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30 Gene Clark – No Other
Am Vorabend meines 30. Geburtstags gehe ich das erste Mal seit über 10 Jahren ganz einfach ins Bett. Kein Reinfeiern. Es sind nun 2 Kinder da, knapp ein bzw. viereinhalb Jahre alt. Wir wohnen seit einem halben Jahr in Hannover, in einer kleineren Wohnung als vorher in Berlin, zahlen aber etwas mehr Miete.
Mein Studium habe ich eher recht als schlecht abgeschlossen. Für eine Promotion reicht es dann nicht ganz. Und ich habe zwar neugierig studiert, aber die Berufsvorbereitung anderen Dingen untergeordnet. 2003 gibt es ziemlich viele Arbeitslose in Deutschland. Auf einen Magister der Amerikanistik und Geschichte, der noch nie irgendwo ein Praktikum absolviert hat, wartet die Welt in dieser Zeit nicht. Umgekehrt fällt es mir nicht ganz leicht, mich in die Arbeitswelt einzubringen – ich weiß nur bedingt, was meine Stärken und Schwächen eigentlich sind.
So lande ich in einer vom Arbeitsamt gesponsorten Umschulungsmaßnahme zum „Aufnahme- und Produktionsleiter für Film und Fernsehen“. Eine Erfahrung, die mich teilweise voranbringt und mir ein bisschen Zeit verschafft. Zudem werde ich in der Zeit vom Arbeitsamt bezahlt, was mit zwei Kindern im Hause hilfreich ist.
Aber hier geht es ja eigentlich um the music that made me. Ich habe mit 30 die Schnauze voll von der Club und Hip Hop Musik, die bei mir und in meiner Umgebung viel läuft, sehne mich nach weniger grellen Klängen.
Auf Besuch in Berlin, das sich zu der Zeit wie Heimat anfühlt, lese ich am Tag der Abfahrt in der Berliner Zeitung die Besprechung einer Wiederveröffentlichung: „No Other“ von Gene Clark. Alles an der Rezension gefällt mir. Es handele sich um ein verschollenes Meisterwerk einer verlorenen Seele – mit viel Geld aufgenommen, dann aber ohne nennenswerte Werbung veröffentlicht.
Auf dem Weg zum Bahnhof wird also ein Stopp bei Dussmann eingelegt. Es muss schnell gehen. Ich frage nach dem Album. „Müsste da sein, der Chef ist Fan.“ Ich bekomme die letzte CD, wir hetzen weiter zum Bahnhof (ich habe tatsächlich Frau und Kinder mitgeschleppt *kopfschüttel*) und bekommen den Zug in die Metropole an der Leine.
Vor auch schon wieder drei Jahren schrieb ich drüben bei Manafonistas: (No Other) ist nicht so breitbeinig, wie der schwere Titeltrack vermuten läßt, sondern vorsichtig, zurückhaltend, zweifelnd. Und doch von einer klanglichen Opulenz, die ihresgleichen sucht – hier wurde viel Geld ausgegeben, um genau den richtigen Sound zu finden. Die Musik, eine in den 70er Jahren angerührte Melange aus Country, Folk und Soul, berührt den Boden kaum, in den beiden längeren Stücken „Lady of the North“ und „Some Misunderstanding“ kommen mehr Instrumente zu Gehör, als eigentlich im Studio waren. Ein Meisterwerk, das vom Verlust von Träumen, und dem übrig geblieben Schatten, handelt.