• Die Gesänge einer Laute

    „Jeder, der Davy Graham oder Sandy Bull mag, wird daran große Freude haben.“ Das merkt Richard Williams an zu der „Music for archlute and chitarrone“, solo vorgetragen von Rolf Lislevand auf seiner neuen Cd „Libro primo“. Obwohl die „liner notes“ der Historie und den Geschichten dieser Lautenmusik des 16. und 17. Jahrhunderts ausführlich nachgehen, ist ein kleiner „Crashkurs“ in Sachen Lautenmusik gar nicht erforderlich, um sich in dieser Musik zu verlieren. In einer alten, zu einem Studio umgebauten Scheune im Süden Norwegens, ringsum nur Wald, entstand diese fliessende, in-sich-versunkene Musik. Der Trick beim Hören besteht darin, über die flüchtige Wahrnehmung hinauszugelangen, dass diese alten Stücke doch sehr ähnlich klängen. Es gibt den Kipppunkt des Lauschens, an dem einem die immense Vielfalt bewusst wird, der Zauber im Detail, die emotionale Leichtigkeit und Tiefe all dieser Lieder ohne Worte. Kaum ein Song in diesen Wechselspielen von Erzlaute und Chitarrone überschreitet die klassische Kürze einer guten alten Pop-Single: alles erscheint so transparent wie klar umrissen, und schon damals war es eine Kunst, blossen Zierat zu verbannen und strenges Regelwerk auszuhebeln. Es gibt weitere zwei imaginäre Freunde von „Libro primo“, die mir auf Anhieb einfallen: Bert Jansch und John Renbourne!

  • Jack


    A perfect pair, their African „names“ like the title: „Ruta and Daitya“. This was one of my first ECM records, maybe my ver first, and for many it may seem a curiosity, being the only one in Jarrett‘s long story with the German label, where he is touching electric keyboards. It was recorded at the end of Jack’s and Keith’s period with Miles. The album has the looseness of an „after hours“-session with African moods and a quite exotic flair, a million miles away from American songbooks. By, the way, my first album with Jack was Charles Lloyd‘s „Sombrero Sam“, my second Miles „Live at the Filmore“, and then can this!

    Jack DeJohnette‘s melodic feel on drums and percussion makes up for a perfect couple of like-minded spirits. For reasons I cannot explain really, I will love this album forever. It is uncomparable with any other album they did together. There are records you have had a story with, you offer them a good place in the back of your mind without ever revisiting them. This is one of those I return to since my teenager days. Though it got a new cover design at some point in time, I was always happy with the surreal naivety of the original cover. Let‘s speak about music sending you places … because there were so many more with Jack‘s handwriting.

    Wie oft habe ich Jack gehört – bei ECM war er lange Zeit neben Jon Christensen eine Art „Hausdrummer“ (Paul Motion der Dritte im Bunde), und die Viefalt seiner Arbeiten als Leader und Sideman spricht Bände für seine Horitonte, die sich niemals auf Schulen, Moden und Stile festschreiben liessen. Meine Zeit mit ihm – als Hörer – war und ist dermassen erfüllt und stetig, dass nun jeder Blick zurück eine Portion Wehmut erhält. Zeit, auch mal wieder Jack DeJohnette‘s „Oneness“ aus dem Jahre 1997 zu hören: damals begegnete ich ihm in einem Bonner Hotel, und es ging allein um einen kleinen Beitrag für die JazzFacts zu diesem feinen Album. Unvergessen seine strahlende Freundlichkeit.

    Neben den genannten Platten fallen mir als erstes folgende Werke mit Jack als Sideman oder Leader ein, die einen besonderen Wert in meiner „Hörgeschichte“ haben – nur eine gute Handvoll, schliesslich geht es hier um life‘s company! Jack DeJohnette: New Directions, Jan Garbarek: Places, Jack DeJohnette: Dancing With Nature Spirits (a buried treasure!), Jarrett / Peacock / De Johnette: Standards, Vol. 1, Vol.2 & Flying. Abercrombie / Holland / DeJohnette: Gateway (ich erlebte das Trio live in Münster 1974, ein Traum!) / Joe Henderson: Multiple

  • Ich habe es nur hundert Meter zu Abeling


    Das ist der Bäcker um die Ecke in Westerland. Heute morgen ein unerwartetes Naturschauspiel: leicher Nieselregen aus einer dünnen mattgrauen Wolkendecke begleitete mich, während am Horizont, Richtung Festland, eine golden leuchtende Front aufzog, vielleicht die letzte Sonnenglut der kommenden Regenzeit.


