Some lines for Paul Newland
Dreaming of coffee and yesterdays, we landed, songwise, in
troubles being far away, and the valley down below.Then, i took the highway from the city of early years
to Aachen, before the heat reached its peak,all my girls out of house, swimming, walking etc.
i preferred the electric cave, cold water, listening …at first two sides of that wonderful double vinyl LUX –
though always recognizing Eno‘s „writing“, one ambient album
never is like the other: on this one i love the soft
piano notes like silent explosions, amongst everything else.
Then, after more water, and a cup of wood-roasted coffee,
i put on your latest, MUNTJAC, what a „grower“:
getting lost is a gift here, and time the pathfinder!
The singing songs, the ways of walking, the quiet upheaval
of memories of days long gone or just like yesterday.
I will send you my questions soon, Paul, the last two tracks,MUNTJAC and AMBRESBURY BANKS,
have to be the last two tracks,
beautiful ghosts sending secret messages in sound,
all their goodbyes one welcome after the other!“High Five“ – my radio shows in the year 2025
Time to say goodbye. So ist es, und das war die Nachricht für die Tischrunde bei „Robert“: im kommenden Jahr mache ich, wenn alles normal läuft, vier „Klanghorizonte“ am Stück, und zwar im März, Mai, Juli und September. Brian Eno, Steve Tibbetts und Thomas Köner werden zu den geladenenen Gästen zählen, die eine und andere Überraschung ist garantiert! Die „Januarhorizonte“ gestaltet Niklas Wandt, die „Novemberhorizonte“ Thomas Loewner. Das wird die fliessende Staffelübergabe sein. Kein Magazin der „JazzFacts“ mehr anno 25, dafür, vermutlich im November nächsten Jahres, noch ein knapp einstündiges Portrait eines Künstlers / einer Künstlerin nach meiner Wahl.
Meine Farewell-Runden! Würde Steve Tibbetts im Herbst 25 ein neues Album herausbringen, fiele meine Wahl natürlich auf den, von Fall zu Fall, geräuschvollsten Gitarristen aus dem Hause ECM (denken sie nur an „The Fall Of Us All“), denn mit Steve hat alles angefangen im Kölner Rundfunkhaus, im November 1989 – damals hiess das Format noch „Studiozeit“. Ein Kreis schliesst sich, so oder so, und, in alter Cluster-Manier, „sowiesoso“! Nebenbei: meine nächste Ausgabe der „Klanghorizonte“ findet am kommenden Donnerstag, um 21.05 Uhr statt, mit O-Tönen von Shabaka Hutchings und Erik Honoré.
Bevor später die ganze Nacht von diversen „Nighthawks“ gestaltet wurde, waren die stilistisch weltoffenen „Horizonte“ wechselweise eine oder zwei Stunden lang, die genauen Taktungen kann ich nicht mehr aus dem Ärmel schütteln – Toni brachte mir ein paar alte Playlists mit (anbei ein Blatt aus dem Frühling 93, mit Talk Talk, Gavin Bryars, Thomas Köner, Heiner Goebbels u.a.). Früh im September 2024, direkt vor dem Punktfestival von Kristiansand, mache ich ein letzes Mal „Jazz Facts – Neues von der improvisierten Musik“, und im Dezember (ein weiteres Finale), mit Karsten Mützelfeldt und Thomas, den Jahresrückblick über unsere drei Favoriten des Jazzjahres.
Monatliche Offenbarungen (August)
The whole time of a lifetime can find its roots and reflections in the power spots of your favourite forest. Remember your walks, the desire to go there, strolling, dreaming, holding hands, being for yourself. For Paul Newland aka Clevelode it is Epping Forest. In 1972 Leonard Cohen toured Europe and Israel. Closeby, Tony Palmer‘s film crew. This documentary is a true revelation, with its funny and heartbreaking moments. I only had to read the first chapters of Manfred Jelinski’s book to „be there“. A fantastic time travel experience, even for people who haven’t been in the 60’s. When Lou Berney wrote his classic crime novel, „The Long And Faraway Gone“, it was another trip backwards, full of ghosts and false memories. When I talked to him, he told me amongst other stuff of interest, how deeply Bruce Springsteen‘s „Darkness At The Edge Of Town“ helped him to open some gates of perception.
