You can always come back, but you can’t come back all the way
Diese Zeilen aus Bob Dylans Song „Mississippi“ sind bezeichnend für seinen Auftritt gestern in Düsseldorf. Wie kann er seinen langweiligen Auftritt vor 7.500 Gästen legitimieren? Braucht er die Einnahmen von 7 Millionen? Für was? Es ist nicht interessant. Er kommt in seiner Cloud, hält sich am Piano fest und seine gute Band überspielt galant seine Notenpatzer. In dem Dimmer Wohnzimmerlicht erkennt man ihn eh nicht, ja, aber hallo, das ist doch Dylans voice, überall sind Mischpulte, wahrscheinlich auch an der Decke. Er singt unverkennbar, 1 Stunde 45 Minuten und nie kam mir ein Konzert langweiliger und never ending vor. Freiwillig wäre ich nicht hingegangen. Es war ein Geschenk. In Bad Ischl, der diesjährigen europäischen Kulturhauptstadt spielt Hubert von Goisern, der aus der Gegend kommt und den ich sehr verehre, unangesagt jeden Abend in irgendeinem Club. Man darf immer davon ausgehen, dass es ein sinnliches Musikerlebnis sein wird. Diese Garantie bringt Bob Dylan nicht bzw. nicht mehr. Von manchen Konzerten hört man schwärmerische Kritiken, weil er doch tatsächlich mal gelacht hat oder sich am Ende bedankte. Wow! Joni Mitchells Auftritt vor zwei Wochen war auch nicht das ganz große Musikerlebnis, immerhin singt sie noch ganz passabel Neues und freut sich zusammen mit ihren Fans. Große politische Statements hat sie nie gesungen, aber eben Bob Dylan. A hard rain oder Masters of war sind meiner Meinung nach ein Must Sing in dieser wackligen Weltlage. OK. Er war da, er kann nicht mehr den ganzen Weg gehen. Das konnte man sehen und hören.
Peace.
Women.On.Fire.
she wanted to be a blade
of grass amid the fields
but he wouldn’t agree
to be a dandelionshe wanted to be a robin singing
through the leaves
but he refused to be
her treeshe spun herself into a web
and looking for a place to rest
turned to him
but he stood straight
declining to be her cornershe tried to be a book
but he wouldn’t readshe turned herself into a bulb
but he wouldn’t let her growshe decided to become
a woman
and though he still refused
to be a man
she decided it was all
rightby Nikki
Jackson Browne
„A Human Touch“ zum Beispiel: „Everybody get s lonely / Feel like it s all too much / Reaching out for some connections / or maybe just their own reflection / Not everybody finds it / Sometimes all anybody needs / IS A Human Touch“
Es gibt sie noch, die Texte zum aktuellen Zeitgeschehen, sogar musikalisch unterlegt. Ich entdeckte sie im Austin City Limit TV, wo ich mir einen Auftritt von Jackson Browne anschaute. Die Lyrics kommen aus seiner Feder. Er trat mit der Sängerin Leslie Mendelssohn auf, übrigens eine spannende Neuentdeckung für mich. „A Human Touch“ ist ein wunderbar weich gesungenes Lied, sie schrieben und sangen es zusammen für einen Film. Auf dem Programm stand noch ein anderer Song, den Jackson den Kindern von Immigranten gewidmet hat: „The Dreamer“.
Just a child when she crossed the border / To reunite with her father / And with a cruxifix to remind her / She pledged her future to thls land / And does the best she can do / A dónde van los sueños…
Das ist ein Gänsehautsong. JB knüpft an die Traditionen seiner Songwriterfreunde an, die in den 69ern begannen über Proteste, Tod und Kriege zu singen: Bob Dylan, CSNY, Joni und Joan – was für glory times!
Jackson ist ein brillanter Songwriter, ernst und immer mit der Zeit gehend. Er kann aber auch lustig sein, wie er in „Red Neck Friend“ über einen Penis albert. Oder ganz laid back in „Take It Easy“. .Damit hatte er seinen Durchbruch, obwohl der Song für die Eagles war. Für die Kinks schrieb er Waterloo Sunset, das wusste ich gar nicht. Ich habe leider Jackson Browne nie live gesehen. Vielleicht klappt das ja noch, er tourt noch immer.
