Valentine
It’s the darkest hour, you’re twenty two
The voice of youth, the hour of dread
The darkest hour and your voice is new
Love is lost, lost is love
Zweifelsohne besitze ich viel zu viele Tonträger. Immer wieder schaffe ich es, mich von welchen zu trennen, aber es sind immer noch exorbitant viele … von denen ich denke, dass sie mir sehr wichtig sind. Wenn ich mit jüngeren Leuten spreche, haben die oftmals gar keine CD- oder DVD-Spieler mehr und finden die Vorstellung, Tonträger zu kaufen, geradezu abwegig.
Your country’s new
Your friends are new
Your house and even your eyes are new
Your maid is new and your accent too
But your fear is as old as the world
Es gibt Zeiten, da höre ich Bowie länger nicht, aber er bzw. sein Werk ist mir dennoch immer abrufbar im Kopf, unzählige Zeilen aus seinen Songs haben schon den Status „geflügelter Worte“ in der Rock-/Pop-Geschichte, und immer wieder begeistert es mich zu sehen, in welch unerwarteten Kontexten seine Songs oder auch nur Zitate daraus auftauchen. Mit zahlreichen Songs verbinde ich viele Momentaufnahmen in meinem Leben oder erinnere mich an Personen, Filme, Situationen, Liebschaften (auch unerfüllt gebliebene), manchmal steht ein Song in meinem Kopf für eine bestimmte Person oder ein Ereignis oder verbindet sich mit einem Kunstwerk.
Egal, welches Album ich dann und wann herausziehe und von Neuem entdecke — ja, selbst die nicht so gelungenen oder wesentlichen wie Tonight oder Never let me down oder Reality oder die Seltsamkeiten wie das skurrile Debüt von 1967 oder die Lazarus-Musical-Cast-Version seines Lebensendes oder ein Gastauftritt auf einem Goldie-Album — es langweilt mich nie, auch nicht beim tausendsten Mal. Und auch bei diesen genannten Unter-Ferner-Liefen-Sachen denke ich sofort an bestimmte Momente, Personen, Erinnerungen.
Heute ging die Berlinale zu Ende, und ich hatte in den letzten zwei Wochen kaum Zeit, Musik zu hören. Fast täglich habe ich in der letzten Woche allerdings The Next Day (komplett oder teilweise oder inkl. Bonus-Disc) gehört, und es ist keine neue Information aus meinem imaginären Mund, dass dieses Album weit besser ist als der Ruf, den es hat (solide, nichts Besonderes, selbstreferenziell, zu lang, zu wenig Wagemut etc). Obwohl: Selbstreferenziell ist es ohne Frage, mehr als wahrscheinlich jedes andere Bowie-Album. Aber auf eine auch sehr sympathische, raffinierte Weise. Die Texte und Textreferenzen sind auf der anderen Seite aber auch einzigartig, mit diesen düsteren Themen, die sich durch das Album ziehen. Am ehesten lässt sich The Next Day thematisch mit Heathen vergleichen, doch ist es darüber hinaus, wie alle Bowie-Werke ein ganz eigenwilliges, persönliches.
Say hello to the lunatic men
Tell them your secrets
They’re like the grave
Oh, what have you done?
Oh, what have you done?
Love is lost, lost is love
Durch die Hörerfahrungen der letzten Woche und die Bezüge, die sich hier mit meinem persönlichen Zustand und bestimmten Begegnungen dieser Zeit hergestellt haben, wird The Next Day vermutlich auf Jahrzehnte mit dieser letzten Woche und einer bestimmten Person in meinem Herzen verbunden sein, auch wenn das inhaltlich keineswegs naheliegt. Großartige Songs wie Valentine’s Day, Love is lost oder The Stars are out tonight haben, finde ich, zu Unrecht den Status von Nebenwerken im Bowie-Kosmos. Für mich persönlich ohne Frage eines der wichtigsten Alben der 2010er, nicht zuletzt wegen der Texte und wie er sie interpretiert hat. Das ist keine neue Erkenntnis für mich, aber eine, die ich in dieser Woche mit großer Freude und Leidenschaft wieder gemacht habe.
You know so much, it’s making you cry
You refuse to talk but you think like mad
You’ve cut out your soul and the face of thought
Oh, what have you done?
Oh, what have you done?
(Textzitate aus Love is Lost; interessante Analysen und Background-Infos dazu in der „Bowie Bible“)
4 Kommentare
Michael Engelbrecht
Blackstar Theory: The Last Works Of David Bowie
This book by Leah Kardos, Dr. Leah Kardos:), is on my to read list for years now since I met the writer on a Punktfestival in Kristiansand. A very smart person, the last time she and me changed mails was around Brian Eno’s latest song album. THE NEXT DAY and BLACK STAR take center stage in her book, and for good reasons.