    Aber das ist „rain as usual“ auf dieser Insel im Norden: gestern gab es in dem, manchen flowflows bestens bekannten Samoa / Seepferdchen noch einmal ein grosses Sonnnenstelldichein. Und wenn ein Drachen am Hinmel fliegt, steht bei dem Kind in mir die Zeit ohnehin still. Rein kulinarisch bertrachtet, waren der Erbseneintopf und der Blaubeerpfannekuchen weitere Nostalgica (neben dem Drachen, dem einst Sarah Kirsch ein feines Gedicht widmete), ein Fest für die Sinne.

    Ich habe Herrn Dr. Brömmel besucht, der tatsächlich promoviert ist, aber im realen Leben einen anderen Namen trägt, und ihm die neue Platte von Roger Eno mitgebracht: „Der Mann aus Suffolk blüht bei der Deutschen Grammofon Gesellschaft regelrecht auf, und fabriziert Klasselalbum nach Klassealbum“, sagte ich zu ihm, als er seinen alten, mit feiner Ortofon-Nadel bestückten, Dual-Dreher anwarf.

    Und so kam in den letzten vierundzwanzig Stunden alles zusammen, was Menschen wie mich beglückt, und mit leicht dezenter Wehmut ausstattet, die ihre schönsten, eine Dreiviertel Ewigkeit entfernten, Schulferien mit Nordseereisen verbinden: der Drachen unter strahlendem Blau, das dunkle Seemannsgarn von Roger Eno, die sanfte Ermüdung von langen „beach walks“, und, im kleinen „art hues“, eine Runde allerfeinsten Jazz!


    Damals lauschte ich Michael Nauras Moderationen, und liess mich von Ralph Towners „Solstice“ einfangen (das Transistorradio abends vor dem Meeressaum ans Ohr gedrückt) – und immer wieder die tollen Konzerte der NDR-Workshops“, zur frühen Nachmittagszeit, statt in die Nischen der Nacht verdrängt zu sein! Heute spielen, während ich den Kaffee aufbrühe, zwei ältere Herren im Duo. Nehmen sie einmal nach formvollendeten Eröffnungen ihre ruhige wilde Fahrt auf, wird alle technische Brilianz von purem „Feeling“ absorbiert. „Memories of Home“ – ein Fall für Karsten Mützelfeldt!

  • Belletristik für die Insel

    In einen Roman eintauchen, das ist immer ein spannendes Randthema gewesen beim „Urlauben“ auf einer nord- oder ostfriesischen Insel. Es ist nicht anders, in den kommenden Tagen. Mit dabei: drei Romane zum Anlesen, Thomas Pynchons „Schattennummer“, Andreas Pflügers „Kälter“ (beginnt hier oben auf der Nachbarinsel, derzeit ein kultureller hotspot, man denke an Akins Film „Amrum“), sowie Michael Connellys „Der Inselcop von L.A“ – der erste Fall von Detective Stilwell. (Im Original der bessere Titel: „Nightshade“. Bosch ist im Ruhestand, deswegen will man den neuen Protagonisten hervorheben.) Ich lese jeden Roman ca. vierzig Seiten lang, und entscheide mich dann für den grössten Flowfaktor! Heute aber ist der einzige angekündigte Sonnentag, das heisst: eine „Mörderwanderung“ steht an! No reading til bedtime!

