“every dog has his day, and some even have two“


In memory of Paul Auster. Ab und zu kommen mir kleine Lese- und Filmempfehlungen zu, von guten Bekannten, die wissen, dass zuweilen ein Liam Neeson-Actionfilm mehr Charme hat als ein zerebraler Problemfilm mit hölzernen Dialogen und dem Gewicht der Welt hinter jeder Gardine. Abends zum Abhängen. Die Kumpels wissen auch, dass kluge Hunde jedem Film förderlich sind. Also, „Honest Thief“ war richtig was fürs Herz, und spannend. Und ein cooler Hund kam auch darin vor, oder, besser, ein empathischer Hund. Am besten sind coole und empathische Hunde. Liam spielt darin den „In & Out“-Banditen, eine gar nicht so schlechte Liebesgeschichte ist auch noch dabei. Nicht so ein Quatsch mit Bindungsängsten. Vielleicht kennt ihr „The Art of Racing In The Rain“. Ein Hunderoman von Garth Stein (s.o.), mit Tiefgang und hohem Flauschfaktor. Die Hauptrolle wird von einem philosophischen Hund besetzt, der manche meiner damals im Proseminar hockenden Kommilitonen ziemlich alt aussehen lassen würde – jedenfalls ein ganz feiner Schmöker. Schon anspruchsvoll, wenn man nicht zu anspruchsvoll ist. Manche Menschen, die sich als sehr anspruchsvoll begreifen, haben einen an der Waffel. Paul Auster hat auch mal einen sehr feinen Hunderoman geschrieben, der kam in der seriösen Literaturkritik nicht so gut an wie bei mir. Paul Auster ist nun auch nicht mehr unter uns, mein liebster Auster-Roman war „Mond über Manhattan“. Ds bin ich wahrlich zwischen den Buchdeckeln verschwunden. Aber ich schweife ab. Es ist mal wieder Zeit für Laurie Andersons bewegenden Hundefilm. Und, keine Frage, der allerbeste Hund, der mir zuletzt begegnet ist, heisst „Wiley“ und begleitet John Sugar durch die Strassen von Los Angeles. In der vierten Folge, das kleine Gespräch von Colin Farrell und Amy Ryan im Auto, über das Traurige im Leben, und was es vielleicht sonst noch gibt – what a nice little dialogue! Ich weiss gar nicht mehr: hat Wiley hinten gesessen und den beiden zugehört? Sorry. Ich bin auch nur ein Mensch, und wie mir mein Sancho damals das Rauchen abgewöhnte, ist immer noch ein ganz herrlich auf den Hund gekommener Klassiker der Kurzzeitpsychotherapie.

22. Juli 2015. Vor Langeoog. „People Take Pictures Of Each Other“. Der letzte Song von Seite Zwei, feine Vinylpressung, 2015 neu in Mono aufgelegt. Mono kann so gut klingen. Die Reise beginnt. Zuhause bleibt alles, was mediale Kommunikation ermöglicht. Nur das Handy für Notfälle (verirrt im Watt) – vier Tage, fünf Nächte, ein Buch. Das Auto bleibt auf dem Festland. Sancho und ich. Das Wetter bewegt sich konstant um 20 Grad herum, der Leuchtturm ist nicht so entlegen, wie ich es am liebsten habe, ich kenne ihn seit meinem achten Lebensjahr. Die Insel ist mir vertraut, überall Dejavues mit jüngeren Ausgaben meines Ichs, und all jenen, die lange fort sind, fast aus dem Sinn. Hier ist die Buchhandlung, in der ich Peter Rühmkorffs Gedichtband „Haltbar bis Ende 1999“ kaufte, dort ist das Cafe, deren Tortengrösse sich wohl seit den ersten Wallungen der Wirtschaftswunderzeit nicht verkleinert hat. Rumtorte, riesig, reine Nostalgie. Die Sandorntorte im Leiss. Pflaumenkuchenorgien. „Banana Split“ war in der alten Bundesrepublik mal so exotisch wie ein afrikanischer Klangtraum von Les Baxter in einem lang versunkenen Amerika. Der erste Stau auf der Fahrt in den Norden. Morgen der erste Sprung in die Wellen. Im Auto laufen The Kinks. Sancho liebt das Autofahren. Er träumt, wie ich herausfand, meistens in Farbe. Ein psychedelischer Hund. Ich würde mich jetzt gerne mit Ray Davies unterhalten. Ich bin träumendes Mitglied der „Village Green Preservation Society“. Es gibt einen kleinen Dschungel auf der Insel, mit Teestube. Die Dämmerung der Kindheit darf nicht verloren gehen.

6 Kommentare

  • Olaf Westfeld

    Ich habe wirklich gerne und sehr viele Paul Auster Romane gelesen, zuletzt zwischen den Jahren vor vier oder sechs Jahren den dicken Schinken 4321. Die meisten allerdings in jungen Jahren, über die Räume der Kindheit hatte sich schon Dämmerung gelegt, die Welt der Erwachsenen war noch verschlossen und rätselhaft. Sie erschien aber langweilig rätselhaft zu sein und nicht so aufregend verschlungen wie die New York Trilogie oder Mond über Manhattan, Mr Vertigo… wichtiger Autor für mich.

