• Tatami

    Ein unerwartet intensiver Kinobesuch: „Tatami“ von Zar Amir und Guy Nattiv. Fantastisch guter Film, klarer 5-Sterne-Film; ich wüsste gesagt nichts, was ich daran auszusetzen fände. Perfekt erzählt, in sagenhaft tollen Bildern (Kamera: Todd Martin) und von exzellenter Regie mit grandiosen Schauspielerinnen inszeniert. Auch in der epd film gibt es die Höchstwertung – „ein politischer Thriller um strukturelle Unterdrückung und individuelle Freiheit“. Die Kampfszenen wirken so eindringlich wie einst jene in „Raging Bull“.

    Iranische Filme, die bei uns im Kino oder auf Festivals laufen, sind eigentlich zuverlässig sehenswert, oft hervorragend, seit ich Kinogänger bin, und so wollte ich eigentlich schon schreiben, „Tatami“ dürfte ein sicherer Kandidat für den „Oscar für den besten internationalen Film“ sein – und dann sah ich, dass es eine US-Produktion ist. Ob die so mutig sind, so einen kleinen Film mit relativ unbekannten Schauspielerinnen für den „nationalen“ Oscar zu nominieren…? Kann ich mir kaum vorstellen, auch wenn in den letzten Jahren ja immer mal wieder auch Filme mit nicht-englischsprachigen Dialogen für die großen Preise nominiert worden sind. Aber vor allem hat Guy Nattiv derzeit ja noch einen anderen, weitaus größer vermarkteten Film mit Helen Mirren als „Golda“ im Oscar-Rennen, für den die Hauptdarstellerin als Nominierte quasi gesetzt ist. Den hab ich allerdings nicht angeschaut: mir sah das zu sehr nach musealem Austattungs-Geschichtsstundenkino aus. Sicher inhaltlich und schauspielerisch interessant, ästhetisch oder künstlerisch allerdings eher nicht so relevant.

    „Tatami“ sieht man an, dass die Leute hinter der Kamera Ahnung vom emotional ausgelegten großen Kino haben, und der Film ist auch klar als Genrestoff als hochspannender Thriller im Sportmilieu erzählt; es gibt auch einige Kamerakniffe, die verraten, dass das Ganze nicht super-billig und super-indie gewesen sein kann, doch die Geschichte wird immer sehr präzise, sehr klar und ganz nah an den Charakteren erzählt. Für mich ein wichtiger Faktor. Die Komponistin der eindrucksvollen, die Spannung hervorragend zuspitzenden Filmmusik, Dascha Dauenhauer, ist übrigens Deutsche (wenn auch in Moskau geboren) und hat nach ihrem Studium in Berlin und Potsdam in kürzester Zeit eine internationale Karriere hingelegt. Vor drei oder vier Jahren hat sie noch Musik für kleine deutsche Filme geschrieben, war allerdings in einem Jahr gleich für drei Deutsche Filmpreise nominiert, bevor sie, noch als Filmmusik-Studentin in Potsdam, für mehrere, auch international wahrgenommene große Serien die Musik schrieb. Aufgefallen ist sie mir wohl erstmals in der ebenfalls außerordentlich gelungenen und bewegenden Miniserie „Deutsches Haus“, die meisterlich inszeniert war.

    Hier ein aktueller kleiner Text über aktuelle iranische Filme: „Wenn Filme Widerstand sind„. In der Frankfurter Allgemeine gab’s letztens auch ein überaus lesenswertes Interview mit den beiden Regieführenden:

    Frau Amir, identifizieren Sie sich als Künstlerin mit dem Schicksal der Sportlerin?

    Zar Amir: Unbedingt. Die Geschichte, die der Judoka zustößt, ist mir fast genau so zugestoßen, auch Kollegen und Regisseuren. In einem Land wie in Iran verstehen wir die Athleten sehr, sehr gut. Ich verstehe nur nichts von Judo.

    Warum war das Milieu dieses Sports so relevant für die Story?

    Guy Nattiv: Judo ist ein Sport mit Würde, Ehre und Regeln. Die Wichtigste ist, den Gegner zu respektieren. Wenn man ihn nicht ehrt, ehrt man den Sport nicht. Die iranische und die israelische Judoka, die eventuell gegeneinander antreten müssen, ehren beide diesen Sport und können das Politikgeschachere ihrer Regierungen nicht respektieren.

    (Ein weiteres Interview mit Guy Nattiv hält epd film bereit.)

  • Ladies Night

    »Gordon opened her set with “BYE BYE,” the first song on The Collective, in which she proves something fans have known for years: She could read the phone book or a grocery list (or, in this case, a tally of items to pack for a trip) and make it sound cool.« – Rolling Stone (Fotos)

    Samstag Abend bei Kim Gordon im „Festsaal Kreuzberg“.

    Zu meiner Überraschung war der Support von Gudrun Gut richtig, nun ja, gut. Auch der Sound super. Ich hatte befürchtet, das würde so eine Berliner „Professionelle Dilettanten“-Nummer… Gudrun Gut begrüßte zur „Ladies Night“ und spielte dann etwa eine Dreiviertelstunde lang rein elektronisches Zeug, sehr rhythmisch, man könnte es als minimalistisch-brachialen Elektro-Pop bezeichnen, zwischendurch auch mal atmosphärisch, aber alles sehr druckvoll und gar nicht altbacken. Ihre minimalistischen Pop-Art-Texte sind sicher Geschmackssache (mein Geschmack ist es eher nicht), ist halt wohl so ne Ur-NDW- oder Berliner-Stil-Sache, aber die Musik überzeugte. Großer Jubel für die ältere Dame – sie selbst sagte vor ihrem letzten Stück (Garten) auch: „In meinem Alter ist das ganz schön anstrengend.“ Sehr unterhaltsam, wie sie Laurie-Anderson-like ihre Stimme bei jedem Stück anders verfremdete, einmal als AutoTune-Popsängerin. Richtig gut, das Ganze, ein absolut angemessener „Support Act“. Und tatsächlich gab es etliche Gudrun-Gut-Alben am Merch-Stand zu kaufen – auch wenn ich mir das zu Hause wahrscheinlich eher nicht anhören würde, vor allem, glaube ich, wegen der Texte. Aber ich konnte gut sehen, warum Gudrun Gut von vielen als so eine wichtige, einflussreiche Künstlerin gesehen wird – und was viele jüngere (Elektronik-)Interpretinnen an ihr finden.