    (Nachtrag, 21. Oktober) – And the winner is: Allen drei Büchern gebe ich nach 50 Seiten eine uneingeschränkte Leseempfehlung. Aber meine Nummer 1 ist Andreas Pflügers „Kälter“! Ideale Insellektüre. Auf Amrum ist echt was los. 1980. Luzy Morgenroth arbeitet schon zehn Jahre dort, hat sich 15 Kilo angefuttert. Mit der Ruhe ist es bald dahin. So einen Raumbvogel habt ihr noch nie gesehen, heisst es auf einmal, und man fragt sich: was ist denn hier los!? Pflüger ist ein hochvirtuoser Autor, der Spannungskurven neu definiert. Und den „human factor“ nie ausser Acht lässt. Wenn es Katzen und Hunde regnet, gehe ich ins Teekontor mit Pflügers wildem Schmöker. Suhrkamp hat einen neuen Dürrenmatt. Weltklasse.

  • „Sad And Beautful World“

    “Beautiful Strangers“

    Ein Coveralbum, das absolut aussergewöhnlich ist. Stina Nordenstam konnte sowas, Cat Power, und nicht so viele andere. Mavis Staples gehört gewiss zu diesem Kreis. Ihr neues Album erscheint Anfang November und ist wahrscheinlich eines der grossen Konsens Alben der flow flows. (m.e.)


    “Title Song“

    Faszinierende Neuinterpretationen einiger bereits sehr stilvoller Songs. She makes them her own, schreibt Terry Staunton in der Dezemberausgabe von UNCUT. Und bringt es folgendermassen auf den Punkt: „Staples hat sich immer wieder als inspirierte Interpretin der Werke anderer Songwriter erwiesen, und auch auf ihrem 14. Album ist sie wieder dabei. Sie beginnt mit einer feurigen Neuauflage von Tom Waits‘ „Chicago“ und verleiht dem Titel eine gefühlvolle, urbane Energie, die durch Brad Cooks kraftvolle Produktion unterstrichen wird. Das Gegenstück zu dieser Wut ist die hymnische Reflexion von Gillian Welch und David Rawlings‘ „Hard Times“ und die manierierte, traurige Interpretation von Leonard Cohens „Anthem“. Cook stellt Staples ganz in den Vordergrund des Mixes und betont ihre Stimme so sehr, dass es sich anfühlt, als würde sie dem Zuhörer ins Ohr flüstern. Besonders wirkungsvoll ist dies bei Curtis Mayfields „We Got To Have Peace“.“

  • „The Inbetweeners“


    The radio hour of „Klanghorizonte“ with Close, Liminal, and the usual suspects:

    HERE!!!

    My two albums of the year 2025 are out now, CLOSE by Steve Tibbetts, and LIMINAL by Brian Eno and Beatie Wolfe.

    Yesterday Steve sent me a photo, on which I see three musicians on stage, bathed in blue light. My suggestion: the threesome of CLOSE in concert. Mhmmm… I will ask Steve.

    In the review Steve liked my phrase of „a dark „Rothko painting on fire“. I answered I like when certain sentences that come to mind while writing a review surprise myself (in retrospect) in regards to a certain freshness – my moment is the thing with that mood line and timeline there. The list of music with a glow factor 10.

    I don‘t think the expression „The Inbetweeners“ is a very common word in English, simple as it may be. But it is a fine title for Victoria Segal’s quite enthusiastic writing on „Liminal“ in the December issue of Mojo.

    It took a second, more focussed, listening of „Liminal“ to the enter „The Blow Away Zone“.

    There is a small passage in Maya Deren‘s short film „Meshes Of The Afternoon“, in which the protagonist enters a different landscape (literally) with every step she takes. It‘s like listening to the eleven pieces of the album: with every track you enter another space. Seamless. Immaculate.

    In his little book on art and recent interviews on the trilogy with Beatie, Brian says repeatedly he likes to create uncharted territories, places, he may want to live in.

    Fittingly, they just sent „Liminal“ to outer space.

    You can easily switch the perspective: look at (or listen to) the pieces of „Liminal“ as unknown „places“ within yourself. Feelings we have no words for. Or rarely used ones. Two sides of a coin.

    These feelings, these sensations inside: they slightly or strongly differ from person to person. One guy’s miniature satori is another guy’s boredom.

