Eine andere Wetterscheide
Mir ist klar, warum ich EIGENTLICH keine Liste meiner Alben der Siebziger machen kann, es wären dreihundert Langspielplatten. Und wie viele von ihnen enthielten lessons of life and love, die widerständig blieben, egal, welche Narrheiten über einen kamen. Das war die beste Sozialisation, oder, um es in einer alten Sprache auszudrücken, die beste Schule des Herzens. Und das Herz schlägt links, bingo! Was sonst wählen am kommenden Sonntag ausser Grün, Die Linken, oder SPD. Ich verachte die Leute, die aus eigenem Frust den Gang zur Wahl verweigern und somit die neuen Nazis stärken.
Und, jaja, es ist alles andere als purer Eskapismus, in meinem Plattenregal in einem lang vergangenen Jahrzehnt zu stöbern, und eines dieser ewigen, erschütternden, herzschmelzenden, melodietrunkenen, geschichtsbewussten, umwerfenden Songalben jener wilden Dekade aufzulegen (ich nenne es spasseshalber die Nummer 12 meiner Top 300), zum wievielten hundertsten Male eigentlich!? Da wird auch der Geist von Versailles gestreift, jene Konferenz der Mächtigen, die den Boden mitbereitete für die Schrecken, die dann noch kamen. „Paris 1919“ heisst das unfassbare, unerschöpfliche Album, das erstmal daherkommt wie eine Soft Rock-Platte unserer besten Jahre (kein böses Wort gegen den Zauber von Al Stewarts „Year Of The Cat“, my number 301), und dann, mit der Zeit, alle möglichen Geister und Gespenster zum Tanz bittet. Es ist mir eine dunkle Freude, in diesen Tagen Mark Doyles brandneues Buch über John Cales „Paris 1919“ zu lesen. Hier folge ich den Wegen von John Cales Kindheit in Wales, hin zu seinen Jahren in New York und Los Angeles. Mark Doyle hat zum Glück keine track-to-track analysis im Sinn, denn er kennt das Phänomen, dass bestimmte Alben einen ein Leben lang begleiten, und nicht aufhören, zu überraschen. Fragt mal Jan Reetze!
Und jetzt mache ich doch eine Liste.
My 100 most beloved albums in the 70‘s.