Ein seit Jahrzehnten erwartetes Album

Ich hatte mein Fahrrad abgeschlossen und trat ins Café, das ungewöhnlich leer war. Abendlicht fiel auf die Wände. Ab und zu wurden hier Fotos ausgestellt. P war noch nicht da. Die ausgedruckten Texte, die wir besprechen wollten – ein paar Gedichte von ihm, ein paar von mir – hatte ich in einer Tasche dabei. Der große Bildschirm über der Treppe, die zu den Klos herunterführt, war sonst nicht hier. Vielleicht sollten wir woandershin gehen. Ich wollte weder Fußball noch sonst etwas im Hintergrund haben. Ins Bild kam eine Art Arena, ein großes Amphitheater; mit der Antike hatte ich abgeschlossen. Himmel und weite Fläche, ein Nachmittag. Dann bauten sie die Instrumente auf. „Ist das nicht Pink Floyd?“ fragte ich. „Live at Pompeii,“ sagte der Kellner. P traf ein und ich sagte, ich müsse schnell nach Hause und den Videorecorder anstellen. In zehn Minuten sei ich wieder da. Das war meine erste Begegnung mit diesem Konzert, das zu den magischsten der Musikgeschichte gehört: trotzig, aber vor allem maximal lässig aufgeführt ohne Publikum. Die Abmischung zwischen der überirdischen Musik, dem Gesang, Bildern wie aus dem Lateinbuch und dem Lavaspeienden Vulkan. Texte von inhaltlicher Tiefe, und, noch faszinierender, die Passagen, die ohne Worte noch viel mehr ausdrückten, als es Worte und Sätze je könnten, das Mikro vor der Hundeschnauze und eine Art Geheul von David Gilmour am Ende des Tracks „A Saucerful of Secrets“, während er sich sein langes Haar ins Gesicht flattern lässt und ich aufhörte zu atmen, um bloß keine Störung zu verursachen. Ausgerechnet diese Passage hatte ich irgendwann versehentlich überspielt. Deshalb hatte ich mir auch noch die DVD des Konzerts gekauft, The Director’s Cut. Da die Lautsprecher beim Fernseher meine Ansprüche an einen musikalischen Sound nicht erfüllen und ich also eine rein akustische Fassung des Konzerts haben wollte, kaufte ich mir auch noch die Doppel-LP „Pompeii“, musste aber feststellen, dass es sich um eine rein instrumentale Fassung ohne Gesang handelte. Die Enttäuschung war groß. Hatte ich etwas übersehen? Es konnte doch nicht sein, dass es ausgerechnet dieses Konzert nicht als rein akustische Fassung auf einem Tonträger gab. Aus welchen Gründen auch immer: Das Konzert war in rein akustischer Version nicht zu haben. Neulich habe ich bei meinen Recherchen zur Radiosendung über elektronische Musik in Deutschland Dank der Hinweise der Art „aus dieser Rubrik kauften andere Kunden auch folgende Alben“ entdeckt, dass es „Live at Pompeii“ erst seit wenigen Monaten, nämlich seit 2. Mai 2025, erstmals als reines Audioformat zu kaufen gibt, auf Vinyl oder CD. Ein paar Tage zuvor, am 23. April 2025, war der Film in einigen Kinos gelaufen. Die Worte „Live at Pompeii“ habe ich sogar in eins meiner Gedichte aufgenommen; es hat den Titel „Ich wusste nicht mehr, was ausgedacht und was Wirklichkeit war“ und es findet sich inzwischen in meinem Gedichtband „Häuser, komplett aus Licht“: „Live at Pompeii, oder woanders, egal.“ So das Fragment, aus dem Zusammenhang gecuttet.

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