“Diese eindringliche Dunkelheit“ – eine Unterhaltung von Laura und Michael
Einführung 1: At a certain age, and equipped with a sense for funny risks, you just DO certain things. So I bought Bruce Springsteen‘s vinyl box set „Tracks 2“. Only foolishness? I‘m not even a hard core fan. From time to time, Bruce Springsteen entered my life and left traces. „Darkness On The Edge Of Town“ has always been my favourite Springsteen album. Along with „Nebraska“ and „The Ghost of Tom Joad“. And, yes, „Magic“. Some I didn’t like at all. So what made me really go for the big box of buried treasures? First: the cd „Lost and Found – Selections from The Lost Albums“. To my surprise there were more than just a few songs on it that really had an unexpected impact, something not heard before, a strange, dark vibe at times, and the impression of two, three of these tracks sounding like taken from a vintage Daniel Lanois production from the golden days of Grant Avenue Studios, Ontario. Or from that mobile studio with which he recorded Emmylou and Will. No joking. Second: this conversation between Laura Barton and Michael Hann. As some of you know: Laura belongs, along with Sam Phillips, to my favourite music writers from a younger generation, and now I loved the depth and their Springsteen talk in The Guardian so much that I couldn’t resist to make my own mind You can now read their talk here, in translation, or go for the original.

Einführung 2: Der Boss hat sieben verschollene Alben veröffentlicht, die zwischen 1983 und 2018 entstanden sind. Wo soll man anfangen? Lassen Sie sich zwei „Bruce-Gelehrten“ Licht ins Dunkel bringen … soeben hat er seine Schatztruhe: „Tracks II: The Lost Albums“ geöffnet, 83 bisher ungehörte Songs – es sei denn, man gehört zu den engen Freunden, denen Springsteen sie anscheinend seit Jahren vorgespielt hat. Um dieser riesigen Menge an neuem Material einen Sinn zu geben, hat der „Guardian“ die „Landstreicher“ Michael Hann und Laura Barton gebeten, die Risiken, das Bedauern und den Reichtum dieses bahnbrechenden Boxsets auseinanderzunehmen.
Michael Hann: Ich habe den Trailer für Springsteen: Deliver Me From Nowhere gesehen, der den symbolischen Moment zeigt, in dem der junge Bruce sein erstes neues Auto kauft, einen 305 V8. „Das ist sehr passend für einen gut aussehenden Rockstar“, sagt der Verkäufer und lehnt sich durch das Fenster. „Ich weiß, wer Sie sind.“ Springsteen schaut auf und sagt wehmütig. „Nun, das macht einen von uns.“ Ich glaube, das ist es, was Tracks II: The Lost Albums ausmacht: Springsteen, der in jenen Jahren, als die Welt eine sehr klare Vorstellung davon hatte, welchen Bruce Springsteen sie haben wollte, einen Sinn in sich selbst fand, vielen Dank. Ich habe das Gefühl, dass er jetzt ganz klar den Boss von einer anderen, nuancierteren Version von Bruce Springsteen abgegrenzt hat. Der Boss tourt mit der E Street Band; Bruce Springsteen schreibt seine Memoiren, tritt in einer Broadway-Einmann-Show auf und nimmt seiner Muse folgend unkonventionelle Platten auf. Jetzt ist er vielleicht in der Lage, das zu tun, was er in den späten 80ern und in den 90ern tun wollte, weil er sich sicher ist, zwischen diesen beiden Ideen hin- und herwechseln zu können – und er weiß, dass „der Boss“ eine Idee ist, die er geschaffen hat – und auch sicher, dass sein Publikum ihm genug vertraut, um nicht immer der Boss zu sein.
Laura Barton: Ich glaube, Sie haben damit Recht, vor allem mit der Frage, was die verlorenen Alben sind. Aber es ist interessant, dass er sogar in den frühen 80er Jahren, kurz bevor diese Aufnahmen entstanden, davon abrückte, der Boss zu sein – er veröffentlichte Nebraska und nicht Born in the USA. Ich bin mir nie ganz sicher, ob das aus Selbstvertrauen, Zwang oder einer Art Notwendigkeit heraus geschah. Was auch immer es war, ich denke, es hat eine Spannung zwischen den beiden Bruces erzeugt, die sich als fruchtbar erwiesen hat. Ich sollte vielleicht noch hinzufügen, dass diese Spannung vielleicht mit Songs wie Stolen Car und The River im Jahr 1980 begann, aber das ist ein Thema für ein anderes Gespräch, und wahrscheinlich spricht er es 1987 auf Tunnel of Love’s Two Faces selbst an …

MH Wo kommst du deinem platonischen Ideal von Bruce in diesem Set am nächsten?
LB In den ersten beiden Tracks aus den Streets of Philadelphia Sessions, die um 1993 herum entstanden – Blind Spot und Maybe I Don’t Know You. Sie haben diese eindringliche Dunkelheit, die meine Lieblingssongs von Bruce kennzeichnet. Du?
MH Ich dachte, es wäre auf LA Garage Sessions ’83. Sie klangen wirklich nur wie Band-Demos. Was mich am meisten überraschte und begeisterte, war Twilight Hours, das Bacharach-ähnliche Album, auf dem viele andere Musiker zu hören waren. Das hat er zusammen mit Western Stars aus dem Jahr 2019 geschrieben, und obwohl ich nicht sauer auf Western Stars war, fand ich, dass die Songs von Twilight Hours etwas sehr Altersweises an sich haben und Bruce auch in eine amerikanische Bar-Tradition zurückführen, wenn auch eine andere Art von Bar als The Stone Pony.
