• 5 – 10

    Bei Pitchfork gibt es die schöne Reihe „5 – 10 – 15 – 20“ , in der Künstler über die Musik ihres Lebens erzählen und dabei alle 5 Lebensjahre einen Eintrag setzen. Ein ganz passendes Thema für einen Blog Post, auch weil ich die fünfer Reihe seit letztem Jahr einmal durch habe. Also, habt Geduld mit mir, hier kommt die Musik, die mich geprägt hat, immer 10 Jahre auf einmal, sonst kann das ja niemand lesen. (Inspiriert hat mich dazu Stephan Kunze von zensounds, dessen Post sich größtenteils hinter einer Paywall versteckt).

    5 Beatles „Greatest Hits“

    Um ehrlich zu sein habe ich nur wenig Erinnerungen daran, in diesem Alter Musik gehört zu haben, trotz einer 5 Jahre älteren Schwester. Im Auto liefen aber oft Kassetten, obwohl meine Eltern sich auch bei der Musik selten einig waren. Ich erinnere mich daran viel Louis Armstrong gehört zu haben, „Simon & Garfunkel’s Greatest Hits“, aber vor allen erinnere ich eine „Greatest Hits“ Compilation der Beatles – vielleicht hieß die Zusammenstellung auch „Best of“, ich habe sie nicht wieder gefunden. Goldene Schrift auf weißem Hintergrund. Einige Lieder mochte ich besonders: „Penny Lane“, „Yellow Submarine“, „She Loves You“, „I want to hold your Hand“, „Help“ – eher die frühen, scheinbar fröhlichen Songs, zu denen ich auf der Rückbank rumhampeln konnte.

    10 – Trio „Da Da Da“

    Mit 10 hatte ich nun wirklich schon meine ersten eigenen Kassetten. Meine Schwester überredete mich, mir „Let’s Dance“ von David Bowie zu Weihnachten zu wünschen. Das ist natürlich immer noch ein Klasse Album, aber wenn ich ehrlich bin habe ich das damals nicht wirklich oft gehört. Ganz selten kann es auch nicht gewesen sein, ich habe die Abfolge der Lieder immer noch präsent und es war damals ja nicht so viel Musik verfügbar, da musste ich mit dem wenigen auskommen, was ich hatte.

    Ganz toll war es, Lieder aus dem Radio aufzunehmen. Die Leerkassette steckte immer im Tapedeck. Das erste stand ganz nahe am Radio, es wurde also noch aus den Lautsprechern aufgenommen, aber irgendwie hatte ich dann bald eine Kombination aus Kassettenrekorder und Radio, mit der das einfacher ging. Und dann war ich froh, wenn der Moderator die Lieder angekündigt hat und eine kurze Sprechpause vor dem Lied kam. Oft waren auf den Kassetten aber die ersten Töne verschluckt und die Moderatoren sprachen über die Schlussakkorde der Stücke. Egal. Hauptsache Musik.

    Ich war trotzdem glücklich, endlich die aktuellsten Hits der Neuen Deutschen Welle zu haben. Oder Culture Club. Matt Bianco. Paul Young. Und das ganze dann auch noch einmal die Woche bei Formel Eins (unvergessen der Name Kai von Kotze im Abspann) oder der ZDF Hitparade mit Dieter Thomas Heck (der Auftritt von Purzle Schulz mit dem Song „Sehnsucht“ hat mich damals verstört, ich konnte nicht einschlafen).

    Trio waren da natürlich die coolsten in meiner nicht mehr ganz kleinen Kinderwelt. „Da Da Da“ war wirklich sehr seltsame, ungewöhnliche, fremde Musik, die beim Hören einen wohligen Schauer auslöste – ich musste immer wieder unfreiwillig lachen. Und das mit dem Rumhampeln, das ging dazu natürlich auch richtig gut. (tbc)

  • Vorstehende Bühnenkraft

    Diese „vorstehende Bühnenkraft“ war ein gewisser John Lennon, eingestellt als „musician“ von einer „Manfred Weissleder KG“ in Hamburg-Altona. Später erfahren wir anhand des Bon-Buches, dass jener John gern mal einen Weinbrand zu sich nahm, während sein Mitstreiter Paul McCartney Fanta bevorzugte.

    Es ist klar, hier geht es um den „Star-Club“. Es geht um die Frühzeit der Beatles in Hamburgs Rotlichtbezirk St. Pauli, wo sie, wie John zu sagen pflegte, „erwachsen geworden sind“.