    Steve Tibbetts speaks of music as a mind to mind experience. In my last sentence of my „Close“ review I wrote a very simple sentence: „This album breaks my heart“. It is only a step away from speaking of „heartbreaking music“. I like it when things get personal. You rarely read this simple phrase in a review. For a second it stops you in the tracks like thinking: „Hold on, did that guy really write that?“ He did. I did.

    Steve Tibbetts and Marc Anderson could name themselves, too, „The Inbetweeners“. A good name for a band.

    On „Close“ Steve and Marc and JT Bates (on drums, occasionally) go, in my mind, as deep as deep can go. Someone not being an agnostic like me could brand the music of „Liminal“ and „Close“ as „spiritual music“. Fair enough.

    These two albums go beyond the everyday and, well, will simply open (for some people, and hopefully for some more) those infamous „gates of perception“. Whatever happens when your mind, dear reader, is going places…. a dark Rothko on fire…. losing words… comfort in the dark… shelter from the stars… eine Schaukel unter einem Sternenhimmel…

    By the way: The drums on „Close“: how did they create that sound… a special Tibbetts „treatment“? Not like drums going wild… not like drums from those old power trio times… more like drums on a journey within… glowing, glowing, glowing…

    Hang on, what am I writing here?

    CLOSE review

    LIMINAL review

  • „Super Parkplatz, Jungs!“ – Kleine Medienschelte zur Geschichte einer Entlassung

    (Dies ist nur interessant für Freunde des Sportteils der Süddeutschen Zeitung, Leser des Monatsmagazins „11 Freunde“, Sympathisanten des BVB, sowie Follower von Bill Shankly, einer Legende des FC Liverpool, der es einst auf den Punkt brachte: „Manche Leute halten Fußball für eine Sache von Leben und Tod. Ich bin von dieser Einstellung sehr enttäuscht. Ich kann Ihnen versichern, es ist sehr viel mehr als das!“)

    Die dezente Ignoranz gegenüber der „community“, die Sascha Staat über Jahre wesentlich mitentwickelt hat, ist etwas, das diese Pseudo-Neuorientierung des BVB-Vodcasts der Ruhr Nachrichten noch sinnfreier erscheinen lässt. Wo, bitteschön, ist die Weiterentwicklung, wo das Besondere, das Andere, das Innovative? 

    Bei allem Respekt für Hansi K. – aber er hat genügend Medienpräsenz und keinerlei „frischen Wind“ im Gepäck.

    Und wo ist der Respekt gegenüber den Vielen, die lange Zeit mit Freude (MIT GROSSER FREUDE!) den von Saschas aussergewöhnlichem Moderationsstil geprägten Gesprächsrunden gefolgt sind? Der einen besonderen „human touch“ über alles „Expertentum“ hinaus ins Spiel gebracht hat. Und Originalität! Und die Kunst, mal quer- und seitwärts zu denken (und zu lenken, als Moderator)! Und einen Humor, der eine Gabe ist und keine auf einer Fortbildung antrainierte Attitüde!

    Nun werden die Freunde des „alten“ Formats der Abteilung „shitstorm“ zugerechnet, und mit nichtssagenden Phrasen „abgewickelt“.  Hat denn niemand von Saschas langjährigen Beisitzern, die NICHT in seine „Verabschiedung“ eingebunden waren, sich für ihn eingesetzt!!!?? … Das würde mich interessieren! 

    Das „neue“ Erscheinungsbild dieses Vodcasts, die kleinen Kamerafahrten durchs Studio, der auf knackig gemachte, aber sehr biedere neue „Aufmacher“ zu Beginn, all das belegt nur, wie hier neu-gepanschter Wein in alte Schläuche gegossen wird. Mehr Mainstream, mehr nicht!

