Strandlektüre für Rantum im März
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Geradezu „entdeckt“ habe ich einen „Professor of History at Middle Tennessee State University“! Ein fundiertes, alle Sinne ansprechendes Büchlein über John Cales „Paris 1919“. Auch wenn er zuweilen in munterem Galopp durch die Histore jagt (mit pointierten Pausen des Verweilens), von Versailles 1919, über Dada und Surrealismus und Dylan Thomas bis hin zu Andy Warhol und Fluxus, nimmt er all diese Hürden en passant, ohne oberflächlich zu werden. Alles kreist, bereichert mit spannenden Tangenten, um diesen gespensterreichen Songzyklus, voller Hintergründe und „sidesteps“.
Mir gehen reihenweise Lichter auf. Ich schätze zum Beispiel, wie Mr. Doyle die Unergründlichkeit dieser Lieder herausarbeitet. „Mark Doyle runs down the ghosts haunting Cale‘s most enduring solo album.“ ich begab mich ratzfatz auf seine Spur. Es gibt natürlich etliche Mark Doyles, aber genau dieser veröffentlichte 2020 auch ein Buch über die Kinks, Untertitel: „Songs Of The Semi-Detached“.
Die Helden meiner Kindheit und ihre „Psychogeographie“: die Kinks rangierten damals in meiner Welt knapp vor den Beatles. Und 1976 weigerte sich ein breites Honigkuchengrinsen , eine runde Woche lang in Würzburg mein Gesicht zu verlassen, als dank des bayerischen Zündfunks die Langspielplatte „801 Live“ meine Studentenbude flutete, Phil Manzaneras Super Group mit meinem damals brandneuen „Helden“ Brian Eno als Sänger und Synthesizerspieler, und seine „hot takes“ von „You Really Got Me“ und „Tomorrow Never Knows“ mich im Sturme nahmen, wie im gleichen Zeitenraum auch „Miss Shapiro“, und überhaupt das pure very britische Seventies-Opus „Diamond Head“.
Tja, und obwohl ich BRAVO-sozialisiertes „human being“ viel über die die Kinks wusste und weiss, mit all ihren Umwegen über „5 o’clock tea“, Carnaby Street, The Village Green Preservation Society und USA (und auch über Ray Davies’ innere Distanziertheit zu überschwappendem Flower Power), freue ich mich wie Bolle auf Boyles 213 Seiten am Meer, sowie einen historischen Kriminalroman, der in den holländischen Bergen spielt anno 1961, sowie auf Martina W.‘s Anthologie „Und man hört sie doch“, die tatsächlich schmökertauglich ist, sowie, bald oder etwas später, Jan R.s jüngsten Streich über einen mir weitgehend unbekannten Künstler. (Der hervorragende, 1975 und früher spielende Gesellschaftsroman „Der Gott des Waldes“ von Liz Moore, Krimi, Survivalkurs und tiefenpsychologische Finnesse in einem, ist soeben erschienen, und wurde leider schon von mir in atemraubendem Tempo verschlungen.)
Der Koffer ist gepackt, das Haus am Meer wartet auf mich, es hat einen Cd-Spieler, und ich wieder mal nur Ausgesuchtes dabei, sowie „Paris 1919“, dann die neuen Werke von Alabaster DePlume, Vijay Iyer & Wadada, zudem und sowiesoso „Grosses Wasser“ von Cluster (das lange Stück!) als auch Philip Jecks Vermächtnis „rpm“ (was gibt es Rauschenderes und Knisternderes als Jecks Vermächtnis nachts in „Klein-Afrika“ zu hören, auf Kopfhörern, die dem Sound der Wellen natürlich Einlass bieten!?)…
2 Kommentare
Olaf Westfeld
Ich würde mich auch freuen, die Lektüre von „Gott des Waldes“ noch vor mir zu haben.
Nur: wo sind die holländischen Berge, dachte immer da ist alles flach – bis auf die Dünen.
Michael Engelbrecht
Das ist eine Anspielung an den Nits Song IN THE DUTCH MOUNTAINS.
Der Roman dazu: siehe Foto.
Um einen blogtext tiefer zu rutschen: vier der letzten fünf von Helsinki und K7 geschickten Vinyls von wejazz records waren / sind toll!
Zu diesem Joona Toivanen Trio würde ich meilenweit fahren, um es live zu erleben. Genauso zu dem Trio von Tyran Sowney, ich muss den Namen noch üben: due waren gerade in der elbphilharmonie und in London, und, hach, wenn ich Richars Williams Bericht in The Blue Monent darüber lese, wäre icb gerne nach Hamburg gefahren….. aber bald.