We all have records that kind of elevated us beyond pure excitement, that went so deep as deep can go, haven’t we!? Which come to your mind (just speaking of song albums of the 21st century): maybe „American Head“ from the Flaming Lips? „Lives Outgrown“? „Ys“? „Foreverandevernomore“? A Lana del Rey opus, one by Lucinda Williams, Robert Wyatt, Leonard Cohen or Sufjan Stevens? Damon Albarn‘s „Everyday Robots“? Valentin Silvestrov’s „Silent Songs“ (an archival discovery by ECM, released 2004, but, fair enough, recorded in 1986)? David Sylvian’s „Manafon“? Scott Walker‘s „Bish Bosch“?In her surreal poetry book P.J. Harvey went back to the myths and dreams of her childhood spaces in Dorset – and the book built a central foundation (here we are again) for one of the deepest song cycles of the 21st century. How the days of growing up can be devastating and sadly, missing portals of silver lining, the Apple plus series „Under The Bridge“ definitely is the saddest trip of our monthly recommendations. (Eine nordic noir-Variante mit weitaus mehr „good feel“-Momenten bietet die Serie „Dicte“ auf Arte (Mediathek), mit meiner dänischen Lieblingsschauspielerin Iben Hjelje). After all these „zigzaging“ between men-made heaven and hell, an album like „Future Fashions“ seems to be a perfect release. I swear, it will put a smile on your face.
ALBUM – Clevelode: Muntjac
FILM – Bird On A Wire
PROSE – Manfred Jelinski: Drogen, Sex und gute Laune
TALK – Lou Berney im Interview
POETRY – P.J. Harvey: Orlam
BINGE – Under The Bridge
ARCHIVE – Tomorrow‘s Fashions – Library Electronica 1972 – 1987Mauersprünge und Brötchenholen
Als ich ein Junge war, kannte ich den Dreh, auch in diversen Zukünften keinesfalls den Kontakt zum Kind zu verlieren: wenn du gross bist, mach es wie jetzt, spring auf kleine Mauern am Wegesrand! Tanz die Mauer. Okko, der Gefährte aus Serienträumen, winkte mir von der anderen Strassenseite zu (er kam vom Fuss der blauen Berge). War ich fünf oder sechs, als zum ersten Mal das Glück des Brötchenholens auf mich wartete, nachdem ich aus der Tür im Weissdornweg 9 trat, den kleinen Hügel mit Sandkasten hinter mir liess, in die Grotenbachstrasse einbog, auf dieses und jenes Mäuerchen sprang, und in den Tante-Emma Laden ging? Als dieses Ritual vertrauter wurde, liess ich schon mal kleine Schokoladenstücke und Lakritzschnecken in die Lederhosentasche gleiten. Wieder und wieder begegnete ich dem „old man“ aus dem Neil Young-Song. Anfangs war er ewig weit und einen Erdteil entfernt, später salutierte ich als junger Bursche, noch später zollte ich ihm den Respekt eines alten Hasen. Auch das Geheimnis der ewigen Jugend als brauchbare Illusion lüftete ich mit einem Dutzend kleiner Tricks, und verrate an dieser Stelle einen davon: verdunkle deine elektrische Höhle, höre „Drums and Wires“ von vorne bis hinten, das grossartige Album von XTC! Turn up the volume, and fly high! „Right, the chemistry is right / This boy has reached his height / This feeling just goes on and on, and on and on / From strength to strength …I’m ten feet long…“ Das Abenteuer kann beginnen!
Sunny, Sugar, und Co. (Serientalk)
Du kennst mich also aus dem Guardian, Michael!
Ja, als Serienspezialistin, Lucy, und weniger die Lucy aus dem siebten Himmel mit Diamanten. Manche deiner Besprechungen teile ich völlig, andere weniger. Zum Beispiel schwärmtest du neulich von einer Neuverfilmung eines Agatha Christie-Krimis, aber das war nicht meine Tasse Assam, zu kapriziös und überinszeniert. Wenn wir beide einer Meinung sind, dan folge ich deinen wöchentlichen „recaps“ zu der jeweiligen Serie mit Hochgenuss!
You’re welcome! Sag mir mal deine aktuellen Serienfavoriten!