Meine Songliste ist lang, sie ist seit über 40 Jahren gewebt:
These Days
The Pretender
Too late for the Sky
Here come the tears again
I am alive
Missing Person
Song for Barcelona(oder überhaupt das ganze Album, das er in Barcelona mit dem wunderbaren David Lindley gemacht hat)
Big Sister Taylor Swift in the Neighborhood
Was bitte macht Taylor Swift in Gelsenkirchen? Falsche Frage! Was macht sie aus Gelsenkirchen, der ärmsten Stadt in Deutschland? Sie verwandelt das „Shithole“, wie es die englischen Fans während der EM nannten, in ein singendes, glitzerndes Swiftkirchen. Miss Americana gibt dem Pott die Ehre, die Arena wankt wie in Assauers Bestzeiten. Was geht da auf Schalkes Terrain ab? Die große Freundin ist gekommen, und ihre tausenden Freundinnen besuchen sie. Ihre Swifties waren fleissig, haben das Outfit mit Pailletten und Glitzer genäht, sie haben Cowboystiefel bei dieser Hitze übergezogen und natürlich ist ihr Mund blutrot angemalt. An den Armen hängen viele Freundschaftsbändchen, die ihre Big Freundin mit LED Lampen versieht, damit ihre Fans auch in der Nacht zu dem grossen Friendshipevent finden. Auch ich spüre die kõrperliche Nähe einer mir unbekannten Freundin, die mir lächelnd ein Bändchen überreicht. Diese so hergestellte Nähe ist ein wahrer Kunstgriff, der die anonymen bleibenden Followerfriends ins Abseits stellt. Die Zahl 13 steht auf Stirnen oder Handgelenken, big sister was born on the 13th of Dezember. Auf meine Frage an die Fans: was gefällt Euch an Taylor Swift, kommt nie als Antwort, sie sei eine geile Frau oder ähnliches. Immer antworten sie: ihre Musik, ihre Lyrics. Es ist schon phänomenal, wie die meist sehr jungen Mädels die Texte singen können. Überall in der Innenstadt stehen Boxen mit jungen Fans, die die Songs wiedergeben. Alle singen mit, egal ob sie die Currywurst gerade quer im Mund haben oder nicht. Ich setze mich in ein Café und denke über die Sinnlichkeit in der Popmusik nach. Nicht vorstellbar, dass wir uns wie Bob Dylan oder Neil Young oder Joni Mitchell verkleidet hätten. Nur wenige konnten die Texte dieser alten Heroes mitsingen. Dass die Swifties das können liegt an den Videos auf YouTube, die alle Texte zum Mitlernen anzeigen. Das ist ein anderer Kunstgriff von Taylor, sich ihre Fans zu angeln.Und die Lyrics sind gut. Sie hat immerhin einen Ehrendoktor von der Universität in New York erhalten. Auch in unseren akademischen Breiten hält der Medienwissenschaftler Jõrn Glasenapp der Uni in Bamberg eine Vorlesung über Big Sister. Der Philosoph Eilenberger sagt in seiner Sendung Sternstunde der Philosophie über Taylor Swift am Ende: Warum wird sie nicht der neue Präsident der Demokraten. Taylor ist nicht politisch, sie ist bestenfalls eine engagierte Feministin und klar gegen Trump.
Mein Lieblingssong ist übrigens „The Lakes“. Da singt sie zu schöner Melodie über den Lakedistrikt und die Dichter, die dort starben. Ich habe immer einen Band von Wordsworth dabei, wahrscheinlich mag ich deswegen den Song. Er ist als Appendix des Albums FOLKLORE zu finden.
Hätte ich nur 5 Minuten Zeit gehabt, Frau Swift zu fragen, weshalb sind sie in die ärmste Stadt Deutschlands gekommen , spielen gleich drei Konzerte, für die Sie 100- 700 EU Eintritt verlangen? Ich denke sie hätte geantwortet: I promise, I soon come again.
