• The Magic of Byard Lancaster III


    1973. Or was it 1974. Anyway, it was a hot summer day! Uta, Christiane, and me. We had six days in Paris and lived in two quite rotten appartments in Abbèsses. I was looking for a jazz concert that lived up to my expectations of the city of love‘s mythical history, and, by chance, I found a record store with incredible albums: the rarest works of Sun Ra, German hard core Free Jazz from FMP, a Michael Cuscuna label (that would pubilish gems like a duo album of Charlie Haden, the best Sunny Fortune album ever, and a brilliant Dave Liebman longplayer, with a fine version of the Beatles‘ „Within You, Without You“). The whole world in a little store. 

    Of course all the early ECM stuff – and, unknown for my hungry ears, the French label „Palm“ which had its office just around the corner. I had never ever heard of a guy called Byard Lancaster III (who had just released an album on that label parisienne). The manager told me about this black American guy, he described his style, on the sax, on the piano. And he would play that week in a small theatre in „Mouffetard“ (maybe that was the name of the place, or the area). We went there. A French bass player who did a fine job, Steve McCall (i think, it was him, the magician, on drums and percussion) – and Byard Lancaster III. They only played one set, maybe 45 minutes, and I was totally entranced. I had entered the „blow-away-zone“.

    In the time being there, i bought his long player „Us“ which was highly recommended in „le jazz magazine“. Later, when being asked about the best concerts of my life, this evening always popped up. It was free, melodic, soulful, it was running down every road of the avantgarde with blissful nonchalance – not hesitating to dive into some Ray Charles territory with heartfelt singing and piano playing.

    At that time I still didn’t know the books of Julio Cortazar, but it still makes me shiver to think that this guy (who later became one of my favourite writers ever, a man who lived jazz, by the way) had been sitting two or three rows behind me. In the years to come, I played Byard‘s album titled „Us“ incredibly often – and, now, for the first time ever, Souffle Continu will open the archive and bring all of Byard‘s albums for „Palm Records“ back to the world from dusty shelves.

  • my favourite archival stuff from 2024 (1/6)

    All of these 13 „chapters“ contain what I call „healing music“. For all the good reasons. But please don‘t buy them all simultaneously – a slight overdose of magic can have terryfying side effects. Though written with a permanent smile, it’s deadly serious stuff, and a countdown to ecstasy. Chapter 13 is a record I lost at somwhere under my rainbow, and whenever I read the name of its very British secret agent, I missed it, I missed the humour, the extravagance, the charming obliqueness. Finally „Wewantsounds“ saved the album from obscurity. „Dancing The Line“, by Steve Beresford and Anni Marie Beretta. David Toop has joined this fashion party, by the way. Something like Robert Wyatt overtaken by 1980‘s spirit of Roxy Music…

    Chapter 12 on this countdown to Shangrila is NOT the only time travel sheding telling lights on the most adventurous decade of history since the invention of polyphonic singing. Can: Live In Paris 1975. Most of their live appearances were secretly bootlegged, and a challenge for ears adapted to high fidelity, but this concert from Paris came quite close to a decent recordig. And, like „electric Miles“ (remember „Aghartha“!), this heavenly music corporation offered deep trance work in sheer and freeweelin’ abundance. (to be continued)

  • „Lady in the Lake“, and all that noir that matters


    Eine Zeitreise in die Sechziger Jahre hält dieser Roman von Laura Lippman bereit, der im Original „Lady in the Lake“ heisst, und jüngst das erhalten hat, was man eine „kongeniale“ Version für das Serienformat nennt. Eine komplexe Geschichte mit einer guten Portion Politik, Rollenmodelle, Feminismus und Rassismus in den USA der Sechziger Jahre, die nicht unter der Last der vielen zeitgeschichtlichen Themenstränge einbricht. Sprachlich brilliant, greift auch die Verfilmung gerne aus die berühmte Stimme aus dem Off zurück. In diesem Jahr gibt es einige rundum überzeugende TV-Serien zu entdecken, die Kriminaldramen mit hohem „Flowfaktor“ und beachtlicher „Seelentiefe“ erzählen , von „True Detective, season 4“ über „Criminal Record“, „Blue Lights, season 2“, „Presumed Innocent“ und „Under The Bridge“, bis hin zu „Sugar“ und „Lady In The Lake“. Alles zu finden in den einschlägigen Streamingdiensten.

