Sunday Morning Story

Sunday Morning

Ich kann gar nicht sagen, wie gerne ich mal wieder auf den Kanaren landen würde, natürlich auf Lanzarote (sollte es da noch mal warm werden!), mit ein wenig Insel-Hopping, damit wir uns am besten alle mal wiedersehen. Eine verrückte Fantasie, dass Freunde und Teilhaber von FlowFlow dort zusammenkämen, jeder mit ein paar „desert island discs“ im Gepäck. Gerne könnte auch unsere Pflegetochter dabei sein. Keine Ahnung, wie viel Wochen oder Monate sie noch bei uns sein wird, da kann alles sehr schnell, oder unheimlich langsam geschehen, nichts wäre schöner, als zu erleben, dass ihre Eltern endlich aus Afghanistan geholt werden, die dort eine eine neue Demokratie mitgestalteten, bis der unorganisierte Aufbruch der Deutschen und der Amerikaner alles über den Haufen warf, und man es versäumte, Tausende von Unterstützern unter den Afghanen mitzunehmen, die für die Taliban Freiwild wurden.

Es war einmal vor langer Zeit, da war Afghanistan ein freies und freizügiges Land, ein Hippieparadies zudem. Einer meiner Lieblingsschriftsteller, Ernst Augustin, arbeitete dort in den Fünfziger Jahren als Psychiater, ehe er dauerhaft in München landete und seine Lebensgefährtin fand, nachzulesen im bezaubernden Roman „Raumlicht“. Als ich ihn besuchte, auch schon ein Vierteljahrhundert her, machte ich es mir in seinem Wohnzimmer gemütlich, das wie eine Kajüte mit Bullaugen eingerichtet war und zu imaginären Schiffsreisen einlud. Genug Abenteuerromane füllten ein Regal, darunter auch die Südseeabenteuer von R.L. Stevenson. Hauptthema war seine furiose Sage mit viel fernem Orient, „Mahmoud, der Schlächter“. Nur etwas für die harten Augustin-Fans!


Wir sprachen viel mehr über „Der amerikanische Traum“, eine hinreissende Geschichte über ein geträumtes Leben im Angesicht des Todes, mit wilden Detektivgeschichten In USA und Lateinamerika, und Lee Morgans „The Sidewinder“ als Soundtrack. Wer die Klanghorizonte noch hat, aus den Neunziger Jahren, mit ein, zwei Passagen des Interviews, bitte melden! Der Lohn: Lee Morgans Platte! Augustins Romane sind voller Reisen, wie der eines liebeskranken Psychotherapeuten nach London in den wilden, wilden Siebzigern. Ich verschlang den herrlichen Roman „Eastend“, in dem auch die launigen Selbsterfahrungsgruppen jenes Jahrzehnts auftauchen, früh in meinen Studentenjahren in Würzburg, gleich zweimal hintereinander, und vielleicht ahnte ein mir unbekannter, hellsichtiger Teil meines jüngeren Hippie-Ichs, dass mir einmal, im Dezember 1982, das gleiche Schicksal beschieden sein würde. In einem früheren Leben das alles, aber die Musik von damals begleitet mich noch heute.

In den zwei Wochen in Hampstead hörte ich nachts die Sendungen von John Peel, und zwei Platten von Magazine und den Flying Lizards gesellten sich damals zu meiner Seelennahrung. Ich kaufte sie in einem Plattenladen in Notting Hill, wo mir ein gewisser blutjunger Robert Forster über den Weg lief. Lange Jahre vor meiner Radiozeit. Viele Jahre danachwar ich öfter in Notting Hill, um Brian Eno in seinem Studio zu besuchen, der in alter Zeit mal ein Pferdestall war. Ein Kollege von mir traf Brian dort vor für ein Interview in der Juliausgabe von „Uncut“. Das ist von Bedeutung für die Pointe dieser leicht zerfaserten Kurzgeschichte. Vorgestern waren wir nämlich bei Ulrike und Tobi, der einen prächtigen Pizzaofen hat, und der Abend ging über Hölzchen und Stöckchen und landete bei dem Song „Suddenly“ (den ihr HIER nochmal hören könnt), und der als erste Single des Songalbums „Luminal“ von Brian und Beatie bereits überall zu hören ist.

