In Erinnerung an Eugen

Zum Abitur befragten die Ruhr Nachrichten traditionsgemäss jeden von uns nach seinem Studier- und Berufswunsch, und so stand bei mir zu lesen: „Deutsch und Philosophie fürs Lehramt an Gymnasien“. Es wäre vielleicht so gekommen, wenn ich nicht über das didaktische Grau der Proseminare über Edmund Husserl und das Althochdeutsche gestolpert wäre. Das, was mich im Semester 1973/74 endlos fesselte, war eine mitreissende Veranstaltung mit 12 Sessions über Konkrete Poesie. Ich verschlang, in der geboten Langsamkeit, Werke von surrealitischen Vorläufern wie Kurt Schwitters und Hugo Ball, von modernen „Klassikern“ und „Anstosserregern“ wie Ernst Jandl, Hans Arp – und Eugen Gomringer, der nun mit 100 Jahren den Planeten verliess. So spröde Gomringers Texte oft schienen, inspiriert von einfacher Sprache, dem griffigen Ton der Werbung, dem Sound der Worte – in vielen seiner Texte schwang eine feine Sinnlichkeit mit, welche die Fantasie der Lesenden spielerisch miteinbezog. Man stelle sich die nüchterne Architektur des Bauhaus als Spielplatz vor: Eugen Gomringer gelang es, solche Polaritäten aufzulösen, eins werden zu lassen! Mein Lieblingsgedicht entdeckte ich damals schon, und liebe es noch heute, es ist im ersten Kommentar zu lesen. Ich kann es wieder und wieder lesen und mich daran erfreuen, denn es setzt bei mir joie de vivre in Schwingung, pure Lebensfreude – manche werden sich fragen: häh, ehrlich jetzt!? Manche werden aber schmunzeln und gleich ein neues Lieblingsgedicht gefunden haben, ratzfatz. So leicht geht das. Wenn es geht.
2 Kommentare
Michael Engelbrecht
hellas
weisses haus
rotes schiff
weisses haus
götterriff
weisses haus
mythenwind
weisses haus
kleines kind
weisses haus
heisse stille
weisses haus
laute grille
weisses haus
ödenei
weisses haus
eselsschrei
weisses haus
kaktuskühle
weisses haus
traumgewühle
weisses haus
maultierpfad
weisses haus
sonnenrad
weisses haus
blauer bogen
weisses haus
lichtgewogen
weisses haus
korn und spreu
weisses haus
alt und neu
Michael Engelbrecht
In der SZ von heute ein Nachruf
mit dem schönen Gomringer’schen Titel
„Worte wie Sternenbilder“