    Nochmal ein paar Jahre älter ist ja schon Kim Gordon; ihre Liveband sind drei sehr viel jüngere Frauen (oder möglicherweise nonbinäre Musiker*innen). Und da ging es richtig gut ab. Für Fans ein Fest! Klasse, wie da nichts wie eine Sonic-Youth-Gedächtnis-Show anmutete, sondern frischer, wilder und kantiger als jede vergleichbar alte (oder auch ältere) Band oder „Ikone“ der Ü70-Rockmusik daherkommt (bzw. auch Ü50- und Ü60-Interpreten, wenn ich mir die aktuell tourenden Rockbands so ansehe). Die Band fantastisch gut: Die Schlagzeugerin Madi Vogt hat Charisma und mitreißende Power (kam hinterher sympathisch zum Publikum und verschenkte viele Drumsticks und Setlists), auch die superjunge Bassistin Camilla Charlesworth fand ich beeindruckend gut, im Wechsel oder parallel prägte sie das Klangbild entscheidend auch an einem Synthesizer, und die zweite Gitarristin Sarah Register hatte offenbar ein bisschen was von der Meisterin gelernt und tobte sich an Effekten und Noise/Feedback aus (war leider manchmal ein wenig zu leise im Vergleich, fand ich), und Kim Gordon selbst souverän (und gewohnt wortkarg) vorne am Bühnenrand.

    Gespielt wurde das tolle neue Album The Collective quasi eins zu eins, zumal in großartig. Nach weniger als einer Dreiviertelstunde ging die Band schon von der Bühne – kam dann nochmal für fünf Stücke zurück – vier vom vorigen Album No Home Record und eine Single(?) namens Grass Jeans, wohl der konventionellste Rocksong des Abends – aber ebenfalls stark! Und klar, die eine oder andere tolle Gitarren-Noise/Feedback-Passage gab’s übrigens auch zwischendurch. Aber die elektronischen Elemente waren doch das Bestimmende, es gab bei weitem nicht so viel Gitarrenkrach wie bei Sonic Youth (die ich zwei Mal live in Berlin sah, einmal bei der „Daydream Nation“-Jubiläumstour, einmal bei der Tour zu Murray Street).

    Hinterher, nachdem schon das komplette Equipment von den Bühnenarbeitern rausgeräumt worden war, wartete eine kleine Gruppe beinharter Fans (zwei oder drei Männer zwischen 30 und 40 und ca. 10 Frauen zwischen 20 und 40) noch ewig (bis nach Mitternacht) drauf, ihre Platten und Bücher signiert zu bekommen. Frau Gordon schien hinter der Ausgangstür auf die Fahrt zum Hotel zu warten; als das Taxi vor der Tür stand, wollte sie schnell (mit Baseball Cap) an den Fans vorbei zum bereitstehenden Gefährt eilen („I have to check-in at my hotel“), ließ sich dann aber doch von den jungen Frauen erweichen, noch ganz flott auf jede/s Platte/CD/Buch ihre drei Kreuze zu kritzeln. So waren am Ende alle glücklich.

  • The Straight Horn of Rudi Mahall

    Bei Two Nineteen Records gibt es immer wieder packende Alben mit Größen der Berliner Jazzszene, aber das kleine, leidenschaftlich geführte Label ist bislang weitestgehend unter dem Radar geblieben, trotz Namen wie Alexander von Schlippenbach, Henrik Walsdorff  und Sven-Åke Johansson. (Vor nicht allzu langer Zeit habe ich eine der Aufnahmen mit der Kamera im Studio begleitet, für Christian von der Glotz’ Sextettplatte Limbo.) Einige der Namen tauchen immer wieder auf, gerade auch, wenn man eine Weile hier in der Stadt lebt, etwa Rudi Mahall. Gestern gab’s hier im Viertel die „Record Release Party“ zur LP The Straight Horn of Rudi Mahall (gepresst in goldenem Vinyl); es wurde das komplette Album gespielt, mit größerer Begeisterung noch als auf dem kurzweiligen Album. 

    Das ganze ist natürlich eine heitere Hommage an den Klassiker The Straight Horn Of Steve Lacy, auf dem der Sopransaxophonist 1960 im Quartett mit Charles Davis, John Ore und Roy Haynes Stücke von von Monk, Taylor und Parker spielte. Mahall spielt allerdings die B-Klarinette (sonst derzeit häufig die Bassklarinette), die übrigen drei bilden sonst das Trio Oùat – der schwedische Berliner Joel Grip am Kontrabass, der Franzose Simon Sieger, der hier nicht nur in die Tasten haut, sondern auch zur Posaune greift, und der seit Ewigkeiten in Berlin lebende Schlagzeuger Michael Griener. Letzterer schrieb auch die Liner Notes auf der LP und zitiert eingangs Rudi Mahall: „Jeder hasst die Klarinette. Sie war damals und ist auch heute noch ein ziemlich unbeliebtes Instrument in der Jazzmusik. Mit Klarinette kannst du nichts erreichen.“ Einige inspirierende Zeilen über die Platte schrieben letzte Woche schon Eyal Hareuveni und Peter Margasak; ich nahm die Gelegenheit wahr und wollte von Rudi nach dem Konzert ein paar Worte hören.

    ijb: Unser gemeinsamer Freund Robert [der bei der Platte nominell als Produzent fungiert und sie auf seinem Label Two Nineteen Records herausbringt] wird auch nach Jahren nicht müde, als großer Fan von dir zu aufzutreten. Wann immer er über dich redet, ist er immer total begeistert. Glaubst du, dass diese Platte jetzt das rüberbringt, was Robert an dir so toll findet?

