Journeys

Der Sommer nähert sich, die Zeit der „beach books“, der Alben, die einst unseren „summer of 24“ definieren werden. Lange habe ich keine „favourite tv shows“ mehr notiert, und so stöberte ich in den letzten 72 Stunden, nach dem Wiederhören eines Rune Grammofon Klassikers, in aktuellen und alten Gedächtnisspuren, auf der Suche nach flüchtigem und andauerndem Glück (trans-medial), den Tiefen mit Flowfaktor 10/10 auf der Spur. Natürlich ist und bleibt das „strictly personal“, doch wird der eine und die andere fündig werden, auch mal den Kopf schütteln, und vielleicht so manchen „lifer“ entdecken. Das hat natürlich auch mit Suche nach verlorener und gewonnener Zeit zu tun, mit der Schallplatte „Chiaroscuro“, und anderen „desert island experiences“. Ich widme diese Liste der „Grossartigkeiten“ unserer Pflegetochter Marjan, die bald mit dem „blauen Pass“ in hundert Länder reisen darf, und mir gestern ein paar Urdu-Passagen übersetzte aus dem neuen Album von Arooj Aftab, das den Texturen der Nacht nachspürt.

Fünf „beach books“ (die man auch anderswo lesen kann):

  1. Katja Eichinger: Das grosse Blau (ein Traum für ein Flowworker Parallellesen)
  2. Andreas Pflüger: Endgültig (besser spät als nie entdeckt)
  3. Rupert Thomson: How To Make A Bomb
  4. Shehan Karunatilaka: Die sieben Monde des Maali Almeida
  5. Ron Rash: Der Friedhofswärter (bin auf Seite 112, bis jetzt klasse!)

Fünf neue „women‘s albums“:

  1. Beth Gibbons: Lives Outgrown *****
  2. Julia Holter: Something In The Room She Moves ****1/2
  3. Jessica Pratt: Here In The Pitch ****
  4. Arroj Aftab: Night Reign ****
  5. Sam Morton: Daffodils and Dirt ****

Fünf Serien der Marke „deep and thrilling“:

  1. John Sugar (one season only)
  2. Shogun (one season only)
  3. Criminal Record (one season only)*
  4. Blue Lights (season 1&2)
  5. Peaky Blinders (the whole journey, six seasons)**

*Criminal Record is unnerving television. A modern-day hard-boiled detective story with intricate plots, the morally ambiguous, and plenty of suspense and intrigue. There’s everything you’d want from a contemporary London-set thriller here…

**We‘re happy to report that we fell hard for Peaky Blinders. However familiar its building blocks, the U.K. gangster drama is positively bursting with irrepressible energy, and it’s proof that, whatever a show’s premise, capable execution is everything. A dance from abyss to abyss. Noir and deep. There is probabyly no lover of Nick Cave‘s musical worlds who doesn‘t fall for this epic journey. P.J. Harvey, Leonard Cohen, Tom Waits, all these usual suspects, are joining the festival of noir. On the last two seasons Anna Calvi delivers. Sometimes haunting and overwhelming, always powerful and affecting, Calvi brings Shelby’s life before our eyes purely with her sound. Impressively, she plays all of the instruments – including ones she was less comfortable with, namely violin, piano and percussion – the results are unforgettable and the rawness is completely intended.

Fünf „journeys into the past“:

  1. American Analog Set: New Drifters (boxset from Numero Group that makes me want to write a long poem of 30 pages.)
  2. Cluster: Zuckerzeit (the eccentric country cousin to the sleek futurism of Kraftwerk’s Autobahn, another 50-year-old.)
  3. Henriksen / Bang / Kleive: Chiaroscuro (a Rune Grammofon classic)
  4. Mal Waldron: The Call (a truly buried ECM treasure from 1971)
  5. Neil Young & Crazy Horse: Fucking Up (wild reimaginings of „Ragged Glory“)

6 Kommentare

  • Martina Weber

    Während ich die CD „East“ von Bill Frisell höre (das wunderbare Doppelalbum „East-West“ ist heute angekommen), hier einer meiner Favoriten von „American Analog Set“: „Through the 90s: Singles/Unreleased“. Es gibt einige Hörproben auf youtube; ich kann jetzt aber keine verlinken, ohne den Flow von „East“ zu unterbrechen.