Identität und Fußball
“ Wer bin ich?“ Ist die dauerwellige Modefrage nach der Identität. In den 60 er Jahren fragten wir uns weniger nach unserem Ich sein, uns interessierte mehr “ Was wollen wir?“ Wir wollten Steppenwölfe sein, wir waren geboren, um wild und frei zu sein. ( Der Film „Born to be wild“ kommt ab Donnerstag in die Kinos).Wir wollten Gerechtigkeit und waren gegen Atomkraft und Krieg. Bei der schwierigen Frage nach der eigenen Identität tut sich die Generation X mit den Eindeutigkeiten für das Ich sehr schwer. Das Gendern scheint als Geländer notwendig zu sein für die Haltung auf einer gleichberechtigten Lebensbühne.
Die Frage nach einer nationalen Identität kam mir gestern während des Spiels Portugal gegen Slowenien. Da identifizierte sich eine ganze Nation mit einem einzigen Spieler : Ronaldo. Dass diese Last für einen Einzelnen nicht zu tragen ist, zeigte sich in seinem Scheitern beim 1. Elfmeter. Ronaldo war verzweifelt, Tränen flossen. Als sich beim Elfmeterschießen die ganze Mannschaft um einen Sieg bemühte, kam Ronaldo ’s Identität, die sich durch Stolz, Stärke und Können auszeichnet zurück. Die Weitergabe des Helden an den neu gekürten King of the game, der portugiesische Torwart hielt gleich drei Elfmeter, war rührend mit anzusehen. Hier zeigte sich besonders schön, dass der Zusammenhalt wichtiger ist als die trendige Frage nach dem Selbst.
Kinky Friedman died.
Natürlich verbindet schon jedes Kleinstkind mit dem Cowboytum Weite, Kraft und Freiheit. Kinky war das perfekte Abbild eines solchen Klischees. Hätten gestern beim Showdown all the Presidents men wenigstens Hüte getragen, dann wäre es ein gelungener Wildwest-Clip geworden, so barheaded reichte es nur zum Auftritt in einem bizarren Wachsfigurenkabinett. Nun ist einer der aufrechten Demokraten aus Biden s Partei gestorben. Kinky Friedman wurde 79 Jahre alt. Selbst einmal angetreten in der Kandidatenschlacht , allerdings nur um den Gouverneur s Posten in Texas, wusste Kinky wie s in der Politik zuging. Er hatte mehrere Pferde im Rennen auf seiner Lebenslaufbahn. Ich kenne ihn nur als Honkytonkman, als Songwriter and Singer, nicht als Krimiautor oder Retter streunender Hunde. Nun ist er in die ewigen Jagdgründe geglitten. Ist das jetzt kitschig? Ja. „Get your biscuits in the oven and your buns in the bed“. Ist das jetzt chauvinistisch? Nein. Sorry Ladies. Kinky war einfach witzig, humorvoll, intelligent. Er war Jude. In einem seiner besten Songs thematisiert er den Holocaust.“ There ain“t making Jews Like Jesus anymore.“.
Ich möchte hier auch an den anderen Countryboy aus Texas erinnern. Billy Joe Shaver. Ihn mochte ich noch lieber als Kinky, weil er noch bessere Lyrics schrieb, noch bessere Performances hinlegte. Ich weiß nicht, wie oft ich mir “ Ragged Old Truck“ ansah/hõrte, ich weiß auch nicht, ob er den Song total alkoholisiert präsentierte, es ist auch egal, die Story, die er dazu erzählt, ist zum Schreien und seine linkischen Bewegungen dazu, my goodness. Auch dazu unbedingt “ Georgia in a fast train “ angucken und den tiefsinnigen Text dazu verstehen. In dem Song “ You can‘ t Beat Jesus Christ „ gibt es, tröstend zu dem US amerikanischen Debakel von gestern, fast cowboywise Vorgetragenes:
Now If you’re too new york for texas
too texas for L.a.
you been changing trends like rainbowends but you’re always just a song away And if the White House wouldn’t have ya, play
in every little honky-tonk and bar
The good lord made the heavens, ah but he never made a Star.
