„Yr“ (1/10)
Yr ist das zweite Album des amerikanischen Gitarristen und Komponisten Steve Tibbetts, das ursprünglich 1980 beim Independent-Label Frammis Records in Minneapolis veröffentlicht und 1988 von ECM neu aufgelegt wurde. Yr war Steves Eintrittskarte bei ECM. Als Manfred Eicher das Album hörte, lud er Steve T und Marc Anderson nach Oslo ein, um „Northern Song“ aufzunehmen. Die lange Reise begann. Hier eine Einstimmung auf die Klanghorizonte des Deutschalndfunks am 25. September, in der ich u.a. Steve Tibbetts’ Album „Close“ mit einem sehr interessanten Interview vorstelle (Steve ist bekanntlich einer meiner favorisierten Storyteller und „Musikphilosphen“. Downbeat schrieb zur Wiederveröffentlichung von „Ys“ 1988:

Yr kommt zu uns wie ein Artefakt aus einer verlorenen Zivilisation. Es scheint reich an Details und Geschichte zu sein, doch gleichzeitig geheimnisumwittert und von einem Hauch von Exotik umgeben. Tatsächlich ist es das Werk von Steve Tibbetts, einem Multi-Instrumentalisten, der sich wie Don Cherry, Mike Oldfield und Jade Warrior mit globaler Synthese beschäftigt. Wie Oldfield ist auch Tibbetts‘ Musik im Wesentlichen eine Ein-Mann-Produktion, bei der das Aufnahmestudio und das Tonband zu Instrumenten werden, mit denen alle Elemente gemischt und in eine fast mystische Kreation verwandelt werden.
Das rein instrumentale Yr ist Tibbetts‘ zweites selbst produziertes Album und wie das erste ein Traum für Gitarrenfreaks. Tibbetts überlagert akustische und elektrische Instrumente in einer Hendrix-artigen Gedankenwelt der Produktionskunst und kombiniert oft bis zu 20 Gitarren in einem Track. Er schichtet den Klang zu atemberaubenden Gitarrenchören und komplexen Überbauten. Seine Soli sind gewundene, singende Reisen, die sich mit dem Gefühl spiritueller Erleuchtung entwickeln, das man in einem Sopranlauf von Coltrane hören würde. Nachdem er einen überschwänglichen Höhepunkt aufgebaut hat, der fast an die Belastungsgrenze geht, ersetzt er ihn durch eine klagende Akustikgitarrenpassage, die die nächste Reise einleitet.
Obwohl Yr aus acht Stücken besteht, fließen sie alle zu einer einzigen ausgedehnten Komposition zusammen, in der ein Percussion-Ensemble für Kontinuität, Farbe und Antrieb sorgt. Die beiden Tabla-Spieler halten die für indische Musik charakteristische Vorwärtsbewegung aufrecht, Während Marc Anderson eine Vielzahl von Instrumenten spielt, die der berauschenden Atmosphäre von Tibbetts‘ Kompositionen Gestalt und Ambiente verleihen. Der Effekt ist, als würde man einen nebelverhangenen tropischen Fluss hinuntergetragen, der an jeder Biegung einen neuen Anblick offenbart.
Wie schon sein erstes Album ist auch dieses komplett in Eigenregie produziert, einschließlich des geheimnisvollen Cover-Artworks und der Technik. Aber für ein Album, das mehrere Ausdrucksformen zu einem einheitlichen Ganzen verschmelzen lässt, muss man sich nicht entschuldigen. Nur Jade Warrior hat es geschafft, Musik zu machen, die so mitreißend elektrisch ist und gleichzeitig die ursprüngliche Reinheit von akustischer Folk- und internationaler Musik bewahrt. Suchen Sie dieses Album, sonst wird es eher zu einer Reliquie als zu dem lebendigen und pulsierenden Ausdruck, der es ist.
ECM albums: (Yr) – Northern Song – Safe Journey – Exploded View – Big Map Idea – The Fall Of Us All – A Man About A Horse – Natural Causes – Life Of – Close (in lockerer Abfolge eine kleine Retrospektive aller ECM-Alben von Steve Tibbetts, in der Reihenfolge ihrer Entstehung – eine exzellente Anthologie ist auch bei ECM erschienen die Doppel-Cd „Hellbound Train“)
2 Kommentare
Lorenz
Safe Journey hat sich irgendwo kurz versteckt 😉
flowworker
Und ist ratzfatz wieder aufgetaucht.
Es war nach Northern Song mein zweites Tibbetts-Album, nich aus reimej Vinylzeiten!
Morgen oder übermorgen schon wieder im Einsatz bei den Flowworkern😉