70 today, and many happy returns, Mr. Tibbetts!
Hier mein alter Text für die ZEIT, und keineswegs aus der Zeit gefallen, über A MAN ABOUT A HORSE. Seltsamerweise habe ich Steve nie nach der Bedeutung des Albumtitels gefragt. Ich habe etliche Steve Tibbetts-Lieblingsplatten, und einst zu dem wunderbaren Album „Big Map Idea“ die liner notes geschrieben. Ein Werk, das mich nie aus seinem Bann lassen wird, ist sein bislang letztes, „Life Of“ – HIER ein kleines Interview dazu. In nicht zu ferner Zukunft wird ein weiteres Album folgen, wenn ich meiner gut unterrichteten Quelle glauben darf. (m.e.)
Man nenne dies nicht Fusion Music und auch nicht Crossover. Die Musik des 1954 in Madison, Wisconsin, geborenen Steve Tibbetts erzählt Reisegeschichten über elektrische Wildnis und akustische Kulturlandschaften. Mit sechs Jahren hatte Steve begonnen, die Ukulele zu erforschen, und griff zur akustischen Gitarre, sobald seine Hände sie fassen konnten. Später spielte er in Rockbands und richtete sich im Laufe der Zeit in St. Paul, Minnesota, ein eigenes Studio ein, das bald zum zweiten Instrument wurde – Klangmanipulationen gehörten zum Handwerk eines Musikers, der Tag und Nacht Tomorrow Never Knows von den Beatles und Ege Bamyasi von Can hörte.
Der Globetrotter aus Passion hielt Abstand zu jedem drohenden Mainstream, vermied die mechanische Griffbrettartistik mancher Kollegen und kämpfte gegen den üblichen Etikettenschwindel: „Folkmusik vom Mars“ nannte ein Journalist Tibbetts‘ Klanggebräu. Seine erste große Reise führte nur nach Oslo: Unter der Klangregie Manfred Eichers entstand die karge, leicht pulsierende Gelassenheitskunst von Northern Song. Seitdem mischte der Gitarrist die Höhen- und Breitengrade seiner Musik nach den Gesetzen des freien Falls von Mikadostäbchen und produzierte brillante Werke, mit Titeln wie Safe Journey (1984), Big Map Idea (1990) oder The Fall Of Us All (1994) – eine konstante Verletzung des Orientierungssinnes. Manchmal sind da Geräuschspuren der Fernstraßen um Minneapolis zu hören, der Rocky Mountains oder eines Mönchschors aus Tibet.
Und so finden sich auch Fetzen eines fremden Alltags auf seiner neuesten Arbeit, A Man About A Horse, wenn beim Sampeln Natur- und Tierlaute zusammen mit den bronzenen Sounds von Gongs gespeichert werden (ECM 1814). Fasziniert ist Tibbetts von der Kebyar-Schule der Gamelan-Musik, ihren explosiven Attacken, kühnen Synkopen und verwickelten Läufen aus Blockakkorden. Bali, Indonesien und Nepal wurden bald zum ständigen Reiseziel. Er hört zu, wenn ein Einheimischer von den Geistern der Bäume spricht, und lässt sich vom endlosen Klingklang indonesischer Puppenspiele in den Schlaf wiegen. Kehrt Steve Tibbetts von seinen Reisen zurück, arbeitet er mit frei schwebenden Erinnerungen, nicht mit akustischen Abziehbildern.
Asien wird hier zu einer Welt, von der ein später Jimi Hendrix geträumt haben könnte. Komplexe Texturen, die, allem Gitarrenfeuer, aller Perkussionsdichte und Basswucht zum Trotz, eine seltsam beglückende Klarheit verströmen – als könnte man der Musik beim Luftholen zuhören!
2 Kommentare
flowworker
The photos are from Ingo who happens to be everywhere in these days, between Norway and Minneapolis!
flowworker
I was working as a psychologist at the Furth i. W. Clinic in 1982 when I saw four announcements in „Die Zeit“ – the name Steve Tibbetts was new to me, and soon the record ‘Northern Song’ landed in my letterbox in Grasfilzing via ‘Jazz By Post’. As much as the album sounded different from his other works, it was the beginning of a long relationship.
A little anecdote. When we met for the first time im Dortmund, at the beginning of the 90’s, in our conversation (Marc Anderson, the percussion player, was there, too) Steve and Marc were not very enthusiastic about the album between „Safe Journey“ and „Big Map Idea“, and called „Exploded View“ a product of private upheaval, nearly a failure.
In my ears, it wasn’t that at all. Instead, I even found the title quite revealing. Now, to not just repeat my words from old, I went back to the album the other day, the vinyl still in okay shape. From start on, I was inside the music. I wasn’t even looking for the right words. So, afterwards, i said to myself: „what was that?“, and not only my inner smile told me it was worth the trip.