Mhmmm… Okay. Also, Nummer 1: Sugar. Nummer 2: Criminal Record. Nummer 3: Under The Bridge. Alles Serien, die man hier in Deutschland sehen kann bei Apple oder Disney. Alles Krimnalserien „with a twist“, wie ihr Engländer sagt. Mal ein Hauch Sci-Fi, mal „based on true events“, mal „gritty realism“. Und in meinen Augen durchweg „deep stuff“…
Drei Knaller, keine Frage. Speziell an Sugar teilen sich die Geister. Aber ich war auch sofort „in der Geschichte“. Nun mein Tipp: auf dem Papier sieht diese neue Apple-Serie namens Sunny wie ein perfektes Beispiel für den Mist aus, der üblicherweise in die Sommerprogramme geschaufelt wird. Die Verantwortlichen denken, dass wir draußen im herrlichen Sonnenschein etwas unternehmen, anstatt wie immer verzweifelt nach etwas zu suchen, das uns unterhält. Was ist nur los mit diesen Leuten? Ich wette, es sind dieselben, die bei sommerlichen Dinnerpartys „einen herzhaften Salat“ servieren, statt einer richtigen Mahlzeit, als ob man zwischen Juni und August keinen Körper zu versorgen hätte. Entschuldigung, wo war ich?
Bei Sunny, Lucy!
Ja, genau. Die Zusammenfassung: Eine trauernde Frau im Japan der nahen Zukunft tut sich mit einem Roboter zusammen, um das Geheimnis des Verschwindens von Sohn und Ehemann bei einem scheinbar tödlichen Flugzeugabsturz zu lüften. Oh Gott! Glücklicherweise gewährt uns besagter Gott gelegentlich einen Segen – und die Entfaltung von Sunny ist ein solcher. Der Film beginnt mit Blutspritzern an einer orangefarbenen Wand, als ein Roboter die Menschen im Wohnzimmer um ihn herum niedermacht. Mehr wird nicht verraten. Also, mach mal den Pilotfolgentest, und melde dich.
Aus der Jazzredaktion des Deutschlandfunks (für Jürgen Becker)
Seit 1990 ist das mein regelmässig wiederkehrender Blick auf Köln. Aus den Räumen der Jazzredaktion. Die 17. Etage des Funkhauses. Einmal, früh in meiner Zeit dort, wurde ein DDR-Spion vor meinen Augen abgeführt. Meinem Lieblingslyriker der alten Bundesrepublik begegnete ich im Fahrstuhl, er war dort Hörspielredakteur. Immer wieder bekam ich dort oben grünes Licht für Aufträge, zu Interviews nach München, London, oder Oslo zu reisen. Später durfte ich als verlängerter Arm von Harald Rehmann Konzerte zum Einkauf „klarmachen“, ob beim Punktfestival, Kristiansand, oder zuvor beim Festval Musica Visual de Lanzarote. Unvergesslich all die Erinnerungen an die Konzerte, etwa von Eberhard Weber und David Darling, solo, in den Höhlen von Jameos De Agua oder noch anderen, tiefergelegten Räumen wie dem Boden eines Vulkans, den Brian Eno und Peter Schwalm mit Klängen umspielten (und es wurde eiskalt). Und auch das Punktfestival hatte von Anfang an einen besonderen Zauber. Die Konzerte im Agden Theater, die Live-Remixe (Jon Hassell meets Sidsel Endresen), die Vorträge, die freundschaftlichen Bindungen. Zurück zum Sender: dreissig Jahre lang, immer wieder, in kurzen, später längeren Wochentakten, die Fahrten zum Nachtradio, für die „Klanghorizonte“, von Dortmund, später von Aachen aus, und zurück. Und zwischendrin die schönste Musik, Storytelling, und die kleine Besetzung, nachts, in einem grossen Funkhaus.my three best jazz albums of 2024 (so far (out))
At the end of a year at the Deutschlandfunk, at least for some time now, this is a big question: which three records you wanna choose? You will talk about them, you will defend them, you will sing their praise. So it‘s personal. A love affair of sorts. Some people will buy it and regret it, haha. Beforehand, there‘s another talk to happen: is there enough jazz in them to call them jazz albums, and the degree of improvising may add to the final impact of being seen and listened to as a jazz album. Sometimes the casual appearance of a blown horn may seal the deal. So here they are, after some (hopefully inspired) conversation with myself, my three best albums of this genre, in this year, so far, stretching a bit the limits of jazz (and all that jazz) 1) Shabaka: Perceive Its Beauty, Acknowledge Its Grace. 2) Eric Chenaux: Delights Of My Life. 3) Sidsel Endresen / Jan Bang / Erik Honoré: Punkt Live Remixes, Vol. 2. A friend of mine wrote about the impression this last album left on him, confessing how blown away he is from the track I recently played on air with „that African singer“. I take that as a special sign of approval: did he mean Sidsel or the sample in the back? Nevermind: just listen, it might turn into a delight of your life – to perceive its beauty, and acknowledge its grace.