    Rudi: [Diese Platte] war erst gar so geplant. Wir haben das eigentlich ins Blaue aufgenommen. Und dann habe ich mir das angehört, und fand das gut – sehr gut sogar, eigentlich so veröffentlichungswert, wie es war. Und dann hatte Michael Griener diese witzige Coveridee. Ich habe mir das als CD vorgestellt, und dann haben wir Robert gefragt. Der hat sich das angehört, war total begeistert und stand riesig drauf. Ja, das ist, glaube ich, sein Ding … 

    ijb: … ja, er liebt ja auch diese Art Standards aus dieser Zeit …

    Rudi: Ja, solche Stücke mag er – und wenn man so ein bisschen was damit macht. Da steht er drauf. Und dann hat er gleich gesagt: „Nee, das muss jetzt eine Schallplatte werden, damit es was Besonderes wird.“

    ijb: Hast du das Projekt angefangen – oder eher Michael?

    Rudi: Nein, Michael. Der hatte die Idee, und wir haben es dann gemeinsam durchgezogen.

    ijb: Aber es steht ja dein Name vorne drauf. Man denkt, das ist deine Platte.

    Rudi: Na ja, gut, weil ich das straight horn spiele … Ja, es ist ja immer so, dass der Bläser vorne ist, und der bestimmt, wo es langgeht. Daher denkt immer so schön, da gäbe es jetzt einen Bandleader … gerade auch, wenn ein Name so groß drüber steht. Aber nein, das ist in dem Fall nicht so.

    ijb: Diese Stücke sind ja eigentlich alles Standards. Da habt ihr Jimmy Giuffre, Gillespie, Bechet, Dolphy, Ellington, aber dann auch mal Verschiedenes in einem Stück zusammengemischt. Wie seid ihr die Auswahl angegangen?

    Rudi: Michael hat zwei Stücke rausgesucht und ein bisschen arrangiert. Und den Rest habe ich rausgesucht, im Wesentlichen alles Stücke, die ich sonst auch gerne spiele. Das war ja ne ganz lockere Sache: Wir haben uns hier getroffen, eine Stunde geprobt, und dann haben wir aufgenommen. Ich habe mir ein paar Sachen ausgedacht, was man damit machen kann, so head arrangements; bei In-stable mates zum Beispiel: Der Bass und die Klarinette spielen das Thema, und dann werden die von den anderen beiden immer wieder unterbrochen. Die lassen uns nicht ausreden, wir lassen sie nicht ausreden. So ganz einfache Ideen.

    ijb: Total super, diese Auswahl der Stücke – eigenwillige Zusammenstellung mit total unterschiedlichen Namen. Du bist ja in sehr, sehr vielen Projekten aktiv. Ich sehe deinen Namen dauernd auf irgendeinem Veranstaltungshinweis.

    Rudi: Ist ja ein Beruf. Wenn man das so als Beruf hat, dann spielt man möglichst viel, damit das Geld reinkommt. Wenn die Band eine gute ist, kann die auch mal ein paar Jahre nicht spielen. Ich habe da einige Beispiele, wo es schon seit 30 Jahren so geht, wo immer mal wieder was passiert, und dann wieder ne Weile lang gar nichts. Mit der Enttäuschung– bzw. jetzt mit „Monk’s Casino“ („Die Enttäuschung“ plus Alexander von Schlippenbach) – läuft es eben genauso: Da bemüht sich jeder. Jeder schreibt Stücke, und die spielt man zusammen, und dadurch hat es immer was Frisches, was Abwechslungsreiches, weil das ja oft alles überhaupt nicht zusammen passt.

    ijb: Ich habe dich ja letzthin mit Schlippenbach, Barry Altschul und Joe Fonda gesehen. Wie kam das zustande?

    Rudi: Schlippenbach und Altschul haben mal miteinander gespielt, und ich glaube, die haben auch mal zu dritt mit Joe Fonda gespielt. Der Schlippenbach wollte eine Band mit den beiden und Evan Parker machen, aber der hatte keine Lust zu verreisen. Schlippenbach hat dann halt mich gefragt.

    ijb: Aber die Band gibt es nicht weiter? Das war nur das eine Mal?

    Rudi: Doch wir spielen sogar in Amerika nächstes Jahr. Joe Fonda hat das irgendwie geplant. 

    ijb: Okay, wenn ihr das macht, dann komme ich mit. Ich nehm die Kamera und mache einen Tourfilm mit euch.

  • Beschte Gedanken von letschter Woche

    Frage mich oft, woher eigentlich die Mode kommt, dass E-mails, Forumskommentare und dergleichen gerne ohne Subjekt verfasst werden. Kann ja nichts mit Zeitersparnis oder praktischen Gründen zu tun haben, da diese Nachrichten meistens nicht durch Kürze bestechen. Habe dies vor vielen Jahren erstmals bei einem Bekannten wahrgenommen, der in der DDR geboren wurde [neudeutsch: ist] und aufgewachsen ist [wurde?]. Schrieb sehr häufig Mails und andere Nachrichten ohne „Ich“. Nahm selbiges später auch bei anderen Menschen aus der ehemaligen DDR wahr, dachte daher, es handle sich dabei vielleicht um ein Produkt kommunistischer Sozialisation: „Ich“ soll keinen so großen Raum bekommen. Aus meiner (süd-)westdeutschen Sozialisation war mir diese Angewohnheit vollkommen unbekannt. 


