Pablo, Duke, und Ray

Nicht nur Joe Baron war in jungen Jahren ein Jazzsnob, wie er mir mal erzählte, ich auch, gelegentlich. Hungrig nach aufregenden Neuheiten auf ECM, Impulse, und anderen, kleinen „independant labels“ in Europa und Übersee in den Siebziger Jahren, begegneten mir in Plattenläden auch Schallplatten von Pablo Records, dem Unternehmen von Norman Granz. Ich erinnere mich an schön klingende, gediegene Aufnahmen von alten Jazzmusikern, sehr ruhig, sehr traditionell, nie verwegen. Das war nichts für mich. Jüngeren Hörern ging es ähnlich mit den Beatles, die diese Fabelhaften nicht mitbekamen, als sie die Welt eroberten, sondern viel später, in schwärmerischen Rückschauen und Oldieshows. So hatte auch Schmalzlocke Elvis bei mir nie die geringste Verzückung hervorgerufen. Nicht mal hätte ich Lust, die Pablo-Platten des Gitarristen Joe Pass zu hören, ausser als, was weiss ich, „audiophiles Vergnügen“. Das war und wurde nie „meine Musik“, genauso wie Oscar Peterson.

Klar wurde damals von mir der Pablo mit der Wanne ausgeschüttet. In den letzten zehn Jahren nämlich habe ich in dem Werkverzeichnis uralter Labels so manchem Schatz – vergraben oder nicht – freigelegt: meist unbestrittene Klassiker wie „Way Out West“ oder „Midnight Blue“, aber auch anderen „Perlen“ lausche ich gerne mit und ohne Scotch und Candlelight. „This One‘s for Blanton“ ist definitiv meine Lieblingsplatte von Pablo Records, wobei ich mich nie gegen Duke Ellington „gewehrt“ habe. Früh stolperte und staunte ich über die eine oder andere seiner Platten, wie die mit Coltrane, doe mit Mingus, manch uralte knisternde sowie mit dem roten Cover, eine traumhafte Schallaufzeichnung aus der Frühzeit des Mediums. Vor Jahren kam ich an ein sagenhaftes Remaster heran. Und obwohl mich solche Kostümfilme und Glanzformate selten packen, war ich ratzfatz im Kino, als Coppolas „Cotton Club“ anlief. Und nun ist im Mai dieses Jahres, leider sündhaft teuer, diese komplett ausgeruhte, allerfeinste Platte von Duke und Ray rausgekommen. Ein Pablo Remaster.
Zu  „Fragmented Suite for Piano and Bass“ bemerkt Mark Smotroff in „Analog Planet“, dass diese Suite ein Wunder sei: „Ich kann mir gut vorstellen, dass Jerry Garcia (von Grateful Dead) mit den beiden zusammensitzt, denn das Stück beginnt als eine Art repetitiver Vamp, ähnlich wie „Dark Star“ von The Dead. Im Ernst! Und während ich „verrückt“ träume (um einen Ausdruck von  Duke zu benutzen), kann ich auch kantige Spieler wie Fred Frith oder Henry Kaiser hören, die sich dem schrägen Spaß von „Fourth Movement“ anschließen. Und nicht nur das: This One’s for Blanton ist eine so ruhige, intime Aufnahme, dass man an manchen Stellen die Musiker im Studio atmen und sich bewegen hören kann.“ Für Mr. Ellington ist übrigens das ganze Opus die Beschwörung einer anderen fernen Zeit.

Das ist natürlich alles gut so, wie es gewesen ist. Damals ging es um Aufbruch, neue Horizonte, es waren wilde Zeiten, jede Pharoah Sanders Platte, jede ECM Veröffentlichung ganz heisser Scheiss, grosses Abenteuer, und es gab keinen Grund, sich da im grossen Stil vor den Altvorderen zu verneigen. Mit den Jahren wirst du ruhiger, aber wenn das Feuer nicht mehr brennen würde, wäre es schlimm. It is better to burm out than to rust, sang Neil oder so ähnlich, jeder Song „a remix in your head“.

4 Kommentare

  • Norbert Ennen

    Zwei Jazz Weisheiten:

    „Don’t mess with Duke“

    „The path always goes back to Lester Young“

  • flowworker

    Sowieso.

    Das war damals ein Aha-Erlebnis,
    denn durchaus ist es nicht so,
    dass deine Lieblingsmusiker immer
    deinen eigenen Geschmack treffen,
    wenn sie von ihren Lieblingsplatten schwärmen.

    Im Amsterdam Record Shop gegenüber
    dem Dortmunder Hauptbahnhof,
    Sah ich einst das Doppelalbum
    „Get Up With It“ von Miles Davis stehen,
    und griff sofort zum es war brandneu.

    (In dem Laden kaufte ich auch, frisch und
    nagelneu, Keith Jarretts „Köln Concert“, ein
    Rausch. Nicht so viele Jahre später sprach
    Werner Panke von einem anderen Rausch,
    Oder nannte er es „Droge“. Die
    „Sun Bear Concerts“, Keith in Japan, solo,
    10 Platten. Ich bestellte sie bei „jazz by post“,
    sehe mich heute noch, als der Paketbote lieferte,
    mit dr Kiste nach oben rennen. Das war ein
    RAUSCH. Aber hallo.)

    Zurück zu „Get Up With It“.
    Zuhause höte ich die vier Seiten am Stück,
    Und war begeistert, vor allem von dem
    langen, seltsam andersklingenden, „He Loved Him Madly“.
    Wochen darauf las ich im französischen
    „Jazz Magazine“ die Besprechung eines Franzosen,
    der eine Brücke schlagen wollte
    zwischen dem elektrischen Miles, und
    jenen Hörerm, die Miles‘ alter Musik hinterher
    trauern.

    Er schrieb also sinngemäss: Leute, hört
    euch doch bitte „Mayisha“ an, und
    „He Loved Him Madly“, das könnte euch auch
    gefallen, wie E.S.P. und all die Platten
    des zweiten Miles Davis Quintetts.
    Guter Versuch.

    Es vergingen einige Jahre, dann lobpreiste
    Brian Eno diese Hommage an den Duke,
    als Blaupause und Klangideal von „On Land“.
    Ich sprach ihn mal darauf an, und er sagte,
    er liebe es, neben allem anderen, wie die Congas
    oder Bongos, oder was das für Trommelteile waren,
    Aus so unglaublich weiter Ferne klangen, wie 200 Meter
    hinter der Bühne, wie vom Horizont her.

    Zugerne würde ich die Surround Versionen von
    HE LOVED HIM MADLY und ON LAND hören!!!!
    On Land gibt es bei apple als Kopfhörer Surround,
    Das finde ich lange nicht so prickelnd wie
    Als reale quad oder 5:1 Mischung.

    Übrigens liebe ich auch die letzten zwei Aufnahmen
    Des elektrischen Miles. AGHARTA und PANGAEA.
    Da wird gerne gemäkelt, das seien keine toll
    klingenden Aufnahmen, egal, ob von Platte oder CD.
    Da hat aber beim Hören dieser beiden Doppelalben
    die Faszination der Klänge
    stets die Oberhand behalten
    über das analytische Ohr.

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