  • Lajla

    Von Paul Auster habe ich fast nichts gelesen, dafür sehr viel von seiner Frau Siri Huvstedt. Sie ist eine sehr interessante Schriftstellerin, die einen weiblichen Männerblick auf die Herren hat, der es in sich hat.Wer sich für Literatur mit neurologischem Wissen interessiert, sollte sie lesen. Am besten mit “ Die zitternde Frau“ beginnen.

  • Olaf Westfeld

    Ich habe nur über „Die zitternde Frau“ gelesen, das Buch selber leider nicht. Dafür 3-4 andere Bücher von Siri Hustvedt, alle sehr gerne, am Meisten hat mich damals „Was ich liebte“ beeindruckt, vielleicht auch, weil meine Kinder in der Zeit auch noch recht jung waren, in dem Alter von dem Kind, welches in dem Buch verunglückt.

  • Martina Weber

    Als ich vorgestern die Nachricht vom Tode Paul Austers las, hat es mir einen kleinen Stich ins Herz versetzt. Paul Austers Bücher haben mir den Mut gegeben, das Risiko eines freiberuflichen Lebens auf mich zu nehmen und lieber meinen noch völlig unausgegorenen Träumen und Wünschen zu folgen, als einen Weg weiterzugehen, der mich nicht überzeugte und von dem ich wusste, dass er mich nicht erfüllen und mich unglücklich machen würde.

    Diese stehen in meinem Regal (Reihenfolge ist ohne Bedeutung):

    Mond über Manhatten
    Die Musik des Zufalls
    Die Erfindung der Einsamkeit
    Im Land der letzten Dinge
    Das Buch der Illusionen
    Von der Hand in den Mund
    Leviathan
    Die New-York-Trilogie
    Mr. Vertigo
    Die Brooklyn Revue
    Nacht des Orakels
    Unsichtbar

    Ich hab sie so ungefähr Mitte der 90er bis 2004 gelesen, auf Deutsch. Ich mochte die Hauptfiguren, ihre Intelligenz, ihre künstlerische Ader, ihre Besessenheit, das irrationale Verhalten, das Festhalten an Zielen, auch wenn es unsinnig geworden war; einige junge Frauen mochte ich sehr, endlich mal interessante, mysteriöse und faszinierende Frauenfiguren. Ich habe mir immer mal wieder Sätze in den Romanen angestrichen. Einmal sogar eine Büroklammer eingesteckt: für „ganz wichtig“. Irgendwann sagte mein Schriftstellerfreund P., der über Auster schon hinausgewachsen war, Auster würde seine Romane immer nach demselben Schema aufbauen. Das war ein bisschen ernüchternd: P hatte recht. Dennoch: Die Romane sind postmoderne Odyseen mit rhizomatischer Struktur. Fasziniert hat mich auch der Umgang mit dem Raum und mit dem Subjekt. Vor ein paar Monaten oder vor einem Jahr habe ich nochmal „Die Musik des Zufalls“ gelesen. Die Wirkung war nicht mehr so stark. Das hat aber damit zu tun, dass ich Paul Austers Poetologie so verinnerlicht habe, dass sie mich nicht mehr überraschen kann.

    Damals, hatte ich mich bei „Reisen im Skriptorium“ und „Mann im Dunkel“ von Austers Romanen abgewandt; das war nicht mehr meine Welt.

    Von Siri Hustvedt mochte ich „Was ich liebte“. Ihren Roman „Die unsichtbare Frau“ habe ich nur angefangen und nachdem das Buch hier eingestaubt ist, habe ich es neulich verschenkt. Vor vielen Jahren habe ich im Deutschlandfunk ein Feature über sie gehört, mit dem Schwerpunkt ihrer neurologischen Kenntnisse.

    Hier die Stelle in der Nähe der eingesteckten Büroklammer, über den künstlerischen Prozess eines Malers:

    „Er brach mit den erlernten Regeln, vertraute auf die Landschaft als gleichwertigen Partner, überließ seine Absichten freiwillig den Attacken des Zufalls, der Spontaneität, dem aufdringlichen Ansturm der Details. Er hatte keine Angst mehr vor der Leere, die ihn umgab.“
    (Aus: Mond über Manhatten, S. 216)

  • Michael Engelbrecht

    Viele Lesejahre mit Wirkungstreffern, im guten Sinne.
    Ich hatte längere Lesejahre mit Lars Gustafsson, Urs Widmer, Peter Handke, Eric Ambler, James Lee Burker, Jürgen Becker, Julio Cortazar, Italo Calvino, Patricia Highsmith. Und, kennen nur weniger, mit Rupert Thomson.

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