Opus

(English here!)
Der Konzertfilm mit Ryuichi Sakamoto, produziert im Studio, weil Live-Bühnenauftritte seiner zweiten Krebserkrankung wegen nicht mehr möglich waren. Sein Sohn Neo Sora führt Regie, Bill Kirstein ist für die Kamera verantwortlich. Ich hätte den Film gern im Kino gesehen, aber er lief in Pittsburgh nicht. Nun also die DVD.
Opus ist ein Film in schwarzweiß in gedämpftem Licht, ohne Worte (mit einer Ausnahme), und auch sonst in jeder Hinsicht äußerst zurückgenommen. Sakamoto spielt allein am Grand Piano in einem ihm vertrauten Studio, umgeben von ihm vertrauten Mitarbeitern, umkreist und beobachtet von einer sensibel geführten Kamera. Wir hören 103 Minuten Solopiano, 20 Werke aus den Jahren zwischen 1972 und 2018, in einem Stück („20180219“ vom Album 12) ist das Klavier präpariert. Man könnte befürchten, dass eine Stunde und 40 Minuten Klaviermusik langweilig sind, aber das sind sie keine Sekunde lang — wenn man wirklich zuhört. Diese Bereitschaft muss man als Hörer allerdings mitbringen.
Ein spezielles Kompliment gebührt dem Toningenieur Zak und seinem umfangreichen Team, denn es gibt keine lauten Töne in dem Film, Sakamoto spielt zeitweise extrem leise, so dass sogar die Kameraschienen mit schweren Gewichten am Boden fixiert wurden, damit Kamerafahrten keinerlei Geräusch verursachen konnten. Wer die Möglichkeit hat, Dolby 5.1 zu nutzen, sollte das tun. Der Klavierklang ist kristallklar, und es sind wirklich keine Nebengeräusche zu hören außer jenen, die beabsichtigt sind: dem Klang der Pedale, die Dämpfer, gelegentlich Sakamotos Atem.
Sehenswert, weil tatsächlich informativ, ist der 15-minütige Bonus Meet the Filmmakers mit Neo Sora (rechts im Bild) und Bill Kirstein.

Das letzte Stück („Opus – Ending“) spielt das Piano, ein Yamaha Disklavier, allein. Sakamoto hat das Instrument verlassen, geisterhaft sieht man die Tasten sich bewegen. Einen besseren Schlusspunkt hätte man nicht finden können.
Knapp ein halbes Jahr später, im März 2023, hat sich Ryuichi Sakamoto für immer verabschiedet.

2 Kommentare
ijb
Ich habe den Film hier im Kino gleich zwei Mal gesehen – und hätte ihn mir gerne noch weitere Male angeschaut, wäre er länger geziegt worden. Der FIlm ist schon in visueller Hinsicht großartig, und dann sind diese Performances dieser quasi Autobiografie in 20 Stücken einfach sensationell berührend. EIn ganz meisterlicher Film, ein/e sehr intensive/r Abschied und Hommage.
Bei der zweiten Vorstellung, als ich mit zwei anderen Leuten im Kino war, haben die den Film zu leise abgespielt, und das war echt nervig, da es ja doch viele ohnehin schon leise Passagen gibt. Die Passage, wo er spricht, hat man nicht gehört, musste nur die Untertitel lesen. Nach über eine halben Stunde bin ich rausgegangen und habe gesagt, dass das echt nicht geht – auch weil ich wusste, dass da noch dieses Stück kommt, das wirklich extrem leise ist – und man hätte es tatsächlich nicht gehört, wenn die Lautstärke auf dem Level geblieben wäre.
Gestern habe ich im Kino den Mitski-Konzertfilm geschaut („The Land“). Ganz schön, aber auch hier gab’s seltsame Tonumstände: Nicht nur ist die Musik extrem sauber/klinisch gemischt, als wäre es eine Studioproduktion. Der Applaus wurde oftmals seltsam ein- und ausgeblendet, und vor allem: Die Gesangstimme war EXTREM vordergründig gemischt. Immer, wenn sie gesungen hat, war die Stimme so wahnsinnig laut im Verhältnis zu den ganzen Instrumenten (7 oder 8 Musiker/innen spieltten da auf der Bühne), was total seltsam war; man hat jeden Atmer der Sängerin überpräsent gehört, aber oftmals verschiedene Instrumente, die man dann in Einzel- oder Zweieraufnahmen zwischengeschnitten sieht, waren kaum oder nicht hörbar. Bei den reinen Instrumentalpassagen (von denen es nicht so viele gibt), war die Musik dann immer präsenter, und da hat es gut funktioniert.
Insgesamt aber ein ausgesprochen unzufriedenstellenes Erlebnis, das arg weit von der Konzertatmosphäre entfernt war – dabei haben sich alle Musiker/innen ganz offensichtlich viel Mühe gegeben und sich reingehängt. Aber es wirkte fast wie a cappella mit leisem Instrumentalteppich, und ich frage mich, ob das ein Problem mit den Einstellungen im Kino war (wobei der Film offensichtlich in 5.1 wiedergegeben wurde) oder ob das womöglich Absicht ist.
flowworker
Das ist doch die ideale Besprechung für die Rückblicke und „revelations“ im Dezember!