„Alte Hasen“ stellen grosse Jazzalben der 2020er Jahre vor – „Hanamichi – The Final Studio Recording Vol. 2“ (2025)

In unserer neuen, auf 12 Folgen angelegten Reihe, besprechen Musikkritiker, die viele von uns schon lange kennen, aussergewöhnlliche Jazzalben aus dem ersten Viertel dieses Jahrhunderts.. Es geht dabei nicht um Kanonsierung und eine Best-of-Liste, sondern um besondere Werke, die aus dem endlosen Üblichen, das man auch Mainstream nennen kann, weit herausragen. Nach Nitai Hershkovitz nun also Masabumi Kikuchi, in den Worten eines wahrlich „alten Hasen“. Long may you run! Und, um alle Unklarheiten auszuräumen: ein „alter Hase“ ist man ab dem 40. Lebensjahr! Bei den flowflows sind sowieso nur alte Hasen und Häsinnen. masabumi war ein regelmässiger Gast in meinen Klanghorizonten – hier ein Foto aus einer Radionacht, in der ich in der ersten „Runde“ sein Werk „Black Orpheus“ vorstellte. (m.e.)

In seinem Begleittext zu Masabumi Kikuchis Album „Black Orpheus“, einer Aufnahme des letzten Solokonzerts des japanischen Pianisten, erwähnte Ethan Iverson ein Blatt Papier, das auf dem Klavier lag und die Anweisung enthielt: „Spiele langsamer. Ich klinge besser, wenn ich langsamer spiele.“ Kikuchi nahm sich seinen eigenen Rat zu Herzen. In den Soloauftritten, die in den 20 Jahren vor seinem Tod im Jahr 2015 im Alter von 75 Jahren aufgenommen wurden, verlangsamte sich sein Spiel so sehr, dass der Metabolismus der Musik eine neue Ebene der Existenz zu erreichen schien.

Der endgültige Beweis dafür wurde 2013 in einer Session auf einem alten Steinway D im New Yorker Klavierhaus erbracht, deren erste Früchte vor vier Jahren vom Label Red Hook unter dem Titel Hanamichi veröffentlicht wurden. Nun gibt es eine zweite Ausgabe aus derselben Quelle: Hanamichi, The Final Studio Recording Vol II. Wie sein Vorgänger mischt es unbetitelte improvisierte Stücke mit den Standardmelodien, die er gerne erkundete, in diesem Fall „Manha de Carnaval”, „Alone Together”, „I Loves You, Porgy” und „My Ship”.

Ich habe bereits hier über Black Opheus und hier über den ersten Teil von Hanamichi geschrieben, daher werde ich mich nicht wiederholen. Ich möchte nur sagen, dass diese Version von „Manha de Carnaval“ die ausgereifteste der drei ist, die ich von ihm auf Platte habe (die ersten beiden stammen aus den Jahren 1994 und 2012), und seine Interpretation von „Alone Together“ beleuchtet so wunderschön die emotionalen Konturen der Broadway-Ballade von Arthur Schwartz und Howard Dietz aus dem Jahr 1932, dass sie zu einer definitiven instrumentalen Erkundung wird, die Jo Staffords Gesangsinterpretation von 1945 in nichts nachsteht.

Richard Williams

HIER ein kurzer Moment aus dem Studio, eingefangen von Ingo J. Biermann

Masabumi Kikuchi’s Hanamichi: The Final Studio Recording, Vol II is out now on Red Hook Records: https://www.redhookrecords.com/ The photograph of Kikuchi is by Abby Kikuchi and is borrowed from the booklet accompanying Black Orpheus (ECM).

2 Kommentare

  • Ingo J. Biermann

    Oh, „eingefangen“ habe ich die Bilder (leider) nicht. Ich habe nur, auf Suns Bitte hin, die Fotos zu einem kurzem Clip zusammengefügt. Er hat leider nur wenige Bilder; daher doppelt sich das teils mit dem Clip zum ersten Red-Hook-Album.

    Fotografisch „eingefangen“ habe ich letzte Woche allerdings Suns Vater Myung-Whun Chung beim Dirigieren in der Philharmonie, nach einem Gespräch in der Dirigentengarderobe. Nach 25 Jahren in Berlin erstmals backstage in der Philharmonie; das war schon was.

    Bild 1

    Bild 2

  • Olaf Westfeld

    Sehr schöne Fotos, genau wie die vom Jazzfest!
    Hanamichi mag ich sehr gerne, extrem verdichte Musik. Und „Manha“ ist wirklich ein toller Song! Muss mir die Version mal anhören.

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