    Beobachte diese Gewohnheit seither stetig, in den Folgejahren allerdings auch bei vielen anderen Menschen, die nicht sozialismussozialisiert waren [sind?], sondern im Kapitalismus aufwuchsen. Nahm seither sehr häufig auch wahr, dass viele Menschen diese Praxis auch bei „wir“ und „sie“ (Plural) anwenden, was nicht selten zu eigenartig verwirrenden Formulierungen führt, wo man manchmal erstmal gar nicht versteht, ob nun von der ersten Person Plural oder anderen die Rede ist. Muss als Leser dann erst mal nachdenken, von wem da gerade die Rede ist. Passiert in Folge von Weglassen des „Ich“ ja häufig auch, dass man einen Satz erstmal als Aufforderung/Ansprache missversteht. Ist mir schon häufiger passiert, dass ich erst nicht wusste, was der oder die Schreibende sagen wollte. Wäre doch einfacher, da ganz banal ein „Wir“ oder „Ich“ zu schreiben, bevor man seine Leser unnötig vor Denksportaufgaben stellt, denk ich mir. Überleg dann und wann, ob es nicht eigentlich ein normales Zeichen von Höflichkeit ist, wenn ein Schreiberling beim Schreiben, will sagen beim Kommunizieren, zumindest so viel Mühe investiert, dass man dem Gegenüber das Verständnis nicht unnötig verkompliziert, wenn es doch ganz einfache Sprach- und Kommunikationsregeln gibt. Aber ja, klar: jeder, wie er mag. Oder wie sie mag natürlich. 


    Weglassen des Subjekts ist allerdings nicht die einzige Skurilität, die ich an Satzanfängen beobachte. Oft, dass Menschen auch andere Wörter am Satzanfang einfach so weglassen. Mal nur eines, manchmal aber auch mehr. 
    Paar Beispiele aus meinem Archiv. Füttere dieses gelegentlich, wenn ich mich in Online-Foren herumtreibe:

    „Ganzen Tag putze ich.“ / „ganzen Tag bin ich draussen unterwegs.“ / „Ursprüngliche Satz stimmt so.“ / „Teuerste Schild war Littering mit 1000 $“ / „Zweite Jahr in Folge das Radisson ausgewählt.“ / „Beste Kommentar seit langem.“ / „Problem ist, persönliche Erfahrungen sind, so schrecklich diese auch tatsächlich sind, nichts mehr als persönliche Erfahrungen.“ / „Freund von mir war auch in Riga und kann das so bestätigen.“ / „Größte Problem sind die Akkus.“ / „Als Kind darin gespielt und sogar einen Helm gefunden.“ / „Gute ist ich habe gar keinen Sohn, Nachteil ich hab ne Tochter die irgendwann mit sowas Konfrontiert wird.“ / „Neuesten beide Alben nicht gehört, (…)“ / „Sweet Harmony fand ich das Video immer eklig irgendwie als Teenager, (…)“ / „Vieles interessantes durch ihn entdeckt.“ / „Metal hab ich einiges dabei.“

    Besondere Kurzform dieser Weglassen-Laune ist dann die Formulierung „Beste!“, wahlweise auch „Beschte“. Online-Foren nicht selten anzutreffen. Es um Tonträger oder Filme geht beispielsweise. Bis heute nicht herausgefunden, woher diese Formulierung eigentlich kommt und frage mich dann im Geheimen immer: „Beschte was?“ – Beschte Film, beschte Flughafen, beschte Monat, beschte Katzenfutter? Beschte Reschpecktsbekundung vermutlich. Habe nämlich auch mit Fragezeichen im Kopf unzählige Male beobachtet, dass „Reschpeckt“ ja auch so ein lustiges Ding ist: Wird von recht vielen Menschen, die sonscht koi Wort schwäbisch schwätze täte, so schwäbisch ausgesprochen. Au do han i bis heit net rausgfonda, wo des herkommt. Viele Menschen sprechen astreines Hochdeutsch, finden Schwäbisch sogar luschtich, aber würden selber niemals „Veschper“, „Kaschper“, „reschpektive“, „Knuschpern“, „Inschpektor“, „Geschpenst“, „Dischpokredit“, „Inschtanthaltung“, „Inschtitution“, „Kaschtration“, „deschpektierlich“ und so weiter sagen. 

    Irgendeinem Grund hat es sich nur bei „Räschpeckt“ eingebürgert. Zeitlang dachte ich, es wär nur ein Gag.

    Gag ist es vielleicht tatsächlich. Sich irgendwann verselbständigt. 