Das Glück des Brötchenholers (1/3)
„And o‘ my love, I still recall the pleasures that we knew
The rivers and the waterfall, where in I bathed with you
Bewildered by your beauty there, I’d kneel to dry your feet
By such instructions you prepare a man for Boogie Street“(Leonard Cohen)
Es hilft anzunehmen, diese kleine Geschichte in den Achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts anzusiedeln, aber sie ist natürlich zeitlos. Und könnte sich auch morgen früh abspielen. Am Meer, auf dem Festland. Wenn wir miteinder Sex hatten, die Nächte ihrem besonderen Rhythmus folgten, in dem ausgiebiger Schlaf, intensive Träume, ein zweiter Akt, den Ton angaben, gab es immer auch, was wunder, den folgenden Morgen. In der Regel waren wir rauschhaft befriedet, das Vögeln hatte keine schwelenden Konflikte verschleiert, und fast jeder dieser Morgen mit wechselnden oder relativ konstanten Partnern war ein Fest. Ich glaube nicht, dass es Menschen hilft, zu lange im Nachdenken über das eigene Selbst zu verweilen – und warum?! Weil ich im Laufe der Jahre eine Lösung für alles Grübeln über die eigene Identität gefunden habe: das Glück des Brötchenholers. Die Frauen in meinem Leben (und ich spreche nun dezidiert, aus Gründen der literarischen Verdichtung , des „Plotting“, und des Augenzwinkerns von meinem Leben vor dem Millenium) waren zumeist sehr helle im Kopf, vedammt profunde Wesen (die Schönheit noch unverblichen), und wenn wir überhaupt den Sex der Nacht ins Frühstück einfliessen liessen, dann kannten all meine Gegenüber nur drei Wendungen für den Rausch: ficken, vögeln, oder miteinander schlafen. Fast eine Typologie: denn alle blieben einer dieser drei Wendungen treu. Es gab nichts anderes, meine zwei Londonerinnen lasse ich mal aussen vor. Ich tendierte selbst zu „miteinander schlafen“, und wunderte mich über manche meiner Kopfkissenteilerinnen, dass sie es Ficken oder Vögeln nannten. Mir schien das wenig romantisch, aber zugleich machte es mich an, und ich visierte gerne eine weitere Nacht an, und manchmal eine kleine Ewigkeit (Leonard Cohen konnte aus den Zwischenzonen der Exstase grosse Lieder schmieden.) Der entscheidende Faktor jedenfalls, welcher kritische Urteilskraft und pure Sinnlichkeit auf den Punkt brachte, war das Glück des Brötchenholers. Und der war in der Regel nun mal ich. Wenn ich beim Gang zum Bäcker spürte, dass meine Füsse sanft über dem Boden schwebten, wenn ich offen war für eine launigen Wortwechsel mit der Bäckersfrau, und Bilder der vergangenen Nacht unangestrengt den Akt des Brötchenholens begleiteten, war ich in milde Euphorie gehüllt, in schönes Einsssein mit der Welt ringsum, und hatte alle dringlichen Fragen des Lebens pulverisiert. Floating on a moment… Ich achtete auch auf den Strassenverkehr, damit es mit nicht so erging, wie dem Protagonisten in Francois Truffauts letztem Film. Das wurde zur Blaupause, und ein Dauerzustand. Im Glück des Brötchenholers wurde alles Fragen nach dem, was das Ich ausmacht, zu einer heiteren Luftspiegelung. Ich ging komplett im Transportieren der jeweiligen Brötchentüten auf, und so absurd sich das anhören mag, wenn man diese Zeilen laut liest, das ganze Leben wurde pure Gegenwärtigkeit, mein Bewusstsein ein Schwebebalken – zu den besonderen Geschenken, die das Leben bereithält, zählt fraglos das fast unsichtbare Lächeln einer Geliebten beim Rüberreichens des Honigtopfens: „Vögeln wir gleich wieder?“ Das war dann der Moment, da ich zu gerne Brian Enos „Music For Airports“ auflegte, und (wir sind in den Achtzigern) etwas später die Auslaufrille der Schallplatte den Soundtrack unseres Morgenficks begleitete.Klanghorizonte (am fünfundzwanzigsten Juli)