  • my favourite archival stuff 2024 (2/6)

    Es geht um meine 12 Favoriten, was Wiederveröffentlichungen und Archivausgrabungen des Jahres betrifft. Countdown time. Öffnen wir Kapitel 10, number 10, die zwei Zauberworte heissen „Shadow Puppeteer“. Ein kleiner Rückblick zuerst. Es war in der Mitte der Siebziger Jahre, da stand sie mit Frank Perry und einem weiteren Gefährten auf der Bühne im Schlossgarten von Moers, an einem sehr warmen Frühlingstag – ihr Mann, Keith Tippett, war kurzfristig erkrankt, und was da passierte, war reine Magie. Ein, zwei Jahre später erschien ihr berühmtes Album „Sunset Glow“, das auch eine Hommage an den aus dem Fenster gestürzten Robert Wyatt enthielt. Viele halten es, wie Robert selbst, für ein „sister album“ von „Rock Bottom“. Diese „Gruppe von Moers“ wurde übrigens auf einem Album des kleinen englischen Labels „Ogun“ dokumentiert. Wer das Leben als freie Improvisatorin wählt, zählt zum Underground, und gelangt kaum je in die grossen Arenen, die ihr zu Beginn ihrer Karriere zuwinkten, als sie mit einem gewissen Brian Auger, und damals noch als Julie Driscoll, unterwegs war. Das interessierte sie aber nicht sonderlich. Eines ihrer schönsten Alben (und da gibt es einige, die noch entdeckt werden wollen), neben dem „Glühen des Sonnenuntergangs“, war „Shadow Puppeteer“, aus dem Jahre 1999, das Anfang diese Jahres erstmals auf Vinyl herauskam – ein grossartige Pressung nebenbei bemerkt, und ein Doppelalbum ohnegleichen! Auf „Shadow Puppeteer“ spielt und singt sie alles selbst. „Shadow Puppeteer“ ist eine Suite von Kompositionen und Improvisationen, in denen Julies Stimme und verschiedene Instrumente (Windspiele, Tamburin, Mandoline, Daumenklaviere, Zithern und Glocken) auf mehreren Spuren zu hören sind: was für eine Ausdruckskraft, was für eine Fantasie! Wer sich auf die vier Schallplattenseiten einlässt, denkt sehr bald nicht mehr in den dickhäutigen Rastern der Sprache, und begegnet der Verführungskunst des Unaussprechlichen. (wird fortgesetzt mit den Kapiteln 9, 8, 7, auf einen Schlag)

  • Englisches Wetter

    „Alas, said the cloud, what have we here? I believe it’s the world and it’s covered in fear.” Saint Etienne sind clevere Popartisten, aber ein kleiner Nebenjob von Bob Stanley interessiert mich mehr, seine Themenalben, in denen sich die Schräg- und Gefühlslagen  spezieller Zeiten und Zeitgeister in Songs spiegeln.

    So erschien auf Ace Records 2017 ein Album mit dem Titel „English Weather“, die treffliche regengraue Kulisse für eine herbstlich raunende Innenwelt, in der die Zeit für eine Zeit seltsam aus den Gleisen lief und sich Müdigkeit und Ennui breitmachten. Die Sechziger Jahre hatten ihren letzten Rausch ausgeschlafen, die Beatles waren Geschichte, aber noch anderes war aus und vorbei, man schaute auf die Gitarre, den Bauchnabel, die Welt ringsum, sah noch ein paar Feuerchen brennen, wusste, wo man herkam, halbwegs, manche nannten es schon „die wilden Jahre“, allerdings im Memoirenmodus, aber niemand, wirklich niemand wusste so recht, wohin.

    Es war die Zeit, als ich 14 oder 15 war, und wir im Gymnasium Bertold Brechts Gedicht vom „Radwechsel“ interpretierten – darin stellen sich genau die gleichen Fragen. Bob Stanley nennt es den „post-psychedelischen, prä-progressiven Moment“, der eine Weile anhalten sollte. „We’re refugees, walking away from the life that we’ve all known and loved,” so sang es sich Peter Hammill von Van Der Graaf Generator von der Seele. Man sollte sich dieses Album besorgen (ohne im Vorfeld die „tracklist“ zu studieren – „the lesser you know, the deeper you will sink“), wenn man damals schon auf der Welt war und Piratensendern lauschte – oder einfach einer Obsession folgen möchte für Musikarchäologie und fast vergessene Strömungen des 20. Jahrhunderts. Manches gerät episch, manches episodisch, manches ist ein Schmankerl, und manches ein Hammer. Es finden sich orchestrale Balladen, asketisch-akustischer Pop, dekoriert mit Holzbläsern – in einer kurzen, stolpernden, richtungslosen Zeit, bevor klar wurde, dass der Sound der Zeit bald eingenommen werden sollte von Glam, Prog, West-Coast-Sängern und Kokain-Cowboys, die einem den Rat gaben, alles „easy zu nehmen“.