  • Die Achtziger

    Für eine Musiknerds-Liste („100 Alben der 80er für die Ewigkeit“) in einem Musiknerds-Forum in diesem Internet habe ich zuletzt mal darüber nachgedacht, was denn meine persönlichen „Top 100“-Alben der Achtziger wären. Am Ende hatte ich fast 200 Alben zusammen, die ich wirklich sehr gut finde; zum Teil habe ich sicherheitshalber nochmal reingehört, um zu überprüfen, ob ich das immer noch gut finde oder ob es vielleicht eher doch nicht so der Hammer ist … Point in Case: Phil Collins; fast immer hat der gute Phil ja keinen allzu positiven Ruf (und ich kann ohne Probleme gestehen, dass ich auch nie so wirklich Fan war), allenfalls geht ja sein Debüt Face Value als nicht schlechtes Album durch. Da ich mal für n Appel und n Ei die Komplettbox mit allen acht oder neun Phil-Alben in mein Regal gestellt hab, habe ich da unlängst nochmal reingehört, um zu schauen, wie das eigentlich dem Test of Time standhält und muss sagen (da täuschte mich meine Erinnerung nicht): Den Nachfolger Hello, I Must Be Going! finde ich tatsächlich besser (auf dem Debüt stechen eigentlich nur „In The Air Tonight“ und das lockere „I’m not moving“ heraus). Und wiederum den Megaseller No Jacket Required finde ich ganz gut, aber weitaus stärker finde ich tatsächlich das weithin abgewunkene …But Seriously.

    Ich stellte auch mal wieder fest, was für ein fantastisches Album Synchronicity (The Police) ist. Selbstredend hab ich nicht alle 200 Alben jetzt aktuell durchgehört. Zu einigen kehre ich eh oft genug zurück (Patti Smiths Dream of Life etwa, das sicher kaum jemand auf dem Schirm hat, wenn es um die besten LPs der Achtziger geht). Ich teile hier mal die oberen 25 mit euch. Ab dann wird es ein bisschen schwierig zu entscheiden, ob nun Michael Nymans The Cook, the Thief, his Wife & her Lover echt besser ist als Bill Frisells Lookout for Hope oder ob es irgendwie angemessen ist, Actually (Pet Shop Boys) höher zu stellen als irgendwas vom Art Ensemble of Chicago oder Laurie Anderson oder Tom Waits oder Stevie Nicks oder Arthur Russell. Dazu muss man vielleicht auch sagen: Anders als viele hier hab ich die Achtziger ja als Kind erlebt, nicht als ausgewachsener Musikhörer. ECM und The Cure kamen bei mir halt erst viel später überhaupt ins Bewusstsein. „Road to Nowhere“ von den Talking Heads ist in meiner Kindheit weitaus präsenter und prägender gewesen als Remain in Light oder sonstwas von Brian Eno (von dem ich auch eine Handvoll Alben in die Liste genommen habe). 1989 kaufte ich Sleeping with the Past (das m.E. tatsächlich auch heute noch bestehen kann und Elton Johns bestes oder maximal zweitbestes Album der 80er ist) und natürlich nicht Salome Dances for Peace (1989) – das Kronos Quartet spielt Terry Riley, auch wenn ich die beide heute gleichauf nennen würde.

    Dies wären aber mit heutigem Stand meine 25 persönlichen Lieblingsalben, die von 1980 bis 1989 veröffentlicht wurden:

    1. David Bowie: Scary Monsters (And Super Creeps) (1980)
    2. Sinéad O’Connor: The Lion and the Cobra (1987)
    3. Dexys Midnight Runners: Don’t stand me down (1986)
    4. U2: The Joshua Tree (1987)
    5. Gianna Nannnini: Latin Lover (1982)
    6. Talk Talk: Spirit of Eden (1988)
    7. Eurythmics: Savage (1987)
    8. Joy Division: Closer (1980)
    9. Einstürzende Neubauten: ½ Mensch (1985)
    10. Bill Frisell: Rambler (1985)
    11. The Rolling Stones: Tattoo You (1981)
    12. The Police: Synchronicity (1983)
    13. Pulp: Freaks (1987)
    14. John Cale: Music for A New Society (1982)
    15. The Cure: Pornography (1982)
    16. Patti Smith: Dream of Life (1987)
    17. David Torn: Cloud About Mercury (1986)
    18. Arvo Pärt: Tabula Rasa (1984)
    19. New Order: Substance (1987)
    20. Lou Reed: New York (1989)
    21. Laurie Spiegel: The Expanding Universe (1980)
    22. Talking Heads: Remain in Light (1980)
    23. Grace Jones: Nightclubbing (1981)
    24. Sonic Youth: Daydream Nation (1987)
    25. Prince: Sign o’ the Times (1987)
  • Von Faust zu Wal

    Vor über 15 Jahren drehten wir „Faust“, nach Goethe, als Béla Tarr noch regelmäßig an der DFFB Dozent war. Ich glaube, es muss seine letzte Regiedozentur an der DFFB gewesen sein. Katharina Rivilis war als Margarethe die heimliche Hauptfigur; gerade hat sie als DFFB-Regiestudentin ihren Debütfilm, ihren ersten Langfilm, abgedreht, in New Mexico und Texas, mit Produzent Wim Wenders. Seit Monaten postet sie in sozialen Medien über diese Arbeit. Für den Film hatten sie unglaubliche 52 Drehtage. Für einen Abschlussfilm! Unsere im Winter in München an der Bayrischen Staatsoper gedrehte Produktion (mein ca. zehnter Langfilm), die in ein paar Wochen Premiere hat, hatte 12 Drehtage, darunter auch dokumentarische und improvisierte und aus dem Stegreif geänderte Szenen, für ein Filmprojekt von 90 Minuten. Ich frage mich: Was dreht man 52 Tage lang, und wie bekommt man für einen Abschlussfilm so viel Geld zusammen?