LB Ich habe laut gelacht, als Twilight Hours eröffnet wurde, auf eine herzliche und überraschte Art. Ich liebe diese Tradition des amerikanischen Songwritings – und der Performance. Es ist Bacharach, aber das Material hat auch viel von der Sehnsucht eines Jimmy Webb oder Glen Campbell. Aber seine Stimme hier ist faszinierend für mich, weil ich glaube, dass viele Sänger an einen Punkt kommen, an dem sie sich fragen, welchen Weg sie einschlagen sollen, und eine Menge bekannter Künstler verfolgen die Klassiker und graben das amerikanische Songbuch aus und nehmen diese Art von Kamingesang an, und es ist interessant, dass Bruce diesen Weg eingeschlagen haben könnte.
MH Das ist interessant, denn ich höre diese Lieder nicht auf diese Weise. Darkness on the Edge of Town von 1978 ist mein Lieblings-Springsteen-Album, und das hier scheint – auf eine sehr eigenartige Weise – ein Pendant dazu zu sein. Es klingt wie die Platte, die die Eltern der Figuren in „Darkness“ gehört haben könnten, um ihre Sorgen anzusprechen.
(Fortsetzung folgt)
2 Kommentare
ijb
Interessant. Das wären auch die drei, die ich nennen würde. Auch wenn ich als Teenager oft Born in the USA gehört hab und vor zwei, drei Jahren, als ich es nach bestimmt 20 Jahren mal wieder durchgehört hab, begeistert war, wie unglaublich gut das ist. Noch immer. Und ich hab auch erst recht kürzlich auch The Wild, the Innocent & the E Street Shuffle schätzen gelernt. Als Spätergeborener kann ich da nachvollziehen, warum man ihn damals als „den neuen Dylan“ bezeichnet hat. In der Reihe von Nebraska und Tom Joad finde ich auch das dritte, Devils and Dust, noch sehr stark.
Ich hatte letztens erst die Idee, dass man eigentlich eine Dokumentarfilm über Springsteen machen müsste, namens The Ghost of Tom Joad, einen Film, der weniger klassischer Musikdokumentarfilm ode biografischer Film ist, sondern essayistisch-verästeltes Zeitenwende-Porträt der Vereinigten Staaten entlang von Springsteen-Songs über 50 Jahre und mit ausschließlich Archivmaterial. Wenn hier ein Mäzen oder Produzent mitliest und so einen Film sehen möchte, möge man mich gerne konktaktieren.
Hab ich auch just letzte Woche wieder gehört. Stark.
Ich hab mir nach deiner E-mail die LP-Box jetzt doch bei JPC bestellt (wo ich 8% Rabatt bekomme), obwohl ich gerade eigentlich echt kein Geld mehr habe… aber wer weiß, ob das in zwei Wochen schon doppelt so teuer wird… Bei Amazon mittlerweile die CD-Box 50 Euro teurer als die LP-Box. WHY?!? Das sind 43 Euro pro CD! Wegen so nem Bildband zahle ich doch auch nicht 150 bis 200 Euro mehr. Ne CD kostet keine 2 Euro in der Herstellung. Und so ein Bildband im Laden 50? 60? Ich hab nie im Leben so einen Preis für eine CD- oder LP-Box bezahlt – und ich hab welche mit 30 oder 34 Alben von Hancock, Reich, einige von Prince, von Wilco und alle 5 von Bowie… 300€ für 7 CDs ist ein vollkommen abstruser Preis. Da teuerste bisher war die Diamonds and Pearls von Prince für ca. 130. Da muss ich sagen, hatte ich mir auch mehr erhofft, nach den SEHR guten von 1999 und Sign o‘ the Times (und auch Purple Rain. Die Diamonds and Pearls war letztlich zu teuer, auch wenn die drei Vault-CDs sich lohnen, wenn man Prince prinzipiell mag. Aber was braucht man so ein überdimensioniertes Bilderbuch?! Als Zusatz okay, aber als (vorgeschobene) Begründung für hohe Preise einfach nur … nervig.
Offenbar ist das Classic-Rock-Publikum dann wohl erfahrungsgemäß so wohlhabend, dass denen solche Preise nix ausmachen. Aber nicht mal die Dylan-Komplettboxen der Bootleg-Reihe (die ich allerdings nicht habe), waren ansatzweise so teuer. Ein bisschen hab ich auch leider den Respekt vor Springsteen verloren, nachdem er auch die 300- bis 500-Euro-Karten (oder mehr) seiner letzten Tourneen lockerflockig gerechtfertigt hat mit „andere machen das ja auch“. Da feiert er sich seit jeher und bis heute als Fürsprecher der Arbeiterklasse und der einfachen Bürger und Verteidiger linker Werte… das passt in meinen Augen nicht zusammen, so sehr ich sein Gesamtwerk und auch vieles andere, wofür er einstand, wirklich schätze. Da ist ein Grönemeyer oder Westernhagen irgendwie integrer.
Seltsam aber auch, dass Pitchfork das als „Reissue“ (Wiederveröffentlichung) einordnet. Wenn ich richtig erfasst habe, war nichts von diesen 85 Songs jemals issued, allenfalls „Secret Garden“ in einer anderen Version oder irgendwas mal als B-Seite.
Michael Engelbrecht
„One more listening guide for not geting lost in TRACKS 2“
Textprobe: „When I Build My Beautiful House“: A simple, perfectly sparse composition featuring Springsteen on pump organ and guitar, with E Street’s Soozie Tyrell alongside on violin and backing vocals. This track connects to so many of the traditions he explores on these records: it’s a hymn, it’s a country song, it would fit within the folk tradition as well. It’s a solid, well-built tune that expands as he moves through the verses, surprising the listener as it grows in power. You’ll hear it in your head for days.
In der Tat – wass für ein Song!