    Ich habe Kevin Pinnow mal als Gast bei Sky 90 – die Expertenrunde gesehen. Modisch aus dem Ei gepellt und bemüht , seinem vielleicht geheimen Vorbild Didi Hamann nachzueifern an geschliffener Rhetorik. Ich glaube, dieses hyperseriöse Hochglanzformat ist sein Ding. Lauter ernst dreinblickende Durchblicker. Keine Ecken, keine Kanten, keine Leichtigkeit. Herr Pinnow wie unter Strom. Aber, irgendwie auch in seinem Element, fast ein bisschen happy. So geht Fussballtalk idealerweise, woll!?

    Das hier jetzt, diese erste Ausgabe mit Herrn Küpper, war vorhersehbar und langweilig. Gab‘s denn dann am Ende das von Hansi ins Spiel gebrachte „Bierchen an der Theke“? Mein konstruktiver Tip: voher ein Pilschen trinken! Oder zwei. Und wann kommt „der Pinnow der Woche“?

    So wie hier eine gewachsene Kundschaft missachtet wurde – da darf man schon sarkastisch sein, nichts für ungut. Um es mit Joni Mitchell zu sagen, und damit zitiere ich den herrlichen Vergleich, den ein anderer Freund des frisch verschiedenenen Blogs neulich teilte : „You don’t know what you’ve got ‚til it’s gone / They paved paradise, put up a parking lot“ Zu deutsch: „Man weiß erst, was man hat, wenn es weg ist / Sie haben das Paradies asphaltiert und einen Parkplatz gebaut.“

    Super Parkplatz, Jungs!

  • “Hello, darkness, my old friend“ – some thoughts on Steve Tibbetts‘ „Close“

    Steve Tibbetts‘ new album is sailing stars. It is a kind of shadow play, too. The love of life, the losses. It is glowing from start to end, with two, three explosions along the way. Things can explode in quietude, too, on this haunting melange of electric and acoustic guitars with discreet and, sorry to repeat myself, „glowing“ percussion every once in a while. A thousand miles away from an old hippie‘s shangrila. Hotel California has shut its doors.

    The playing of the Minneapolis-based musician is instantly recognizable: it circles around small rhythmic-harmonic sound cells with all kinds of drone sounds and finest beats— and, breathtaking, though never forgetting to breathe: the silences, the minimal zero points, the moments of nothing lasting fractions of a second or two.

    „CLOSE“ is like a dark Rothko painting on fire, in purely metaphorical and sensual ways. The tracklist reads like a Samuel Beckett poem. And, in regards to these invocations, I ask myself: how can something „noir“ like this be so elevating, so heartwarming?!

    And now, a mood line, and a timeline with a twist:

    Pharoah Sanders has made „TAUHID“, Jan Garbarek has made „DIS“, Van Morrison has made „VEEDON FLEECE“, Julian Priester has made „LOVE, LOVE“, Julie Tippetts has made „SUNSET GLOW“, David Darling has made „CELLO“, Laurie Spiegel has made „THE EXPANDING UNIVERSE“, Arve Henriksen has made „CHIAROSCURO“, Bill Callahan has made „APOCALYPSE“, Lambchop has made „SHOWTUNES“, and Steve Tibbetts has made „CLOSE“.

    Glowing affairs all of them. Honestly, this album breaks my heart.

    Michael Engelbrecht, Deutschlandfunk


    Steve speaking:


    Steve Tibbetts: guitar, percussion, piano
    Marc Anderson: percussion, gongs, handpan, loops
    JT Bates: drums

  • Die Sprache der Dämmerung

    „Das eindrucksvolle Coverbild – die verlassene, vor einem funkelnden Sternhimmel beleuchtete Schaukel – stellt eine fesselnde visuelle Metapher für die Musik auf Close dar. „Musik ist eine Sprache der Dämmerung“, bestätigt Steve Tibbetts. „Die Aufgabe besteht darin, Schatten in Klang zu übersetzen.“ Auf seinem elften ECM-Album setzt der Gitarrist aus Minnesota dieses Streben fort und entwickelt geduldig seine sehnsuchtsvollen improvisierten Melodien über vielschichtige Loops und Drones mit dunkler Percussion. Auch wenn die verwendeten Klangfarben – u.a. von der verzerrten E-Gitarre und einer hellen 12-saitigen Akustikgitarre erzeugt – diese Musik „westlich“ klingen lassen, deutet ihre subtile, fast hypnotische Entfaltung „östliche“ Affinitäten an. „Ich strebe immer noch nach dem bewegenden Klang von Sultan Khan“, sagt Tibbetts und meint damit jenen verstorbenen indischen Sarangi-Meister, dessen Spiel seit langem zu seinen wichtigsten Einflüssen zählt.“

    (press info, ECM, VÖ: 17.10.)