    Robert Gwisdek spielte in unserem „Faust“ den Mephisto. Er war Kommilitone von Katharina, als sie Schauspiel studierte, an der HFF Potsdam, damals, 2008. Robert hat gerade seinen ersten eigenen Langfilm als Regisseur veröffentlicht, nach zahlreichen fantasievollen No-Budget-Musikvideos für eigene Musik (und zwei wahnsinnig teuren Musikvideos, die er 2022 für Rammstein als Regisseur und Produzent verantwortete). Seinen Film „Der Junge dem die Welt gehört“ hat er ohne Fördergelder und Fernsehredaktionen aus eigener Tasche finanziert, gedreht mit Geld, das er als Schauspieler und Rammstein-Regisseur verdient hatte. Für seine letzte Rolle in „3 Tage in Quiberon“ war er mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet worden (das Preisgeld (€10.000) dann vermutlich Startkapital für den eigenen Film), seither war er sechs Jahre lang nicht mehr als Schauspieler in Erscheinung getreten, bis jetzt, in „Sterben“, für den er wieder für den Deutschen Filmpreis nominiert war.

    „Der Junge dem die Welt gehört“ entstand als kleine familiäre Produktion in Italien und auf seinem eigenen Dachboden in dem kleinen Dorf in Brandenburg, wo er mit seiner Frau (die den Film produziert hat), deren Tochter Chiara (die einer der Hauptrollen in dem Film spielt) und mehreren (?Stief-)Kindern lebt. Lustigerweise spielt auch Denis Lavant mit, der in dem Film genau so aussieht wie Robert Gwisdek. Und auch so agiert. Ebenso erkennt jeder, der Robert kennt, ihn in der männlichen Hauptfigur wieder, gespielt vom Schweizer Singer-Songwriter Faber. In dem Film wechselt er flüssig zwischen deutsch und italienisch. Und Roberts Mutter Corinna Harfouch spielt auch mit. Chiara spielt gleich vier oder fünf Mal die gleiche Figur in verschiedenen Facetten, sehr Gwisdek-typisch. 

    Sehe ich Denis Lavant, so denke ich sofort an einen der für mich prägendsten Filme „Mauvais Sang“ von Leos Carax, aus den tiefen Achtzigern. Ein Film, wie es ihn kein zweites Mal gibt, nicht mal von Carax. Er scheint mir überhaupt einige Gemeinsamkeiten mit Robert Gwisdeks Film zu haben. Man müsste die beiden als Double Feature zeigen. Denis Lavant ist heute fast 40 älter als in diesem Film, sieht aus wie ein alter Mann, macht indes allerlei verrückte Sachen, und immer, wenn ich ihn in irgendeinem Film sehe, springt er so jung wie eng und je herum, macht seine Faxen. Denis Lavant und Robert Gwisdek — zwei Brüder im Herzen. Oder im Geiste, je nachdem. Man hätte es sich nicht besser ausdenken können. 

    Und wann immer ich Denis Lavant in einem Film gesehen habe, habe ich hinterher David Bowie im Ohr – „Modern Love“. Jeder, der einmal „Mauvais Sang“ gesehen hat, weiß warum. Eine unvergessliche Sequenz. Noah Baumbach hat den Film auch gesehen und in „Frances Ha“ diese geniale Szene schamlos kopiert, mit seiner damals neuen Partnerin Greta Gerwig als Denis-Lavant-Ersatz. Nichts gegen Noah Baumbauch, aber leider ist „Frances Ha“ nicht so eigensinnig und gelungen wie „Mauvais Sang“. Mich ärgert nur, dass er die Hommage nicht kenntlich gemacht hat. Noah Baumbach hat aber auch bessere Filme gemacht, letztens schaute ich seinen Debütfilm „The Squid and the Whale“. Sehr lustig, Jesse Eisenberg in seiner wohl ersten Filmrolle als Teenie-Alter-Ego von Noah Baumbach zu sehen. Und irritierend zu sehen, dass Baumbach in dem Film in vielen Teilen genau die gleiche Geschichte erzählt wie 15 Jahre später wieder in „Marriage Story“ (nur eben aus anderer Perspektive) – dort spielte dann Adam Driver sein Alter Ego. Die Geschichte wiederholt sich; in „The Squid and the Whale“ erzählt er 2004 von der Trennung seiner Eltern 1986 in Brooklyn, aus der Perspektive des Jugendlichen Noah/Jesse/Walt, in „Marriage Story“ 15 Jahre später dann seine eigene Trennungsgeschichte von Jennifer Jason Leigh, die als „Nicole“ von Scarlett Johannsson verkörpert wird. Die Parallelen sind unübersehbar. Mit den Frauenfiguren tut sich Baumbach in seinen Filmen üblicherweise schwerer als mit den Alter Egos. Laura Linney geht aus „The Squid and the Whale“ allerdings als die stärkste Figur hervor. Erstaunlicherweise, muss man fast sagen. 

  • „Monthly Revelations“ Filmempfehlung: „Das Leere Grab“

    Bei der Berlinale hatte ich als Spielstättenleitung im Haus der Berliner Festspiele die Premierenveranstaltung des Dokumentarfilms „Das leere Grab“ mit anschließendem langen Publikumsgespräch und hochrangigen Gästen aus Politik und Kultur verantwortet, den Film aber nicht gesehen. Nun startet er in den deutschen Kinos, und wir nahmen dies zum Anlass eines „Familienausflugs“, da in der Schule auch gerade das Thema deutsche Kolonialgeschichte durchgenommen wurde, unsere Tochter dafür recherchieren und einen Vortrag oder ein Video abgeben und auch eine Klassenarbeit zum Thema schreiben musste.