  • Michael Engelbrecht

    Wie kommst du auf EAST / WEST, ist ja schon eib älteres Doppelalbum von Bill Frisell, ein ganz neues erschien unlängts, ORcHESTRAS. Richard Williams schreibt darüber in THE BLUE MOMENT:

    „The trio is also present throughout his new album, Orchestras, which combines one disc recorded live at two halls in Belgium with the Brussels Philharmonic and another captured at a theatre in Orvieto with the Umbria Jazz Orchestra. Both ensembles are arranged by the great Michael Gibbs, now 86 years years old, who pours all his decades of knowledge and wisdom into providing inspiring settings for the guitarist.“

    Ich habe viele Alben von Bill, erinnere mich aber nicht an EAST WEST , ess nicbts heisst, und kenne auch das neue nicht. Mein erstes LiveErlebnis mkt Bill hatte ich, zur Zeit von LOOKOUT FOR HOPE, genau das Quartett dieses tollen ECM Albums spielte im alten Domicil in Dortmund. Das zweite sah ich, als er Teil der Jan Garbarek Group war in Bochum, long time ago. Bill hat eine sehr verzweigte Discographie….

    Zu American Analog Set und der Box New Drifters: da finden sich auf einer LP auch all die Singles und B Seiten und Rarities…. ich hatte mir zwei Tage im Frühjahr hergenommen und alle fünf Platten in Reihenfolge gehört und lieben gelernt.

  • Martina Weber

    Auf „East/West“ kam ich, weil Ingo neulich bei dem Post von Olaf zum Thema, welche Schallplatten er sucht, geschrieben hat, welche CDs er sucht, und da hat er „East/West“ erwähnt. Du hattest einen Track davon in den Klanghorizonten gespielt, den habe ich wiedererkannt. Ich habe dann über youtube einen Teil von „East/West“ gehört, und war so begeistert, dass ich mir die Doppel-CD gekauft habe.

    Ich habe das mal in meiner Datei mit den Klanghorizontebeschriftungen eingegeben: Frisell. Und gefunden, dass du aus „East/West“, genauer aus „West“ das Stück „Boubacar“ gespielt hast. Damals habe ich die Kassetten noch nicht datiert. Ist sehr lange her. Notiert hatte ich mir ein Zitat von dir, zu diesem Track: „Gefühle und Härte in bester Balance“. Rings a bell?

    Neuerscheinungen sind für mich nicht besonders wichtig. Ich werde mal wieder den alten Klanghorizonteaufnahmen lauschen, über den Kassettenteil meiner Anlage. In der Sendung, in der du „Boubacar“ gespielt hast, hast du auch „All in the golden Afternoon“ von „Friends of Dean Martinez“ gespielt. Das fand ich zauberhaft. Voilà:
    https://www.youtube.com/watch?v=A0rJXOR968c

    The Analog Set: Ich hatte mir „From our living room to yours“ und „The golden band“ gekauft, wobei letzteres mein Favorit ist. Und jetzt freue ich mich auf die unveröffentlichten Tracks aus den 90ern, die bekomme ich nämlich zum Geburtstag.

  • Michael Engelbrecht

    https://www.manafonistas.de/2022/05/03/secret/

    Beautiful Dreamer, ein spannendes Buch über Bill F.