    Zunächst aber verrät das Buch des Musikjournalisten und Beatles-Kenners Nicola Bardola und dem langjährigen Betreiber des Rockmuseums im Münchner Olympiaturm, Herbert Hauke, wie sie in den Besitz zweier abgegriffener Leitz-Ordner gekommen sind: Ein anonym bleiben wollender Spender vertraute sie Hauke wie in einem Spionageroman nach vorsichtigen Vorgesprächen bei einem Treff an einer Autobahnraststätte an. Hauke wurde allerdings erst wirklich wach, als er beim oberflächlichen Durchblättern das Logo des Hamburger Star-Clubs entdeckte. Und dann ging es Schlag auf Schlag. Die Ordner enthielten unglaubliche Schätzchen, von Taxiquittungen bis zu Künstlerverträgen, von hingekritzelten Notizzetteln bis zu Briefen an die „Bravo“-Redaktion. Horst Fascher, damals sogenannter „Booker“ und „Manager“ im Star-Club, dem Hauke die Ordner vorlegte, sagte dazu nur: „Steck das mal wieder weg, Junge. Das ist sehr, sehr viel Geld wert.“

    Recht hat er. Und weil dieses gesammelte Material wirklich einmalig ist, gibt es das jetzt als großformatiges Buch. Und es sind nicht nur die Namen, die hier auftauchen, es ist die Perspektive, die den Reiz ausmacht. Natürlich weiß man es im Hinterkopf, aber hier kann man Seite für Seite konkret sehen, wie eine Legende wie der Star-Club hinter den Kulissen funktionierte. Auf der einen Seite steht das oft entfesselte Publikum, auf der anderen Seite existiert für jeden Doppelkorn ein handgeschriebener Buchungsbeleg zuzüglich 10% Bedienungszuschlag und inklusive Steueranteil. Die Weinkarte zeigt Liebfrauenmilch und Kröver Nacktarsch (was sonst), und ich habe sie sofort wiedererkannt, die schmalen Schreibblöcke mit der „Niebuhr“-Reklame, auf denen die Kellner die Bestellungen aufnahmen — ich hatte als Kind wohl ein halbes Dutzend dieser Dinger, die vermutlich mein Vater mal aus seiner Stammkneipe mitgebracht hatte. Mit Stempel und Unterschrift wurden die Taxiquittungen für den Transport der englischen Musiker zum Check durch die Fremdenpolizei (ja, die gab es damals noch) ebenso wie die ausgezahlten Gagen abgerechnet — Bill Haley dürfte mit 17.000 Mark der Rekordhalter sein. Und er trat nicht allein auf: Nicht weniger als elf weitere Bands spielten an dem Abend.

    Star-Club-Boss Manfred Weissleder war äußerst gewissenhaft, was die Buchführung anging, die Gagen, die er zahlte, waren meist fair, er wusste aber auch genau, wo Geld zu holen war. Die Kellner waren „angehalten, auf den Pfennig abzurechnen“ und „sofort zu kassieren“, der Hausfotograf Günter Zint hatte 60 Mark im Monat zu zahlen, weil er einen der Schaukästen im Eingangsbereich nutzte, um seine Fotos zum Kauf anzubieten, und selbst die Toiletten waren vermietet; Frau Andresen hatte dafür 650 Mark im Monat hinzublättern. Und als die Beatles auf dem Hamburger Fischmarkt aus Jux ein lebendiges Schwein gekauft hatten, das sie durch die Straßen St. Paulis jagten, musste schlussendlich Horst Fascher sie vom Polizeirevier abholen — die 750 Mark Strafe zog ihnen Weissleder von der Gage ab. Hätte man dies alles damals schon elektronisch gemacht, wir würden heute nichts mehr davon wissen.

    Wir erfahren auch, was vorher war: Bilder aus dem Liverpooler Cavern Club sind dabei, die Geschichten Pete Bests und Stu Sutcliffs, und nach der Star-Club-Ära geht es weiter bis zur Ordensverleihung durch die Queen. Auch die Fotografin Astrid Kirchherr wird nicht vergessen. Was wir nicht erfahren, ist das nicht so ganz erfreuliche weitere Schicksal Manfred Weissleders, der hier irgendwie verschwindet. Er wurde nur 52. Aber gut, dies ist kein Buch speziell über den Star-Club, sondern über die Beatles. Es ist ein rundum pures Lesevergnügen; auch hält sich der Text angenehm zurück von allzu nostalgischer Anekdotenhaftigkeit. Einziger kleiner Haken: Etliche der gezeigten Faksimiles sind so weit verkleinert, dass man im Grunde eine Lupe braucht, um sie noch lesen zu können, aber die Fülle des präsentierten Materials lässt keine andere Lösung zu.

    Nicola Bardola & Herbert Hauke:
    Vom Bambi-Kino in den Buckingham-Palast
    Unveröffentlichtes, Raritäten und Stories aus der frühen Beatles-Ära
    Verlag Andreas Reiffer, ISBN 978-3-910335-60-8
    240 Seiten, 40 Euro