carnaval”, „Alone Together”, „I Loves You, Porgy” und „My Ship”.

    Ich habe bereits hier über Black Opheus und hier über den ersten Teil von Hanamichi geschrieben, daher werde ich mich nicht wiederholen. Ich möchte nur sagen, dass diese Version von „Manha de Carnaval“ die ausgereifteste der drei ist, die ich von ihm auf Platte habe (die ersten beiden stammen aus den Jahren 1994 und 2012), und seine Interpretation von „Alone Together“ beleuchtet so wunderschön die emotionalen Konturen der Broadway-Ballade von Arthur Schwartz und Howard Dietz aus dem Jahr 1932, dass sie zu einer definitiven instrumentalen Erkundung wird, die Jo Staffords Gesangsinterpretation von 1945 in nichts nachsteht.

    Richard Williams

    HIER ein kurzer Moment aus dem Studio, eingefangen von Ingo J. Biermann

    Masabumi Kikuchi’s Hanamichi: The Final Studio Recording, Vol II is out now on Red Hook Records: https://www.redhookrecords.com/ The photograph of Kikuchi is by Abby Kikuchi and is borrowed from the booklet accompanying Black Orpheus (ECM).

  • „Alte Hasen“ stellen grosse Jazzalben der 2020er Jahre vor (1) – „Call On The Old Wise“ (2023)

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    Wieder mal gab das Label ECM vor ziemlich genau zwei Jahren einem Pianisten Raum, dessen Solospiel sich vom Gros seiner Kolleginnen und Kollegen abhebt. Anders als die meisten improvisierenden Pianisten orientiert sich der 35-jährige Israeli Nitai Hershkovits auf „Call On The Old Wise“ nur zu einem geringen Anteil an der amerikanischen, auf Blues, Swing und Musicals basierenden Traditionslinie. Wesentlich stärker lässt er sich von den europäischen Romantikern und jüngeren Komponisten der „klassisch“ genannten Musiksparte sowie von Film- und Evergreenkomponisten inspirieren. Oder, in seinen eigenen Worten:

    „Es ist, als spiele ich mit mehreren Musikperioden gleichzeitig, aber in einer Art Augmented-Reality-Umgebung … Für mich ist das Album wie eine Reise, bei der man von einem Augenblick auf den anderen mehrere unterschiedliche Erfahrungen macht.“

    Mit dem Titel „Call On The Old Wise“ meint er nicht die große Riege der Komponisten, sondern seine einstige Klavierlehrerin Suzan Cohen, der er einen Dialog aus Wellenbewegungen und Melodiespritzern widmet. Ein elegisches „Enough To Say I Will“ und die sanften „Mode Antigone“ und „Of Trust and Remorse“ folgen.

    Wer jetzt noch glaubt, Hershkovits Temperament würde irgendwann noch explodieren, täuscht sich: Er bleibt bei langsamen Tempi, lässt sich zwischendurch auch – wie in „Majestic Steps Glow Far“ – auf Kinderlied-einfache Melodien ein und bleibt beim Zarten, Weichen. Selbst der Blues „River Wash Me“ wirkt durch das feingliedrige Spiel mit der Dynamik hell und schwebend.

    Neben 16 Eigenkompositionen umfasst die Einspielung auch zwei fremde Werke: Das verträumte „Dream Your Dreams“ von Molly Drake und ein die Blütenblätter einzeln auffächerndes „Single Petal Of A Rose“, das auch Duke Ellington als zurückhaltende, differenzierte Ballade aufgeführt hat. Mit dem auf einer hüpfenden Figur beruhenden „Of Mentorship“ und das erneut Wellenbewegungen mit einer rhythmisch akzentuierten Melodie verknüpfende „For Suzan“ erweist er seiner Klavierlehrerin noch zweimal die Referenz. Sie hat es verdient.

    Werner Stiefele

    (Wer Nitai Hershkovits live erleben möchte, kann dies im Musikbunker Aachen am 23. November – wer sich auf die Reise machen möchte, melde sich bei mir.)

  • Monthly Revelations (November)

    In 1989 I wrote the liner notes for Steve Tibbetts‘s „Big Map Idea“. Now it‘s time for my first album cover:)… ECM was never afraid of „sundowners“. Some of their sunlit covers from the 1970‘s spoke volumes. So what do we have here: a decent quantum of postcard kitsch? Not at all. (m.e.)

    album: Steve Tibbetts: Close // film: I know where I‘m going (1945) // prose: „Popol Vuh“ // radio: Die letzte lange Nacht der Klanghorizonte (2021) // talk: Ein Interview mit Annette Peacock (2000) // binge: Krimi, made in Germany // archive: Steve Tibbetts: Northern Song


    After the production of „Northern Song“ in 1981, „guitarerro“ Steve Tibbetts was not the happiest man on the island of Sylt (photo), where he spent about a week near wintertime. After working with Manfred Eicher and his regular mate Marc Anderson on his ECM debut, Steve was not happy at all. What has happened? We „old“ Steve Tibbetts listeners love „Northern Song“, but what was going on in rainy Oslo, once upon a time in the early 1980s? The whole story was told by Rob Caldwell – Deep L and I translated it for our „archive section“. Its orginal title: „Northern Song And The Sounds Of Silence“.

    And in regards to „Close“: just go HERE! Beware of „the sound of Steve‘s amp exploding after 4:06 in the third section of „Somewhere“ amid his loping modal melodies.“ Steve Tibbetts‘ webste is on our blogroll.