Sommerlektüre

Richard Powers „Das grosse Spiel“

Bereits der zweite Roman von Richard Powers, den ich 2025 lese. Kaum ein Buch hat mich in den letzten Jahren so begeistert und beeindruckt wie „Die Wurzeln des Lebens“. „Das grosse Spiel“, erschienen Ende 2024, habe ich wieder sehr gerne und recht schnell gelesen, wobei der Dauerregen der letzten zwei Wochen sicher einen Anteil hatte. Richard Powers jongliert mit vier Bällen, den verwobenen Geschichten von vier Charakteren: einer Meeresforscherin, einer Künstlerin und zwei sehr unterschiedlichen Freunden, Perfektionisten beide, die sich aus der Schulzeit kennen und dann gemeinsam an einem College studieren. Der eine entwickelt sich zu einem Tech-Oligarchen, der im frühen Internet eine Seite namens Playground (so auch der amerikanische Titel des Romans) aufbaut, die er zu einer der weltweit meistgenutzten Plattformen entwickelt. Der andere ist ein manischer Leser, ein Dichter und Denker, dessen Leben anders verläuft. Der Roman handelt von den Gegensätzen der beiden, damit auch von Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Literatur und Technik. Dann spielt eben noch das Leben der Meeresforscherin eine große Rolle und damit die Beschreibungen des Lebens unter der Wasseroberfläche (immerhin sind 71% der Erde von Wasser bedeckt).

Sehr sinnlich schildert Powers eine ganz andere Welt. Und ähnlich wie bei „Die Wurzeln des Lebens“ stellt er hier die mannigfaltigen Formen der Kooperation von Lebewesen in den Mittelpunkt seiner Beschreibungen. Es gibt ja noch eine vierte Figur, eine Künstlerin… und die Zusammenhänge der Lebensläufe. Auf der Zielgerade stellt der Lesende dann fest, dass Powers gar nicht vier, sondern fünf Erzählbälle jongliert. Wieder bin ich tief in die Welt des Buches abgetaucht, wieder verzaubert, wieder aufgewühlt und wieder viel zum Nachdenken gekommen. Ich werde in diesem Jahr noch mindestens ein Buch von Richard Powers lesen: „Erstaunen“ (Bewilderment) steht als nächstes an (das ist mit 320 Seiten zum Glück auch etwas kürzer als „Das Grosse Spiel“).

Wolfram Eilenberger „Die Geister der Gegenwart“

Der Dauerregen in den letzten zwei Wochen und die Tatsache, dass ich die längste Zeit home alone war, haben dazu geführt, dass ich noch ein zweites dickes Buch gelesen habe: „Geister der Gegenwart“ von Wolfram Eilenberger. Dies ist dessen dritter Philosophie Schmöker, in dem Gedanken und Leben von vier Denker*innen parallel erzählt werden, so dass sich unterschiedliche Verbindungen ergeben. Hier sind es Susan Sontag, Theodor Adorno, Paul Feyerabend und Michel Foucault. Fragen nach der Möglichkeit einer Moral nach Auschwitz (auch nach dem immer wieder thematisierten Kolonialismus) werden gestellt, die (historische Entwicklungen der) gedanklichen Grundlagen der Gegenwart werden ebenso hinterfragt, wie die Methoden der Wissenschaft, es werden Alternativen gesucht und verworfen – und vieles mehr. Wie bei den anderen beiden Büchern Eilenbergers gab es immer wieder Passagen, die für mich sehr erhellend waren, solche die unterhalten haben (alle vier haben bewegte Leben geführt) und gelegentlich hat sich mir beim Lesen ein Nebel über meine Gedanken gelegt. Geht mir mit philosophischen Texten immer so – wahrscheinlich bin ich da nicht der einzige und vielleicht macht diese Verwirrung auch den Reiz für mich aus. Auch dieses Buch habe ich sehr gerne gelesen. 

Die beiden Bücher haben sich immer wieder ergänzt. Die Aufspaltung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften ist ein gemeinsames Thema, damit verbunden eine Kritik an einer Intelligenz, die Phänomene („Welt“) auf einen Begriff reduziert und beherrschbar macht – und so Welt (oder Menschen) missbraucht.

4 Kommentare

  • Michael Engelbrecht

    Es gbt Bücher, die warten auf dem richtigen Zeitpunkt, gelesen zu werden, „Das grosse Spiel“ zählt dazu. Ich tippe auf 2027, Gesundheit vorausgesetzt…. denn da warten noch zwei andere Schinken.

    Die Neuübersetzung von Susanne Lange von Cervantes‘ Don Quixote. Und das Wiederlesen meines Lieblingsromans Rayuela von Julio Cortazar. Ich weiss, du kamst in dieses Buch nicht hinein, was mich immer noch verwundert.

    Ich kann mir den Eilenberger gut vorstellen: meine liebsten PhilosophieBücher waren immer die, welche Biographie und Gedankenwelt und historischen Background gemeinsam und spannend auftischten, wie das Buch einer Engländerin über den Existenzialismus (irgendwas mit Aprikosenlikör im Titel😉), oder, unvergessen während eines Strandurlaubs anno 1976 auf Borkum, ein blaues Suhrkamptaschenbuch von Ernst Bloch mit Vorlesungen über die Zeit der Aufklärung. (m.e.)

  • Olaf Westfeld

    Auch gute Wahl! Vielleicht gibt es vor 2027 ja auch noch nen kurzen Roman von Herrn Powers.
    Ich starte so langsam in die Vorbereitung des Schuljahres und bin nun in der zweiten historischen graphic novel – berichte ggf. demnächst.

  • Lajla

    Powers kenne ich nicht, werde ich dank deiner Vorstellung bald nachholen.

    Ich komme gerade aus Cádiz zurück, ganz in der Nähe der Stadt hat Eilenberger das Buch zuende geschrieben. Ich war begeistert von den Geistern und Paul Feyerabend sollte Schulbuchlektüre sein, denn “ anything goes“ Haltung muss wieder mehr her.

  • Olaf Westfeld

    Hast Du auch eine Idee, was von Paul Feyerabend? Ich bin gerade auf der Suche, nach Lektüre für einen Philosophiekurs, 12. Klasse…

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