    Other Friselliana:

    https://www.manafonistas.de/2022/03/01/american-dreamer/

    Und zu Unspeakable:

    Tief unten macht sich elektronische Widerborstigkeit bemerkbar, melden sich Samples, lassen Streicher Federn fernab eines Hollywoodhimmels, fetzt ein Bläsertrio zum wohlfeilen Funk. So schleiche ich mich in (und verwandle) lang gefallene Worte von Konrad Heidkamp zu einer meiner drei Lieblingsalben von Bill Frisell, Unspeakable. Irgendwie passt das alles nicht, schreibt er, und macht sich doch ganz großartig. Und der Produzent und kühne Mitspieler dieser Aufnahme aus den frühen Jahren des Jahrhunderts ist nun auch von Corona erledigt worden, der wunderbare Hal Willner. Was hat er alles für Projekte angezettelt, rasch fallen Nino Rota, Kurt Weill und Thelonious Monk ein. Und Mingus auch. Die Besetzungslisten all dieser Genresprenger lasen sich „all-star“-mässig – der Name des „producers“ war das Gütesiegel. Bei Unspeakable steht er an Turntables und den Samples, verleiht den Stücken genau das, was der Titel deklariert, zudem jede Menge allerfeinst abgedrehter Dejavues!

  • radiohoerer

    Einige Anmerkungen zu deiner Liste
    Zu den „neuen woman’s albums“ gehört für mich Keeley Forsyth mit „The Hollow“ hinein.
    Die leider immer noch unterschätzt wird.
    Ebenso wie Nathalie Joachim mit Ki moun ou ye.

    Zu „journeys into the past“ gehört fürt mich Mal Waldron & Steve Lacy: The Mighty Warriors Live In Antwerp dazu.
    Diese werden bei diesem grandiosen Konzert von Reggie Workman & Andrew Cyrille unterstützt.
    Und von Luc Ferrari erscheinen seine kompletten Werke neu und dort sind wir mittlerweile bei Nr. 4 angelangt.

    Mit den Serien kann ich leider nicht mithalten, dazu fehlt mir einfach die Zeit.
    Aber in den letzten Wochen war das Dokfilmfest in München, das es jetzt auch online gibt. Und da konnte man über 100 Filme sehen, von denen es die allermeisten nie ins Fernsehen schaffen. Dafür habe ich gerne meine Zeit genutzt. Eine absolute Empfehlung auch für nächstes Jahr im Mai 2025.

  • Ingo J. Biermann

    Na gut, dann möchte auch mich nicht lumpen lassen und ergänze die „women‘s albums“ um die exzellenten Alben von Kim Gordon („The Collective“)****1/2 und Vera Sola („Peacemaker“)****1/2 – beide ganz oben in meinen Favoriten des laufenden Jahres (und dürften bis Jahresende sicherlich dort bleiben). Für Kim Gordons Berlin-Konzert hab ich mir diesmal (nachdem ich ihre Tour vor zwei Jahren nicht besucht habe) auch sofort ein Ticket gekauft; bei Vera Sola waren wir letztens, in einem sehr kleinen Club stand sie mit ihrer fünfköpfigen, famosen Band auf der Bühne und brachte den vollgepackten Laden zum Kochen. Alle schienen total begeistert, und die Show war weit mehr als die 16 Euro pro Karte Wert. (Ich frage mich, wie man so eine Tour finanzieren kann, mit solchen Eintrittspreisen.)

    Außerdem sehr persönliche Favoriten sind Gianna Nanninis neues Album „Sei nel l’anima“ (sie wird wie Kim Gordon unlängst jetzt auch schon 70). Auch wenn es sicher nicht zu ihren besten zählt, finde ich zwei Drittel der Songs wieder mal (vgl. letztes Album von 2019) sehr stark, auch musikalisch und gesanglich wirklich abwechslungsreich. Natürlich ist das musikalisch eine komplett andere Baustelle als Kim Gordons eher homogenem neuen Album, aber andererseits auch leichter zu hören als die drastisch konfrontative Musik von „The Collective“. Die Konzertkarten sind mir mit 100 Euro allerdings deutlich zu teuer; glücklicherweise hab ich G.N. schon in der Vergangenheit zu weitaus günstigeren Preisen live erlebt.

    Auch sehr gut gefällt mir wieder einmal das neue Album von Waxahatchee (Katie Crutchfield); Konzerttickets sind auch hier bereits seit langem gekauft. Das freudig erwartete Konzert von Grace Cummings letztens fiel leider (wohl aufgrund gesundheitlicher Gründe) aus. Erwartet werden meinerseits aktuell noch die neuen Frauen-Alben von Nia Archives und Fabiana Palladino.

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