My memories with Blackstar are forever linked with my trip to Glasgow (were Ian, Lajla and I met), and the Northwestern Highlands in the days of his death. The Glasgewian pages and the news of the world were filled with headlines like The Stars are out tonite…and I had four records (cds) with me and listened to nothing else on endless car drives on the other side of the Orkney islands: Brian Eno’s Taking Tiger Mountain…, Van Morrison’s Astral Weeks, Bo Hansson Lord Of The Rings….and Bowie’s last album. Unforgettable.
I will always return to LOW (my headphone music on a very long Sylt walk last week, amongst Neil Young’s Chrome Dreams), HEROES, BLACK STAR, SCARY MONSTERS. Good reasons, Ingo, to rediscover THE NEXT DAY soon, along with the book)…
Press info: Blackstar Theory takes a close look at David Bowie’s ambitious last works: his surprise ‚comeback‘ project The Next Day (2013), the off-Broadway musical Lazarus (2015) and the album that preceded the artist’s death in 2016 by two days, Blackstar. The book explores the swirl of themes that orbit and entangle these projects from a starting point in musical analysis and features new interviews with key collaborators from the period: producer Tony Visconti, graphic designer Jonathan Barnbrook, musical director Henry Hey, saxophonist Donny McCaslin and assistant sound engineer Erin Tonkon.
Olaf Westfeld
Kann man zu viele Tonträger besitzen?! 😉 Leider ja, es werden ja bei Dir wahrscheinlich auch immer mehr… Bowie ist nur am Rande mein Thema, von dem Album kenne ich nur den ‚Hit‘ – Where are we now? – ganz großartig. Aber ich kenne das auch, dass ich mich mal in ein etwas abgelegens Album vernarre und da nicht mehr von loskomme. Und lese da gerne drüber.
flowworker
Ich war erstaunt, wieviel Bowie an Olaf vorbeigerauscht ist. So wie wir seine Vorlieben kennen, Ingo, wird er noch seine Bowie Revelations erleben Ich tippe auf LOW oder THE NEXT DAY als Initilazündungen:)
Und diese Compilation, gerade erschienen, von Bob Stanley einmal mehr klasse kuratiert, mit beiliegenden Stories zu jedem Song , ist dann vielleicht mehr was Bowiehörer wie uns😉
V.A. – FANTASTIC VOYAGE – NEW SOUNDS FOR THE EUROPEAN CANON 1977-1981
Da macht es Spass, den Silberling laufen zu lassen, ohne vorher die playlist zu studieren… Gänsehaut bekam ich, als auf einmal das Stück aus der Schweiz lief… autobiografische Verankerung…
From the press department of Ace Records:
By the turn of the 80s, the impact of David Bowie’s ground-breaking Berlin recordings – the synths, the alienation, the drily futuristic production – was being felt on music across Europe. What’s more, the records being made were reflecting back and influencing Bowie’s own work – 1979’s “Lodger” and 1980’s “Scary Monsters” owed a debt to strands of German kosmische (Holger Czukay), new electronica (Patrick Cowley, Harald Grosskopf), and the latest works from old friends and rivals like Robert Fripp, Peter Gabriel and Scott Walker, all of whom had been re-energised by the fizz of 1977.
Compiled by Saint Etienne’s Bob Stanley and the BFI’s Jason Wood, “Fantastic Voyage” is the companion album to their hugely successful “Café Exil” collection, which imagined the soundtrack to David Bowie and Iggy Pop’s trans-European train journeys in the mid-to-late seventies. “Fantastic Voyage” is what happened next.
Bowie’s influences and Bowie’s own influence were rebounding off each other as the 70s ended and the 80s began, notably in the emergent synthpop and new romantic scenes as well as through the music of enigmatic acts like the Associates and post-punk pioneers like Cabaret Voltaire.
Like “Low” and “Heroes”, some of the tracks on “Fantastic Voyage” are spiked with tension (Grauzone’s ‘Eisbär’) while some share those albums’ sense of travel (Simple Minds’ ‘Theme for Great Cities’, Ryuichi Sakamoto’s ‘Riot in Lagos’) and others find common ground with “Lodger’s” dark, subtle humour (Thomas Leer’s ‘Tight as a Drum’, Fripp’s ‘Exposure’).
This is the thrilling, adventurous sound of European music before the watershed moment when Bowie would abandon art-pop for America and the emerging world of MTV with “Let’s Dance” in 1983. “Fantastic Voyage” soundtracks the few brief years when the echo chamber of Bowie, his inspirations, and his followers created an exciting, borderless music that was more than ready for a challenge to Anglo American influences.
Olaf Westfeld
„Low“ kenne ich, auch „Heros“ und noch ein paar andere – „am Rande mitbekommen“ ist im Angesicht des riesigen Katalogs trotzdem irgendwie richtig. Von dem Sampler kenne ich wiederum einiges 😉 sieht nach ner tollen Zusammenstellung aus.