    Ich finde es immer wieder von Neuem interessant, dass es hierzulande so üblich ist, dass Otto Normalverbraucher (will sagen: der gemeine Deutsche) gerne über andere urteilt, gerade auch in politischen Fragen – und gerade auch über die Politik und Geschichte anderer Länder. Aber dass die deutsche Kolonialgeschichte erst jetzt, lange im 21. Jahrhundert und sehr langsam aufgearbeitet wird, kann ich immer wieder nur unfassbar finden. (Siehe auch: der im letzten Jahr bei der Berlinale uraufgeführte Spielfilm „Der vermessene Mensch“) Vielleicht weil unser 20. Jahrhundert mit dem Nationalsozialismus und dem Holocaust eine noch drastischere Periode und mit der darauf und daraus folgenden, Jahrzehnte langen Teilung in zwei konkurrierende deutsche Staaten eine Art „Pausemodus“ der Vergangenheitsbewältigung zu bieten hat? 

    Dass in etlichen Museen in Deutschland (selbst in jüngst neu gebauten und eröffneten wie dem „Humboldt Forum“ im neuen alten Berliner Schloss hier in meinem Stadtteil) noch immer, nach 120, 130 Jahren, zehntausende geraubte Kunstwerke und Skelette und Schädel aus Afrika lagern und als Kolonialgewinne ausgestellt werden und noch immer nicht zurückgegeben werden, ist eigentlich beschämend und müsste die deutsche Bevölkerung, die sonst ja so gern über alle möglichen Verfehlungen urteilt, sprachlos machen. Wie würden all jene urteilen, wenn es andersherum wäre? Wie urteilen Deutsche regelmäßig über die Politik und die Menschen und die Geschichte in den Vereinigten Staaten, in England, Russland, China… Ist es nicht frappierend, dass auch die deutsche Politik im Jahr 2024 nicht aktiv diese geraubten Kunstwerke und Toten zurückgibt?

    Man bleibt als Besucher und Zu-Schauer im Kino irgendwie auch machtlos. Der Film berührt in vielerlei Hinsicht, macht abstraktes Wissen um Kolonialgeschichte mittels heute in Deutschland und Tansania lebender Betroffener auf Täter- und Opferseite sehr gegenwärtig und greifbar. Das ist viel. Aber man geht dann raus ins eigene Leben und kann mit dem Gesehenen nichts konkret tun. Außer Betroffenheit zu fühlen. Gleichwohl kann ich diesen Film nicht genug empfehlen, da er einem sonst sehr abstrakten, historischen Geschichtsbuchthema viele sehr gegenwärtige menschliche Gesichter und Emotionen gibt, die und unmittelbar direkt ansprechen.

    DAS LEERE GRAB – ein Film von Agnes Lisa Wegner & Cece Mlay, Deutschland/Tansania 2024, 97 Minuten, Originalfassung in Suaheli, Deutsch und Englisch, teilweise mit deutschen Untertiteln


  • A species on the brink of extinction?

    After going to the cinema, I went to Saturn and came across the album „Prelude to Ecstasy“ by a band called The Last Dinner Party, decided to buy it, without ever having heard anything by this band. The cover photo shows five young women in extravagant clothes on what pretends to be a painting on a wall above a fireplace in an apparently prosperous old living room crammed with candles, flowers and other knickknack.

    There was a two-page article about the album (or the band) in DER SPIEGEL not long ago (headline: „A species on the brink of extinction“), but I hadn’t read it, merely removed it from the magazine and kept it on a pile of articles „to be read sometime in the future“. I came across it earlier today, but still only read the short abstract: „The music year 2024 starts unexpectedly – with a rock band. The Last Dinner Party, five women from London, are the hype of the hour. But why is that?“

    Surprised to find out, months later, that there was supposed to have been a „hype“, seems funny. But also raises questions: Was this „hype“ one of those that only music writers had longed for and simply claimed was going on? Usually, as someone reading a lot about current releases in a variety of international print and web magazines, one notices at least that something like that is going on. I guess I didn’t pay much attention to the release at the time, because I may have had the impression it was just another girl-band à la Goat Girl, Wet Leg (Wet Kiss? Long Leg? What’s that hyped duo called again?), Warpaint or something… Was it possibly just a „hype“ that happened during the first week of February? Normally, something is only considered as such when many magazines write about it and you can’t help at least hearing about it repeatedly over a certain period of time (a few weeks or months or so, like with Floating Points & that late sax Altmeister whose name I can’t think of right now, or with Kamasi Washington, being a „hype“ again with every album he puts out, or with Nils Frahm or Adrianne Lenker). Has anyone around been aware of the „hype“ around The Last Dinner Party? If so, can they briefly enlighten me where (and on what grounds) this hype took place, if it did?

    Looks like the album did get a lot of positive reviews, and I somehow didn’t even notice it. That was probably during the Berlinale, when it passed me by.

    Now I just listened to it. Interesting album. Well-produced retro pop like this is always kind of fashionable (aka „hype“?); particularly in the 2020s, when it’s done by an all-female band. I’ve only listened to it through once so far and was a bit startled at one point wondering „Which album did I actually put on? I don’t even have any ABBA albums…“ (or else: „Is this genuinely an ABBA cover? And if so, why?“)
    Yes, ABBA just always seems to go down well with both the general public and special interest listeners… I’ve never been able to get excited about them. Anyway, interesting album. Very upbeat and charming.

  • Civil War (written and directed by Alex Garland)

    I found Civil War by Alex Garland a very, very good movie. I wouldn’t have expected, or predicted, this, given that Garland’s previous films were certainly very watchable, but his Amazon Prime series Devs didn’t quite work out and turned out to be more and more annoying and so I never finished watching it. Garland’s new movie Civil War is in a quite different league, despite the fact that his previous films were already quite good, not least when it comes to American filmmaking. And I might need to stress that Kirsten Dunst impressed with an Oscar-worthy performance.

    »Contrary to what the trailer might suggest, „Civil War“ is far from being a clumsy dystopian action thriller. Nor can the scenario be read as a commentary on Donald Trump and his authoritarian right-wing politics. As in all his films, Alex Garland explores issues of a both a structural and philosophical nature. In his horror film „Men“, he exposed the mythical dimensions of abusive masculinity; now, in „Civil War“, he is concerned with the politics of images and the journalistic business of war.

