„Leaving the dream“
Zum ersten Mal hörte ich einen Song von „Hejira“, in einer Radiosendung im Westdeutschen Rundfunk, nachmittags. Welche Nebensächlichkeiten sich da einbrennen – ich sehe ein herbstliches Nachmittagslicht im Garten, Karl Lippegaus moderiert, es regnet graue Schleier, Jonis Stimme strömt aus Lautsprechern aus Mahagoniholz, und ich weiss, dass diese Musik nicht einfach bloss nachhallen wird, sie wird Begleiterin sein, from station to station, all ihren Fluchttendenzen und Flüchtigkeiten zum Trotz. Das Lied besass etwas, das, wie sich bald herausstellte, alle Songs des Albums auszeichnet, einen vorwärtstreibenden, sanften wie unnachgiebigen Puls, ein Flirren wie von Luftspiegelungen erzeugt. Jeder, der das Album lieben gelernt hat, sieht in diesem Moment das Cover vor sich, das perfekt zu den Texturen der Musik passt. Die Juli-Ausgabe von UNCUT erzählt die Geschichte, viele Geschichten, die sich um Hejira ranken. Und sie beginnt ungefähr so:
„Im März 1976 packte Joni Mitchell ihr Auto – einen großen, kastenförmigen Mercedes 280 SE, den sie Bluebird nannte und den sie 1969 mit ihrem ersten Tantiemenscheck gekauft hatte – und begab sich auf die I-15, um nach Damariscotta, Maine, zu fahren, das sehr, serh weit von Los Angeles entfernt war. Sie hatte keinen Führerschein, aber das sollte sie nicht aufhalten. Eigentlich sollte sie The Hissing Of Summer Lawns in Europa promoten. Stattdessen begab sie sich auf eine wilde Verfolgungsjagd quer durch das Land, mit einem alten Liebhaber und seiner neuesten Flamme sowie mehreren Anhängern voller emotionaler, psychologischer und pharmazeutischer Probleme.
Ein paar Monate später kehrte sie nach LA zurück, nachdem sie über 10.000 Meilen zurückgelegt hatte. Sie war allein durch das ganze Land gefahren, um den Golf von Mexiko herum, durch den tiefen Süden und die Sonora-Wüste. Ihre Verluste waren zahlreich: ein Verlobter (ihr Schlagzeuger John Guerin), ein Haufen Geld von der abgesagten Tournee, ein Großteil ihres kommerziellen Erfolgs, ihr Ego (für drei Tage, nachdem sie zu Beginn ihrer Reise in Boulder dem abtrünnigen buddhistischen Guru Chögyam Trungpa begegnet war), und anscheinend eine ganze Oktave ihres Stimmumfangs. Aber sie kehrte von ihren Reisen mit einer seltenen und kostbaren Traumfracht zurück: den neun Songs, die Hejira bilden.“
Ein Kommentar
Michael Engelbrecht
Wie geschrieben, JULI EDITION UNCUT…
In 1976, JONI MITCHELL left behind the wreckage of a failed relationship, a cancelled tour and heightened commercial expectations and disappeared into the American wilderness, seeking refuge on the road. “I’m porous with travel fever”, she sang, “but you know I’m so glad to be on my own”. She returned, at last, with the songs that formed Hejira – a dazzling meditation on resilience and responsibility, love and independence that counts as Mitchell’s true masterpiece. Here, collaborators and confidants share Hejira’s secrets, from Mitchell’s studio practices to the enduring sleeve artwork, while admirers including THE WEATHER STATION, WEYES BLOOD, ALLISON RUSSELL and COURTNEY MARIE ANDREWS hymn Hejira’s many musical achievements. “This record must have taken a lot of courage to put out,” muses one acolyte. “It was not at all what people would have thought of when they thought of Joni…”