Im Club der Fische (3)
Stück für späte Stunden (für Matthias)
Da war die Zeit, in der wir Nachmittage dehnten,
bis all die Lichter, Fenster, Autos, erste Feuerstellen,
uns nach Zeichen suchen ließen, Spuren schwarzer Himmel,
die ihre Pforten für den Regen öffnen,
für Lieder über Regen, wie er hart zu Boden trifft, uns
badet, uns, unbesiegbare Kinder mit einer Mission.
„Unser Polizist“, Michael Z. (weisst du noch, wie wir ihn morgens oft abholten, die lange Singerhoffstrasse runter und rauf), hatte mir den Weg gewiesen, aber ich war zu blöd, dich zu finden. Vielleicht dachte meine Unbewusstes, die Kindheit sei ein zu weit entferntes Land. Ich hätte nur ein paar Häuser weiter abklingeln müssen, im Frühsommer, und du hättest vor mir gestanden.
Was trennte uns letztlich so früh, 1966 oder 1967, es war nicht die Höhere Schule, es war nicht deine Arbeiterkklassenherkunft, es war nicht der Umzug von Hombruch nach Kirchhörde, es war kein Streit. Scheisse, wir waren Blutsbrüder, so wie es uns Karl May beibrachte mit Winnetou und Old Shatterhand. Wie oft fuhren wir Sonntags mit dem Mercedes von Daddy in den grossen Wald, wir pflanzten einen Baum ein, und wir guckten „Am Fuss der Blauen Berge“.
Ist es wirklich albern zu sagen, dass du mein bester Freund warst, weil es die Jahre 6 bis 12 waren? Es war das Ende der Kindheit. Das Ausfahren der Antennen in andere Richtungen. Du hast schneller geheiratet als ich verlobt war. Obwohl ich sicher bin, dass wir das Träumen nie verlernt haben, fanden wir nie mehr die Kurve in das Leben des anderen.
Unzählige Male fuhr ich durch die alte Siedlung, nach meiner Rückkehr 1987, studierte die Namen auf den Klingelschilldern, und ging vor ein paar Tagen mit Klaus Weckermann, unserem Anführer in den vier Jahren auf der „Brüder Grimm“, noch mal Namen und Häuser und Erinnerungen durch. („Hallo, bist du Klaus Weckermann, wir sahen und zuletzt vor weit über fünfzig Jahren!“). Wer schon alles tot ist: Margarete, so früh, mit 43, Erdnüsse und aus! Und fast alle Regeners. Und der schlaue Dieter.
Vor ein paar Monaten standest du noch bei Klaus vor der Tür, mit einem neuen Motorrad. Du bist beruflich noch einige Male nach Japan geflogen, zu Mitsubishi, erzählte Klaus. Zwei Kinder, drei Enkel – zwei Hunde zuletzt. Und nach deiner Hochzeit nahmst du den Namen deiner Frau an, wie soll ich dich da finden? Und als Klaus und Jutta mir das Foto rüberreichten, wusste ich, dass ich dich überall auf der Welt sofort erkannt hätte, selbst in Tokyo. Die Augen. Das Lachen.
Ich hätte so gerne in deinen Erinnerungen gestöbert – es wäre ein Rausch gewesen, voller Drachen und Singles und Sylvesterknaller. Weisst du noch: am 2. Oktober 1965 sahen wir das 2:2 unseres BVB gegen den HSV im Stadion Rote Erde, du hattest auf einmal Panik, ich begleitete dich heraus, bis dein Herz wieser ruhig schlug, dann kehrten wir auf die Tribüne zurück. Blutsbrüder! Lass uns bitte noch einmal Donovan singen! „Sunshine Superman“. Und den Himmel nach Liedern für den Regen absuchen!
3 Kommentare
flowworker
Das Gedicht schrieb ich einen Tag nach meinem Abstecher in das Schwimmbad meiner Kindheit, recht früh in diese, Jahr. Ich schrieb es auf englisch.
Ich sah beim Schreiben Matthias und mich in unserer Siedlung, Fussball, Cowboyspiele. wilden Regen. Ich hörte beim Schreiben das Album Pan American & Kramer. Ich dachte auch an Songs über den Regen von Creedence Clearwater Revival und den Go-Betweens.
Martina W. hat es ganz toll übersetzt! Dank dafür!
Übrigens, keine Fantasie: Matthes und ich sangen wirklich Donovan, und zwar Atlantis sowie das Sonnenscheinlied, zwei, drei Wörter, und Gibberish!
An der richtigen Stelle im Text „die Jukebox drücken“, und er ertönen die Lieder Sunshine Superman und Spring Rain. Die Regenlieder von CCR kan jeder selber summen.
Martina Weber
Ein berührender Nachruf, auch von außen betrachtet. Da denke ich gleich wieder an dein Lieblingszitat aus Gaston Bachelands „Poetik des Raums“: „Das früheste und für die Traumgehalte entscheidende Haus muss seine Dämmerung behalten.“ Und was hat es mit den Fischen im Titel auf sich? Sternzeichen, dachte ich. Das Sternkreiszeichen des Fisches beginnt zwar erst am 20. Februar, aber was sind schon Zahlen, wenn ganz andere Werte für eine Verbindung zählen.
flowworker
Einer meiner „Dortmunder“ hatte mir den 9. März als Geburtsdatum mitgeteilt, dann wäre es wirklich eine Fische Freundschaft gewesen. Aber nun stellte sich heraus, dass es der 9.2. war. (Und daran erinnerte ich mich dann auch – erstaunlich, wie Kindheitserinnerungen sich häufen, wenn ein Rädchen angestossen wird.)
Jedenfalls blieb icb dann beim Obertitel, zumal immer wieder das Element Wasser reinspielt. Meine Suche hatte, im nachhinein gesehen ein gewisse Dringlichkeit, leider endete es wie es endete. Im Januar werde ich in Dortmund hoffentlich Michael, Klaus, und Co. antreffen, im Alten Krug, einer Urkneipe in Hombruch.
Vorher gibts noch einen Nachklapp, Teil 4,
Grüsse von Mellow Yellow Michael!