Part 1: DISTANT HORIZONS
Ank Anum: Song of the Motherland (1985)
(with words from Shabaka Hutchings)
A Lily: Saru l-Qamar
Arushi Jain: Delight
Part 2: IN A STATION OF THE METRO
Warrington Runcorn New Town Development Plan: Your Community Hub
OTON (1) – Erik Honoré
Erik Honoré: Triage (Punkt Editions)
OTON (2) – Erik Honoré
Pan American & Kramer: Reverberations Of Non-Stop Traffic on Redding Road
Part 3: EROS NEVER STOPS DREAMING
Beth Gibbons: Lives Outgrown
William Parker & Ellen Christi: Cereal Music
(In memory of) Richard Horowitz: Eros in Arabia (1981)(Richard Horowitz)
If I were to think of the most memorable concert experiences of my life, the performance by Sussan Deyhim and Richard Horowitz at Che-Coo-la-la in Dortmund in 1987 or -88 would be one of them. And not because ithere happened the first interview I ever did with musicians. The two of them were, no rocket science necessary, in deep love, and without any hint of ostentation, their stage performance with BDSM elements offered a captivating sound journey of archaic and contemporary elements. Unforgettable.
„Rock Bottom“ (1974)
Wir hatten uns verabredet, zwei Freunde, und Ingrid U., die Frau, die mich einst bei einem Lagerfeuer mit vielen jungen Hippies und Gitarrengeklampfe, küsste, und es hinterher bereute, weil ich noch nicht reif genug sei, und sie sich nicht wirklich einlassen wolle. Marokko war von zuhause ausgezogen, zwei Strassen weiter, Singerhoffstrasse. Er gab mir ein paar Flugblätter, auf denen stand, dass Robert Wyatt im „Underground“ spielen würde. Wie bitte?! Robert Wyatt?! Ich musste sofort los. Eine riesige Wendeltreppe führte in eine unterirdische Kelleranlage, und ich staunte nicht schlecht, Alan Bangs, Winfrid Trenkler und Klaus Schäfer anzutreffen. – Alan Bangs, okay, Radio, Winfried, okay, Radio… aber wie kommst du hierhin, Klaus? Mein Klassenkamerad vom Max Planck. Ich kannte seine Vorlieben, The Byrds, Leonard Cohen, deshalb wunderte ich mich.
Er lachte nur und sagte, Robert Wyatt und seine Freunde würden ja nicht jedes Mal die Sterne vom Himmel rocken. Soso. Ich ging zu den „Bullaugen“, durch die ich auf eine Art See schauen konnte, von welcher die Musik zu uns herüberströmte. Es störte mich nicht, dass ich die Musiker gar nicht sah, es erklangen Versionen von „Sea Song“ und „Last Straw“, die ich so noch nie gehört hatte. Zwischendurch fragte ich mich, wo der Saxofonist Gary Windo sei. Von Klaus bekam ich noch ein Papier in die Hand gedrückt, mit der „Playlist“. Man würde hier das Album „Rock Bottom“ erarbeiten, hiess es. Ich war wie weggetreten, und erwachte gegen 1.15 Uhr, nach der ersten Traumphase. Das war ein Traum aus dem Jahre 2018, ich machte mir einen Kakao, und schrieb den Traumtext auf. Nichts ausgeschmückt, nichts erfunden. Winfrid Trenkler habe ich übrgens nie persönlich getroffen. Aber ich sah sie schon, die vielen dünnen Fäden auf der Suche nach der alten Zeit….
