monthly revelations (mai)


„Als der Sony Walkman herauskam, kaufte ich mir Kind Of Blue und auch ein frühes Mountainbike. Und ich entdeckte das Kiffen. Diese Kombination aus Miles, Gras, einem Walkman und einem Fahrrad konnte einen wirklich an einen anderen Ort bringen, unglaublich. Das Phänomen, dass man mit Musik auf dem Fahrrad überall hinfahren konnte, war sehr befreiend. Fantastisch.“ Das erzählte Michael Head über seine erste Begegnung mit Kind of Blue. Ein Überlebenskünstler der gehobenen Klasse, und man darf sich im Mai genauso auf sein neues Album mit der Red Elastic Band freuen wie auf seine, später im Jahr erscheinenden Memoiren. „Michael Heads Überzeugung ist, dass keine Eskapade völlig umsonst ist und dass keine Kapriole wirklich sinnlos ist, wenn sie zu einem Song führt. Und wenn dabei nicht nur ein, sondern 12 Songs entstehen, die vor unaufdringlicher Lebensfreude nur so sprühen, umso besser.“ Das schreibt Pete Paphides in seiner Rezension zu Michael Heads „Loophole“, in Uncut (Mai). Und damit wären wir mitten im Flowworker-Land der Bücher und Platten etc etc, mit einer kleinen Einstimmung eines Liverpooler Urgesteins.

Jörg Drews hatte ein Näschen für experimentelle Literatur, und seiner Besprechung in der SZ am 4. August 1979 (dieses Datum ist geraten) verdanke ich eines meiner abenteuerlichsten Trips deutscher Literatur in den 70ern. Drews verglich Handkes „Die Linkshändige Frau“, mit Hartmut Geerkens „Obduktionsprotokoll“, Minimalismus vs. Überfluss. Für mich entpuppte es sich eher als Vergleich von übertriebenem Geraune und hochspannender Improvisation. Ich kannte Hartmut Geerken (der wie Lajla ewig und drei Tage im Goethe Institut gearbeitet hatte) auch als versierten Rezensenten von Jazzplatten im Jazzpodium, und erinner mich noch bestens an den warmen Sommertag des 5. Juli 1975 (dieses Datum ist auch geraten) im Würzburger Zeitschriftenladen „Montanus“, als mich seine Worte über Marion Browns „Geechee Recollections“ (Impulse Rec.) so neugierig machten, dass die Platte kurz danach auf meinem Plattenteller landete. Traumhafte Musik, und wenn ich mich recht erinnere, Ingo, mit dem jungen Leo Smith, der ja auf seiner tatsächlich magischen Central Park-Platte mit Amina Claudine ein fesselndes und tiefentspanntes Duo bildet.


Was unseren Griff ins Archiv angeht, stellten sich die beiden Alben nahezu von selbst auf – Brian Whistler liess in den letzten vier Wochen die Konzerte von Alice Coltrane 1973 (Carnegie Hall) und Oregon 1990 (Ludwigsburg) vor unseren Augen und Ohren lebendig werden, und sie halten, was jedes seiner Worte verspricht. In einem feinen, ein paar Wochen zurückliegenden Text, erzählte der einstige Kronacher Musiklehrer Rosato seine Geschichte mit Oregon. Die beiden Alben des Monats leben ganz besondere auch von der Präsenz zweier Frauen, Amina Claudine Myers sowie Beth Gibbons.

Unser Film des Monats: Civil War von Alex Garland. Ingo‘s review. Bin gespannt, wer von den flowworkern als erstes die Eno-Doku „Eno“ sieht – ich habe zum „Talk des Monats“ meine genau zehn Jahre zurückliegende Begegnung mit Brian Eno und Karl Hyde in Notting Hill gemacht. 2014, springtime in London. Was neue Serien angeht, erhält „Sugar“ durchaus gemischte Kritiken, von mir allerdings viel Zuspruch. Ein sinnenfrohes wie dunkles Spektakel, in dem ein Detective, der auf vermisste Personen spezialisiert ist, durch ein gespenstisches L.A. voller Dejavues und dunkler Geheinmnisse streift. Mehr ist zu alldem vorerst nicht zu sagen.

3 Kommentare

  • Martina Weber

    Wieder eine bunte Wundertüte. Den Song von Michael Head ist ein typischer Klanghorizonte-Titel. Wie schön, dein Gedicht unter „Poetry“ nochmal zu lesen. Freue mich auf mehr davon.

  • flowworker

    Nochmal ein Filmtipp:
    Wir haben eben „Sterben“ (Buch und Regie: Matthias Glasner) gesehen; der Film bzw. sein Autor und Regisseur hat letztens den Drehbuchpreis bei der Berlinale bekommen — und m.E. hätte er auch jeden anderen Preis, den die Jury vergeben konnte, mindestens ebenso verdient gehabt; ich muss tatsächlich sagen, ich find’s eigentlich unglaublich, dass die dem Film nicht den Goldenen Bären gegeben haben. Ich kann mir vorstellen, dass es einige Diskussionen in der Jury gegeben haben muss — und kann mir auch irgendwie erklären, dass man dem „älteren weißen Mann“-Regisseur mit einem Film, der eigentlich eher traditionell psychologosch-figurenbetont ist, als „altmodisches Autorenkino“ (der Film zitiert sogar direkt Ingmar Bergman u.a.) gegenüber dem experimentell-sperrigen Kolonialimus-Geschichts-Dokumentaressay einer jungen afrikanisch-stämmigen Regisseurin das Nachsehen ließ. (Der Film – „Dahomey“ – ist sicherlich die mutigere und radikalere Wahl; ich fand den auch sehenswert, ja…)

    Vielleicht findet ihr den Film auch nicht so herausragend… kann ich mir schon vorstellen… Glasner ist ja immer etwas streitbar. Aber der Film ist ebenso persönlich wie in verschiedener Weise an Grenzen gehend. Ich fand, das waren drei Kino-Sternstunden, wie selten, besonders im deutschen Kino.

  • Olaf Westfeld

    Ich freue mich auch auf die nächsten 74 Gedichte 😉
    Und „Sterben“ hab ich mir gerade den Trailer angeschaut – mal sehen, ob ich es schaffe da reinzugehen

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