Rahaf Fadi Nasser
Heute ist das größte Fest des Islams. Wer kann, pilgert nach Mekka, um den Haddsch zu feiern.Dort wird hauptsächlich für die Menschen in Gaza gebetet. Es gibt zwei Frauen, die für die Palâstinenser singen. Die große Fairuz erhob bereits in den 60ern ihre markante Stimme. In dem Song for Palästina klagt sie das große Leid an, das Frauen und Kindern angetan wird. Lasst uns für sie beten. Heute singt eine junge Medizinstudentin auf den kaputten Straßen von Gaza für die Kinder, um sie froh zu machen. Sie singt Lieder von Fairuz, immer wieder Zahrat Al Mada‘ in. Das ist eine Anklage an die Menschheit. Wo warst du als das Ganze passierte, wir sterben hier und keiner verteidigt und,Alle sehen zu und keiner hilft. Rahaf Fadi Nasser sitzt mit ihrer Gitarre auf den Trümmern und singt für die Straßenkinder. Ich habe mir einige Videos angeschaut, nachdem ich sie in der SZ entdeckt hatte. Das ist Trostmusik, das ist ein tuned Schrei an die Welt.
Die Kunst am Ball
Dass Picasso ein Künstler ist, weiß jeder. Aber wie heißt das neue Genie am Ball? Kann ein Fussballer überhaupt als Künstler durchgehen? Aber ja! Messi, Ronaldo und der kleine Prinz,der jetzt ganz große Kunst zeigt. Er heißt Florian Wirtz. Er hat noch nicht die kroossche Ruhe am Ball, aber das Talent zum Großen zeigt er uns jetzt schon.
Heute Abend wird JoMarie Dominiak irgendwo unter den Schwarz-Gelben weilen. Vielleicht bringt sie Glück. 2009 durfte sie anlässlich der 100 Jahrfeier beim BVB singen. Jetzt beschäftigt sich die mittlerweile 27 Jährige mit dem Thema “ Musikrezeption im Wandel“. Wer sie an der Universität in Münster finden will, achte auf das Türschild : Tage bis zum nächsten Taylor Swift Konzert …Hinter dieser Tür arbeitet sie an ihren Interviews, die sie mit Musikbegeisterten gemacht hat oder sie untersucht die Nutzung von analogen und digitalen Musikmedien im Alltag. Sie hat herausgefunden, dass immer mehr Menschen über Plattenspieler Musik hören. Das sei einfach entspannteres Musik hören. I agree! Jo Marie singt und spielt Gitarre und wird vermutlich heute Abend irgendwo einen Auftritt hinlegen. Wer sich für Kommunikationswissenschaften interessiert, sollte die junge Doktorandin im Auge behalten. Sie weiß selber noch nicht, ob sie am Ende als singende Kommunikationswissenschaftlerin oder als kommunikationswissenschaftliche Sängerin landen wird. Auf jeden Fall wird sie heute mit Stimme und Stimmung dabei sein.
We Play Church
Brian Eno passt mit seiner liturgischen Stimme in einen Kirchenraum, ein Konzert mit dem notorischen Gummiball Mick Jagger ist weniger geeignet, Mercedes Sosa würde mit ihrer übergewichtigen Stimme die heiligen Wände zum Wackeln bringen, Joni Mitchell erst gar nicht ein/auftreten.
Wenn der Soziologe Hartmut Rosa nach Resonanzräumen für Kommunikation sucht, dann hat er mit Akustiktempeln einen Ort gefunden, wo das mit Musik hervorragend gelingen kann.
Gestern gab es ein Benefizkonzert in der meiner Wohnung gegenüberstehenden Kirche. Ich war neugierig geworden, weil die Tangoklänge einladend herüberwehten. Die Kirche war vollbesetzt mit Musikfreunden. Astor Piazzolla scheint beliebt zu sein, mehrere Musiker (Bratsche, Geige und Klavier) spielten seine Melodien. Schade, dass kein Bandoneon dabei war. Erstaunlich, wie viele talentierte Musiker da aufspielten, auch etwas weltfremd für mich der Anblick der pubertierenden Mädchen, die dem chorerprobten Engländer John Rutter und seinem Song „Look at the world“ die Ehre gaben. Natürlich schmunzelt da unsere Generation, die bei dieser Vorstellung Brian am Kreuz sieht und Eric Idles „Always Look On The Bright Side Of Life“ leise summt.
Wenn Gott mir drei Wünsche erfüllen würde, dann zu allererst – jeeeezus – Neil Young vorne am Altar mit „Old Man“. Meine zweite Einladung ginge an Patti Smith mit „A Hard Rain’s Gonna Fall“, die Nr 3 wären die Dixie Chicks mit aUnknown Soldiera. Passt doch. But it really fits, when Sam would beam us up, or? You never know!