Wenn der Ostwind weht – die Malerin Cornelia Schleime
Große Künstlerinnen sind meist mehrfach begabt, siehe Patti Smith oder Joni Mitchell. Eine Malerin, die ich schon lange verfolge, ist Cornelia Schleime. Ich hatte sie in meinen Dresdner Jahren entdeckt, da war sie längst in den Westen gezogen. Ich habe sie für ihre Kraft bewundert. Ähnlich wie Penck, der es auch als Maler sehr schwer hatte in Dresden, aber es immerhin bis zur Professur an der Düsseldorfer Kunstakademie schaffte. Cornelia erhielt Ausstellungsverbot und Ausreiseverbot. Fortan malte sie auf ihrer Haut und zeigte sich in bunten schrillen Performances mit ihrer Punkband in der DDR Öffentlichkeit.
Am Sonntag konnte ich in ihre erste Einzelausstellung in der Galerie Judin in Berlin gehen.Dort zeigt sie vor allem Gesichter, mit Acryl gemalte große Tableaux. DIE MUTTER zeigt ihre Gefangenschaft als Kind und als Jugendliche. Immer malt sie sich in ihren Emotionen, Phantasien,Sehnsüchten. Ihr Leid im DDR Regime verarbeitet sie in ihren Gemälden, ihren Gedichten, ihren Filmen,ihrer Musik. OHNE LIPPEN SIND DIE ZäHNE KALT nennt sie ihre Ausstellung. Auch hier die extreme Spannung zwischen weich und hart. Mein Lieblingsbild zeigt eine leicht gebeugte Frau, deren Haare aufgelöst im Ostwind flattern. Es ist mein Lieblingsbild. Es riecht förmlich nach Dünengras und Fernweh. Cornelia hat einmal gesagt, dass sie sich nur auf Reisen beheimatet fühlt. Als Dichterin drückt sie ebenfalls den Spannungsbogen zwischen Nähe und Unterbewusstsein aus.
„Ich bin die Nähe, deren Herz
Sich zu euch legt,
Wenn ihr im nimmersatten
Blau euch fortbewegt“
(Auszug aus dem Gedicht ICH BIN DIE PARTISANIN)
Cornelia Schleime wird die Grande Dame der deutschen Malerei genannt. Ihre Kataloge sind nicht mehr zu haben, auch nicht bei König in Köln. Die Ausstellung geht noch bis Mitte August.
(L.N.)
4 Kommentare
flowworker
Köln ist immer eine Reise wert. Hier im Planet Lyrik gestöbert zu Cornelia:
CORNELIA SCHLEIME
Meine Liebe sind nicht die Lippen
die du fressen wolltest
meine Liebe war nicht der Rabe mit dem
ich durchs Zimmer flog.
Meine Liebe ist immer die Stunde,
die wir uns treffen zwischen den Stunden
Die Stadt wo wir uns suchen
zwischen den Städten
Die Nacht wo wir uns wollen
zwischen den Nächten
aus: Ein Mololow-Cocktail auf fremder Bettkante. Hrsg. von Peter Geist. Reclam Verlag, Leipzig 1991
Konnotation
Die 1953 in Ost-Berlin geborene Cornelia Schleime kann getrost Universalkünstlerin genannt werden. Mit Malerei, Filmen, Performances und zuletzt mit Gedichten und einem 2008 erschienenen autobiographischen Roman verfügt ihr Werk über eine große Bandbreite und verwendet letztlich eine Vielzahl an bilderzeugendem Material.
Das Wesen der Liebe, die das Gedicht thematisiert, lässt sich nur andeutungsweise begrifflich darstellen. Eine Stimme, die sich weder räumlich noch zeitlich verorten lässt, listet einen Kategorienkatalog auf: Zunächst wird die Liebe ex negativo beschrieben, dann folgt der Versuch, die Liebe an einer Stelle zu entdecken, einer Schnittstelle, einem unbewussten Zwischenzustand.
Norbert Lange (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
Lajla
Joni Mitchell hält sich für eine bessere Malerin als Musikerin. Ich mag ihre Songs lieber als ihre Bilder. Cornelia Schleime ist für mich mit ihrer spontanen Malerei und ihren Augenblicksgedichten in beiden Genres gleich großartig.
flowworker
Ich habe ihr schon einen Platz in unserer Poetry Kolumne reserviert. Passt ja auch gut, werde da auf jeden Fall auflaufen in Köln…
Weder Brian Eno noch Joni Mitchell kommenin ihren Bildern und Paintings an ihre besten Alben heran…
Martina Weber
Sehr berührendes, starkes Gedicht.