Road Trip with Music

Als einen der Subplots meiner US-Reise zog sich die Beschäftigung mit Alejandro Escovedo durch. In Deutschland ist er leider nie so richtig bekannt geworden; dabei hat er doch in knapp 50 Jahren einige Projekte und zahlreiche Soloalben zu bieten. Sein jüngstes Album „Echo Dancing“ hat sich langsam aber sicher zu einem meiner 2024-Favoriten gemausert. Und als ich auf seiner Webseite sah, dass er während meiner US-Reise ein Konzert in einer kleinen Kneipe im texanischen Abseits geben würde, habe ich das zu einem der Eckdaten meiner Strecke auserkoren. 

Fischer, Texas befindet sich zwischen Austin und San Antonio, und die dortige „Devil’s Backbone Tavern“ ist eine uramerikanische Cowboy-Spelunke, wo jeden Tag irgendwer, oft wohl ohne Eintritt, musiziert. Ich fand mich schon am Nachmittag dort ein, hing in der Umgebung ab und fragte Escovedo dann, als er mit seinen beiden Hunden herumspazierte, ob ich ihn mit den beiden fotografieren dürfe.

Das Konzert war dann, wie man so sagt, „große Klasse“, ein einmaliges Erlebnis, an das ich sicher noch bis an mein Lebensende zurückdenken werde. Escovedo rockte den Laden mit verzerrter Gitarre und auch mal verzerrter Stimme mit seinen beiden Mitmusikern, viele im vorwiegend nicht mehr ganz jungen Publikum tanzten, zwischendurch begaben sich die drei Musiker für ein paar Nummern (und Erzählungen) unverstärkt mit Folk-Instrumentierung an verschiedene Stellen im Raum, bevor die letzten Stücke ausufernd und mit passionierten Soli die geschätzt 150 Gäste begeisterten. 

Später erzählte Alejandro, dass er leider derzeit kein Booking für Deutschland hätte, aber gerne mal wiederkäme. Auch kündigte er die Aufnahme eines Livealbums an (gerade an den letzten drei Abenden wurde es in Austin eingespielt, laut Setlist.fm mit einigen lokalen Gästen wie Britt Daniel von Spoon und Covers von Bowie, Neil Young und Velvet Underground). 

Unterwegs hatte ich bereits Podcasts und Radiosendungen mit Alejandro Escovedo angehört (Ich empfehle bei dieser Gelegenheit Marc Marons leidenschaftliche Podcast-Episode mit Alejandro aus dem vergangenen April. Maron ist offensichtlich schon seit vielen Jahrzehnten Fan, und so macht das Gespräch viel Freude.) und in jedem lokalen Plattenladen nach älteren CDs und LPs von ihm gesucht, oftmals allerdings ratlose Gesichter als Antwort auf die Frage erhalten, ob man womöglich etwas von Escovedo im Geschäft habe. Letztlich konnte ich die meisten seiner Alben, die ich noch nicht kannte, in Austin und Denver finden und konnte sie so auch noch signieren lassen.

Überhaupt habe ich auf der Reise viel zu viele interessante Alben gefunden, musste mich aus Vernunftgründen (irgendwann ist auch der Platz im Gepäck über Gebühr ausgeschöpft, selbst wenn ich alte Kleidung zurücklasse) gegen weitere Einkäufe entscheiden. 

Weil die Frage aufkam, welche Musik ich auf diesen Fahrten (am Ende wurden es knapp 10.000 km) hörte: tatsächlich diesmal sehr wenig. Zumeist nutze ich die langen Strecken, die teilweise Stunden zwischen einzelnen Orten hin und her gehen, für Podcasts, teilweise drei Stunden lange, über politische Geschichten oder gesellschaftliche Fragen. Häufig sind es auch Gespräche, die zwischendurch auch mal nervig sein können. Zum Beispiel hörte ich lange Gespräche mit Taylor Sheridan, Birgit Minichmair und Jagoda Marinić, Joe Rogan mit Tucker Carlson, Peter Thiel, Russel Crowe, die WTF-Podcasts von Marc Maron mit Schauspieler/innen, Regisseur/innen, Musiker/innenNPR Fresh Air hat auch immer viel Interessantes zu bieten. Die wenigen aktuellen Alben, die ich gehört habe, waren das neue Album von Suuns und von Xiu Xiu. Die habe ich mehrfach gehört, auch wenn sie eher in städtische Gegenden passen und nicht so sehr in die abgelegenen ländlichen Ecken. Ansonsten häufiger R.E.M. und Lucinda Williams, quer durchs Gesamtwerk, auch mal die letzte der Rolling Stones, die immer gute Laune macht, Steve Tibbetts, Stevie Nicks‘ frühe Soloalben, Werner Herzogs autobiografisches (Hör-)Buch, Naima Bock, Nilüfer Yanya, Ani DiFranco, Spoon (in Texas).

