Das seltsame Ende einer Müdigkeit
„It’s a lot like magic / It’s a lot like friendship …“ Auf der Autobahn in die alte Heimat legte ich die Cd „Poptical Illusion“ von John Cale ein, und freute mich über die Kraft, die seine Stimme und Songs immer noch verströmen. Satte Rhythmen umhüllen seine sonore Stimme, die ohne Verzagen einmal mehr alte Träume und Dämonen aufsucht. Ich war auch auf einer Mission, allerdings sehr viele Nummern kleiner gelegt, in Richtung der Räume der Kindheit.
Ich betrat das Schwimmbad namens „Froschloch“, in dem ich früher manchmal mit meiner Mutter unbeschwerte Nachmittage verbrachte, mit flirrendem Kinderstimmensingsang. Solch ein akustisches Lufttheater höre ich heute nurmehr auf Platten von Boards Of Canada als schemenhafte Spuren uralter Zeiten. Das Schwimmbad, in dem ich zuletzt vielleicht 1966 war, war trotz 19 Grad Lufttemperatur und Sonnenschein überraschend leer – ich erkannte alles wieder, die feinsten Wellungen der hügeligen Wiesen, die Areale für die Spielplätze, der renovierte Bau seitlich, der heutzutage als Jugendherberge dient, wie ich beim Bademeister erfuhr. Das Wasser wurde nicht erwärmt, und brachte es nach diesem sonnenarmen Frühling auf gerade mal 18 Grad.
Die Strand- und Strandkorbanlage gab es damals, 1963, noch nicht, ich machte es mir bequem, und mir kamen 1001 Bilder und Tonspulen aus der Mitte der Sechziger Jahre in die Sinne, und wie oft ich in letzter Zeit an Matthes dachte, meinen Blutsbruder, mit dem ich meine vier ersten Schuljahre teilte, und mit dem ich an einer Bushaltestelle an der Harkortstrasse in Hombruch paralleles Nasen-An-Schaufensterscheiben-Drücken ausübte, auch, um noch näher an die aushängenden Singles heran zu kommen, es durften gerne Adamo sein und Manuela. Die zwei Stunden im Schwimmbad vergingen wie in einem Traum, wehmütig, surreal. Wo war das Portal, mit dem ich durch die Zeit springen könnte? Ich notierte die Namen, die mir einfielen, ich liess Erinnerungen schweifen, googelte Namen, glich sie ab.
Mattes kommt gleichsam durch eine Hintertür, als Verlustmeldung, sobald ich in den alten Strassen auftauche, die Mädels würden kaum unter ihrem ersten Namen firmieren, und dann stosse ich auf eine Spur: Michael Z. (ein seltener Name, und verortet heute unweit seines damaligen Kinderzimmers in der Grotenbachstrasse). Nun ist es nicht so, dass wir so dicke miteinander waren wie Mattes und ich, aber er war oft dabei, als wir die Siedlung am Weissdornweg in ein Terrain des Wilden Westens verwandelten, Spiele spielten, für die mir die Namen entfallen sind. Manchmal kauften wir an der Bude Fotopäckchen, und ich erinnere mich an eines, auf dem das Wrack des abgestürzten Flugzeugs der Mannschaft von Manchester United zu sehen war.
Ich wählte die Rufnummer von Michael Z., nannte meinen Namen, liess alle Kindheitsstoffe aussen vor, und bat um Rückruf. Die Müdigkeit, die ich seit der schlafosen Nacht in Brüssel immer wieder bleiern spürte, war wie weggeblasen, ein kleines Fenster hatte sich geöffnet auf der Suche nach meinem Blutsbruder von 1963. „Can I close another chapter / In the way we run our lives…“ (John Cale, How we see the light)
Ein Kommentar
Michael Engelbrecht
De Song ist zu hören, wenn man auf „Poptical Illusion“ klickt, zu Beginn des Posts – nicht bei jedem ist der link graphisch markant abgehoben…
See The Light
It’s a lot like magic
It’s a lot like friendship
It’s the best of everything
Everything I’ve found
Sometimes you learn a thing or two
You learn a lesson
Then in the quiet ways of love
You wasted time
You tried to track me down
And now you finally found
The way we heard you
Call me out again
In between the way we see the light
Then we lose our minds and jump a fence
In between the way we see the light
Then we lose our minds and jump a fence
Ooh, ooh, ooh, ooh
Here goes a better idea
In the way we saw our lives
Were they more decisive now
Than in the future time
Can I close another chapter
In the way we run our lives
More decisive in the future
Or deliberate in the end
In between the way we see the light
Then we lose control and jump a fence
In between the way we see the light
Then we lose control and jump a fence
Ooh, ooh, ooh, ooh