  • Das alte Haus in Bergeinöden

    Brian Eno und ich lebten mal in der alten BRD in einer Art „Blase“, Brian 1976 oder 1977 zur Sommerzeit einige Wochen im Weserbergland bei Forst, mit Moebius, Roedelius, und MIchael Rother (bald darauf entstanden nahe Köln „Cluster und Eno“, sowie „After The Heat“, und sogar „Music For Airports“ nahm dort in grossen Teilen Form an. Meine „Blase“ war die Zeit, in der wir „Pioniere“ der Suchttherapie mit dem Inventar der Kognitiven Verhaltenstherapie in Furth i. W. als Gruppentherapeuten aufschlugen, in einem anderen deutschen Niemandsland. Da die Koordinaten dieser Gegend für einen „townie“ wie mich so einzigartig waren wie die Dinge, die sich ergeben sollten, blieb mir vieles, vieles unvergessen zwischen Oktober 1980 und Dezember 1982.

    Wie oft kamen, in alten Mana- und neuen flowflow-Zeiten, Erinnerungen und Stories rund um meine Zeit in Bergeinöden / Arnschwang / Furth i.W. in meinen „Posts“ ins Spiel. Und da hier viele Leute diese Sachen lesen, was in der Birne haben, auch empathiemässig, wissen so gut wie alle, dass, wenn ich einen Text beginne mit „Brian Eno und ich“, es nicht um „Selbsterhöhung“ geht, sondern schlicht um einen launigen „Aufhänger“ für zwei parallele Lebensphasen von zwei „humans“ in good old Germany. Brian zog es danach nach Manhattan, wo er aufregende Jahre verbrachte, und mich über Umwege in meine alte Heimat Dortmund.


    Ein wenig beklommen fuhr ich am 7. Mai 2022 den alten Weg an den knallgelben Feldern vorbei, jetzt ein kleines Wurmloch, und ich hätte meinen hippiebunten VW in der Einfahrt geparkt. Es ist das Haus, das in aufgeputztem Weiss ganz links erstrahlt.

    Das Finale in der Volleyballhalle hatte ich beim Frühstück in kleinerer Runde erzählt, das Drama in kurzen Zügen, auch die Verwünschungen einer Verbitterten – und selbst wenn das eine „Repertoire-Story“ ist, hat meine Erinnerung nie die Kanten geglättet. Es hätte entgleisen können.

    Ich fuhr also um das alte Haus, aus dem eine kleine Häuserzeile geworden ist, herum, und machte ein Foto der Rückansicht über den Acker weg. Nichts an diesem Foto ist besonders, weil es schlicht nicht durch die Zeit springen kann. Ich beschäftige mich halt ein wenig, hantiere, gucke rum, während die inneren Bilder ein umso wilderes Tänzchen aufführen.

    Dann halte ich vor dem Haus an, in dem ich lebte und liebte – aus einer Garage, in welcher ihr Motorrad immer verschwand, waren drei geworden, und eine leichte Leere beschlich mich, von ferne her, vom  Sommer 1982. Der braune Hund sah mich vom gegenüberliegenden Haus, er trottete langsam zu mir, hockte sich vor meine Fahrertür. Ich öffnete das Seitenfenster und streichelte ihm den Kopf: „Alter, ich habe hier mal gelebt. Schön, dass du mir ein bisschen Gesellschaft leistest.“ Das war der Moment, in dem ein paar Tränen flossen. Und noch ein paar. Als ich losfuhr, drehte sich der Hund um und schaute meinem Wagen hinterher. Wir sehen uns im nächsten Leben.