Fährt man auf diesen abgelegenen Straßen, finden sich immer wieder auch überraschende kleine Abwege oder Umwege, Landmarks. Zum Beispiel fand ich in South Dakota in Belle Fourche das „Geographic Center of the United States“ oder fuhr an der Ecke von South Dakota, Wyoming und Montana am „Devil Tower National Monument“ vorbei, traute mich aber nicht, den Umweg dort direkt vorbei zu fahren, weil mein Autocomputer (oder Computerauto) ansagte, dass ich am Ende mit „1%“ Ladung bei der nächsten verzeichneten Ladestation ankäme, und das Risiko war mir nicht ganz geheuer. Hervorragende Fotoausstellungen besuchte ich (wie jedes Mal) im Denver Art Museum und in der National Gallery of Art in Washington.

7 Kommentare

  • Ingo J. Biermann

    Nachdem North Dakota der einzige Staat (der 48 „Contiguous United States“) war, den ich noch nicht besucht hatte, war mir im Rahmen meiner Reise nach Minneapolis klar, dass ich diesen Anlass dazu nutze, wenigstens einmal den angrenzenden Staat zu besuchen. Und da ich immer mal wieder meinte, ich müsste ja auch einmal den südlichsten Teil von Texas besuchen, kam die Idee auf, vom Norden North Dakotas, von der kanadischen Grenze bis zur mexikanischen Grenze in Brownsville zu fahren. Ein großartiger Film ist „American Honey“, in dem die Figuren, wenn ich mich nicht täusche, tatsächlich von North Dakota bis Oklahoma oder bis Texas fahren. Und es gibt auch den Film „Logan“ aus irgendeiner Superhelden-Reihe, wo die Geschichte andersrum verläuft, aus dem Süden aus Texas bis zur kanadischen Grenze. Texas besuche ich immer wieder gerne; es ist faszinierend vielseitig. Brownsville im südlichsten Eck kennt man wahrscheinlich fast nur aus dem Lied von Bob Dylan aus den Achtzigern.

    Ganz habe ich diesen Plan dann nicht umgesetzt, teils wegen der dünn gestreuten elektrischen Ladestationen, besonders im Norden, teils aus Zeitgründen. Zwei Tage mehr hätte ich dafür wohl gebraucht. Immerhin von Bismarck, ND bzw. Glendive, Montana bis kurz vor San Antonio fuhr ich, dann musste ich mich auf dem Weg zu meinen Verabredungen an der Ostküste machen.

    Man muss zugeben, dass Texas auch wirklich teilweise ermüdend zu befahren ist – ein riesengroßes Land, und speziell der nördliche Teil, der an New Mexico und Oklahoma grenzt, ist über weite Strecken stundenlang sehr gleichförmig und ich stelle mir den Süden, d.h. südlich von San Antonio, ähnlich gleichförmig vor, d.h. von Norden nach Süden zu fahren, ist wahrscheinlich eine große Herausforderung in Monotonie. Von der nordwestlichen Ecke bis nach Brownsville sind es knapp 900 Meilen, mindestens 13 Stunden reine Fahrtzeit.

    Mit dem elektrischen Auto hat man eine Reichweite von maximal 256 Meilen und nahm deswegen keine großen Risiken auf mich, in Sorge, dass ich irgendwo auf einer einsamen Straße liegen bleibe, es ist also schon ein deutlicher Unterschied zu den Reichweiten, die man mit Benzinautos hat, auch weil die Tankstellen-Infrastruktur sehr viel feinmaschiger ausgebaut ist. Es könnte gut funktionieren, wenn an jeder Tankstelle auch eine elektrische Lademöglichkeit wäre. So aber bestehen gerade in den Staaten im Norden des Mittleren Westens doch größere Lücken, weshalb ich bestimmte Umwege und kleinere Straßen teils nicht so gefahren bin, wie ich es mir vorher ausgemalt hatte.

    Mir fällt auf, dass die meisten Autofahrer die Geschwindigkeitsbegrenzung um 10, häufig 15 Meilen pro Stunde überschreiten – und ich oft der einzige bin, der den Tempomat auf die Maximalgeschwindigkeit oder sogar darunter eingestellt hat, weshalb ich sogar von zahlreichen LKWs (von denen unfassbar viele unterwegs sind) oft überholt werde. Seit die Geschwindigkeiten auf den Interstates nicht mehr überall bei 55 Meilen liegen, sondern meist darüber, bei 70, manchmal 75 (in vereinzelten Gebieten, sogar 80 oder 85) Meilen/Stunde, ist der Unterschied zu den stressigen Autobahnen gar nicht mehr so groß, wenn die Leute dann deutlich schneller fahren als angegeben… außer dass die Straßen in ländlichen Gegenden abseits der großen Städte zum Teil dann sehr viel weniger befahren sind.

    Was mir auch bei jedem Besuch auffällt, ist, dass amerikanische Autofahrer offenbar keinerlei Gefühl für Abstand haben. Zwar kenne ich es auch aus Deutschland, dass viele Autofahrer zu dicht auffahren, üblicherweise um einen aus der Spur zu drängen. Aber es ist jedem bewusst, dass das ein Verstoß gegen Straßenverkehrsordnung ist und mit Strafen geahndet werden könnte. Wie dicht hier allerdings viele Autofahrer auf den Interstates oder Highways auffahren, deutet für mich eher darauf hin, dass sie es nicht besser wissen.

