Psychoakustika (1)

Diese Reihe, ganz gleich, ob sie umfänglich wird oder rasch versandet, beginnt möglichweise mit einem Fehler: ist das Wort „Psychoakustika“ korrekt so, nicht die Eigenwilligkeit interessiert mich, allein die Rechtschreibung. Es geht um unsere Erlebnisweisen von Musik. Der erste Teil widmet sich, in aller Kürze, dem Phänomen, dass man manche Musikalben mag, gut findet, ohne dass der letzte Funken überspringt – und dann tut er es doch, und wie! So ein Album ist für mich „Woodland Studios“ von Gillian Welch und David Rawlings (2024). Das die Musik richtig gut ist, spürte ich von Anfang an, aber erst jetzt hat sie mich so tief berührt, getroffen, dass mir bei drei Songs Tränen ihren Weg fanden. Und so höre ich gerade dieses Album wieder und wieder, lese die Texte, versinke in den Gesängen des Duos, ihrem Gitarrenspiel, den kleinen Ideen am Rande – und finde keinen einzigen „filler“, nichts, dass überflüssigerweise noch Teil des Ganzen geworden ist.

„Ein Güterwagen täuscht das Auge. Auf seinen sich drehenden Rädern ist keine Ladung zu sehen, nur die Knochen einer Fracht, die den Himmel einrahmen, durchschossen von Blau. So beginnt das neue Album von Gillian Welch und David Rawlings: mit einem illusorischen Fenster zum Jenseits. „Empty Trainload of Sky“ ist eine akustische Rock’n’Roll-Miniatur, wie sie Welch und Rawlings auf ihrem Meisterwerk Time (the Revelator) aus dem Jahr 2001 perfektioniert und seither bewusst mit zwei Gitarren, zwei Stimmen, Spannung, Anmut und Entschlossenheit erweitert haben. Der Schwung dieses skelettartigen Mystery-Trains trägt Tradition und Unendlichkeit in sich. Ob er nun hohl oder voll ist, nichts oder alles enthält, er rast immer weiter vorwärts.“ (Jen Pelly, NPR)

Es folgt: PA (2) – „Platten, die so grossartig sind, dass man sie nur einmal im Leben hören will // PA (3) – „ Warum Neil Youngs „Talking To The Trees“, das generell verrissen wird, in meinen Ohren ein verdammt gutes Album ist

2 Kommentare

  • flowworker

    Ich spreche hier nicht vom sog. „grower“, wo ein Album mit der Zeit an impact zulegt, sondern von dem Kippeffekten des Hörens, wo man vom „Reinhören“ oder der ersten Begegnung her weiss, dass es natürlich gute Musik ist, aber man lässt das Teil länger liegen, legt es irgendwann noch mal auf, und dann haut es einen um😉 (in anderen Worten, auf einmal berührt dich das jeweilige Album gleichsam existenziell!)

  • Olaf Westfeld

    Das kenne ich sehr gut – Musikalben, die mit etwas Verspätung erst ihre volle Wucht entfalten – hatte ich kürzlich bei „Djanger Bali“ von Tony Scott. Beim ersten Hören ganz nett, zur Seite gestellt, paar Monate nicht gehört – eines Abends wieder aufgelegt und auf einmal war die Musik magisch.
    Gibt auch Alben/Musik, die ich unbedingt gut finden möchte, aber nicht verstehe, und dann wieder und wieder höre, bis es clickt macht. Geht mir immer wieder mit Jazz Alben so, aber so habe ich mir in den frühen 90ern auch Hip Hop erschlossen.

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