Ein Song, der in unsere Nachbarschaft zum Hit wurde, als ich ihn auf der feinen Sonos-Box im Garten spielte. Jung, alt, und mittelalt begeisterten sich dafür, ohne Ausnahme. Als wir Tage später bei Ulrike und Tobi waren, lag die Story von dem Song auch irgendwann auf dem Tisch: rasch wurde „Suddenly“ aufgelegt, auf zugegeben mickrigen Lautsprechern. Aber es reichte, dass Tobi sich an seine jungen Jahre mit wilder Musik erinnerte, und keine Minute des Songs war vergangen, da fühlte er sich an was erinnert aus alten Zeiten, aus sehr alten Zeiten, und dann liess er den Namen des Songs fallen: „Sunday Morning.“ (Ihr könnt ihn ganz oben „anklicken!)

„Oh“, sagte ich, „spannend, The Velvet Underground, die Platte mit Nico und Banane.“ Wir hörten das Lied im Vergleich. „Tobi, ich staune!“ Nicht, dass da eine grosse Nähe zu der Melodie, oder den Harmonien war, und doch: Stimmung, Getragenheit, ja, das war was! irgendwas! Ich schmunzelte, irgendwie hatte Tobi eine Fährte aufgenommen. In meinen Interviewfragen, die noch unbeantwortet sind, habe ich Beatie Wolfe darauf angeosproch, ob Lou Reeds „Set Me Free“, das Brian Eno sowieso über alles liebt, hier oder da Pate gestanden habe bei. An „Sunday Morning“ hatte ich nicht gedacht.

Wenn das mit dem Interview für die Klanghorizonte noch was werden soll, müssen die Antworten von Beatie spätestens morgen nachmittag eintreffen. Dennoch, einen Clou gibt es schon. Also: ich erhalte gestern Abend die Online-Ausgabe von „Uncut“ (july edition), und darin gibt es das ausführliches Interview von Tom Pinnock mit Brian, über Stock und Stein und Jahrzehnte springend. In der einleitenden Passage beschreibt Tom Pinnoch das Ambiente, das ich nur zu gut kenne aus meinen Besuchen. Beatie ist auch zugegen. Das ist vielleicht drei Wochen her. Also, lieber Leser, lies und lausche, diese eine Passage:

„Eno has a lot on. He has been at his west London studio since shortly after 6am. His new collaborator Beatie Wolfe is here too, working on some of their music in his studio room, with its speakers resting on breezeblocks, and an original Velvet Underground & Nico LP, the yellow banana exposed, propped up like a talisman.“ („Brian hat eine Menge zu tun. Er ist seit kurz nach 6 Uhr morgens in seinem Studio im Westen Londons. Beatie Wolfe ist ebenfalls hier und arbeitet an ihrer Musik in seinem Studioraum, in dem die Lautsprecher auf Windschutzscheiben ruhen und eine Original-LP von Velvet Underground und Nico, deren gelbe Banane offen liegt, wie ein Talisman aufgestützt ist.“) Chapeau, Tobi!

3 Kommentare

  • flowworker

    Gestern habe ich spät abends die Antworten von Beatie Wolfe bekommen. Das wird jetzt sehr eng mit der Produktuonszeit am Mittwoch, weil ich vier OTÖNE von ihr in den Klanghorizonten haben will. Dafür musste ich heite früh Teile der Sednung neu schreiben. Wie gesagt, das alles morgen nachmittag umzusetzen, ist eine challenge.

    By the way, ich habe noch nie in der Serie meiner Fern-Interviews, bei denen mich die befragte Person nicht sieht (nur meine genailten Fragen), ein so perfektes Interview bekommen. Technisch, der Inhalt, alles. Sie ist ja auch Radiomensch und technisch fit, hat das ganze Tei, ca. Achteinhalb Minuten, am Ende sauber geschnitten.

    Ihren Solo-Talk werde ich hier am Ende der Monats unter TALK komplett posten… es ist ein Genuss, ihr zuzuhören, wenn man sich für das Thema interessiert, die beiden Klassealben Luminal und Lateral. Und doch recht persönliche Sachen, Brian betreffend, habe ich bei der Planung der Klanghorizonte aussen vor gelassen…

    Brian ist ihr bester Freund geworden, das sagt sie so ganz offen.

  • Lajla

    Ich würde sofort ein Flowy Treffen auf Lanzarote organisieren. Oder natürlich auch auf El Hierro.

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