    English Weather klingt, seltsam genug, wie aus einem Guss, Und nahezu alles besitzt hohe Qualität – wir sind, bitteschön, in einem Obskuritätenkabinett, nicht bei den wohlfeilen golden oldies. Wurden viele dieser Songs wirklich nicht bemerkt (ich erkannte gerade mal zwei), oder sind Bob Stanley und Pete Wiggs solche Füchse, dass sie die tollen Lieder fanden auf ansonsten eher durchschnittlichen Alben?

    (Dieses Album ist nun schon ein paar Jahre alt – die jüngste Themenmusik von Mr. Stanley widmet sich den elektronischen Spielarten von „library music“. Dem heissen Sommer von 1976 hat er auch mal eine gelungene Arbeit gewidmet. Jan Reetze erinnert in einem Kommentar zum „langen Blonden mit dem Sommer von 1976“ an einen unwiderstehlichen Song von Arlo Guthrie.)

  • Was so alles aus dem Nichts auftaucht


    Seit Toni mit seiner Lebensgefährtin in diesem Haus in der ostfriesischen Provinz lebt, ist dies sein Musikzimmer, in das er sich vorzugsweise abends zurückzieht, um auf Klangreisen zu gehen. Die „Klanghorizonte“ hört er seit 1993. Seine feine Stereoanlage besticht mit der Transparenz und dem natürlichen Klangbild, die man von Manger-Lautsprechern und einem Klassiker unter den britischen Vollverstärker (Sugden) erwarten kann. Der Blick aus den beiden Fenstern ist ein „Traum von einem Blick“, als Kontrapunkt zu den musikalischen Abenteuern. Ich griff, nach kurzer Sichtung seines „ECM-Regals“, zu Eberhard Webers fantastischer Arbeit „Chorus“ und sank auf Anhieb noch etwas tiefer in den Hörsessel. Schon beim ersten Stück ist man verloren, im besten Sinne: wenn die Melodielinie und die Weberschen Basspulse auf einmal verstummen und einem elektronischen Bordunton Raum geben, bricht aus dem Nichts Jan Garbareks Saxofon hervor, sein Solo nimmt so gefangen wie beim ersten Hören im alten Jahrhundert. Einmal, es ist nur wenige Jahre her, da kam dem Blick nach draussen alles Besänftigende abhanden: die Welt verdunkelte sich für eine kurze Weile. Tonis Frau war auf dem Heimweg, und hatte schon die Ortsgrenze von Ostermoordorf erreicht, da schossen aus allen Richtungen Kastanien auf ihr Auto. Dann flogen Bäume ringsum wie Mikadostächen durch die Luft – wie mit einem Schraubendreher wurden sie aus dem Boden gedreht. Die pure Unheimlichkeit, und ein Riesenglück, dass sie in ihrem kleinen Panda mit dem Leben und Schrecken davonkam. Bei einem köstlichen Apfelstrudel, Tee mit Kluntjes, und der Hündin des Hauses im Hintergrund, einem grossen schwarzen Schnauzer, sassen wir beisammen und erzählten uns Geschichten. Und einige handelten eben von Dingen und Klängen, die aus dem Nichts auftauchen. Wie etwa Freunde zu finden, von denen man gar nicht wusste, dass es sie gibt. Verbundenheiten.

  • Der lange Blonde mit dem Sommer von 1975

    1975, das war das Jahr von „The Köln Concert“, „Blood On The Tracks“, „Another Green World“ und „Tonight‘s The Night“. Wer damals jung war, und nicht stromlinienförmig blöd, lebte mehrere Leben gleichzeitig. Man war ja nicht immer hinter den Horizonten her, Steppenwolf oder ein wenig hoffnungslos. Es gab noch allerlei Spuren in die Kindheit, resonierende Räume zwischen Generationen – auch das gern scharf angegangene „Bürgerliche“ besass diverse Arten von Wehmut. Wir lächelten HIERÜBER, aber verstreute Wahrheiten wurden auch von der leichten Muse verhandelt, vom Froschkönig bis Tarzan und darüber hinaus!

  • impulse on high rotation in the 70‘s (für Toni in Ostermoordorf)


    Sieben Alben von Impulse Records, die ich damals nach Erscheinen kaufte, die mich auf Anhieb begeisterten, wohl am meisten gespielt wurden, und heute noch genauso faszinieren. Das ist keine repräsentative Liste, sondern ein kleines Stück Erinnerungsarbeit mit einem interessanten Ergebnis. 1) Marion Brown: Gechee Recollections 2) Keith Jarrett: Fort Yawuh 3) Marion Brown: Sweet Earth Flying 4) Pharoah Sanders: Thembi 5) John Coltrane: Live In Japan 6) Sam Rivers: Streams 7) Marion Brown: Vista.

  • Der verwandelte Raum


    So sieht der Speiseraum heute aus. Im Retro Design Hotel. Ein Vergleich spricht Bände. Damals, 1962 sah der Raum exakt so aus wie in dem Prospekt im vorigen Beitrag. Ich war heute vor Ort. Kein Mensch an der Rezeption. Ich nahm mir einen Orangensaft aus der Kühlung, legte drei Euro hin, und wandelte in andächtiger Stille durch den verwandelten Raum. Retro ist nicht gleich retro. Soll das Erlebnisarchitektur sein. Ich kam mit meinen Erinnerungen hierhin. Der Widerhall eines alten Märchens. Ein Song aus jenem Jahr. Der Letzte schaltet das Licht aus.

  • Die wundervolle Frau Sonnabend

    Ich hatte die Zahl der Jahre mitbekommen, die der Insulaner schon auf Langeoog verbracht hatte, 76 nämlich, umd so hellwach, fit und beredsam, wie er wirkte, zögerte ich keine Sekunde, der Gesprächsrunde am Ende des Deichs beizutreten. Und so nahmen die Dinge ihren Lauf, und mein alter, von Gaston Bachelard stammender Lieblingssatz aus den „Klanghorizonten“, dass die Räume der Kindheit ihre Dämmerung behalten sollten, wurde hier ein wenig relativiert, aber sei‘s drum. 

    Der Raum meiner ersten Langeooger Ferien mit 7 Jahren (in der  Folge kamen lange Jahre keine dazu, Borkum wurde der Favorit meiner Eltern) hiess nicht Pension Europa oder Westfalen, sondern Haus Westfalen, die „Westfalen 1“ transportierte uns von Esens zum Fähranleger. Tatsächlich hatte ein Geschäftsmann aus Bielefeld das Hotel 1952 gegründet, das heute Design Hotel Retro heisst und in der Abke Jansen-Strasse, rundum restauriert, von zahllosen Häusern umgeben, die es damals noch gar nicht gab. Ja, die lange Strasse konnte der Herr bestätigen, an dem damals, 1962,  fast einsam gelegenen Hotel, auf der ich junger Knirps mit einem einziger Rollertritt und mächtigem Rückenwind bis zum Bäckerladen, dessen lang verschwundenen Namen er auch noch  aus dem Ärmel schüttelte, rauschte.

    Frau Sonnabend war in dem Hotel für alles zuständig, die Gäste, das Essen. Sie war gar nicht sehr gross gewesen, meinte er, aber ich war so klein, dass ich so und so zu ihr aufschaute. Er verwies mich aufs Inselhaus, um alte Quellen ausfindig zu machen. Er fragte seine Frau, wie die Frau Sonnabend mit Vornamen hiess, aber  daran wusste die ebenso sportliche Dame nicht mehr, für sie sei sie „Tante Sonnabend“ gewesen, und nun halt schon lange tot.  

    Der Name, als ich ihn zum ersten Mal hörte, erfüllte mich: sie war es! Der Name war mir schlagartig so präsent wie damals, und für ein kleinen Moment des Erschauerns, sah ich die junge bildschöne Frau Sonnabend, Anfang 30, wie sie letzte Hand anlegte an die Frühstücksgarnitur, die geriffelten Butterstücke!  Ich bedankte mich bei dem Paar und fuhr sofort zu dem alten Kindheitsraum, (nun also ein Retro Hotel). Alles Leben von einst nurmehr Rauch und  Schatten, aber  ich stand auf den Böden einer in die Jahre gekommenen Wirklichkeit, welche ich  drei Wochen mit dieser Frau mit dem vollklingenden Namen geteilt hatte – die  Verliebtheit eines Kindes, die sicher manches übersah, nicht aber ihren stets klugen , sanftmütigen, einnehmenden Blick. Frau Sonnabend, anno 1962, in einem Sommer, in dem die Beatles nicht weit weg von Langeoog im Hamburger Star-Club spielten. Nicht mehr so lang, und ich würde von ihnen hören.