Ich war noch neunzehn Jahre, als ich „Rock Bottom“ in einem der zwei relevanten Dortmunder Plattenläden stehen sah. Vielleicht war es am offiziellen Erscheinungstag, am 26. Juli 1974, vielleicht etwas später. Neben mir stand ein anderer Musiknarr, etwas füllig, den ich öfter in der „Schallplatte“ sah. Er brachte mich auf den neuesten Stand. Dass Robert Im Jahr zuvor betrunken aus einem hochgelegenen Fenster in London gestürzt war, dass er lange Zeit im Krankenhaus, all das wusste ich aus dem „Melody Maker“, aber völlig unvorbereitet traf mich dieses erste Werk danach. Das blässlich-weisse Cover (nicht unbedingt ein „eye catcher“, Dekaden später tauchte das Album auch mal mit einem farbigen Cover auf). Ich flog bestimmt über die Namen (Gary Windo, Ivor Cutler…). Daheim angekommen, legte ich „Rock Bottom“ sofort auf. Ich war im Himmel, und Robert am „Felsgrund“, am „Nullpunkt“. Ganz nah am Tod, an der Selbstaufgabe. Und er war zurückgekehrt…..
Was er da sang, wie er sang, hauchte, mit der papierdünnen Stimme, umschlang mich. Alle Klänge umrauschten mich. Irgendeiner schrieb in „Sounds“, das wäre halt ein ganz gutes Jazzrockalbum, würde den Stand des Jazzrock in England gut repräseentieren. Was für ein Unsinn. Dieses Album war so, so, so viel mehr. Das ging nicht allein im blidlichen Sinne in tiefste Tiefen. Es dauerte nicht lange, da hatte „Rock Bottom“ sich auf meinem Plattenspieler eingenistet, und bald hatte ich es so oft (und am Stück) gehört wie das fantastische Doppelalbum „Third“ von Soft Machine, mit jener magischen Seite 3, die allein Roberts Song „Moon In June“ gehörte. Ich kehre bis heute zu dem Album zurück, wurde es nie satt. Kann nicht passieren. Seitdem kaufe ich mir so ziemlich jede Platte von und mit Robert Wyatt. Ihn später mit Alfie in London zu treffen, zu wunderbar langen Gesprächen – das waren Sternstunden. Aber nicht im Sinn einer Verehrung, sondern im Sinne einer Verbundenheit. Gegen Ende des letzten Interviews (nach drei Londonreisen „nur“ ein Telefonat) fragte ich ihn nach seiner Version von Federico Lorcas „Cancion Del Julietta“ (aus Comic Opera), einem dunklen Text voller Weltabgeschiedenheit.
„Diese dunklen Träume sind nicht immer nur alptraumhaft, sie öffnen auch eine neue Landschaft aus verstörenden Bildern. Und das macht Lorca oft. Oft sind seine Motive gleichsam unter Wassser angesiedelt, in einem Leben unter der Oberfläche des Ozeans. Tief unten. Das spricht mich sehr an, denn diese Zonen stelle ich mir oft vor, seit der Zeit, in der mein Album „Rock Bottom“ entstand. Mit meinem Geist scheine ich einmal dort gewesen zu sein, auf eine Weise, die ich nicht weiter erklären kann.“
(ein Live-Remix aus alten Mana-Texten, zu dem ich im Hintergrund „Shades of Blue“ von Madlib, und „Second Toughtest of the Infance“ von Underground auflegte. Jaja, 1974…. Jan Reetze veröffentlichte vor Monate seine Liebeserklärung an ein 50 Jahre altes Album, Kraftwerks „Autobahn“. Aus jenem Jahr kämen für mich, sollte mich jemand sponsern, zuallererst folgende zwei Album gewordene „Lebensbegleiter“ in Frage: „Rock Bottom“ und „Taking Tiger Mountain (By Strategy)“. Robert hat auch seinen Auftritt auf Enos zweitem Songalbum – und, falls es jemand nicht weiss, er spielt auch die Pianotöne auf Music For Airports. Erstmals las ich von diesem Ambient – Album etliche Wochen, bevor ich es in die Hände bekam, im „Montanus“ in Würzburg, wo ein Scharfrichter kein gutes Haar an der Platte lies – allerdings konnte er das Teil niedermachen wie er wollte, immerhin erfuhr ich von dem Punkpuristen, dass Mr. Wyatt das Klavier beisteuerte, und da ich schon „Evening Star“ (die sanfte Seite) und „Discreet Music“ liebte, war ich von dem Moment an in fiebriger Erwartung:).