    (…) Yet „Civil War“ does not simply leave it at this reflection on journalism. Rather, the film increasingly develops into a biting critique of the hubris of the United States. (…) „Civil War“ is a great, self-confident and intelligent film about the current times.«

    (Translated from German review by Sebastian Seidler.)

    The Hollywood Reporter review, »The Compellingly Packaged Cowardice of ‘Civil War’«, suggests the movie doesn’t really go below the surface, as quite some people have been saying about Garland’s work in general. I feel it is telling that the Hollywood[!] Reporter runs a film review criticising a European filmmaker for not providing enough Hollywood storytelling in his mainstream movie. I certainly can understand a film critic writing, „I would much rather have seen a film by Alex Garland that provides me with answers than one that leaves central points of the film open and for the viewer to find answers“. But maybe it is also quite an American thing to write that like five times in a review.

    Generally, it’s claimed that Germans have a penchant for telling others how things ought to be done right or wrong. But the fact that the reviewer makes a point of writing at least five times in this text that „Why is this happening?“ remains unanswered illustrates a fundamentally divergent understanding: mainstream cinema typically doesn’t leave any big questions hanging, normally offers „safe“ answers to avoid irritating (or challenging) the audience too much, whereas European filmmakers regard this as a quality and at times believe that giving answers and explaining everything is a rather inherent weak point, as viewers will then feel like, „Phew, thankfully the situation on screen is not the same as in my reality, so I don’t need to worry about this issue.“ 

    It’s also something I see increasingly in movie reviews these days , this tendency to literally write, “I would have preferred to see a different movie than the one this director/writer/producer chose to tell” or “a pity they didn’t tell the story the way I think is the right one.” Not saying this film is perfect, I think this aspect is actually a very positive thing about this US mainstream production. And, from what I read, Civil War went to the number one spot in US movie charts. I think Civil War is a really interesting approach to mainstream American filmmaking. I didn’t expect more than his previous films gave me, so I was surprised i found it bolder, more uncompromising and relentless (than those others), but also quite tense and very well directed. Warning: not for the faint of heart!

    Written by Ingo J. Biermann

  • Japanische Meisterklasse

    Gestern gesehen: „Poor Things“, den teils gelobten, teils sehr kritisch betrachteten Film von Yorgos Lanthimos. Hat mich leider nicht besonders gut unterhalten, war mir letztlich viel zu viel knallbuntes Spektakel und Manieriertheit und zu viel der ständigen nervig-manierierten Fischaugenoptik (die mir nicht einleuchtet und stets vom Inhalt ablenkt) für letztlich zu wenig Tiefgang und ganze 140 Minuten Laufzeit. Sehr viele Motive werden angerissen, aber kaum etwas wird wirklich vertieft. Nach 90 Minuten hab ich sogar überlegt, ob ich nach Hause gehen soll, weil’s einfach ein bisschen viel Aufwand war für letztlich wenig, was man „mitnehmen“ konnte. Ich hatte nach anderen Rückmeldungen zumindest erwartet, dass der Film einen gewissen Unterhaltungscharme hätte – was sich bedauerlicherweise niicht eingelöst hat. Willem Dafoes Figur fand ich bemerkenswerter Weise am interessantesten. Ansonsten teile ich die häufig geäußerte Kritik, dass der Film mehr wie ne artsy intellektuelle Männer-Regie-Fantasie daherkommt als dass er wirklich was über die Frauenfigur erzählt, was nicht bereits Mitte der 1960er bereits Buñuel (besonders „Belle de Jour“ wird immer wieder als offenkundige Referenz genannt) und Polanski recht ähnlich zu sagen hatten. Daher: Okay, aber weit vom Geniestreich entfernt. 3 Sterne für Schauspielleistungen und viele Ideen und buntes „Worldbuilding“.

    Heute gesehen: „Evil does not exist“, den neusten Film vom japanischen Oscar-Preisträger Ryu Hamaguchi. Interessant, so im direkten Vergleich, wie Hamaguchi in ca. 100 Minuten mit unfassbar viel weniger Aufwand und „Regie-Mätzchen“ und viel weniger (auch finanziellen) Mitteln letztlich doch mehr in die Tiefe geht und (ebenfalls) viele Themen parallel aufgreifen kann, ohne dass sich dabei das gelangweilte Gefühl einstellt, hier würde einfach mal ein großer Eimer verschiedener Themen ausgekippt.

    Nicht ganz die Meisterklasse von „Drive My Car“ (ist offenkundig auch gar nicht angelegt), aber echt stark, wie Hamaguchis Regie durch ungeheuer klare Entscheidungen und Fokus und einen wachen Blick auf die gegenwärtige Welt mit zugleich souveräner Erzählperspektive auf Japan besticht. Das Publikum war sehr berührt (wie das anschließende Livegespräch in 22 deutschen Kinos zeigte). Ein erstaunlich wagemutiger Film, der erzählerisch auch ein wenig provokant ist und bekräftigt, dass Ryu Hamaguchi einer der besten Regisseure seiner (=meiner) Generation ist. 4,5 Sterne.

    Am Sonntag schau ich mir nochmal „Opus – Ryuichi Sakamoto“ an (ebenfalls 4,5 Sterne). Lohnt ungemein in einem schönen Kinosaal mit sehr gutem Ton. Sehr berührender, sehr einfacher Film, in großartigen Bildern. Eine ungewöhnliche Autobiografie in 20 Stücken von 1978 bis zu Sakamotos letztem Lebensjahr.