  • Michael Engelbrecht

    Einige Bilder stimmen ein auf die „Unendlichkeit“ der langen Autofahrten. Den Trick mit den kleinen Fotos und dem Klick zu Vergrössern haben ich nach einigen Umstellungen bei wordpress noch nicht raus. Nevzad fragen, in Kürze:)

    Ich pickte mir das Foto mit dem Schild NEBRASKA raus („The Good…“)…. und da assoziierte ich gleich eines meiner Lieblingsalben von Bruce Springsteen namens „Nebraska“. Spärlich und intensiv (Thomas Kraft es bestimmt in seinem „Americana“-Buch mehr als nur erwähnt…)! Es gibt ja jetzt die Springsteen Doku im Stream, die auch on the road und from city to city abgedreht wurde… Richard Williams schreibt dazu in seinem Blog.

    Die erwähnteh road movies kenne ich nicht. Bei „Fischer, Texas“ fällt mir natürlich ein andwres road movie ein: „Paris, Texas“. Alejandro E kenne ich wohl nur viel zu flüchtig. So wie du das Konzert beschreibst, wäre ich da wohl voll drauf abgefahren:) … ECHO DANCING habe ich mal ohne Vorabhören bestellt – tolles Cover!

  • Michael Engelbrecht

    Zufällig fand ich neulich auf dem alten Blog eine meiner Radionächte, und die dritte Stunde, eine Themenstunde zu David Darling, lässt sich immer noch anhören: HIER!
    Diese Musik würde ich zu meiner HighwayMusik beisteuern….

    „… and then you’re left in this wonderful area of floating which i love so much“ (David Darling, 1994, in that old radio show)

  • Martina Weber

    Wieder mal sehr interessante Erzählungen aus den USA und unglaublich atmosphärische Fotos, die man wirklich vergrößert anschauen sollte. Die nächtlichen Lichter einer Stadt ganz rechts in der ersten Dreierreihe wirkt nur vergrößert.

  • Ingo J. Biermann

    Die nächtliche Stadt ist Chicago von oben, der schwarze Bereich ist der Lake Michigan, bei meiner Abreise aus dem Flugzeug fotografiert.

    Ganz unten rechts ist Texarkana (bekannt auch durch das Lied von R.E.M.), ein Ort direkt auf der Grenze von Texas und Arkansas; dieses Gebäude („United States Post Office and Courthouse“) liegt direkt auf der Grenzlinie (= die gelbe Mittellinie der Straße); deshalb sind davor die Grundrisse der beiden Staaten als Symbole aufgehängt (das Foto ist da leider etwas zu klein).

    Die signierten Lucinda-Williams-LPs habe ich in Austin gekauft; dort gab es noch einige Exemplare. Zwar hatte ich die LPs schon, aber da es bei den Konzertbesuchen leider unmöglich war, Platten signiert zu bekommen, wollte ich die Chance nicht vorüberziehen lassen, diese LPs mitzunehmen. Ich habe die Platen jetzt doppelt … falls sie jemand noch möchte… „Good Souls Better Angels“ finde ich großartig, eines meiner Lieblingsalben von ihr. Und auf der Doppel-LP ist noch eine vierte LP-Seite mit Akustikversionen einiger Stücke drauf.

    Springsteen werd ich mir auch anschauen; Rezension schon gelesen:https://www.theguardian.com/film/2024/oct/23/road-diary-bruce-springsteen-and-the-e-street-band-review-thom-zimny
    Ich hab letztens die sehr schöne McCartney-Doku-Reihe mit Rick Rubin angefangen. Ansonsten in diesem Monat nur „The Apprentice“ im Kino gesehen. Kein Vergnügen, der Film. Ich war hin und hergerissen zwischen Horror-Stimmung und Genervtheit, nicht wegen der filmischen Qualitäten (die sind hervorragend), sondern wegen der Trump-Züge, die sich hervorragend mit dem Podcast-Gespräch „How Trump Created The Illusion Of Success“ mit den Pulitzer-Autor/innen bei NPR deckten: https://www.npr.org/2024/09/17/1200034668/how-trump-created-the-illusion-of-success . Es ist einfach so furchtbar, dass dieser Typ so weit gekommen ist…

    Gestern (eben) Andres Veiels neuen Film „Riefenstahl“ mit Diskussionsrunde gesehen (knüpft da hervorragend an). Heute (Sonntag) Konzert mit Egberto Gismonti in der Elbphilharmonie.

  • Michael

    Home again ! Nach 10000 Kiometern, wow!
    Unterwegs hoffentlichein paar grosse T Bone Steaks😂

    Und Egberto in Hamburg! Du kommst rum …

    Gestern noch seine fantastische Solo Platte Danca dos Escavros aus dem Regal gefischt ….für bald mal …

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert